Begründungserfordernis bei Aufhebungsbescheiden gemäß § 299 BAO
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0131.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Judith Leodolter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hason & Partner Steuerberatung KG, Praterstraße 33, Tür 13, 1020 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 gemäß § 299 BAO sowie Einkommensteuer 2013 und 2014
I.
1. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 gem. § 299 BAO wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben
2. beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 wird gemäß § 261 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 278 BAO als gegenstandslos erklärt.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielte in den verfahrensgegenständlichen Jahren 2013 und 2014 neben Pensionseinkünften und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen, die auf Grund der in den jeweiligen Kaufverträgen ausgewiesenen Kaufpreise ermittelt wurden.
Mit Bescheiden vom hob das Finanzamt Wien 2/20/21/22 die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2013 und 2014 vom gemäß § 299 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf und erließ neue Sachbescheide. In Anlehnung an die Feststellungen einer vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern bei der ***GmbH*** (GmbH) durchgeführten Außenprüfung wurden die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen neu ermittelt (1.100 €/m² Nutzfläche) und den neuen Einkommensteuerbescheiden zu Grunde gelegt.
In den rechtzeitig eingebrachten Beschwerden gegen die gem. § 299 BAO erlassenen Bescheide betreffend Aufhebung der Einkommensteuer 2013 und 2014 sowie gegen die darauf beruhenden Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 wurde vorgebracht, dass bereits nach Abgabe der Einkommensteuererklärungen 2013 und 2014 vom Finanzamt Ergänzungsersuchen betreffend die Bemessungsgrundlagen für die Immobilienertragsteuer ergangen seien und danach eine erklärungsgemäße Veranlagung erfolgt sei. Im Frühsommer 2017 hätten die Betriebsprüfungen für die Jahre 2012 bis 2014 bei Herrn ***T*** (Gatte von Frau ***Bf1***) und bei Frau ***Bf1*** begonnen, in deren Verlauf mehrere Fragenvorhalte ergangen seien, wobei bei Herrn ***T*** wiederum die Ermittlung der Immobilienertragsteuer angesprochen worden sei. Anzumerken sei, dass einige Grundstücke im gemeinsamen Eigentum von Frau ***Bf1*** und Herrn ***T*** ständen und daher der gleiche Sachverhalt vorliege. Von Seiten des für beide Abgabepflichtigen selben Prüfers hätten sich keine Bedenken hinsichtlich der Ermittlung der Immobilienertragsteuer ergeben. Bei Abstimmung der verschiedenen Prüfungsfeststellungen sei der Betriebsprüfer mittels Mail vom auf eine bisher nicht geltend gemachte Immobilienertragsteuer in Höhe von 185,50 € hingewiesen worden und habe der Betriebsprüfer mit Mail vom bestätigt, dass die Immobilienertragsteuer in Höhe von 185,50 € im Zuge der Wiederaufnahme der Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 berücksichtigt werden würde (siehe Kopie des E-Mail-Verkehrs).
Wie die vorstehenden Ausführungen aufzeigten, hätten sich sowohl die Veranlagungsabteilung des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 als auch der Betriebsprüfer mit der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Immobilienertragsteuer beschäftigt.
Nach Beantwortung von Fragenvorhalten seien die ursprünglichen Veranlagungen für 2013 und 2014 erklärungsgemäß ergangen.
Nach Beurteilung des Sachverhaltes sei nach Prüfungsabschluss im Februar 2019 die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2013 und 2014 gemäß § 303 Abs. 4 BAO erfolgt. Die Bemessungsgrundlagen der Immobilienertragsteuer für 2013 und 2014 seien allerdings unverändert/unbeanstandet geblieben.
Eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO sei daher unbillig.
Wie sich aus dem Wortlaut des § 299 Abs. 1 BAO ergebe, könne die Abgabenbehörde einen Bescheid aufheben, wenn sich der Spruch als nicht richtig erweise. Es handle sich somit um eine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde. Dieselbe Abgabenbehörde habe in einem Veranlagungsverfahren und einem späteren Betriebsprüfungsverfahren den Sachverhalt untersucht und beide Male unbeanstandet aus den Erklärungen übernommen. Nunmehr werde eine andere, neue Rechtsansicht eingenommen und diese als Begründung für die Aufhebung der rechtskräftigen Einkommensteuerveranlagungen 2013 und 2014 herangezogen.
Diese Vorgangsweise sei unbillig und eine unzulässige Ermessensüberschreitung!
