Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2023, RV/5101332/2018

Vermietung und Verpachtung: 1. Beginn der AfA; 2. Restnutzungsdauer; 3. Fiktive Anschaffungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 und über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 - 2015 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Der Einkommensteuerbescheid 2016 wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Am ergingen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 in denen das Finanzamt dem Beschwerdeführer (kurz: BF) die Geltendmachung der AfA verweigerte mit der Begründung, dass die Vermietung lt. Mietverträgen erst mit Feber 2016 beginne.
Die fiktiven Anschaffungskosten wurden vom Finanzamt mit 199.220 Euro angesetzt.

2. Mit Schriftsatz vom wurde Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 erhoben.
Es wurde eine AfA iHv. 7.640 Euro für 2014 und iHv. 7.808 Euro für 2015 begehrt mit der Begründung, dass das Gebäude zu diesem Zeitpunkt bereits vermietet gewesen sei und dies dem Finanzamt schriftlich bekanntgegeben worden sei. Die Vermietung sei mit mündlichem Mietvertrag erfolgt, weil es sich nur um kleine Beträge für einzelne Einstellplätze handle. Die Wohnungen seien erst zu einem späteren Zeitpunkt vermietet worden. Es seien schon Gespräche mit Mietern geführt worden.
Bei der Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten habe das Finanzamt nicht die Einnahmen aus den im Erdgeschoss befindlichen Einstellplätzen berücksichtigt. Bei dem Gebäude handle es sich um eine Erbschaft vom Großvater, der Gebäudewert wurde von einem Sachverständigen ermittelt. Die Restnutzungsdauer betrage 57 Jahre. Die Anschlusskosten für die Fernwärme im Jahr 2015 iHv. 9.600 Euro seien bei der Berechnung der AfA bisher nicht berücksichtigt worden.

3. Am erging der Einkommensteuerbescheid 2016. Hinsichtlich der Abweichungen gegenüber der Steuererklärung wurde auf die Begründung im Einkommensteuerbescheid 2014 verwiesen.

4. Mit Schriftsatz vom wurde dagegen Beschwerde erhoben. Das Begehren und die Begründung entspricht der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen die Einkommensteuer 2014 und 2015 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 wurde teilweise stattgegeben.
In der gesonderten Begründung vom wurde ausgeführt:

"1. Beginn der Abschreibung

Laut gängiger Rechtsprechung kommt bei Gebäuden eine Absetzung fur Abnutzung bereits ab der Fertigstellung, d.h ab dem Zeitpunkt der Bereitstellung zur Vermietung, somit unter Umständen vor Erzielung von Mieteinnahmen, in Betracht. Im vorgelegten Gutachten des DI Dr ***1*** unter Punkt 5.4 "Baulichkeit" wurde festgehalten, dass der Rohbau des Hauptgebäudes ab 1992 errichtet wurde, sowie 2015 fertiggestellt und zu einem Zweifamilienhaus mit Einstellräumlichkeiten umgebaut wurde.

Im Zuge des Ergänzungsersuchens wurde ein zwischen Hr. Neudorfhofer und Hr. Reichenbach abgeschlossener Vormietvertrag, unterfertigt am , übermittelt. Demnach erfolgte der tatsächliche Mietbeginn nach Fertigstellung - laut Mietvertrag vom , am . Daher ist davon auszugehen, dass die tatsächliche endgültige Fertigstellung erst im Jahr 2016 vollzogen wurde. Eine Geltendmachung der steuerlichen Absetzung für Abnutzung kommt somit erst ab dem Jahr 2016 in Betracht.

2. Verkürzte Restnutzungsdauer

Im vorliegenden Gutachten wurde die Restnutzungsdauer von der Errichtung des Rohbaus (1992) und des durchgeführten Umbaus abgeleitet und - ausgehend von einer üblichen Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren - mit 57 Jahren geschätzt. Es wurde jedoch im Gutachten in keiner Weise darauf eingegangen bzw. festgestellt, ob irgendwelche Beeinträchtigungen (wie Schaden oder Baumangel, etc) vorliegen, die die Nutzungsdauer beeinträchtigen.

