WIFI-Tageslehrgang zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung - keine Berufsfortbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***Ri***, den Richter ***Ri2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LRi1*** und ***LRi2*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Zeiträume Jänner 2020 bis März 2021 in Höhe von 3.712,50 Euro in der Sitzung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***S.*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) und § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbeträge (KG) in Höhe von insgesamt 3.712,50 Euro (FB: 2.836,50 Euro; KG: 876,00 Euro) zurück, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihren Sohn ***K.***, VNR: ********, für die Zeiträume Jänner 2020 bis März 2021 bezogen hatte.
Dies mit der Begründung, dass der Besuch eines Vorbereitungslehrganges für die Meisterprüfung an einer Bildungseinrichtung einer Handelskammer/Wirtschaftskammer keine Berufsfortbildung an einer Fachschule im Sinn des Schulorganisationsgesetzes sei und daher keinen Anspruch auf Familienbeihilfe vermittle.
Dagegen richtete sich die Beschwerde vom , in der zur Begründung im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die Familienbeihilfe nach Prüfung des eingereichten Antrages gewährt worden sei und die Bf. daher um eine nochmalige Prüfung des Rückforderungsbescheides ersuche.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Behörde an, dass der Sohn der Bf. von bis den Tageslehrgang Metalltechnik-Meister/Schlossermeister am WIFI absolviert und die Meisterprüfung für das Handwerk Metalltechnik für Metall- und Maschinenbau am erfolgreich abgelegt habe. Die Familienbeihilfe sei daher nach diesem Tageslehrgang gem. § 15 FLAG 1967 bis weitergewährt worden.
Grundsätzlich begründe nur das Vorliegen einer Berufsausbildung einen FB-Anspruch. Berufsfortbildung sei nur ausnahmsweise begünstigt, sofern das Kind in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werde, wenn ihm durch den Schulbesuch die Ausübung seines Berufes nicht möglich sei.
Der Inhalt des Begriffes "Fachschule" sei unter Zuhilfenahme der Bestimmungen des SchOG, BGBl 1962/242 idgF, zu bestimmen. Danach seien Fachschulen iSd SchOG die in den § 58 und 59 leg cit genannten gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschulen (einschließlich der dort angeführten gewerblichen und technischen Lehrgänge und Kurse) sowie die land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen.
Zwar obliege es gemäß § 5 lit c HandelskammerG den Landeskammern als Organen der Wirtschaftsverwaltung, Einrichtungen und Anstalten zur Förderung der Wirtschaft oder des ihr dienenden Bildungswesens ins Leben zu rufen und zu verwalten oder an der Schaffung und Verwaltung solcher Einrichtungen mitzuwirken bzw. ist die berufliche Aus- und Weiterbildung eine der in § 61 Abs. 2 lit. f leg. cit. angeführten Aufgaben der bei jeder Landeskammer errichteten Wirtschaftsförderungsinstitute. Diese Vorschriften würden aber eine danach geschaffene Ausbildungseinrichtung noch nicht als Schule iS des SchOG qualifizieren ().
In Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 2, RZ 45 - 47, werde ausgeführt:
"Die Polierschule der Bauakademie des Lehrbauhofes Salzburg erfülle nicht die Voraussetzungeiner Bildungseinrichtung iSd § 58 und § 59 SchOG ().Der Besuch der einjährigen Meisterklasse der Berufspädagogischen Bundeslehranstalt für Bekleidungsgewerbe sei für ein Kind, das nach Ablegung der Schneidergesellenprüfung einJahr als Schneidergehilfe tätig gewesen sei, keine Berufsausbildung, auch wenn dieGehilfentätigkeit eine unumgängliche Voraussetzung für die Absolvierung der Meisterklassebilde (). Mit der Ablegung der Gesellenprüfung sei dieBerufsausbildung in einem handwerklichen oder gewerblichen Beruf abgeschlossen. Die zurErlangung der Meisterprüfung erforderlichen Gesellenjahre würden nicht mehr zurBerufsausbildung zählen ()."
Da das WIFI keine Fachschule sei, bestehe kein Anspruch auf die Familienbeihilfe. Es bestehe daher auch kein Anspruch auf eine weitere Gewährung der Familienbeihilfe bis .
Die Beschwerde müsse daher abgewiesen werden.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
Ergänzend zu den Beschwerdeausführungen brachte die Bf. darin im Wesentlichen Folgendes vor:
Ihr Sohn habe in der Zeit von bis den Tageslehrgang (kein Abendlehrgang) für Metalltechnik-Meister/Schlossermeister beim WIFI OÖ abgelegt. Die Meisterprüfung habe er im August 2020 positiv abgelegt.