Die Bemessungsgrundlage für die Immobilienertragsteuer sei anhand der abgeschlossenen Kaufverträge zwischen Frau ***Bf1*** und der ***GmbH*** ermittelt worden.
Die aus den Kaufverträgen ersichtlichen Preise hätten sowohl im Veranlagungs- als auch im Betriebsprüfungsverfahren in Zweifel gezogen werden können, was aber nicht geschehen sei. Erst durch eine Prüfung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel seien die Kaufpreise beanstandet bzw. nach oben korrigiert worden.
Läge der Sachverhalt umgekehrt und ein Abgabepflichtiger würde nach zweimaligen Untersuchungen eines Sachverhaltes den Antrag auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO stellen, da sich der Spruch zu seinen Ungunsten als unrichtig erweise, so sei zu bezweifeln, dass die Abgabenbehörde diesem Antrag stattgeben würde.
§ 299 BAO dürfe nicht dafür herangezogen werden, eine möglicherweise unrichtige Sachverhaltsbeurteilung, der aber entsprechend fundierte Sachverhaltsuntersuchungen vorangegeben seien, zu korrigieren.
Abschließend wurde der Antrag gestellt, die Bescheide gemäß § 299 BAO und die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 vom aufzuheben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
Die Abgabenbehörde könne von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde gem. § 299 BAO innerhalb der Jahresfrist aufheben, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweise. Die Grundvoraussetzung liege somit in der Gewissheit einer Rechtswidrigkeit in Bezug auf die aufzuhebenden Bescheide. Der Inhalt der gegenständlichen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2013 und 2014 sei nicht richtig, da der Spruch nicht dem Gesetz entspreche. Die Rechtswidrigkeit liege unbestrittener Maßen vor und erhebe die Bf. diesbezüglich auch keine anderslautenden Einwendungen. Die Rechtswidrigkeit müsse nicht offensichtlich sein. Der VwGH (2013/17/0009 vom ) habe ausgeführt, dass die Gründe für die Rechtswidrigkeit für die Anwendbarkeit des § 299 BAO ohne Belang seien.
Fakt sei weiters, dass ein Verschulden - wie es die Bf. impliziere - keine Beachtung im Rahmen der Ermessensentscheidung entfalten könne. Die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung sei unter Bedachtnahme auf § 20 BAO zu beurteilen. Gemäß § 20 BAO seien Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit (berechtigte Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei der Ermessensübung komme dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine zentrale Bedeutung zu. Es sei daher - entsprechend der dazu ergangenen Judikatur - dem Prinzip der Rechtmäßigkeit im Sinne einer Rechtsrichtigkeit der Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit zu geben.
Im vorliegenden Fall - die Jahre 2013 und 2014 betreffend - könne auch keinesfalls von Geringfügigkeit in Bezug auf die Änderungen im jeweiligen Spruch gesprochen werden.
Die im Zuge einer anderen Außenprüfung offenkundig hervorgekommenen neuen Tatsachen (Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Immobilienertragsteuer) hätten eine Bescheidaufhebung gem. § 299 zwingend erforderlich gemacht.
Entgegen der Sichtweise der Bf. liege daher weder ein Ermessensmissbrauch noch eine Ermessensüberschreitung vor.
Mit Eingabe vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung der Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht und verwies als Begründung auf die bisherigen Beschwerdeausführungen.
In Beantwortung eines die Sachbescheide betreffenden Mängelbehebungsauftrages des BFG gab der steuerliche Vertreter der Bf. zusammengefasst bekannt, dass die Abgabenbehörde erst nach Abschluss einer bei der ***GmbH*** durch das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern durchgeführten Prüfung die zwischen der Bf. und der GmbH abgeschlossenen Kaufverträge als Tauschverträge qualifziert und als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer den gemeinen Wert herangezogen habe. Da für die Ermittlung des gemeinen Wertes jedoch Kaufverträge in der Umgebung der verkauften Liegenschaften herangezogen worden wären, die teilweise mehr als zwei Jahre später abgeschlossen wurden, sei der vom Finanzamt so bezeichnete gemeine Wert generell zu bezweifeln.
Darüber hinaus wurde im Schriftsatz vom auch vorgebracht, dass den gem. § 299 BAO erlassenen Aufhebungsbescheiden jede nachvollziehbare Begründung fehle und dass die in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Begründung unrichtig sei. Die im Zuge einer anderen Außenprüfung neu hervorgekommene Tatsache könne die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer, nicht aber die Bemessungsgrundlage für die Immobilienertragsteuer erhöhen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
In den Jahren 2013 und 2014 hat die Bf. mehrere Grundstücke an die ***GmbH*** (GmbH) verkauft. Die Bf. war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Gesellschafterin der GmbH.