Die Behörde erachtet daher das angeführte Gutachten als nicht geeignet, von der gesetzlich vorgesehenen Abschreibung (1,5% der Bemessungsgrundlage - § 16 Abs 1 Z. 8 lit. a EStG) abzuweichen. Ein höherer Abschreibungssatz kann daher nicht angewendet werden bzw. ist nicht zulässig.

3. Höhe der fiktiven Anschaffungskosten

Die fiktiven Anschaffungskosten Ihres Objektes "***2*** werden auf den Wert von 211.200,- (unter Berücksichtigung eines Grundanteils von 20%) geändert. Die jährliche AFA beträgt somit 3.168 €. Bei der Berechnung wurde von einem monatlichen Rohertrag in Höhe von € 1.315,- für 2 Wohnungen und die 5 Stellplätze (monatlicher Roherertrag von € 75,-) ausgegangen. Die Berechnung liegt dem Schreiben bei."

6. Mit Schriftsatz vom beantragte der BF die Vorlage der Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 an das Bundesfinanzgericht.

7. Am legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung aufgrund der in den Beschwerdevorentscheidungen genannten Gründen.

8. Mit E-Mail vom teilte der BF mit, dass das Gebäude bereits im Dezember 2015 fertiggestellt und bewohnbar gewesen sei. Im Jänner und Feber 2016 seien nur mehr der Garten und der Gartenzaun fertiggestellt worden.
Zur Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten vertrat der BF die Ansicht, dass der Privatgutachter über die nötige Kompetenz zur Ermittlung verfüge. Die vom Finanzamt ermittelten Kosten iHv. 211.200 Euro seien illusionär.
Die Restnutzungsdauer von 57 Jahren werde im Wesentlichen mit der Errichtung des Rohbaus im Jahr 1992 begründet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Rohbau des streitgegenständlichen Gebäudes wurde ab 1992 errichtet.
Der BF erwarb die Liegenschaft von seinem Großvater im Erbwege und baute das Gebäude aus, wodurch zwei Wohneinheiten mit jeweils ca. 101 m² und Einstellmöglichkeiten für fünf Kraftfahrzeuge entstanden.
Der Anschluss an das Fernwärmenetz erfolgte im Dezember 2015, wofür Kosten von 9.600 Euro anfielen.
Im Jänner bzw Feber 2016 wurden der Garten und der Gartenzaun fertiggestellt.

Die beiden Wohneinheiten wurden lt. Mietverträgen vom und vom ab vermietet.

Am schloss der BF mit dem späteren Mieter einer Wohnung einen "Vormietvertrag". Gemäß Punkt 5 und 6 dieses Vertrages sollte bis ein Mietvertrag abgeschlossen werden. Das Mietobjekt stehe voraussichtlich ab 2016 zur Vermietung zur Verfügung. Der genaue Mietbeginn stehe noch nicht fest, da sich das Objekt noch im Bau befinde.

Die fiktiven Anschaffungskosten des Gebäudes wurden vom Finanzamt mit dem Ertragswertverfahren ermittelt und in der Beschwerdevorentscheidung mit 211.200 angesetzt.
Die monatlichen Wohnungsmieten betragen lt. Mietverträgen jeweils 620 Euro und für die Stellplätze werden monatlich insgesamt 75 Euro an den BF bezahlt. Daraus errechnet sich ein Jahresrohertrag von 15.780 Euro. Die Verwaltungskosten, das Mietausfallswagnis, die Instandhaltungskosten und der Liegenschaftszinssatz wurden dabei wie vom Privatgutachter angesetzt.
Für den nicht abnutzbaren Grund und Boden wurden 20% ausgeschieden.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten und dem Vorbringen des BF.
Die Beweiswürdigung bezüglich der Frage der Inbetriebnahme, der Restnutzungsdauer und der Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten erfolgt im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, Punkt 3.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Zum Beginn der AfA