Die Meisterqualifikation werde in Österreich im Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) ab sofort wie ein Bachelor-Abschluss gewertet. Meisterprüfung und Bachelor-Abschluss seien seit 2018 gleichgestellt. Die Abschlüsse würden sich auf Stufe 6 des "Nationalen Qualifikationsrahmens" (NQR) befinden.
In der Beschwerdevorentscheidung vom seien VwGH-Entscheidungen (; ) angeführt, welche nicht mehr dem heutigen Stand entsprechen würden.
Aufgrund der oben angeführten Punkte ersuche die Bf. um neuerliche Gewährung der Familienbeihilfe bzw. Aufhebung des Rückforderungsbescheides.
Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.
Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ersuchte das Bundesfinanzgericht die WIFI OÖ GmbH um eine Auskunft, ob der angesprochene "All Inclusive Tageslehrgang für Metalltechnik-Meister/Schlossermeister Unternehmertraining, Theorie und Praxis", Lehrgangs-Nr.: 8150, von bis , die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 SchOG - etwa als Vorbereitungslehrgang nach § 59 Abs. 1 Z. 2 lit. b SchOG - erfüllt, und ob im Zusammenhang mit der vom VwGH im Jahr 1995 vorgenommenen Beurteilung hinsichtlich der Qualifikation der Wirtschaftsförderungsinstitute als Schulen im Sinne des SchOG in der Zwischenzeit Änderungen eingetreten sind, etwa durch die Erteilung einer Bewilligung zur Führung einer gesetzlichen Schulartbezeichnung.
Die WIFI OÖ GmbH teilte daraufhin mit, dass sie mit den Vorbereitungskursen auf Meisterprüfungen nicht dem Schulorganisationsgesetz unterliege und keine Änderung seit der Beurteilung des VwGH im Jahr 1995 eingetreten sei.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der am ***Geb.Dat.*** geborene Sohn der Beschwerdeführerin (Bf.) hat den Lehrberuf "Metalltechniker Maschinenbautechnik (Hauptmodul)" erlernt, am die Lehrabschlussprüfung mit Auszeichnung bestanden und ist in der Folge in seinem erlernten Beruf nichtselbständig tätig gewesen.
Von bis hat er den "All Inclusive Tageslehrgang für Metalltechnik-Meister/Schlossermeister, Unternehmertraining, Theorie und Praxis" (Lehrgangs-Nr.: 8150) der WIFI OÖ GmbH der Wirtschaftskammer OÖ in 4020 Linz, Wiener Straße 150 (nachfolgend: WIFI), besucht und am die Meisterprüfung für das Handwerk Metalltechnik für Metall- und Maschinenbau abgelegt.
Laut Meisterprüfungszeugnis ist die Meisterprüfung dem Niveau 6 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) zugeordnet.
Über den genannten Tageslehrgang finden sich auf der Homepage des WIFI (https://www.wifi-ooe.at/kurs/8150-metalltechnik-vorbereitung-auf-die-meisterpruefung-tageslehrgang-all-inclusive) u.a. folgende Informationen:
"Mit diesem Lehrgang bereiten Sie sich auf die theoretische und praktische Meisterprüfung für Metalltechnik ("Metall- und Maschinenbau" oder "Schmiede und Fahrzeugbau") einschließlich der Unternehmerprüfung vor.
…
Als Metalltechniker haben Sie ausgezeichnete Berufschancen. Die Krönung Ihrer Handwerker-Karriere bleibt aber die Meisterprüfung. Mit dem WIFI-Vorbereitungskurs zur Meisterprüfung für Metalltechniker legen Sie schon heute den Grundstein für Ihre Top-Qualifizierung! Mit dem WIFI-Kurs und der darauffolgenden Prüfung erfüllen Sie alle Voraussetzungen für die Führung und Leitung eines handwerklichen Meisterbetriebes und für Ihre berufliche Selbständigkeit. Zudem bietet Ihnen die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung die Möglichkeit zur Übernahme einer Führungsposition in mittleren und größeren Unternehmen. Die Kursinhalte von "All Inclusive Tageslehrgang für Metalltechniker" sind auf die Prüfungsordnung der Meisterprüfung abgestimmt. So können Sie sich einfach und konsequent auf alle praktischen und theoretischen Prüfungsaufgaben vorbereiten. Im Vorbereitungskurs beschäftigen Sie sich mit allen prüfungsrelevanten Kenntnissen und Fertigkeiten und erwerben umfangreiches Know-how. Bereit für Ihre Karriere?
