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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2023, RV/7100644/2023

Keine Nachsicht bei Uneinbringlichkeit der zugrunde liegenden Abgabenschuldigkeiten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Böse & Partner mbB Rechtsanwälte, Seelhorststraße 24, 30175 Hannover, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung eines Nachsichtsansuchens gemäß § 236 BAO,
Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am langte beim ***FA*** ein als Antrag auf Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO gewertetes Schreiben des nunmehrigen Beschwerdeführers ***Bf1*** (in der Folge Bf. genannt) vertreten durch Rechtsanwalt folgenden Inhaltes zur Steuernummer: ***1*** ein:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

unter Überreichung auf mich lautender Vollmacht zeige ich an, dass ich nunmehr die Interessen des Herrn ***Bf1*** vertrete.

Den Aussetzungsbescheid vom hatte mein Mandant von Herrn Kollegen Dr. ***2*** leider nicht erhalten.

In der Sache selbst muss ich daraufhinweisen, dass mein Mandant aufgrund seiner Erkrankung nicht arbeitsfähig ist. Mein Mandant leidet unter den Folgen eines Bandscheibenvorfalls, ferner leidet er unter "Cluster-Kopfschmerzen". Aufgrund der Erkrankung muss mein Mandant in erheblichem Umfange Kortison nehmen, um die Schmerzen zu reduzieren. Aufgrund dieser Tatsache hat sich im Körper meines Mandanten in erheblichem Umfange Flüssigkeit angesammelt. Am hat mein Mandant bei dem zuständigen Amt einen Antrag auf Festsetzung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % gestellt.

Mein Mandant verfügt auch über kein Vermögen. Bzgl. seiner anfallenden Kosten ist meinMandant auf die Hilfe seiner Frau und der Familie angewiesen, da er selbst auch keine Erwerbsunfähigkeitsrente erhält. Er hat keine Einzahlungen in den letzten Jahrzehnten vorgenommen, so dass die Voraussetzungen für eine Rentenzahlung nicht gegeben sind.

Unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse meines Mandanten könnte ich Ihnen allenfalls monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 150,00 € anbieten. Die Familie meines Mandanten wäre aber bereit, hier in einem gewissen Umfang einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, wenn man sich dann auf eine Einmalzahlung verständigen kann und mit dieser Zahlung dann die Forderung insgesamt erledigt ist. Insoweit hat mein Mandant bereits im Familienkreis erfragt, welcher Betrag zur Verfügung gestellt werden könne. Es wurde mitgeteilt, dass allenfalls 20.000,00 € zur Verfügung gestellt werden könnten, wenn damit die Forderung erledigt ist.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände darf ich Sie bitten, mir mitzuteilen, ob man sich auf dieser Basis einigen kann. Dem Finanzamt ***3*** habe ich entsprechend Mitteilung gemacht."

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Mit dem hier gegenständlichen Bescheid vom wies das ***FA*** den Antrag vom um Bewilligung einer Nachsicht in Höhe von € 104.923,65 wird ab und führte zur Begründung aus:

"Die im Ermessen der Abgabenbehörde liegende Entscheidung, ob eine Nachsicht gemäß 236 Bundesabgabenordnung zu bewilligen ist, hat zur Voraussetzung, dass die Einhebung der Abgabenschuldigkeit nach der Lage des Falles unbillig ist. Die Frage der Beurteilung der Unbilligkeit der Einhebung ist somit keine Ermessensentscheidung.

Hinsichtlich dieser Feststellung ist zu unterscheiden zwischen:

Persönlicher Unbilligkeit: Eine persönliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Da die Möglichkeit besteht, den Rückstand in angemessenen Raten zu entrichten, liegt ein solcher Sachverhalt nicht vor.

Sachliche Unbilligkeit: Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendungen des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung kommt.
Jedenfalls muss es, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einer atypischen Belastungswirkung kommen.
Eine Unbilligkeit des Einzelfalles ist nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst erfolgt und wenn die Steuervorschreibung bloß eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage und generell anzuwendender Normen darstellt, die alle Steuerpflichtigen gleichermaßen treffen.