Die Bemessungsgrundlagen für die Berechnung der Immobilienertragsteuer wurden von der Abgabenbehörde weder im Zuge der Einkommensteuerveranlagungen noch im Rahmen des die Jahre 2012-2014 betreffenden, bei der Bf. durchgeführten Betriebsprüfungsverfahrens beanstandet.
Im Zuge einer bei der GmbH durchgeführten, die Grunderwerbsteuer betreffenden Außenprüfung durch das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (FAGVG) stellte die Prüferin fest, dass die in den Kaufverträgen vereinbarten Kaufpreise nicht den gemeinen Wert der Liegenschaften wiedergeben und daher die Bemessungsgrundlagen für die Berechnung der Grunderwerbsteuer, die grundsätzlich von der Gegenleistung, mindestens jedoch vom gemeinen Wert zu berechnen ist, unrichtig ermittelt worden sind. An Hand eines durchgeführten Fremdvergleichs gelangte das FAGVG zu dem Ergebnis, dass basierend auf den fremdüblichen Kaufpreisen der gemeine Wert der von der Bf. an die GmbH veräußerten Liegenschaften mit 1.100,00 € pro m² Nutzfläche anzusetzen ist.
Mit Bescheiden vom hob die Abgabenbehörde die (im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen) Einkommensteuerbescheide der Jahre 2013 und 2014 vom gemäß § 299 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf und erließ mit gleichem Daum neue Sachbescheide.
Sämtliche transferierten Grundstücke wurden von der Abgabenbehörde neu bewertet und die Berechnungsgrundlagen für die Immobilienertragsteuer in Anlehnung an die Ermittlungen des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern ermittelt.
Die Begründung der Aufhebungsbescheide lautet wie folgt:
"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Da die aus der Begründung des Sachbescheides sich ergebende inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat, war die Aufhebung des im Spruch bezeichneten Bescheides von Amts wegen zu verfügen."
Die Begründung der die aufgehobenen Einkommensteuerbescheide ersetzenden (neuen) Sachbescheide lautet:
"Die Übertragung der Liegenschaft vom Gesellschafter auf die Kapitalgesellschaft wird aus ertragsteuerlicher Sicht als Tausch gem. 14 EStG 1988 gesehen und somit werden im Zeitpunkt der Einlage in die ***GmbH*** die stillen Reserven mit dem gemeinen Wert aufgedeckt. In Anlehnung an die Ermittlungen des FA für Gebühren und Verkehrssteuern und dem diesbezüglich ergangenen Prüfbericht, werden sämtliche Grundstücke pauschal mit 1.100€/m2 Nutzwert (Ausnahme: ehem. Werkstatt bei der Liegenschaft ***Adr1***, Ansatz von 5070 für den Veräußerungspreis als Berechnungsgrundlage herangezogen. Die zum Ansatz gelangten Nutzwerte wurden mit der steuerlichen Vertretung akkordiert. Da es sich mit Ausnahme der beiden Grundstücke ***Adr2*** und ***Adr1*** um Altvermögen handelt, wurden die diesbezüglichen Anschaffungskosten gern. 30 Abs. EStG 1988 ermittelt."
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem dem BFG vorliegenden Akteninhalt und ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
1) Aufhebungsbescheide:
§ 299 BAO lautet:
(1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.
(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheidezuständig ist.
(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.
Sind sowohl der aufhebende Bescheid als auch der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten, so ist zunächst über die Bescheidbeschwerde gegen den Aufhebungsbescheid zu entscheiden.
Entsprechend der oa. Gesetzesbestimmung kann ein Bescheid der Abgabenbehörde aufgehoben werden. Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht (Ritz, BAO-Kommentar6, § 299, Tz 13; ).
Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa wegen einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, wegen mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, wegen Übersehens von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 BAO nicht ausschlaggebend (vgl. Ritz, BAO6, § 299 Tz 10).
Die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufhebung auf Antrag der Partei oder von Amts wegen erfolgt oder ob sich die Maßnahme zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt.
Bei der Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine zentrale Bedeutung zu. Grundsätzlich kommt dem Prinzip der Rechtmäßigkeit (Rechtsrichtigkeit) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit (Rechtsbeständigkeit) zu Eine Aufhebung wird idR dann zu unterlassen sein, wenn die Rechtswidrigkeit bloß geringfügig ist bzw. wenn sie keine wesentlichen Folgen nach sich gezogen hat, etwa weil Fehler sich inner- oder überperiodisch im Wesentlichen ausgleichen (vgl. Ritz, a.a.O., § 299, Tz 52, Tz 54 und Tz 55 sowie die darin angeführte VwGH-Judikatur).
