Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2023, RV/7500318/2023

Ungültiger Behindertenparkausweis: Unzuständigkeit Magistrat Wien und BFG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Sebastian Pfeiffer LL.M. über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zahl MA67/Zahl/20X, betreffend eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, idF ABl. der Stadt Wien Nr. 20/2020, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, idF LGBl. für Wien Nr. 71/2018, zu Recht:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 8 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens zu tragen.

III. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) wurde vom Kontrollorgan mit der Nummer Nr der Parkraumüberwachung der Landespolizeidirektion Wien am 13. Dezember 20X um 14:31 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1220 Wien, Riemenschneidergasse nächst Siebenbürgerstraße 152 bei Stiege 17, beanstandet, da es sich nach dessen eigenen Wahrnehmungen bei dem Parkausweis gemäß § 29b StVO 1960 mit der Nr. PSNr um einen manipulierten Parknachweis handelte, der laut Liste bis Herrverst gültig gewesen sei.

Mit Schreiben vom teilte das Sozialministeriumservice dem Magistrat mit, dass der Parkausweis mit der Nr. PSNr für Herrn Herrn, geboren am Herrgeb, verstorben am Herrverst, zuletzt wohnhaft in HerrAdr ausgestellt worden sei. Der Parkausweis sei nicht mehr gültig.

Mit Strafverfügung vom , Zahl MA67/Zahl/2022, wurde der Beschwerdeführer (Bf.) vom Magistrat der Stadt Wien, MA 67, für schuldig befunden, das in Rede stehende Kraftfahrzeug am um 14:31 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1220 Wien, Riemenschneidergasse nächst Siebenbürgerstraße 152 bei Stiege 17, abgestellt zu haben, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parknachweis (Parkschein, Tages - oder Wochenpauschalkarte) gesorgt zu haben. Im Fahrzeug habe sich lediglich der Ausweis gemäß § 29b StVO mit der Nr. PSNr befunden. Da der Ausweisinhaber verstorben war, sei die Befreiung von der Entrichtung der Parkometerabgabe vorgetäuscht worden. Demnach habe der Bf. die Parkometerabgabe hinterzogen.

Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. deswegen eine Geldstrafe in der Höhe von 365,00 Euro verhängt und eine für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 3 Tagen und 15 Stunden festgesetzt.

Der Bf. erhob gegen die Strafverfügung binnen der Rechtsmittelfrist Einspruch und brachte (wörtlich) das Folgende vor: "Wie telefonisch besprochen wurde habe ich einen Einspruch rechtzeitig gemacht nur ist mir ein Fehler beiEmail passiert deswegen das Sendungsproblem Entschuldigung habe heute mit einem Herrn über die imSchreiben hinzugefügteTelefonnummer telefoniert der mir gesagt hat das ich es heute nochmal verfassensoll und meine Lage schildern
Ich bin selber nach schwerer Krankheit seit 2 Jahren unbefristeter früh/mindestpensionist und sitze selber im
elektrischen Rollstuhl pva Bescheinigung bzw ärztliche Gutachten können gerne zugesandt werden ich warin einer absoluten not Situation ich hatte eine extreme gesundheitliche verschlächterung starker Schub habeeine systemisch entzündliche Erkrankung die auf Muskeln Knochen nerven geht aus diesen Grund wurdeich zu meiner Mutter geholt da es alleine nicht schaffbar bei verschlechterung/Schub deswegen auch dernachsendeaufttag auf die Adresse meiner Mutter wo auch das Schreiben angenommen wurde MutterAdr statt meiner Adresse BfAdr ich habe nachdem ich dortnicht wohne aber krankheitsbedingt dort sein musste kein parkpickerl für den 22. Bezirk da ich aus dem 21.Bezirk bin wir dachten nachdem ich selber im elektrischen Rollstuhl sitze das ich den Ausweis bei meinerMutter nutzen kann da wir ja gar nicht wussten wohin mit dem Auto und ich ja eine gehbehinderung habeund nicht mobil bin das war ein mein Fehler das wusste ich nicht und kann mich dafür nur entschuldigen ichdachte mir dabei nix böses wir haben jetzt für mich selber den behindertenausweis und auch parkausweiseingereicht und den alten dort hingeschickt ein termin für die ärztliche begutachtung ist bereits vorhandenam in der babenberger Straße ich habe den Herrn das heute geschildert nachdem ichmindestpensionist bin kann mir eine Strafe in dieser Höhe nicht leisten weil das Geld nicht mal zumÜberleben recht ich bitte daher um milderung Nachsicht da es nie mehr vorkommen wird und keine böseAbsicht dahinter war bzw. eine notsituation."

