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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.05.2023, RV/7400028/2023

Haftung des Geschäftsführers für Kommunalsteuern und Dienstgeberabgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache Rechtsanwältin ***MV*** als Masseverwalterin des ***Bf1***, ***Adr.MV***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, vom betreffend Haftung gemäß § 6a des Kommunalsteuergesetzes und § 6a des Dienstgeberabgabegesetzes, MA 6/ARL-***XXXX***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf € 3.307,92 (anstatt bisher € 3.340,97) eingeschränkt, die sich auf folgende Abgabenschuldigkeiten aufgliedert:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in Euro
Kommunalsteuer
2019
235,66
Kommunalsteuer
2020
3.000,97
Dienstgeberabgabe
2019
71,29
Summe:
3.307,92

Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am ***Datum1*** wurde durch das Handelsgericht Wien zum Aktenzeichen ***1*** über das Vermögen des ***Bf1*** ein Konkursverfahren eröffnet und Rechtsanwältin ***MV*** zur Masseverwalterin bestellt.

Mit Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom wurde Frau ***MV*** als gerichtlich bestellte Masseverwalterin im Vermögen des Herrn ***Bf1*** gemäß § 6a des Kommunalsteuergesetzes 1993 - KommStG 1993, BGBl. Nr. 819/1993, in der derzeit geltenden Fassung, für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der ***XY*** GmbH in Liqu. in der Höhe von 3.268,97 Euro für den Zeitraum Jänner 2019 bis Dezember 2020, sowie gemäß § 6a des Dienstgeberabgabegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 17/1970, in der derzeit geltenden Fassung, für den Rückstand an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der genannten GmbH in der Höhe von 72,00 Euro für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2020 haftbar gemacht und aufgefordert, die Rückstände nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu entrichten.

Zur Begründung wurde ausgeführt:

"Gemäß § 6a Abs. 1 des zitierten Kommunalsteuergesetzes haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, in der derzeit geltenden Fassung, bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Nach § 6a Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Mit Generalversammlungsbeschluss vom ***Datum2** wurde die Primärschuldnerin aufgelöst. Herr ***Bf1*** wurde als Liquidator eingesetzt. Die Zahlungen der selbst erklärten Beträge an Kommunalsteuer für 2019 und 2020 sowie der Dienstgeberabgabe für 2019 sind nicht erfolgt. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung ist durch die Auflösung der Gesellschaft und die fehlende Zahlungsbereitschaft der Abgabenbeträge der Primärschuldnerin, vertreten durch Herrn ***Bf1***, sowohl in der Funktion als Geschäftsführer von 2019 bis März 2022 als auch als Liquidator ab April 2022, jedenfalls erfüllt.

Herr ***Bf1*** war bis März 2022 im Firmenbuch als Geschäftsführer und ist seit April 2022 als Liquidator der oben angeführten Gesellschaft eingetragen und hat weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen.

Er hat somit die ihm als Geschäftsführer und Liquidator der im Spruch genannten Gesellschaft auferlegten Pflichten verletzt und ist daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann. Die Geltendmachung der Haftung entspricht auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf besteht, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könnte.

Die Geltendmachung der Haftung des Gemeinschuldners für Abgabenschuldigkeiten gemäß § 6a KommStG 1993 und § 6a des Dienstgeberabgabegesetzes betrifft die Konkursmasse. Da dem Gemeinschuldner zufolge Gerichtsbeschluss in den die Masse betreffenden Angelegenheiten gemäß den Bestimmungen der Insolvenzordnung die Verfügungsfähigkeit entzogen ist, ist ausschließlich der Masseverwalter als Partei zu behandeln, sodass der Haftungsbescheid an Ihn zu richten ist (vgl. Zl. 89/15/0058, und vom , Zl. 90/13/0298).

Der Rückstand setzt sich laut Abgabenkonto wie folgt zusammen:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in Euro
Kommunalsteuer
2019
238,01
Kommunalsteuer
2020
3.030,96
Dienstgeberabgabe
2019
72,00
Summe:
3.340,97

In der gegen diesen Haftungsbescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde brachte die MV vor, dass der Schuldner ***Bf1*** erst ab ***Datum3*** als selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer bzw. seit ***Datum2** als vertretungsbefugter Liquidator der ***XY*** GmbH in Liquidation fungiert habe. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum4** sei zur GZ. ***2*** das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***XY*** GmbH in Liquidation eröffnet worden. Die materielle Insolvenz der GmbH sei bereits bei Übernahme der Geschäftsführung eingetreten gewesen. Der Schuldner habe nach seinen Angaben noch versucht, eine Lösung mit Hilfe von dritter Seite zu finden und habe hierzu intensive Gespräche mit den Gläubigern geführt. Dienstnehmer seien zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gemeldet gewesen. Gegen die Haftung werde fehlendes Verschulden des Schuldners eingewendet.

