Aufhebung BVE, da über den Sachbescheid, nicht jedoch über den ebenfalls bekämpften Aufhebungsbescheid gem § 299 BAO abgesprochen wurde
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Vertreter, VertreterAdr, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2011 und Einkommensteuer 2011 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
Die Beschwerdevorentscheidung (vormals Berufungsvorentscheidung) vom betreffend den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011 vom wird wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang:
Am erließ das Finanzamt (kurz: FA) den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011 gegenüber dem Berufungswerber (kurz: Bw).
Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens erfolgte mit Bescheiden vom die Aufhebung des am ergangenen Umsatz- und des ebenfalls am ergangenen Einkommensteuerbescheide 2011 gemäß § 299 BAO mit der Begründung, dass die aus der Begründung der Sachbescheide sich ergebende inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe. Zugleich wurde vom FA ein neuer Umsatz- und ein neuer Einkommensteuerbescheid 2011 erlassen.
Mit Schriftsatz vom brachte der Bw durch seinen damaligen steuerlichen Vertreter mit dem einleitenden Absatz "gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011 sowie gegen die Bescheide über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2011 und des Umsatzsteuerbescheides 2011 gemäß § 299 BAO, alle Bescheide vom , Berufung" ein. Nach einer Begründung wird im vorletzten Absatz beantragt, "die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben".
Mit Berufungsvorentscheidung (kurz: BVE) vom wies das FA laut Spruch "die Berufung vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011" ab.
Mit Schriftsatz vom brachte der Bw durch seinen damaligen rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag auf Vorlage der Berufung vom gegen den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011 sowie gegen die Bescheide über die Aufhebung des Umsatz- und Einkommensteuerbescheides 2011 gemäß § 299 BAO, alle Bescheide vom , an den Unabhängigen Finanzsenat ein.
Mit Bericht vom legte das FA die Berufung vom und zugleich die BVE vom an das Bundesfinanzgericht (kurz: BFG) vor.
Über telefonische Nachfrage des BFG teilte das FA mittels eMail vom ua mit, dass eine BVE (= Berufungsvorentscheidung/ Beschwerdevorentscheidung) betreffend die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO im Akt nicht gefunden werden konnte.
Der dargestellte Verfahrensgang ergibt sich aus den vom FA an das BFG vorgelegten Aktenteilen sowie der Auskunft des FA und kann gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
DAZU WIRD ERWOGEN:
Durch die Gründung des Bundesfinanzgerichts als Nachfolger des Unabhängigen Finanzsenates im Zuge der Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit sind am dessen Zuständigkeiten auf das Bundesfinanzgericht übergegangen und es sind seither Berufungen als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 BVG zu erledigen.
Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnenden Bescheid abzusprechen.
Dazu ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO und gegen die neuen Sachbescheide zwar bereits im Oktober 2013 Berufung erhoben wurde, die Vorlage dieses Rechtsmittels jedoch erst im Jahr 2017 an das BFG erfolgte (vgl Verfahrensgang). Damit ist § 262 BAO idF BGBl I 14/2013 anwendbar geworden und es besteht für das FA die Verpflichtung, gemäß § 262 Abs 1 BAO (abgesehen von den hier nicht interessierenden, in § 262 Abs 2, 3 und 4 BAO taxativ aufgezählten Fällen) über die Beschwerde (vormals Berufung) mit Beschwerdevorentscheidung (kurz: BVE) zu entscheiden.
Gemäß § 264 Abs 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).
Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet gemäß § 264 Abs 7 BAO der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.
Gemäß § 299 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist (Satz eins).
Mit dem aufhebenden Bescheid ist gemäß § 299 Abs 2 BAO der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden (Satz eins).
Die in § 299 Abs 2 BAO normierte Pflicht zur Verbindung des aufhebenden Bescheides mit dem den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid folgt dem für Wiederaufnahmen geltenden § 307 Abs 1 BAO (vgl AB 1128 BlgNR 21. GP, 17).