Gegenständlich macht die Bf. eine Ermessensüberschreitung geltend, weil der den aufgehobenen Bescheiden zu Grunde liegende Sachverhalt von der Abgabenbehörde sowohl im Zuge der Überprüfung der Abgabenerklärungen als auch im Zuge einer durchgeführten Betriebsprüfung ausreichend ermittelt und rechtlich gewürdigt worden wäre und daher kein Anwendungsfall des § 299 BAO vorliege.
Wie bereits oben ausgeführt, kommt bei Ermessensentscheidungen des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtmäßigkeit Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zu. Damit hat die belangte Behörde ihr Ermessen im Rahmen des Gesetzes ausgeübt. Ihr kann somit trotz der Tatsache, dass sie bereits im Zeitpunkt der Erlassung der aufgehobenen Einkommensteuerbescheide in Kenntnis der Sachlage gewesen sein musste und im Zuge der erfolgten Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2013 und 2014 keine entsprechende Änderung der Bemessungsgrundlagen für die Immobilienertragsteuer vorgenommen hat, keine Ermessensüberschreitung bzw. kein Ermessensmissbrauch unterstellt werden. Ein allfälliges Verschulden der belangten Behörde am Zustandekommen der nunmehr aufgehobenen Einkommensteuerbescheide steht einer Bescheidaufhebung nach § 299 nicht entgegen, denn für die Ermessensübung ist grundsätzlich bedeutungslos, ob die Rechtswidrigkeit des Bescheides auf ein Verschulden (der Abgabenbehörde und/oder der Partei) zurückzuführen ist (Ritz, aaO, § 299 Tz 59).
Mit dem Einwand einer unzulässigen Ermessensüberschreitung gelingt es der Bf. daher nicht, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Freilich hat die Begründung des Aufhebungsbescheides das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen; dies ist unverzichtbar für die Beurteilung, ob die Aufhebung rechtmäßig ist (vgl. zB ; )
Die Aufhebung setzt die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (, mwN).
Gegenständlich wird die Aufhebung damit begründet, dass "die aus der Begründung der Sachbescheide sich ergebende inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat".
Den Ausführungen in den gemäß § 299 Abs 2 BAO mit dem Aufhebungsbescheid verbundenen, die bisherigen Einkommensteuerbescheide ersetzenden (neuen) Einkommensteuerbescheiden 2013 und 2014 vom zufolge wird die Übertragung der Liegenschaft vom Gesellschafter auf die Gesellschaft aus ertragsteuerlicher Sicht als Tausch gem. § 6 Z 14 EStG gesehen und werden im Zeitpunkt der Einlage die stillen Reserven mit dem gemeinen Wert aufgedeckt.
Nach Ansicht des Finanzamtes ist demnach die Übertragung der gegenständlichen Liegenschaften durch die Bf. an die GmbH als Tausch gem. § 6 Z 14 EStG zu qualifizieren und die "Unrichtigkeit" der aufgehobenen Bescheide offensichtlich darin zu sehen ist, dass bei der Veräußerung nicht der gemeine Wert zum Ansatz gelangt ist.
Nach § 6 Z 14 lit. a EStG 1988 liegt beim Tausch von Wirtschaftsgütern jeweils eine Anschaffung und eine Veräußerung vor. Als Veräußerungspreis des hingegebenen Wirtschaftsgutes und als Anschaffungskosten des erworbenen Wirtschaftsgutes sind jeweils der gemeine Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes anzusetzen.
6 Z 14 lit. b EStG normiert, dass die Einlage oder die Einbringung von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen in eine Körperschaft (§ 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) als Tausch im Sinne der lit. a gilt, wenn sie nicht unter das Umgründungssteuergesetz fällt oder das Umgründungssteuergesetz dies vorsieht.
Aus welchen Erwägungen die Abgabenbehörde die gegenständlichen Veräußerungsvorgänge als unter den Tatbestand des § 6 Z 14 lit. b zu subsumierende Tauschvorgänge (Einlagen) angesehen hat, erschließt sich aus der angeführten Begründung nicht. Das Finanzamt hat es nämlich unterlassen, in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise darzulegen, auf Grund welcher konkreten Umstände bzw. Tatsachenfeststellungen es zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es sich beim gegenständlichen Übertragungsvorgang um einen Tausch handeln soll.
