Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.07.2023, RV/3100229/2023

Rückzahlungsantrag betreffend ein aus (behaupteter) Massegutschrift entstandenes Guthabens iSd § 215 Abs. 4 BAO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens; Abweisung mangels Guthabens, da Verrechnung mit Insolvenzforderungen erfolgte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Dr. Christian Johann Günther Winder, RA_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Sonstiges 2018 Steuernummer Bf_StNr zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am stellte die Beschwerdeführerin (Bf) über ihren damaligen steuerlichen Vertreter einen Antrag gem. § 239 Abs. 1 BAO auf Rückzahlung des zu diesem Zeitpunkt auf dem Abgabenkonto der Bf bestehenden Guthabens iHv € 15.736,71. Zu diesem Zeitpunkt waren Abgabenschulden der Bf iHv insgesamt € 48.641,82 gem. § 231 BAO von der Einbringung ausgesetzt.

Am verfügte die Abgabenbehörde die Wiederaufnahme der Einbringung von gem. § 231 BAO ausgesetzten Abgabenschulden iHv € 15.736,71. Da infolge dieses Vorganges auf dem Abgabenkonto der Bf kein Guthaben mehr bestand, wurde der Rückzahlungsantrag am abgewiesen.

Mangels rechtswirksamer Zustellung wurde diese Erledigung rechtlich nicht existent, weshalb die dagegen am erhobene Beschwerde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ_Erstverf, zurückgewiesen wurde.

Mit Bescheid vom wurde der Rückzahlungsantrag mangels Guthabens iSd § 215 BAO abgewiesen.

2. In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Stellung des Rückzahlungsantrages am unstrittig ein Guthaben auf dem Abgabenkonto der Bf bestanden habe, welches jedoch durch die Aufrechnung mit den gem. § 231 BAO wiederaufgenommenen Konkursforderungen "gelöscht" worden sei. Diese Aufrechnung sei nicht berechtigt.

Das Guthaben sei aus einer Vorsteuerberichtigung entstanden, die durch den Masseverwalter während des aufrechten Insolvenzverfahrens initiiert worden sei. Es handle sich daher um eine Massegutschrift, die, ungeachtet dessen, dass die Gutschrift erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens verbucht worden sei, dem Aufrechnungsverbot des § 20 IO unterliege. Es wäre also allenfalls eine Verrechnung mit Masseforderungen zulässig gewesen, nicht jedoch mit Konkursforderungen. Die Abgabenbehörde irre hier, wenn sie in der Beschwerdevorentscheidung (Anm.: Im Verfahren GZ_Erstverf) ausführt, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kein Aufrechnungsverbot gem. § 20 IO mehr bestehe.

Aufgrund des Vorranges des Insolvenzrechts vor den Verrechnungsregeln der BAO sei das sich aus der genannten Massegutschrift ergebende Guthaben an den vormaligen Masseverwalter auszuzahlen, der es einer Nachtragsverteilung an die Quotengläubiger zuzuführen habe.

Bei der Beurteilung, ob die von der Abgabenbehörde vorgenommene Aufrechnung zu Recht oder zu Unrecht iSd Insolvenzverrechnungsvorschriften erfolgt sei, handle es sich um eine Vorfrage. Allenfalls sei das Auszahlungsverfahren zu unterbrechen und der Abgabenbehörde der Auftrag zu erteilen, den Kontostand in rechtlich richtiger Weise wiederherzustellen, und sodann dem Auszahlungsantrag Folge zu geben.

Die Vorlage der Beschwerde erfolgte antragsgemäß gem. § 262 Abs. 2 lit. a BAO ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung.

II. Sachverhalt

1. Das am über das Vermögen der Bf eröffnete Insolvenzverfahren mit der AZ xxx wurde mit Beschluss des LG Innsbruck vom aufgehoben.

Aus der Umsatzsteuerveranlagung 2013, durchgeführt mit Bescheid vom , ergab sich eine Gutschrift iHv € 57.606,29, aus der, nach Verrechnung mit dem auf dem Abgabenkonto bestehenden Rückstand, mit Nachforderungen aus der Veranlagung der Umsatzsteuer 2014 und 2015 und der Körperschaftsteuer 2015 sowie Säumniszuschlägen, das eingangs genannte Guthaben iHv € 15.736,71 entstand.

Anzumerken ist, dass, wie in der Beschwerde vom im Verfahren GZ_Erstverf ausgeführt wurde, auf Betreiben des Masseverwalters der Bf für das Jahr 2013 Wertberichtigungen von Kundenforderungen der Bf durchgeführt wurden, was zur og. Gutschrift führte. Die Ausführungen in der Beschwerde im gegenständlichen Verfahren, die Gutschrift sei auf eine Vorsteuerkorrektur zurückzuführen, sind insofern irreführend.