Nach erfolgter Lenkererhebung vom wurde der Bf. mit Straferkenntnis vom , Zahl MA67/Zahl/2022, von der Magistratsabteilung 67 unter Wiederholung des Spruchs der Strafverfügung für schuldig befunden und über ihn eine (nunmehr herabgesetzte) Geldstrafe von 240,00 Euro verhängt und eine für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Tagen und 9 Stunden festgesetzt.
Begründend führte die belangte Behörde das Folgende aus: "Sie haben das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug an der im Spruch bezeichnetenÖrtlichkeit abgestellt, sodass es dort zur angeführten Zeit gestanden ist, ohne dieses mit einemgültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zuhaben.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Anzeige, welche von einem
Parkraumüberwachungsorgan der Landespolizeidirektion Wien auf Grund einer eigenendienstlichen Wahrnehmung gelegt wurde, in die von diesem angefertigten Fotos sowie in dieerteilte Lenkerauskunft.
In Ihrem Einspruch gegen die Strafverfügung wendeten Sie zusammengefasst ein, dass Sie
nach schwerer Krankheit seit 2 Jahren unbefristeter Früh/Mindestpensionist wären und imelektrischen Rollstuhl sitzen würden. Sie wären in einer absoluten Notsituation gewesen undhätten eine extreme gesundheitliche Verschlechterung (starken Schub) gehabt. Sie hätten einesystemisch entzündliche Erkrankung, die auf Muskeln, Knochen und Nerven gehen würde. Ausdiesem Grund wären Sie zu Ihrer Mutter geholt worden, da es alleine nicht schaffbar wäre. Siehätten kein Parkpickerl für den 22. Bezirk, da Sie aus dem 21. Bezirk wären. Sie hättengedacht, da Sie selber im elektrischen Rollstuhl sitzen würden, dass Sie den Ausweis bei IhrerMutter nutzen könnten. Sie hätten ja gar nicht gewusst, wohin mit dem Auto. Das wäre IhrFehler gewesen, und könnten sich dafür nur entschuldigen. Sie hätten jetzt einen eigenenBehindertenausweis und auch einen Parkausweis eingereicht. Ein Termin für die ärztlicheBegutachtung wäre bereits am vorhanden. Sie könnten sich eine Strafe in dieser Höhenicht leisten, weil das Geld nicht mal zum Überleben reichen würde und würden daher umMilderung/Nachsicht ersuchen, da es nie mehr vorkommen werde. Eine Kopie der Vorder- undRückseite des Behindertenpasses legten Sie bei.
Unbestritten blieb sowohl Ihre Lenkereigenschaft, als auch die Tatsache, dass das
gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit abgestelltwar.
Zu Ihrem Vorbringen wird Folgendes festgestellt:

Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone
abstellt, muss bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 5 Abs. 2 derParkometerabgabeverordnung).
§ 6 der Parkometerabgabeverordnung zählt jene Fälle, für die die Abgabe nicht zu entrichten
ist, taxativ auf.
Die Abgabe ist nicht zu entrichten für Fahrzeuge, die von dauernd stark gehbehinderten
Personen abgestellt oder in denen solche Personen gemäß § 29b Abs. 3 StVO 1960 befördertwerden, wenn die Fahrzeuge mit dem Ausweis gemäß § 29b Abs. 1 oder 5 StVO 1960gekennzeichnet sind (§ 6 Abs. 1 lit. g Parkometerabgabeverordnung).
Wie das Ermittlungsverfahren ergeben hat, ist der Inhaber dieses Ausweises, Herr
Herr1, bereits im Jahr Z verstorben.
Da der Inhaber des Ausweises gemäß § 29b StVO bereits verstorben war, fällt der
gegenständliche Sachverhalt nicht unter die Ausnahmebestimmungen und wurde in dengegebenen Fällen die Befreiung vorgetäuscht und somit die Abgabe hinterzogen.
Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten
ausnahmsweise erlaubt bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liegt in gegenständlichenFällen nicht vor.
Der Behörde wurde die Übertretung angezeigt und es sind im Zuge des Verfahrens keine
Tatsachen hervorgekommen, die zu dessen Einstellung führen könnten.
Sie haben die Parkometerabgabe somit hinterzogen.

Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt
wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu EUR 365,00 zu bestrafen (§ 4Abs. 1 Parkometergesetz 2006).
Die verhängte Geldstrafe soll durch ihre Höhe dazu geeignet sein, Sie wirksam von einer
Wiederholung abzuhalten.
Grundlage für die Bemessung der Strafe sind gemäß § 19 VStG die Bedeutung des
strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Die der Bestrafung zu Grunde liegende Handlung schädigte sowohl das als sehr bedeutend
einzustufende öffentliche Interesse an der Entrichtung von Abgaben, als auch an derErleichterung des innerstädtischen Verkehrs und an der Rationierung des in Wien vorhandenenParkraumes, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstigernachteiliger Folgen, nicht als geringfügig zu bewerten war.
Im Hinblick auf die schwere Verschuldensform (Abgabenhinterziehung infolge Verwendung des
Ausweises gemäß § 29b StVO des verstorbenen Inhabers und somit Vortäuschung einesBefreiungstatbestandes) war die Strafe spruchgemäß festzusetzen, um Sie von einerWiederholung wirksam abzuhalten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, hat sich die Behörde bei der
Strafbemessung auch vom Gedanken der Generalprävention leiten zu lassen (VwGH verst Sen Slg 4969A; ,83/ 10/0016 u.a.). Auf Grund der stark zugenommenen Anzahlan Parkscheinmanipulationen erachtet es die erkennende Behörde daher als notwendig, dieStrafe entsprechend hoch festzusetzen, um eine derartige Wirkung zu erzielen.
Bei der Strafbemessung wurden Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige
Sorgepflichten, soweit diese der Behörde bekannt waren, berücksichtigt. Zudem wurde aufeventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen Bedacht genommen.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis zu EUR 365,00
reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden ist die nun verhängteGeldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch.
Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Verfahrens stützt sich auf die zwingende
Vorschrift des § 64 Abs. 2 des VStG 1991."

Dagegen erhob der Bf. fristgerecht Beschwerde und brachte wörtlich, unter Beilage von einem auf ihn vom Sozialministeriumservice am ausgestellten Behindertenpass, mit der Gültigkeit ab bis (Grad der Behinderung: 100%), begründend vor:
"Wie mit dem Kollegen gerade telefonisch besprochen bin ich selber im Besitz eines Behindertenausweisesmit 100% da ich im elektrischen Rollstuhl sitze und auf eine Begleit Person angewiesen bin genauso habeich einen Behindertenparkausweis ich habe den Ausweis nicht hineingelegt und weiß auch gar nicht warumder alte Ausweis meines Vaters drinnen lag ich denke das beide am Schreibtisch lagen und meine MutterSchwester die einfach vertauscht hat dafür kann ich mich nur entschuldigen der alte Ausweis wurde bereitsvernichtet den gag es nur so wie andere alte Sachen einfach als Erinnerung es liegt einfach eineunabsichtliche Verwechslung vor und ich bitte um Nachsicht da man es als mindestpensionist im Rollstuhlschon schwer genug hat und ich nicht einfach 264 Euro in der heutigen Zeit über habe und mich solcheSachen extrem stressen und meine Krankheit verschlechtern und einen Schub wieder auslösen können ichverstehe echt nicht warum man jemanden so segieren quälen will der selber im Besitz einesBehindertenausweises und Behindertenparkausweis ist.Desweiteren habe ich einen nachsendeauftrag aufgrund massive Verschlechterung desGesundheitszustandes und bekomme die post gar nicht oder massiv verspätet zugeschickt Bestätigungschicke ich auch mit der Brief wurde gestern den von meiner Mutter am Nachmittag angenommendanach habe ich mich gleich telefonisch gemeldet.Ich bitte um Nachsicht Gnade oder Milderung der Strafe weil ich keine 264 Euro habe und die Straßeextrem finde für das das selber ein Mensch mit 100% Behinderung bin und über alle diese Ausweise selberim Besitz bin.Dateien im Anhang."