Der All-Inclusive-Vorbereitungskurs besteht aus drei Blöcken:
Unternehmertraining
fachtheoretische Ausbildung
praktische Ausbildung
Mit dieser All-Inclusive-Vorbereitung bekommen Sie also zusätzlich zum theoretischen Fachkurs noch eine Praxisausbildung sowie das Unternehmertraining inkl. Teambuilding-Seminar (Outdoor-Training). Das Seminar ist fixer Bestandteil des Lehrgangs und wird Ihnen auch für eine spätere Tätigkeit als Führungskraft oder Lehrlingsausbilder wertvolle Impulse liefern.
…
Die Kursinhalte:
Fachzeichnen:
Normgerechte Darstellung und Bemaßung, Passungen, Oberflächenangaben, Detail-Werkstatt- und Zusammenstellungszeichnungen, CAD.
Fachrechnen:
Grundlagen, Winkelberechnungen, Hebelberechnungen, Fertigkeitslehre, Hydraulik-Pneumatik, Gasgesetz, Ausdehnungsberechnungen.
Fachkunde:
Arbeitsvorbereitung, Physikalische Grundlagen, Grundbegriffe: Elektrotechnik, Hydraulik, Pneumatik, Steuerungs- und Regeltechnik, CNC-Grundlagen, Werkzeugmaschinen: Spanabhebende, spanlose Werkzeuge und Vorrichtungen bei der Formgebung, Fertigungstechnik - zerspanend, Messtechnik, Passungen und Toleranzen (Form- und Lagetoleranzen), Maschinenelemente und Verbindungselemente, Verbindungstechnik
Werkstoffkunde:
Werkstoffe, Eigenschaften, Verwendungen, Wärmebehandlung, Werkstoffprüfung, Handelsformen der Werkstoffe, Oberflächenbehandlung und Korrosionsschutz,
Schmier- und Kühlmittel, Grundlagen der Metallveredelung
Schlosserkunde:
Rohrleitung und Bauteile, Fachliche Sondervorschriften: Sicherheitsvorschriften, Baurechtliche Vorschriften, Umweltschutz, Abfallentsorgung- und -trennung, Brand-, Lärm- und Unfallschutz, Erste Hilfe.
Die Zielgruppe:
Anwärter auf die Meisterprüfung in der Metalltechnik.
Bedenken Sie, dass es bei der Prüfung um die Anfertigung eines Meisterstücks geht, das sehr hohe Anforderungen an die Kandidaten stellt. Bei geringen Praxiskenntnissen ist auch für Facharbeiter der Besuch zusätzlicher Praxiskurse (Drehen, Fräsen, alle 3 Schweißverfahren) vor Lehrgangsbeginn notwendig.
Es ist daher wichtig, dass Sie bereits vor den Praxisteilen im Kurs gute Kenntnisse in den Bereichen Drehen, Fräsen und Schweißen haben! Die Inhalte aus Kurs 8171 (Drehen 1) und (8175 Fräsen 1) stellen eine absolute Mindestanforderung dar, die Sie auf jeden Fall beherrschen müssen.
…
Die Meisterprüfung:
Die Anmeldung zur Prüfung kann im Verlauf des Lehrganges durchgeführt werden. Die Prüfung selbst erfolgt im Verlauf der nächsten Monate nach Lehrgangsende.
Die Zeichnungen der Meisterstücke sowie deren Bewertung, Prüfungsmodalitäten und Zulassungsbedingungen zur Meisterprüfung können beim Prüfungsservice angefordert werden. (…)
Hinweis: Das All-Inclusive Angebot bezieht sich auf die benötigten Lehrinhalte. Die Prüfungsgebühren, die die Prüfungsstelle der Wirtschaftskammer einhebt, sind in den WIFI-Kurskosten nicht enthalten.
Alle Meisterprüfungskandidaten im Bereich Metalltechnik und Schmiedetechnik müssen bei der praktischen Prüfung ein Meisterstück fertigen. Derzeit kann unter folgenden Stücken gewählt werden:
…"
Die Bf. hat für ihren Sohn für die Monate Jänner 2020 bis März 2021 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in der Höhe von insgesamt 3.712,50 Euro (FB: 2.836,50 Euro; KG: 876,00 Euro) bezogen.