Die AfA beginnt grundsätzlich mit der Inbetriebnahme (betrieblicher Verwendung oder Nutzung) des Wirtschaftsgutes für den bestimmungsgemäßen Zweck (vgl ).
Bei hergestellten Wirtschaftsgütern ist die AfA idR ausgeschlossen, solange das Wirtschaftsgut nicht fertiggestellt ist (vgl , zu angeschafften Räumlichkeiten, an denen umfangreiche Adaptierungsarbeiten vorgenommen wurden).
Werden allerdings Teile vor Fertigstellung des Gebäudes in Betrieb genommen, dann ist die AfA für diese Teile bereits vor der Fertigstellung anzusetzen (vgl ).

Bei Gebäuden, die der Vermietung dienen, ist nicht erst mit der Vermietung, sondern schon ab der in der Vermietungsabsicht erfolgten Bereitstellung des Gebäudes die Geltendmachung der AfA zulässig, weil bei Gebäuden die rein altersbedingte Abnutzung in den Vordergrund tritt.
Diese altersbedingte Abnutzung wurde vom VwGH bisher nur bei Mietgebäuden vertreten (vgl und , ausdrücklich zu außerbetrieblich genutzten Wohngebäuden).
Die Bereitstellung bei einem hergestellten Gebäude ist aber erst mit dessen Fertigstellung möglich.

Im gegenständlichen Fall wurden im Jahr 2016 noch Herstellungsaufwendungen am Vermietungsobjekt getätigt, auch wenn sie nur den Garten und den Gartenzaun betreffen.
Der BF hat zumindest bezüglich einer der Wohnungen einen Vormietvertrag abgeschlossen, in dem mit dem späteren Mieter vereinbart wurde, dass die Wohnung voraussichtlich 2016 nach Abschluss der Bauarbeiten zur Verfügung stehe.
Tatsächlich hat der BF die Wohnungen erst ab den Mietern zur Verfügung bereitgestellt.
Insofern der BF vorbringt, dass eine Bewohnung der Wohnungen ab dem Zeitpunkt des Anschlusses an das Fernwärmenetz in den letzten Tagen des Jahres 2015 möglich gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass es für den Beginn der AfA auf die Bereitstellung zur Vermietung ankommt. Eine Bereitstellung zur Vermietung zu einem früheren Zeitpunkt als dem ist für das Bundesfinanzgericht allerdings nicht erkennbar.

Die Vermietung einzelner Einstellplätze zu einem vernachlässigbaren Betrag führt noch zu keiner Inbetriebnahme der Wohnungen.

3.1.2. Zum Nachweis einer kürzeren als der gesetzlich vermuteten Restnutzungsdauer des Gebäudes

Der BF hat ein Verkehrswertgutachten vorgelegt, in dem der Privatgutachter eine Restnutzungsdauer von 57 Jahren annimmt.
Die übliche Gesamtnutzungsdauer eines derartigen Gebäudes wird mit 80 Jahren angesetzt. Die Restnutzungsdauer von 57 Jahren wird mit der Errichtung des Rohbaus im Jahr 1992 begründet, ohne Baumängel oder Bauschäden anzuführen.

Dazu ist Folgendes festzustellen:

Gemäß § 16 Abs 1 Z 8 lit. d EStG 1988 können bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden.

Mit der Vorschrift des § 16 Abs 1 Z 8 lit d erster Satz EStG 1988 stellt das Gesetz die Vermutung im Sinne des § 167 Abs 1 BAO auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, 66 2/3 Jahre und nicht weniger beträgt. Diese Vermutung gilt unabhängig davon, ob es sich um ein neu errichtetes oder bereits zuvor genutztes Gebäude handelt (vgl )

Die Beweislast für eine kürzere Nutzungsdauer als die gesetzlich vermutete trifft ex lege den Abgabepflichtigen (vgl zB ). Der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer kann grundsätzlich mit einem Gutachten über den technischen Bauzustand erbracht werden (vgl ; ).