Es wird somit festgestellt, dass in der Einhebung der vom Nachsichtsansuchen betroffenen Abgaben keine Unbilligkeit vorliegt.

Für eine Ermessensentscheidung blieb daher der Abgabenbehörde kein Raum.

Dem Nachsichtsansuchen konnte damit nicht stattgegeben werden."

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Gegen diesen Bescheid über die Abweisung eines Nachsichtsansuchens richtet sich die vorliegende frist- und formgerechte Beschwerde des Bf. vom , in welcher durch den der ausgewiesenen steuerlichen Vertreter wie folgt ausgeführt wird:

"Wie Ihnen bekannt ist, vertrete ich die Interessen des Herrn ***Bf1***. Ich wäre dankbar, wenn in Zukunft die Korrespondenz ausschließlich mit mir geführt wird.

Mein Mandant hat mir Ihr Schreiben vom , bei ihm eingegangen am , übergeben. Der Antrag ist bekanntlich im Namen meines Mandanten von mir gestellt worden.

Sie weisen darauf hin, dass eine persönliche Unbilligkeit dann vorliegen würde, wenn die Existenz meines Mandanten gefährdet bzw. die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass mein Mandant aufgrund seiner Erkrankung nicht arbeiten kann. Ich übersende insoweit das Attest des Herrn Dr. ***4***. Sie können hieraus entnehmen, dass mein Mandant nicht arbeitsfähig ist.

Hieraus folgt, dass die von Ihnen selbst genannten Voraussetzungen gegeben sind. Es ist auch nicht die Möglichkeit gegeben, dass die Rückstände in angemessenen Raten bezahlt werden.

Mein Mandant könnte allenfalls eine monatliche Rate in Höhe von 100,00 € zahlen, da er, wie erwähnt, selbst keine Einkünfte hat."

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde ***FA*** die Beschwerde des Bf. ab und begründete dies wie folgt:

"Eine persönliche Unbilligkeit ist jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte.

Andererseits liegt auch dann, wenn der Abgabepflichtige in der Lage ist, den Lebensunterhalt seiner Angehörigen ausreichend zu sichern, eine Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen nicht vor ().

Gegen den Tatbestand der persönlichen Unbilligkeit spricht außerdem, dass angeboten wurde, den Abgabenrückstand in Raten zu entrichten. Hierzu darf auf die Bestimmungen des § 212 Bundesabgabenordung (BAO) verwiesen werden (gesondertes schriftliches Ansuchen, Darstellung der wirtschaftlichen Lage - Einkommen, Ausgaben, weitere Verbindlichkeiten ...).

Ebenso wird darauf verwiesen, dass bei der Handhabung des Ermessens auch auf das steuerliche Verhalten des Nachsichtswerbers Bedacht zu nehmen ist. Daher stünde einer positiven Ermessensentscheidung entgegen, dass es sich bei den nachzusehenden Abgabenschuldigkeiten um Abgaben handelt, die wegen der Nichtabgabe von Steuererklärungen gem. § 184 Bundesabgabenordung (BAO) im Schätzungswege ermittelt wurden. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom (GZ. RV/7104823/2014) wurden diese Abgabenschuldigkeiten auch bestätigt."

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Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter die Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend wie folgt aus:

"Von Ihrer Seite wird zutreffend darauf hinwiesen, dass persönliche Unbilligkeit dann gegeben sei, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners schlecht ist, so dass eine Existenzgefährdung gegeben ist. Leider haben Sie diesen Umstand bei Ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt.

Zunächst darf ich darauf hinweisen, dass von meiner Seite auch monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 100,00 € vorgeschlagen worden waren. Auch insoweit ist dieser Umstand bei Ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt worden.