Die zunächst von Jänner 2020 bis Juni 2020 zuerkannte Familienbeihilfe ist in der Folge aufgrund der Bestimmung des § 15 Abs. 1 FLAG 1967 bis März 2021 verlängert worden.
2. Beweiswürdigung
Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Verfahrensparteien keine solchen begründeten Zweifel darlegten, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.
3. Rechtslage
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967).
Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden gemäß § 15 Abs. 1 FLAG 1967 die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Die gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschulen umfassen gemäß § 58 Abs. 1 Schulorganisationsgesetz (SchOG) einen zwei- bis vierjährigen Bildungsgang. Sie dienen der Erlernung eines oder mehrerer Gewerbe oder der Ausbildung auf technischem oder kunstgewerblichem Gebiet. Hiebei ist in einem Werkstättenunterricht oder in einem sonstigen praktischen Unterricht eine sichere handwerkliche oder sonstige praktische Fertigkeit zu vermitteln.
§ 59 Abs. 1 SchOG lautet:
"§ 59. Sonderformen der gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschulen sowie gewerbliche und technische Lehrgänge und Kurse
(1) Als Sonderformen der gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschulen können geführt werden:
1. Schulen zur fachlichen Weiterbildung, die bis zu vier Jahre umfassen:
a) Gewerbliche Meisterschulen für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung zur Erweiterung der Fachbildung;
b) Werkmeisterschulen und Bauhandwerkerschulen zur Erweiterung der Fachbildung von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung;
c) kunstgewerbliche Meisterschulen zur fachlichen Weiterbildung von Personen, die ihre besondere Eignung hiefür durch die erfolgreiche Ablegung einer Eignungsprüfung nachgewiesen haben;
2. Vorbereitungslehrgänge, die ein oder zwei Semester umfassen,
a) zur Vorbereitung zum Eintritt in den III. Jahrgang einer Höheren technischen oder gewerblichen Lehranstalt oder in einen Aufbaulehrgang entsprechender Fachrichtung ohne Aufnahmsprüfung für Personen, die die achte Schulstufe erfolgreich abgeschlossen und eine Lehrabschlussprüfung in einem der Fachrichtung entsprechenden Lehrberuf erfolgreich abgelegt haben;
b) zur Vorbereitung zum Eintritt in eine Höhere technische oder gewerbliche Lehranstalt für Berufstätige ohne Aufnahmsprüfung für Personen, die die achte Schulstufe erfolgreich abgeschlossen haben. Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung zu bestimmen, dass Personen, die eine Lehrabschlussprüfung in einem der Fachrichtung entsprechenden Lehrberuf abgelegt und den Vorbereitungslehrgang erfolgreich abgeschlossen haben, zum Eintritt in den II. Jahrgang einer Höheren technischen oder gewerblichen Lehranstalt für Berufstätige berechtigt sind, sofern dies im Hinblick auf den Lehrabschluss und die Lehrpläne des betreffenden Vorbereitungslehrganges und der betreffenden Fachrichtung der Höheren technischen oder gewerblichen Lehranstalt für Berufstätige gerechtfertigt ist. Schüler, die eine Werkmeisterschule erfolgreich abgeschlossen haben und durch einen zusätzlichen Unterricht die Kenntnisse eines Vorbereitungslehrganges nachweisen, sind den Absolventen des betreffenden Vorbereitungslehrganges gleichgestellt; Vorbereitungslehrgänge sind in Modulen zu organisieren;
3. gewerbliche, technische und kunstgewerbliche Fachschulen für Berufstätige, welche in Semester zu gliedern und in Modulen zu organisieren sind.
Für die Aufnahme in die unter diesen Absatz fallenden Sonderformen ist - abgesehen von der Eignungsprüfung für kunstgewerbliche Meisterschulen (Z 1 lit. c) - die Ablegung einer Aufnahmsprüfung nicht erforderlich. In Vorbereitungslehrgänge können auch Berufsschüler nach erfolgreichem Abschluss der 1. Klasse der Berufsschule aufgenommen werden. Die Sonderformen können auch als Schulen für Berufstätige, erforderlichenfalls unter Verlängerung der Ausbildungsdauer, geführt werden; sie sind in Semester zu gliedern und in Modulen zu organisieren."
Das Bundesgesetz über den Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR-Gesetz) regelt nach dessen § 1 Abs. 1 die Zuordnung österreichischer Qualifikationen zu einem Qualifikationsniveau des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) und die Veröffentlichung dieser Zuordnung zu Informationszwecken in einem öffentlich zugänglichen Register (NQR-Register).
