Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.06.2023, RV/4100569/2018

Verjährung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Elisabeth Hafner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Ingrid Huber, Feldweg 7, 9241 Wernberg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach (nunmehr Finanzamt Österreich) vom
betreffend Einkommensteuer 2011 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach Durchführung einer Außenprüfung und Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2011 gemäß § 303 Abs. 1 BAO unterzog das Finanzamt mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nicht endbesteuerungsfähige Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von Euro 10.000,00 der Einkommensteuer.

Im BP Bericht, AB Nr. 122014/18, vom , TZ 1, wurde diesbezüglich ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer (BF) im Prüfungszeitraum 2011 für eine private Kapitalanlage (Unternehmer X, V - risikolose Immobiliengeschäfte) Zinsen in Höhe von Euro 10.000,00 zugeflossen seien. Die Besteuerung dieser Zinserträge habe der BF nicht vorgenommen. In der Begründung des im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheides wurde ergänzend ausgeführt, dass die Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO zehn Jahre betrage, soweit eine Abgabe hinterzogen sei.

Der BF bringt vor, dass die Zinserträge nur zu einem geringen Teil ihm zuzurechnen seien. Der BF habe (namentlich genannte) Mitinvestoren gehabt. Die dem BF selbst zuzurechnenden Kapitaleinkünfte würden sich lediglich auf Euro 700 belaufen.

Im Übrigen sei das gegen den BF eingeleitete Finanzstrafverfahren mit Bescheid vom eingestellt worden.

Das Bundesfinanzgericht hielt angesichts des letzteren dem Finanzamt vor, dass es sich bei der Frage, ob eine Abgabe hinterzogen worden sei, um eine Vorfrage handle. Ein rechtskräftiger Schuldspruch im Abgabeverfahren sei demnach nicht erforderlich. Die Einstellung des Finanzstrafverfahrens durch die Finanzstrafbehörde könne jedoch ein Indiz für das Nichtvorliegen einer Abgabenhinterziehung sein.

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen worden seien, setze zudem eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Derartige Feststellungen seien dem Bescheid nicht zu entnehmen (Hinweis auf Ritz, BAO6, Anm. 15 z. § 207 BAO). Das Finanzamt wurde eingeladen, Feststellungen der angesprochenen Art nachzuholen.

Die steuerliche Vertretung wurde seitens des Bundesfinanzgerichtes aufgefordert, den Bescheid betreffend die Einstellung des Finanzstrafverfahren Einstellungsbeschluss zu übermitteln. Dem kam die steuerliche Vertretung nach.

Das Bundesfinanzgericht leitete diesen Beschluss dem Finanzamt am (per E-Mail) weiter.

Danach hielt das Finanzamt - mit Schriftsatz ebenfalls vom - an seiner Ansicht, dass der BF die streitgegenständlichen Zinseinnahmen allein erzielt habe, fest. Die vom BF ins Treffen geführte Splittingvariante sei konstruiert.

Was die Einstellung des Strafverfahrens anlangt, wurde bemerkt, dass der Spruch des diesbezüglichen Beschlusses inhaltlich nicht nachvollzogen werden könne, da entsprechende Dokumentationen des Betrugsamtes fehlten bzw. nicht auffindbar seien. Ob somit das Tatbild des § 33 FinStrG tatsächlich nicht erfüllt worden sei, vermöge das Finanzamt nach wie vor nicht auszuschließen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im vorliegenden Fall wurden seitens des Finanzamtes in Bezug auf die Einkommensteuer für das Jahr 2011 die folgenden nach außen erkennbaren Verfahrensschritte gesetzt:


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Erstbescheid nach Einreichung der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung am
Unterfertigung des Prüfungsauftrages durch den Beschwerdeführer
Niederschrift über die Schlussbesprechung
Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung
Ausfertigung des nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2011

Mit Bescheid vom wurde das gegen den BF wegen der Nichterklärung der eingangs genannten Kapitalerträge wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. des Finanzstrafgesetzes eingeleitete Finanzstrafverfahren mit Bescheid vom des damaligen Finanzamtes Spittal Villach als Finanzstrafbehörde gemäß § 124 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes eingestellt. Begründet wurde dies damit, dass "das fortgesetzte Untersuchungsverfahren ergab, dass der Beschuldigte das ihm vorgeworfene Finanzstrafdelikt nicht begangen hat".

2. Beweiswürdigung

In der obigen Tabelle angeführten Verfahrensschritte sind aktenkundig und unbestritten. Die Feststellungen betreffend die Einstellung des Finanzstrafverfahren und die entsprechende Begründung dafür sind dem Einstellungsbeschluss zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung. Bei der Einkommensteuer beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Soweit die Einkommensteuer hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO).

Die Verjährungsfrist beginnt im Falle des § 207 Abs. 2 BAO. Mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr (§ 209 Abs. 1 BAO).

Bei der zu veranlagenden Einkommensteuer entsteht der Abgabenanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (§ 4 Abs. 1 lit. a Z. 2 BAO).

Legt man die aufgezeigten Grundsätze auf den vorliegenden Beschwerdefall um, so ergibt sich folgendes Bild:

Der Abgabenanspruch für die zu veranlagenden Einkommensteuer für das Jahr 2011 begann mit Ablauf des Kalenderjahres 2011. Mit Erlassung des nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2011 (ausgefertigt am ) wurde eine Unterbrechungshandlung gesetzt. Die allgemeine Verjährungsfrist des § 207 Abs. 1 BAO von fünf Jahren endete somit mit Ablauf des Jahres 2017 (2012, 2013, 2014, 2015, 2016 plus 2017 wegen der im Jahr 2012 gesetzten Unterbrechungshandlung).

Dies bedeutet, dass der Streit gegenständliche Steuerbescheid nur dann hätte erlassen werden dürfen, wenn die Einkommensteuer des Jahres 2011 hinterzogen worden wäre.

Wie bereits unter Punkt I. Verfahrensgang ausgeführt, handelt es sich bei der Frage, ob eine Abgabe hinterzogen worden ist, um eine Vorfrage. Ein rechtskräftiger Schuldspruch im Abgabeverfahren ist nicht erforderlich. Die Einstellung des Finanzstrafverfahrens durch die Finanzstrafbehörde kann jedoch ein Indiz für das Nichtvorliegen einer Abgabenhinterziehung sein.

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen worden sind, setzt zudem eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus (Hinweis auf Ritz, BAO6, Anm. 15 z. § 207 BAO).

Derartige Feststellungen sind weder dem in Beschwerde gezogenen Bescheid, noch dem Bericht über die abgeführte Außenprüfung zu entnehmen. Der zitierte Einstellungsbescheid geht zudem ausdrücklich davon aus, dass der BF das ihm vorgeworfene Finanzstrafdelikte nicht begangen hat. Da auch das Finanzamt diesen Ausführungen nicht entgegenzutreten vermochte, ist der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall waren Sachverhalts- und keine Rechtsfragen zu lösen. Die Revision ist daher nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100569.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at