Es werde beantragt, den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

Am erging folgender Vorhalt an die MV:

"In Ihrer Beschwerde vom bringen Sie fehlendes Verschulden des Herrn ***Bf1*** vor, da die materielle Insolvenz bei Übernahme der Geschäftsführung bereits eingetreten gewesen sei und keine Dienstnehmer mehr gemeldet waren.

Dazu werden Sie ersucht, bekannt zu geben, bis zu welchem Zeitpunkt die Gehälter bezahlt wurden. Weiters werden Sie um Vorlage der Abschlussbilanz der gegenständlichen Gesellschaft ersucht und um Bekanntgabe, wie die Aktiva durch den Liquidator auf die Gläubiger aufgeteilt wurden.

Es wird Ihnen gemäß § 183 Abs. 4 BAO Gelegenheit gegeben, den vorliegenden Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen und sich innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens dazu zu äußern."

Im diesbezüglichen Antwortschreiben vom teilte die MV mit, dass sie als Insolvenzverwalterin über keine Informationen oder Unterlagen verfüge, um die gewünschten Auskünfte zu erteilen bzw. die gewünschten Unterlagen vorlegen zu können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Nach Zitierung des § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes, des § 6a Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes sowie des § 80 Abs. 1 BAO wurde ausgeführt:

"Voraussetzungen für die Haftung sind also:

Eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.

Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestehen, steht nach der Aktenlage fest.

Weiters steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer ***Bf1*** als Geschäftsführer der Gesellschaft zu dem im § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehört.

Ferner wird nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft erschwert einbringlich sind.

Es ist ferner Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich war, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun hat, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden kann, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist.

Frau ***MV*** brachte im Wesentlichen vor, der Schuldner ***Bf1*** habe erst ab ***Datum3*** als selbständig vetretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer bzw. seit ***Datum2** als selbständig vetretungsbefugter Liquidator der ***XY*** GmbH in Liquidation fungiert. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***Datum4** zur ***2*** sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***XY*** GmbH in Liquidation eröffnet worden. Die materielle Insolvenz der ***XY*** GmbH wäre bereits bei Übernahme der Geschäftsführung eingetreten; der Schuldner hätte versucht nach seinen Angaben noch eine Lösung mit Hilfe von dritter Seite zu finden und führte hierzu intensive Gespräche mit den Gläubigern. Dienstnehmer wären zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gemeldet gewesen.

Dazu wird Folgendes festgestellt:

Die Liquidatoren haben nach § 149 HGB die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Der Liquidator der GmbH war demnach zur Abdeckung der Abgabenverbindlichkeiten verpflichtet, bei Fehlen sonstiger Forderungen und Vermögens, noch ausständige Stammeinlagen einzufordern und für die Begleichung der Forderungen der Gläubiger zu verwenden.(VwGH Zl. 2000/16/0601 v. u. 2000/15/0128 v.).

Mit Parteiengehör vom wurde Frau ***MV*** als Masseverwalterin im Vermögen des Herrn ***Bf1*** aufgefordert, bekannt zu geben, bis zu welchem Zeitpunkt die Gehälter bezahlt wurden. Weiters wurde um Vorlage der Abschlussbilanz der gegenständlichen Gesellschaft und um Bekanntgabe ersucht, wie die Aktiva durch den Liquidator auf die Gläubiger aufgeteilt wurden.

Mit Schreiben vom wurde von Frau ***MV*** schriftlich bekannt gegeben, dass Sie keine der geforderten Nachweise erbringen kann.

Der Beschwerdeführer ***Bf1*** hat in seiner Beschwerde somit nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war.

Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Der Beschwerdeführer hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum unter Berücksichtigung aller Gläubiger und Aktiva fristgerecht entrichtet wird.

Auf Grund dieser Tatsachen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Dagegen brachte die MV mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein und verwies zur Begründung auf die Ausführungen der Beschwerde vom .

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Rechtsgrundlagen:

a) Kommunalsteuer:

Gemäß § 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 (KommStG) unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.

Gemäß § 9 KommStG 1993 beträgt die Steuer 3% der Bemessungsgrundlage. Übersteigt bei einem Unternehmen die Bemessungsgrundlage im Kalendermonat nicht 1.460 Euro, wird von ihr 1.095 Euro abgezogen.

Die Steuerschuld entsteht gemäß § 11 Abs. 1 KommStG mit Ablauf des Kalendermonats, in dem u.a Lohnzahlungen gewährt worden sind.

Gemäß § 11 Abs. 2 KommStG 1993 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

b) Dienstgeberabgabe

Gemäß § 5 DGAG beträgt die Abgabe für jeden Dienstnehmer und für jede angefangene Woche eines bestehenden Dienstverhältnisses 2 Euro.