Die belangte Behörde übermittelte daraufhin diese Beschwerde samt dem dazugehörigen Verwaltungsstrafakt dem Bundesfinanzgericht als nach § 5 des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere Bestimmungen in Wien (WAOR) zuständigem Verwaltungsgericht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war Lenker des mehrspurigen Kraftfahrzeugs mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A). Dieses Fahrzeug war am um 14:31 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone 1220 Wien, Riemenschneidergasse nächst Siebenbürgerstraße 152 bei Stiege 17, abgestellt. Der Beschwerdeführer hat im Beanstandungszeitpunkt einen Ausweis gemäß § 29b StVO (in der Folge Behindertenparkausweis) hinterlegt gehabt, der auf eine bereits Z verstorbene Person ausgestellt war.

Weder war ein ausgefüllter Papierparkschein hinterlegt, noch war ein elektronischer Parkschein aktiviert.

Beweiswürdigung

Dass der Beschwerdeführer Lenker des gegenständlichen mehrspurigen KFZ war, ergibt sich aus der Beantwortung der aktenkundigen Lenkererhebung. Abstellort und Abstellzeitpunkt sind aktenkundig und unbestritten.

Dass ein ungültiger und auf eine im Jahr Z verstorbene Person lautender Behindertenparkausweis hinterlegt war, ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus der aktenkundigen Stellungnahme des Sozialministeriumsservice Landesstelle Wien sowie implizit aus dem Einspruch des Beschwerdeführers.

Dass weder ein Papierparkschein ausgefüllt noch ein elektronischer Parkschein aktiviert war, ist ebenso aktenkundig.

Rechtliche Würdigung

Zu Spruchpunkt I (Stattgabe und Einstellung)

§ 22 Abs. 1 VStG 1991 normiert: "Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."

Durch das Einlegen eines ungültigen Behindertenparkausweises wurde gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 die Parkometerabgabe hinterzogen. Durch das Einlegen eines ungültigen und fremden Behindertenausweises steht aber auch die mögliche Täuschung eines kontrollierenden Organs über die Berichtigung zur kostenlosen Nutzung des Parkplatzes im Raum, wodurch es zu einer Vermögensschädigung der Gemeinde Wien kam.

Nach der Rechtsprechung des OGH (vgl. , Rn 9), ist die gegenständliche Tat sowohl unter "[...] § 146 StGB als auch § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz 2006 subsumierbar. Aufgrund des tateinheitlichen Zusammentreffens der gerichtlich strafbaren Handlung mit der Verwaltungsübertretung ist Letztere (ungeachtet der Herkunft konkurrierender Normen von unterschiedlichen Gesetzgebern [Bund/Land]) gemäß § 22 Abs 1 VStG nicht strafbar und darf die Tat nur wegen des gerichtlichen Tatbestands verfolgt werden".

Der Magistrat Wien war daher zur Erlassung des gegenständlich angefochtenen Straferkenntnisses nicht zuständig.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Keine Verwaltungsübertretung liegt vor, wenn eine an sich bestehende verwaltungsgerichtliche Strafbarkeit hinter eine gerichtliche zurücktritt, sodass im Ergebnis auch keine (verfolgbare) Verwaltungsübertretung anzunehmen ist (vgl. mwN auf die VwGH-Rsp Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (2017) § 45 Rn 3).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

§ 78 Abs. 1 StPO normiert: "Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet." Da dem Bundesfinanzgericht in amtlicher Eigenschaft der Verdacht der Straftat bekannt geworden ist, wird das gegenständliche Erkenntnis samt Sachverhaltsdarstellung und Kopie des Verwaltungsaktes an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.

Zu Spruchpunkt II (Kosten):

Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

Da der Beschwerde stattgegeben wird, sind keine Kosten aufzuerlegen.

Zu Spruchpunkt III (Zulässigkeit der Revision):

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision durch die belangte Behörde zulässig. Der gegenständlichen Rechtsfrage kommt deswegen grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Rechtsprechung des VwGH zur Zuständigkeitsfrage im konkreten Fall fehlt.

Die Revision der beschwerdeführenden Partei ist hingegen unzulässig. Nach § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache

  1. eine Geldstrafe von bis zu 750 € und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und

  2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 € verhängt wurde.

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor, ist in § 4 Abs. 1 des (Wiener) Parkometergesetzes 2006 doch lediglich eine Geldstrafe bis zu 365 € vorgesehen und muss es sich bei der in § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen "Freiheitsstrafe" um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. , Rn 3f; , Ra 2021/16/0020, mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 50 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 29b StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500318.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at