Die Begründung eines Bescheides hat den für das Verständnis erforderlichen vollständigen sachverhaltsmäßigen Bezug der von der Behörde im Ergebnis angenommenen Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Normierung der bescheidmäßigen Gestaltungen herzustellen. Die Begründung muss also erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat und aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass dieser Sachverhalt (und gerade dieser) vorliegt und dass dieser dem Tatbestand der in Betracht kommenden Norm entspricht oder nicht entspricht. Es genügt somit nicht die Feststellung, dass ein bestimmter Sachverhalt angenommen wurde, sondern es muss gesagt werden, aus welchen bestimmten Gründen gerade dieser Sachverhalt als maßgebend erachtet wurde. Dabei muss erkennbar sein, dass die Ausgangsgrundlagen des gedanklichen Verfahrens in einem einwandfreien Verfahren gewonnen wurden, sowie welche Schlüsse in welcher Gedankenfolge mit welchem Ergebnis hieraus gezogen wurden. Aus der Begründung muss zudem hervorgehen, ob die gezogenen Schlüsse den Gesetzen folgerichtigen Denkens entsprechen (Stoll, BAO-Kommentar, 965 f).
Die Begründung der angefochtenen Aufhebungsbescheide bzw. die Begründung der mit diesen verbundenen Sachescheide erfüllt diese Erfordernisse keineswegs; ist doch daraus nicht ersichtlich, welche schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Erwägungen für die Behörde letztlich maßgeblich waren, dass die gegenständlichen entgeltlichen Grundstücksübertragungen als Tauschvorgänge iSd § 6 Z 14 EStG zu qualifizieren sind und dass als Veräußerungspreis des hingegebenen Wirtschaftsgutes der gemeine Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes anzusetzen ist.
Auch in den nach Einbringung der gegenständlichen Beschwerden von der Abgabenbehörde erlassenen Beschwerdevorentscheidungen wird lediglich ausgeführt, dass die Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bescheide unbestrittener Maßen vorliegt; eine konkrete, nachvollziehbare Begründung für diese Behauptung lassen jedoch sowohl die Ausführungen in den Sachbescheiden als auch die Beschwerdevorentscheidungen vermissen.
Bei einer gegen den Aufhebungsbescheid gerichteten Beschwerde hat das Bundesfinanzgericht lediglich zu beurteilen, ob die vom Finanzamt angeführten Gründe eine Aufhebung rechtfertigen. Im Beschwerdeverfahren darf daher kein anderer (neuer) Aufhebungsgrund herangezogen werden ().
Aus der vorliegenden Begründung kann jedenfalls nicht entnommen werden, auf Grund welcher Umstände im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Aufhebung verwirklicht worden wären und welche konkreten Sachverhalts- bzw. Tatbestandselemente das Finanzamt zur gegenständlichen Aufhebung berechtigt hätte.
Die im Zuge einer bei der GmbH durchgeführten - die Grunderwerbsteuer betreffenden - Außenprüfung getroffene Feststellung, dass die in den Kaufverträgen vereinbarten Kaufpreise nicht den gemeinen Wert der Liegenschaften wiedergeben, ist weder geeignet, die gegenständliche Aufhebung der Einkommensteuerbescheide schlüssig und in nachprüfbarer Weise zu begründen noch vermag diese Feststellung eine solche Begründung zu ersetzen.
Die Unterlassung der Darstellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 299 Abs. 1 BAO im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides hat zur Folge, dass auch nicht überprüfbar ist, ob die Bescheidaufhebung rechtmäßig erfolgt ist.
Es war daher der Beschwerde gegen die Aufhebungsbescheide Folge zu geben und waren die angefochtenen Aufhebungsbescheide betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 ersatzlos aufzuheben
2) Einkommensteuerbescheide:
Wird der Bescheidbeschwerde gegen den aufhebenden Bescheid entsprochen, ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid gerichtete Bescheidbeschwerde als gegenstandslos zu erklären (§ 261 Abs. 2 BAO iVm § 278 Abs. 1 lit. b BAO).
Durch die Aufhebung der Aufhebungsbescheide vom scheiden die mit gleichem Datum erlassenen (neuen) Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 ex lege aus dem Rechtsbestand aus. Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 richtet sich somit gegen nicht (mehr) existente Bescheide. Sie war daher im Sinne des § 261 Abs 2 BAO mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage der Rechtswidrigkeit eines Aufhebungsbescheides gem. § 299 BAO aufgrund von wesentlichen Begründungsmängeln liegt die oben näher zitierte einhellige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor, aufgrund derer die gegenständliche Entscheidung getroffen wurde. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100654.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at