Gemäß § 6 Abs. 1 DGAG hat der Abgabepflichtige bis zum 15. Tag jedes Monats die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten.

c) Geltendmachung von Haftungen

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a KommStG 1993 neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs.2 BAO gilt sinngemäß.

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz (DGAG) neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Haftungsvoraussetzungen:

Voraussetzungen für die Geltendmachung der Haftung sind:

1) Abgabenforderung gegen die vertretene Gesellschaft,

2.) eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderungen

3.) Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter der Gesellschaft

4.) die abgabenrechtliche Pflichtverletzung und das Verschulden des Geschäftsführers an der Pflichtverletzung

5.) Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringlichkeit

Dazu im Einzelnen:

1) Abgabenforderung gegen die vertretene Gesellschaft

Im gegenständlichen Fall ist das Bestehen der Abgabenforderungen bei der ***XY*** GmbH in Liqu. unbestritten.

2.) erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderungen

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum4** wurde über das Vermögen der ***XY*** GmbH in Liqu. der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss des Gerichtes vom ***Datum5*** nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben wurde. Die Konkursquote betrug 0,989452%. Der die Konkursquote übersteigende Betrag ist somit uneinbringlich.

Der Beschwerde wird daher teilweise stattgegen und der Haftungsbetrag um die Konkursquote reduziert.

3.) Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter der Gesellschaft

Gemäß dem vorliegenden Firmenbuchauszug fungierte ***Bf1*** seit ***Datum3*** als Geschäftsführer der ***XY*** GmbH. In der außerordentlichen Generalversammlung vom ***Datum2** wurde Auflösung und Liquidation der Gesellschaft beschlossen. Zum Liquidator mit sofortiger Wirkung wurde ***Bf1*** bestellt.

Geschäftsführer und Liquidatoren einer GmbH sind zur Vertretung juristischer Personen berufene Personen nach § 80 Abs. 1 BAO und können daher - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden.

4.) die abgabenrechtliche Pflichtverletzung und das Verschulden des Geschäftsführers an der Pflichtverletzung

Die Haftung erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt. Sie besteht aber weiters für die noch offenen Abgabenschuldigkeiten, weil die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten erst mit deren Abstattung endet (vgl. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet er für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/13/0198, vom , 89/14/0043 und 89/14/0044, sowie vom , 93/17/0395, und vom , 93/15/0010).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hat, so verletzt der Vertreter keine abgabenrechtliche Pflicht (vgl. ).

Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (,0038).

Der haftende Vertreter muss sich bei der Übernahme seiner Tätigkeit darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Den Haftenden trifft die gleiche Offenlegungspflicht und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen (vgl. ).

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die materielle Insolvenz bei der Übernahme der Geschäftsführung bereits eingetreten gewesen wäre. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die GmbH über keinerlei liquide Mittel zur zumindest anteiligen Entrichtung der unberichtigt aushaftenden Kommunalsteuern verfügte.

Ab ***Datum2** fungierte ***Bf1*** als Liquidator der Gesellschaft bis ***Datum4** (Datum der Konkurseröffnung).

Die Liquidatoren haben nach § 149 UGB (früher HGB) die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen; zur Beendigung schwebender Geschäfte können sie auch neue Geschäfte eingehen. Die Liquidatoren vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich.

Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Liquidator auch in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit Forderungen eingebracht, Anlagevermögen in Geld umgesetzt und die Erlöse nicht bzw. gleichmäßig verteilt hat. Ein Nachweis ordnungsgemäßen Verhaltens wurde trotz Aufforderung durch die belangte Behörde, um Mitteilung, wie die Aktiven auf die Gläubiger verteilt wurden, nicht erbracht. Ebenso wurde trotz Aufforderung keine Bilanz vorgelegt. Dass die GmbH nicht völlig vermögenslos war, ist schon daraus ersichtlich, dass eine - wenn auch nur geringe - Quote im Konkursverfahren erzielt wurde.

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Es ist dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. ).

Da der Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens des Geschäftsführers bzw. in der Folge des Liquidators nicht erbracht wurde, ist gemäß der zitierten Rechtsprechung des VwGH von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen.

5.) Kausalzusammenhang:

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer bzw. Liquidator konnte die belangte Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

6.) Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeit rasch eingebracht werden kann.

Ist eine Einbringlichmachung beim Primärschuldner unzweifelhaft nicht gegeben, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurden ohnehin keine Einwendungen zum Ermessen vorgebracht.

Ergebnis:

Da im Konkurs eine Quote in Höhe von 0,989452% ausgeschüttet wurde, war der Haftung insoweit stattzugeben. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages wurde die Haftung zu Recht geltend gemacht.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher ausgeschlossen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 9 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 11 Abs. 2 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400028.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at