Der Nationale Qualifikationsrahmen ist gemäß § 1 Abs. 2 NQR-Gesetz ein Instrument zur Einordnung von Qualifikationen in acht NQR-Qualifikationsniveaus. Die Zuordnung von Qualifikationen zu einem der acht NQR-Qualifikationsniveaus erfolgt gemäß der Empfehlung zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen, ABl. Nr. C 111 vom S. 1, auf der Basis von Lernergebnissen. Die Qualifikationsniveaus des Nationalen Qualifikationsrahmens entsprechen den Qualifikationsniveaus des Europäischen Qualifikationsrahmens.
Zielsetzung des Nationalen Qualifikationsrahmens ist die Förderung der Transparenz und Vergleichbarkeit von Qualifikationen in Österreich und Europa sowie die Förderung des lebensbegleitenden Lernens, welches formales, nicht-formales und informelles Lernen umfasst (§ 1 Abs. 3 NQR-Gesetz).
Die Mitwirkung des Bundes an der Zuordnung und Veröffentlichung von Qualifikationen nach diesem Bundesgesetz erfolgt im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Die Zuordnung von Qualifikationen nach diesem Bundesgesetz dient Informationszwecken und entfaltet keine Rechtswirkungen auf berufliche oder sonstige Berechtigungen (§ 1 Abs. 4 leg. cit.).
Gemäß § 3 Abs. 1 NQR-Gesetz sind Qualifikationen einem von acht aufeinander aufbauenden NQR-Qualifikationsniveaus zuzuordnen. Die NQR-Qualifikationsniveaus werden gemäß Anhang II der Empfehlung zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen definiert (Anhang 1).
Die NQR-Koordinierungsstelle hat die formale und inhaltliche Prüfung von Zuordnungsersuchen durchzuführen, mit dem Ziel, die den Gegenstand des Zuordnungsersuchens bildende Qualifikation nach Maßgabe der §§ 8 und 9 dieses Bundesgesetzes einem der in § 3 genannten NQR-Qualifikationsniveaus zuzuordnen.
Sie hat ein Register über nach diesem Bundesgesetz zugeordnete Qualifikationen (NQR-Register) zu führen. Dieses NQR-Register umfasst neben der Bezeichnung der Qualifikation, ihrer Zuordnung zu einem NQR-Qualifikationsniveau gemäß § 3 und dem Namen des Qualifikationsanbieters, eine Beschreibung der Qualifikation und ihrer wesentlichen Lernergebnisse. Das NQR-Register ist auf einer von der NQR-Koordinierungsstelle zu wartenden Website öffentlich zugänglich (§ 5 Abs. 1 und 2 NQR-Gesetz).
4. Rechtliche Beurteilung
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 unterscheidet zwischen "Berufsausbildung" und "Berufsfortbildung". Während nach ständiger Rechtsprechung unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen sind, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem bestimmten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, liegt "Berufsfortbildung" vor, wenn die bisherigen Kenntnisse und Fähigkeiten im bereits ausgeübten Beruf verbessert werden.
Unter eine Berufsausbildung fällt auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf ( unter Verweis auf und ).
Im vorliegenden Fall beendete der Sohn der Bf. seine Berufsausbildung mit der erfolgreichen Ablegung der Lehrabschlussprüfung im Februar 2017. Er war auch bereits danach in seinem erlernten Beruf nichtselbständig tätig.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es jedoch für die Qualifikation einer Berufsausbildung nicht darauf an, ob eine schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Dies lässt eine Berufsausbildung neben der Ausübung eines Berufes zu ().
Bei bereits berufstätigen Personen ist demnach zwischen einer Berufsausbildung (für einen anderen als den ausgeübten Beruf) und einer Fortbildung im erlernten Beruf zu unterscheiden.
Dass der Besuch des in Rede stehenden WIFI-Tageslehrgangs eine Ausbildung zu einem anderen Beruf darstelle, behauptet die Bf. nicht.
Damit handelt es sich bei dieser Ausbildung um eine Fort- oder Weiterbildung im erlernten und ausgeübten Beruf, welche nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit b FLAG nur dann einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln kann, wenn sie in einer Fachschule erfolgt (vgl. auch ; Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 51).
Der Inhalt des Begriffes "Fachschule" i.S.d. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist nach der in der Beschwerdevorentscheidung bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Zuhilfenahme der Bestimmungen des SchOG zu bestimmen ().
Da sich die Rechtslage nicht geändert hat, ist die zuletzt angeführte Judikatur weiterhin und somit auch im gegenständlichen Beschwerdefall heranzuziehen.
