1. Einstellung des Beschwerdeverfahrens mangels Beschwerde 2. Zurückweisung des Vorlageantrages
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Vertreter, VertreterAdr, betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2011 vom und den Einkommensteuerbescheid 2011 vom sowie betreffend den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2011 und den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2011 des FA (nunmehr: Finanzamt Österreich) Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
1. Das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom und hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2011 vom wird eingestellt.
2. Der Vorlageantrag vom betreffend die Beschwerde vom gegen den Aufhebungsbescheid gemäß 299 BAO vom hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2011 und gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2011 wird gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO iVm § 264 Abs 4 lit e BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang:
Am erließ das Finanzamt (kurz: FA) den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011 gegenüber dem Berufungswerber (kurz: Bw).
Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens erfolgte mit Bescheiden vom die Aufhebung des am ergangenen Umsatz- und des ebenfalls am ergangenen Einkommensteuerbescheide 2011 gemäß § 299 BAO mit der Begründung, dass die aus der Begründung der Sachbescheide sich ergebende inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe. Zugleich wurde vom FA ein neuer Umsatz- und ein neuer Einkommensteuerbescheid 2011 erlassen.
Mit Schriftsatz vom brachte der Bw durch seinen damaligen steuerlichen Vertreter mit dem einleitenden Absatz "gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011 sowie gegen die Bescheide über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2011 und des Umsatzsteuerbescheides 2011 gemäß § 299 BAO, alle Bescheide vom , Berufung" ein. Nach einer Begründung wird im vorletzten Absatz beantragt, "die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben". Der Umsatzsteuerbescheid 2011 vom und der Einkommensteuerbescheid 2011 vom finden im gesamten Schriftsatz keine Erwähnung.
Mit Berufungsvorentscheidung (kurz: BVE) vom wies das FA laut Spruch "die Berufung vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011" ab.
Mit Schriftsatz vom brachte der Bw nunmehr durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag auf Vorlage der Berufung gegen den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011 sowie gegen die Bescheide über die Aufhebung des Umsatz- und Einkommensteuerbescheides 2011 gemäß § 299 BAO, alle Bescheide vom , an den Unabhängigen Finanzsenat ein. Konkret wurde der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide vollinhaltlich aufrechterhalten und der Antrag gestellt, dass die angerufene Abgabenbehörde zweiter Instanz der Berufung vollinhaltlich Recht geben möge.
Mit Bericht vom legte das FA die Berufung vom an das Bundesfinanzgericht (kurz: BFG) vor und bezeichnete folgende Bescheide als angefochten:
- Einkommensteuerbescheid 2011 vom
- Umsatzsteuerbescheid 2011 vom
- Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO betreffend die Einkommensteuer 2011 vom
- Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO betreffend Umsatzsteuer 2011 vom
- Einkommensteuerbescheid 2011 vom
- Umsatzsteuerbescheid 2011 vom .
Eine Abfrage im Abgabeninformationssystem des Bundes durch das BFG ergab, dass keine Berufung bzw Beschwerde gegen die Sachbescheide 2011 vom angemerkt ist. Auch die Abfrage in FinanzOnline zeigte, dass keine Berufung bzw Beschwerde gegen diese Bescheide beim FA eingegangen ist.
Über telefonische Nachfrage des BFG teilte das FA mittels eMail vom mit, dass es keine Berufung bzw Beschwerde gegen die Erstbescheide vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2011 gibt. Eine BVE (= Berufungsvorentscheidung/ Beschwerdevorentscheidung) betreffend die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO konnte im Akt nicht gefunden werden.
Der dargestellte Verfahrensgang ergibt sich aus den vom FA an das BFG vorgelegten Aktenteilen sowie den Auskünften des FA, die mit den Abfragen des BFG übereinstimmen, und kann somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
DAZU WIRD ERWOGEN:
Durch die Gründung des Bundesfinanzgerichts als Nachfolger des Unabhängigen Finanzsenates im Zuge der Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit sind am dessen Zuständigkeiten auf das Bundesfinanzgericht übergegangen und es sind seither Berufungen als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 BVG zu erledigen.
1 Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 2011 vom :
Gemäß Art 131 Abs 3 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 bis 3 in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind gemäß § 243 BAO Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nichts anderes bestimmt ist.
Die Abgabenbehörde hat gemäß § 265 Abs 1 BAO die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist, oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
Die Vorlage der Bescheidbeschwerde hat gemäß § 265 Abs 2 BAO jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen.
Der Vorlagebericht hat gemäß § 265 Abs 3 BAO insbesondere die Darstellung des Sachverhaltes, die Nennung der Beweismittel und eine Stellungnahme der Abgabenbehörde zu enthalten.
Die Abgabenbehörde hat die Parteien (§ 78) gemäß § 265 Abs 4 BAO vom Zeitpunkt der Vorlage an das Verwaltungsgericht unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen.
Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist gemäß § 265 Abs 5 BAO auch die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.
Die Abgabenbehörde ist gemäß § 265 Abs 6 BAO ab der Vorlage der Bescheidbeschwerde verpflichtet, das Verwaltungsgericht über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen. Diese Pflicht besteht ab Verständigung (Abs 4) auch für den Beschwerdeführer.
Die Abgabenbehörde hat gemäß § 266 Abs 1 BAO, soweit nicht anderes angeordnet ist, gleichzeitig mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Akten (samt Aktenverzeichnis) vorzulegen.
Aus der Vorlage nach § 265 BAO ergibt sich eine Entscheidungspflicht des BFG nach § 291 BAO. Das Beschwerdeverfahren ist somit beim BFG anhängig. (vgl Koran in ZSS 2019, 96, , , , ).