Ebenso wie nach § 307 Abs 1 BAO liegen rechtlich zwei Bescheide (Aufhebungsbescheid und neuer Sachbescheid) vor, die jeder für sich einem Rechtsmittel zugänglich sind bzw der Rechtskraft teilhaftig werden können (Vgl Ritz/Koran, BAO7, § 299 Rz 45, § 307, Rz 7, , , , ).
Werden beide Bescheide (Aufhebungsbescheid und neuer Sachbescheid) mit Bescheidbeschwerde angefochten, so ist zunächst über die Bescheidbeschwerde gegen den Aufhebungsbescheid zu entscheiden; die Entscheidung über beide Beschwerden kann auch verbunden werden. Es widerspricht aber dem Gesetz, eine Beschwerde gegen die Aufhebung unerledigt zu lassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen. Eine derartige Vorgangsweise belastet die Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. (Vgl Ritz/Koran, BAO7, § 299 Rz 45, , , , , ).
Im gegenständlichen Fall hat das FA mit BVE vom ausschließlich über die Beschwerde (vormals: Berufung) gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , also gegen die neuen Sachbescheide, nicht jedoch über die Beschwerde (vormals Berufung) gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , abgesprochen. Das FA erließ auch keine gesonderte BVE betreffend die angefochtenen Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom . (Vgl Verfahrensgang).
Im Hinblick auf die zuvor erfolgten Rechtsausführungen kommt daher eine Entscheidung des BFG über die Beschwerde (vormals: Berufung) gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , nicht in Betracht, da die Beschwerde (vormals: Berufung) gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , bisher nicht mit BVE erledigt wurde und keiner der Fälle des § 262 Abs 2, 3 oder 4 BAO vorliegt. (Vgl , , , ,).
Es ist gegenständlich geboten, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Erlassung der BVE vom betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , ohne dass vorher über das Rechtsmittel gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO betreffend die Umsatz- und die Einkommensteuer 2011, jeweils vom mittels BVE entschieden wurde, entstanden ist. Dies ist nur durch Aufhebung der BVE vom betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , möglich (Vgl , , , , ).
Die BVE des FA vom betreffend den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , ist daher mangels vorrangiger Entscheidung über die Beschwerde (vormals: Berufung) gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO vom als rechtswidrig aufzuheben.
Durch die Aufhebung der BVE vom scheidet der Vorlageantrag vom betreffend den Umsatzsteuerbescheid 2011 und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , ex lege aus dem Rechtsbestand aus (§ 262 Abs 7 BAO).
Die Beschwerde (vormals: Berufung) vom gegen den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , ist damit wieder unerledigt.
Das FA wird daher mit BVE vorerst über die Beschwerde (vormals: Berufung) vom gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO, jeweils vom , und dann über die Beschwerde (vormals: Berufung) vom gegen den neuen Umsatz- und den neuen Einkommensteuerbescheid 2011, jeweils vom , zu entscheiden bzw die Absprache über die Beschwerden gegen die Aufhebungsbescheide gemäß § 299 BAO und gegen die neuen Sachbescheide in einer Entscheidung zu verbinden haben.
Ergänzend wird dazu angemerkt, dass der Vorlageantrag des Bf (vormals Bw) vom betreffend die Aufhebungsbescheide gemäß 299 BAO hinsichtlich des Umsatz- und des Einkommensteuerbescheides 2011, jeweils vom , mit Beschluss vom , RV/7103836/2017, als unzulässig zurückgewiesen wurde, sodass über die noch unerledigte Beschwerde (vormals: Berufung) vom gegen diese Aufhebungsbescheide vom FA mittels BVE entschieden werden kann.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der gegenständlichen Entscheidung handelt es sich insgesamt um einen verfahrensleitenden Beschluss, der gemäß § 25a Abs 3 VwGG und § 88a Abs 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist, da dadurch das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt wird, sondern lediglich dem FA ermöglicht wird , rechtmäßig des Rechtsmittelverfahren weiter zu führen, zumal die eingebrachte Berufung (nunmehr Beschwerde) in vollem Umfang weiterhin aufrecht ist (vgl , , , ).
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103838.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at