Demnach sind Fachschulen i.S.d. SchOG die in § 58 und § 59 leg cit genannten gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschulen (einschließlich der dort angeführten gewerblichen und technischen Lehrgänge und Kurse) sowie die landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Fachschulen.
Nach dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung könnte von einer in § 59 Abs. 1 SchOG angeführten Sonderform der gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschule bzw von einem dieser Gesetzesstelle subsumierbaren gewerblichen und technischen Lehrgang oder Kurs jeweils nur bei Vorhandensein einer öffentlichen Schule - das ist eine von einem gesetzlichen Schulerhalter errichtete und erhaltene Schule (§ 8 lit. a SchOG und Art 14 Abs. 6 B-VG) - oder einer gemäß den Bestimmungen des § 11 PrivSchG, BGBl 1962/244 idgF, zur Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung berechtigten Privatschule die Rede sein.
Gemäß § 19 Abs. 1 Z. 4 Wirtschaftskammergesetz (WKG) obliegt den Landeskammern im eigenen Wirkungsbereich u.a. die Förderung der Wirtschaft, insbesondere auch durch das Anbieten von Aus- und Weiterbildung sowie das Gewähren von allgemeiner, technischer und betriebswirtschaftlicher Wirtschaftsförderung durch entsprechende Einrichtungen, insbesondere durch Wirtschaftsförderungsinstitute.
Diese Vorschriften qualifizieren eine danach geschaffene Ausbildungseinrichtung jedoch noch nicht als Schule iSd SchOG (vgl. wiederum ).
Die WIFI OÖ GmbH teilte dem Bundesfinanzgericht mit, dass sie mit den Vorbereitungskursen auf Meisterprüfungen nicht dem SchOG unterliege und keine Änderung seit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes im Jahr 1995 eingetreten sei.
Bei dem viermonatigen Tageslehrgang "Metalltechnik-Meister/Schlossermeister, Unternehmertraining, Theorie und Praxis" der WIFI OÖ GmbH handelt es sich sohin auch nicht um eine in § 59 Abs. 1 SchOG angeführte Sonderform der gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschule bzw. um einen in dieser Gesetzesstelle genannten gewerblichen oder technischen Lehrgang oder Kurs.
Mit dem Besuch des genannten WIFI-Tageslehrgangs wird daher die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, wonach eine Berufsfortbildung nur dann einen Familienbeihilfenanspruch begründet, wenn sie an einer "Fachschule" erfolgt, nicht erfüllt.
Der Einwand im Vorlageantrag, im Nationalen Qualifikationsrahmen entspreche die Meisterprüfung dem Qualifikationsniveau eines Bachelorabschlusses, vermag daran nichts zu ändern, weil die nationale NQR-Zuordnung ausschließlich der Transparenz und Information dient und keine Rechtswirkungen auf die für die Gewährung der Familienbeihilfe maßgeblichen Bestimmungen des FLAG 1967 entfaltet.
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, gutgläubiger Empfang oder gutgläubige Verwendung der Beihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2, § 26 Rz 12 f und die dort angeführte Judikatur).
Mitteilungen über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 12 FLAG 1967 stehen einer Rückforderung gemäß § 26 FLAG 1967 nicht entgegen. Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist ().
Daraus folgt, dass aufgrund fehlender Anspruchsvoraussetzungen die für die Zeiträume Jänner 2020 bis März 2021 zu Unrecht zuerkannten Beträge bei der Bf. zurückzufordern waren.
Aus den angeführten Gründen war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Abschließend wird der Vollständigkeit halber und ohne Präjudiz angemerkt, dass bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 236 BAO in Verbindung mit § 3 Z. 2 lit. a der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005 i.d.g.F., auch eine allfällige Nachsicht des Rückforderungsbetrages in Betracht kommt. Das antragsgebundene Verfahren auf Nachsicht gemäß § 236 BAO (Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten) ist ein von der Rückforderung getrenntes Verfahren. Die Gewährung einer Nachsicht liegt im Ermessen des Finanzamts und kann bei Versagung der beantragten Nachsicht in einem Rechtsmittelverfahren angefochten werden. Die Nachsicht setzt keine Weisung der Oberbehörde nach § 26 Abs. 4 FLAG 1967 voraus (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2, § 26 Rz 78).
5. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Inhalt des Begriffes "Fachschule" i.S.d. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist durch die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als geklärt anzusehen.
Die Revision ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100039.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at