Ein Gutachten zum Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer muss jedenfalls auf den konkreten Bauzustand eingehen und einen nachvollziehbaren Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer herstellen (). Dies schließt eine ziffernmäßige Berechnung mit ein, die nicht nur die Ausgangswerte, sondern auch konkrete Überlegungen samt Berechnungsmethoden enthalten (vgl Kotschnigg, SWK 29/2004, 852 ff).

Maßgeblich für eine höhere AfA im außerbetrieblichen Bereich ist idR die technische und nicht die wirtschaftliche Nutzungsdauer ().

Als Umstände, auf Grund derer eine kürzere als die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Gebäudes angenommen werden müssten, kämen zB ein schlechter Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder besondere statische Probleme in Betracht (vgl , mwN).

Unter technischer Abnutzung ist der materielle Verschleiß eines Wirtschaftsgutes zu verstehen, somit sein Substanzverzehr, unter wirtschaftlicher Abnutzung die Verminderung oder das Aufhören der Verwendungsmöglichkeit eines Wirtschaftsgutes für den Steuerpflichtigen (). Die technische Gesamtnutzungsdauer hängt vom physischen Bestand der Rohbauteile wie Fundamenten, Außenwänden, Decken und Treppen, von der Art der verwendeten Baustoffe, der Konstruktion und Güte der Bauausführung sowie der Nutzungs- und Instandhaltungsintensität ab (Bienert/Funk, Immobilienbewertung Österreich (2014), 299. Da tragende Bauteile meist eine hohe Nutzungsdauer (bis zu 200 Jahre) aufweisen, ist idR eine technische Nutzungsdauer gegeben, die höher ist als die gesetzliche Vermutung von 66 2/3 Jahren (Prodinger, SWK 2018, 311).

Soll also tatsächlich von der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer abgegangen werden, ist ein genaues Eingehen des Gutachtens auf den Gesamtzustand des Gebäudes, insbesondere dessen tragende Teile, unumgänglich. So können etwa Setzungsrisse oder starke Mauerdurchfeuchtung die Nutzungsdauer verkürzende Faktoren darstellen, wobei noch zu berücksichtigen ist, ob die Schäden mit wirtschaftlich vertretbaren Maßnahmen behebbar sind.

Finden sich hingegen in einem Gutachten keine hinreichenden Aussagen über den Bauzustand, keine Feststellungen zur Qualität der Bauausführung oder zu allenfalls bereits bestehenden Schäden, etwa als Folge aufsteigender Feuchtigkeit oder eines vermuteten Schädlingsbefalls, ist es nicht geeignet, einen höheren AfA-Satz zu stützen (vgl ).

Das von Ing. Dr. ***1*** erstellte Gutachten zum Stichtag diente der Ermittlung des Verkehrswertes und ist daher schon aus diesem Grund nicht zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer geeignet.
Es enthält zwar eine Angabe der Baumaterialien, jedoch werden keine Baumängel, statische Probleme oder Schäden und deren Auswirkungen auf die Nutzungsdauer beschrieben.

In freier Beweiswürdigung und auf Basis der zitierten Judikatur zu den Anforderungen an ein Gutachten zum Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass das vorgelegte Gutachten zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Nutzungsdauer nicht geeignet ist. Die behauptete Restnutzungsdauer wurde nicht schlüssig und nachvollziehbar ermittelt. Es fehlen vor allem konkrete Feststellungen zum Zustand der maßgebenden konstruktiven Bauteile zum relevanten Stichtag.

Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Abänderung 2016)

Gemäß § 16 Abs 1 Z 8 lit. c EStG 1988 sind bei Grundstücken, die zum nicht steuerverfangen waren und die erstmalig zur Erzielung von Einkünften verwendet werden, der Bemessung der AfA die fiktiven Anschaffungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung zu Grunde zu legen.