Mein Mandant ist immer noch sehr krank und ist nicht ansatzweise in der Lage, aufgrund der Krankheit überhaupt zu arbeiten. Ich verweise insoweit auf die Bestätigung des Herrn Dr. ***4*** vom , die ich in Kopie beifüge. Hieraus können Sie entnehmen, dass mein Mandant vom bis zum , dann vom bis zum und vom bis zum stationär behandelt werden musste. Ferner ergibt sich hieraus, dass mein Mandant unter erheblicher Atemnot leidet und nicht gehfähig ist. Hieraus folgt, dass auch eine Tätigkeit meines Mandanten nicht ansatzweise möglich ist. Unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes wird sich dies auch nicht ansatzweise in der nächsten Zeit grundlegend ändern, so dass eine Existenzgefährdung gegeben ist. Wie bereits mitgeteilt, hat mein Mandant auch ansonsten keine Ersparnisse, von denen er irgendwelche weiteren Beträge an das Finanzamt zahlen kann, so dass die Voraussetzungen für den Erlass, zumindest für die Einräumung einer entsprechenden monatlichen Ratenzahlung, gegeben sind. Es liegt eine persönliche Unbilligkeit vor."

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Mit Vorhalt vom wurde dem Bf. ein Fragebogen zur Erhebung der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse zugesagt, welche mit Schriftsatz vom beantwortet wurde.

Aus der Beantwortung dieses Vorhaltes ergibt sich, dass der Bf. derzeit Krankengeld in Höhe von € 500,00 monatlich bezieht und mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann. Der laufende Lebensunterhalt wird darüber hinaus von seiner Ehegattin getragen. An Aktivvermögen werden zwei fremdfinanzierte PKW'S älterer Baujahre im Gesamtwert von ca. € 9.000,00 genannt, den Verbindlichkeiten bei Freunden (ca. € 9.500,00) und Kreditverbindlichkeiten (ca.€ 8.000,00) gegenüberstehen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Mit der gegenständlichen Beschwerde bringt der Bf. unwiderlegt vor, einkommens-und vermögenslos sowie auch bei schlechten Gesundheitszustand arbeitsunfähig zu sein. Gering angebotene Ratenzahlungen (€ 100,00 monatlich) könne er nur mit Unterstützung seiner Familie, welche auch für seinen Lebensunterhalt sorge, leisten.

Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe kann nach der Lage des Falles eine persönliche oder sachliche sein. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss eine Unbilligkeit "im Einzelfall" vorliegen.

Die persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabenschuldners. Sie ist jedenfalls dann gegeben, wenn durch die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet ist. Auch bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und dem im Bereich des (der) Abgabepflichtigen entstehenden Nachteile kann persönliche Unbilligkeit gegeben sein.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch eine persönliche Unbilligkeit dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts ändern würde (vgl. z.B. ; ).

Bei den derzeit gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (monatliches Krankengeld iHv € 500,00, Lebenshaltungskosten werden hauptsächlich von der Gattin getragen, Aktivvermögen in Form von zwei PKW's iHv ca. € 9.000,00, Gesamtverbindlichkeiten iHv ca. € 17.500,00) ist von einer Uneinbringlichkeit der nachsichtsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten iHv € 104.923,65 auszugehen.

Ist die Abgabenschuld tatsächlich nicht einbringlich, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine persönliche Unbilligkeit (Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung) im Sinne des § 236 BAO gegeben ().

Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliegt, ist keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (; , 94/13/0047, 0049, 0050).

Aus dem Beschwerdevorbringen des Bf. ergibt sich - wie ausgeführt - eindeutig, dass bei der gegebenen wirtschaftlichen Situation und bei seinem eingeschränkten Gesundheitszustand von einer Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten auszugehen ist. Eine Abgabennachsicht könnte an der Existenzgefährdung des Bf. bei gegebener Einkommenssituation unter Einbeziehung seines Gesundheitszustandes nichts ändern.

Eine persönliche Unbilligkeit in der Einbringung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten ist daher nicht gegeben, eine sachliche Unbilligkeit wurde von vornherein nicht behauptet.

Da eine Unbilligkeit in der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht gegeben ist, bestand für die Ausübung des Ermessens kein Raum. Nur bei Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (; , 2004/16/0151; , 2006/15/0259).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis beruht auf der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und hatte die Beurteilung der Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO im Einzelfall und somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100644.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at