Wie dem Verfahrensgang zu entnehmen ist, legte das FA dem BFG mit Vorlagebericht vom die Beschwerdeschrift (vormals: Berufungsschrift) vom vor. Diesem Schriftsatz ist - wie die Darstellung im Verfahrensgang zeigt - zweifelsfrei zu entnehmen, dass dieser eine Beschwerde (vormals: Berufung) gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 vom und eine Beschwerde (vormals: Berufung) gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 vom und jeweils eine Beschwerde (vormals: Berufung) gegen die damit verbundenen Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO, ebenfalls vom , beinhaltet, dass er aber keine Beschwerde (vormals: Berufung) gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 vom und gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom enthält.
Eine Abfrage im Abgabeninformationssystem des Bundes sowie in FinanzOnline zeigt, dass von Seiten des Bw bzw nunmehr Beschwerdeführers (kurz: Bf) keine Berufung bzw Beschwerde gegen den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , eingebracht worden ist. Dies wird auch von Seiten des FA bestätigt. (vgl Verfahrensgang).
Die im Vorlagebericht dargestellt Vorlage einer Berufung bzw Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 vom und gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom erfolgte durch das FA offensichtlich irrtümlich, da eine Berufung bzw Beschwerde gegen diese beiden Bescheide nicht erhoben wurde.
Somit fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Führung eines Beschwerdeverfahrens durch das BFG. Das BFG erkennt gemäß Art 131 B-VG über Beschwerden. Liegt keine Beschwerde vor, kann das BFG auch nicht über eine solche absprechen. (Vgl , ).
Mangels Berufung bzw Beschwerde ist somit das Verfahren hinsichtlich des Umsatz- und des Einkommensteuerbescheides 2011, jeweils vom , mit Beschluss einzustellen.
Auch wenn die BAO die Einstellung des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss nicht gesondert erwähnt, hat die Einstellung bei Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für ein Beschwerdeverfahren durch das Verwaltungsgericht mittels Beschluss zu erfolgen (vgl , , ).
2 Vorlageantrag betreffend Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO:
Die Bescheidbeschwerde ist gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Über Bescheidbeschwerden ist gemäß § 262 Abs 1 BAO nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).
Für Vorlageanträge ist gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO sinngemäß § 260 Abs 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) anzuwenden.
Einleitend ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO zwar bereits im Oktober 2013 Berufung erhoben wurde, die Vorlage dieses Rechtsmittels jedoch erst im Jahr 2017 an das BFG erfolgte (vgl Verfahrensgang). Damit ist § 262 BAO idF BGBl I 14/2013 anwendbar geworden und es besteht für das FA die Verpflichtung, gemäß § 262 Abs 1 BAO (abgesehen von den hier nicht interessierenden, in § 262 Abs 2, 3 und 4 BAO taxativ aufgezählten Fällen) über die Beschwerde (vormals Berufung) mit Beschwerdevorentscheidung (kurz: BVE) zu entscheiden.
Der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag) kann gemäß § 264 Abs 1 BAO nur gegen eine BVE gestellt werden, wobei § 264 Abs 1 BAO im Wesentlichen der Rechtslage vor Gründung des BFG (nämlich dem § 276 Abs 2 BAO) entspricht. Unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Vorlageantrages war und ist, dass das FA eine wirksame BVE (= Berufungsvorentscheidung/ Beschwerdevorentscheidung) erlassen hat. Ein Vorlageantrag kann also nur gegen eine wirksam ergangene BVE gestellt werden; andernfalls hat nunmehr die beschlussmäßige Zurückweisung durch das Verwaltungsgericht zu erfolgen. Genauso verhält es sich mit Vorlageanträgen, die (etwa vorsorglich) zu früh gestellt wurden: ein vor Zustellung der BVE eingebrachter Vorlageantrag ist wirkungslos und wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. (Vgl Ritz/Koran, BAO7, § 264 Rz 1, 6 und 17, , ).
Es ist somit für den gegenständlichen Fall festzuhalten, dass im Hinblick auf das Fehlen einer verpflichtend zu erlassende BVE betreffend die Beschwerde (vormals: Berufung) vom gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom der Vorlageantrag vom , soweit eine Beschwerde(Berufungs)vorlage hinsichtlich der angefochtenen Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO beantragt wird, nicht zulässig ist. (vgl Verfahrensgang)
Der Vorlageantrag vom betreffend die Beschwerde (vormals: Berufung) vom gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom und gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2011 vom ist somit mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen.
Angemerkt wird dazu, dass durch die Zurückweisung keine Entscheidung in der Sache erfolgt. Die Beschwerde (vormals Berufung) vom gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheides 2011 vom und des Einkommensteuerbescheides 2011 vom ist damit - wegen des Fehlens einer verpflichtend zu erlassenden BVE - unerledigt. Nach erstmaliger Erlassung einer BVE durch das FA kann innerhalb der dafür vorgesehenen Frist ein neuer Vorlageantrag von Seiten des Beschwerdeführers gestellt werden.
Das FA wird dazu auch die Ausführungen im , zu beachten haben und zuerst über die Beschwerde (vormals Berufung) gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom und erst dann über die Beschwerde (vormals Berufung) gegen den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , zu entscheiden bzw die Absprache über die Beschwerden (vormals Berufungen) in einer Entscheidung zu verbinden haben.
3 Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG)
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision nicht zulässig, da den sich stellenden Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Tatfragen, ob eine Beschwerde erhoben (Pkt 1) und ob eine BVE erlassen wurde (Pkt 2), der Revision nicht zugänglich ist.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 265 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103836.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at