Die fiktiven Anschaffungskosten sind aus der Sicht des Erwerbers zu ermitteln. Maßgeblich ist, was für diesen Erwerb als tatsächlicher Kaufpreis angefallen wäre. Die fiktiven Anschaffungskosten sind ein Schätzwert (zB ), dessen Ermittlung durch einen Schätzungsakt vorzunehmen ist, für den nähere gesetzliche Vorschriften nicht existieren (). Es ist jene Schätzungsmethode zu wählen, deren Ergebnisse den tatsächlichen Gegebenheiten am nächsten kommen bzw eine größtmögliche Annäherung an die Wirklichkeit darstellen (). Die Auswahl der richtigen Bewertungsmethode ist eine Sachverhaltsfrage, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu beurteilen ist.
Dem Ertragswertverfahren kommt aufgrund der Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes (Erzielung von Einkünften) eine überragende Bedeutung zu. Das Sachwertverfahren in der Form der Ableitung des Zeitwertes aus den Neuherstellungskosten ist regelmäßig nicht geeignet, weil nicht fiktive Herstellungskosten, sondern fiktive Anschaffungskosten zu ermitteln sind ().

Wird die AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vom gemeinen Wert oder von den fiktiven Anschaffungskosten bemessen, ist der auf Grund und Boden entfallende Teil aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden ().

Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der AfA finden sich in dem vom BF vorgelegten Verkehrswertwertgutachten folgende Mängel:

1. Die monatlichen Mieten für das Ertragswertverfahren wurden zu hoch angesetzt (1.664 Euro statt tatsächlich 1.315 Euro). Eine Erklärung dafür ist nicht ersichtlich. Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung am waren die Miethöhen dem BF mit großer Wahrscheinlichkeit schon bekannt, weil sie mit den Mietern von vereinbart waren.

2. Ohne ersichtlichen Grund wurden dem Ertragswert 20% Umsatzsteuer zugeschlagen.

3. Der Anteil für den nicht abnutzbaren Grund und Boden wurde nicht berücksichtigt.

4. Das zusätzlich verwendete Sachwertverfahren ist für die Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten nicht geeignet.

Demgegenüber wurde vom Finanzamt die Bemessungsgrundlage für die AfA nachvollziehbar und sachgerecht ermittelt:

Die fiktiven Anschaffungskosten des Gebäudes wurden vom Finanzamt mit dem Ertragswertverfahren ermittelt und in der Beschwerdevorentscheidung mit 211.200 angesetzt.
Die beiden monatlichen Wohnungsmieten betragen lt. Mietverträgen jeweils 620 Euro und für die Stellplätze werden monatlich insgesamt 75 Euro an den BF bezahlt. Daraus errechnet sich ein monatlicher Mietertrag von 1.315 Euro und ein Jahresrohertrag von 15.780 Euro. Die Verwaltungskosten, das Mietausfallswagnis, die Instandhaltungskosten und der Liegenschaftszinssatz wurden dabei wie vom Privatgutachter angesetzt.
Für den nicht abnutzbaren Grund und Boden wurden 20% ausgeschieden.

Die AfA iHv. 3.168 Euro wurde somit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes schlüssig ermittelt.
Aufwendungen für den Anschluss an das Fernwärmenetz könnten nur als nachträgliche Herstellungsaufwendungen berücksichtigt werden. Im gegenständlichen Fall erfolgten diese Aufwendungen jedoch vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung und sind bereits in den fiktiven Anschaffungskosten enthalten.

Der Einkommensteuerbescheid 2016 wird bezüglich der Höhe der fiktiven Anschaffungskosten im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.
Bei der Ermittlung des Ertragswertes werden monatliche Einnahmen iHv. 1.315 Euro (2 Wohnungen und 5 Stellplätze) angesetzt.
Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betragen 7.487,62 Euro.
Die Einkommensteuer für 2016 wird festgesetzt mit 2.713 Euro.

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Soweit im gegenständlichen Erkenntnis Rechtsfragen zu lösen waren folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Beurteilung der Eignung eines Gutachtens zum Nachweis einer kürzeren als der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer eines Gebäudes stellt eine Tatfrage dar, die einer ordentlichen Revision nicht zugänglich ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101332.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at