2. Zum Zeitpunkt der Stellung des Rückzahlungsantrages am waren auf dem Abgabenkonto der Bf insgesamt € 48.641,82 gem. § 231 BAO als Konkursforderungen iSd § 51 IO ausgesetzt. Durch die Wiederaufnahme der Einbringung eines Teils dieser Konkursforderungen wurde das Guthaben mit diesen verrechnet, weshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Rückzahlungsantrag kein Guthaben iSd § 215 BAO auf dem Abgabenkonto der Bf bestand.

3. Dieser Sachverhalt, der sich aus dem vorgelegten Akteninhalt sowie dem Inhalt des elektronischen Aktes der Bf einschließlich des Abgabenkontos ergibt, ist unstrittig.

III. Rechtslage und Erwägungen

1. Gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 IO sind Masseforderungen ua die Masse treffende Steuern, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Demgegenüber sind gemäß § 51 IO Insolvenzforderungen Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche an den Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehen.

Nach § 19 Abs. 1 IO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht zu werden. Gemäß § 20 Abs. 1 IO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden ist, dh im Abgabenverfahren: Der Abgabengläubiger darf Konkursforderungen nicht mit Massegutschriften aufrechnen.

Auf eine Aufrechnung nach Aufhebung des Konkurses finden die §§ 19 und 20 IO keine Anwendung (Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 20 KO Tz 14). Das Aufrechnungsverbot des § 20 IO beginnt mit der Insolvenzeröffnung und endet mit der rechtskräftigen Aufhebung des Insolvenzverfahrens (Mohr, IO11, § 20 E 10, mit Hinweis auf ).

2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich die Frage nach der Verrechenbarkeit einer Abgabenforderung mit strittigen Gutschriften, insbesondere im Insolvenzverfahren, als Vorfrage für die Entscheidung über das Bestehen eines (rückzahlbaren) Guthabens stellen ( mwN).

Die Beschwerde stützt sich ausschließlich darauf, dass das nach Ansicht der Bf rückzahlbare Guthaben aus einer Massegutschrift entstanden sei, daher die durch die Abgabenbehörde vorgenommene Verrechnung mit Konkursforderungen gegen das Aufrechnungsverbot des § 20 IO verstoße. Da somit bei korrekter Gebarung das Guthaben auf dem Abgabenkonto nach wie vor bestünde, sei dem Rückzahlungsantrag Folge zu geben.

Entgegen der von der Bf vertretenen Ansicht, dass auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Verrechnungsvorschrift des § 20 IO vorrangig vor jener der BAO zu beachten sei, ist jedoch, wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom im Verfahren GZ_Erstverf ausgeführt, § 20 IO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr anzuwenden. Auf die oben zitierte Literatur mit Verweis auf hg. Rechtsprechung wird verwiesen.

Der Frage, ob es sich bei der Gutschrift aus der Umsatzsteuerveranlagung 2013, welche zu dem nach Ansicht der Bf rückzahlbaren Guthaben geführt hat, um eine Masse- oder Konkursgutschrift gehandelt hat, kommt demnach keine Bedeutung zu. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass in der Beschwerde vorgebracht wurde, das rückzahlbare Guthaben sei, da aus einer Massegutschrift entstanden, in weiterer Folge einer Nachtragsverteilung zuzuführen.

3. Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Guthaben sind gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe des § 239 zurückzuzahlen (…), soweit sie nicht gemäß Abs. 1 bis 3 leg. cit. zu verwenden sind.

Gemäß § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat.

Da nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im März 2015 das gegenüber der BAO vorrangige Aufrechnungsverbot des § 20 IO nicht mehr anzuwenden war, hatte die Abgabenbehörde zwingend nach § 215 Abs. 1 BAO vorzugehen und eine Verrechnung des sich aus der Umsatzsteuerveranlagung 2013 ergebenden Guthabens mit offen aushaftenden Abgabenschulden der Bf vorzunehmen. Schon aus diesem Grund handelt es sich bei dem durch die Gutschrift aus der Umsatzsteuerveranlagung 2013 entstandenen Guthaben um kein nachträglich ermitteltes bzw. hervorgekommenes Vermögen der Insolvenzmasse, welches gem. § 138 IO einer Nachtragsverteilung zu unterwerfen wäre.

Da infolge dieser Verrechnung nach § 215 Abs. 1 BAO kein rückzahlbares Guthaben iSd § 215 Abs. 4 BAO auf dem Abgabenkonto der Bf verblieb, war der Rückzahlungsantrag abzuweisen.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage wurde im Beschwerdefall nicht aufgeworfen, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 215 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100229.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at