Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 07.07.2023, RV/2100165/2023

Keine doppelte Haushaltsführung bei Verlegen des Wohnsitzes vom Beschäftigungsort

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0087. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Ri***, den Richter ***Rier*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Michaela Eva Moosbrugger, Himmelreichweg 41, 8044 Graz,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2020 und Einkommensteuer 2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Einkommensteuer 2020 wird festgesetzt mit - ***10***,- Euro

Die Einkommensteuer 2021 wird festgesetzt mit -***11***,- Euro

Die Bemessungsgrundlagen bzw. die Berechnung der Steuer sind dem Ende der Entscheidungsgründe bzw. den Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** (im Folgenden: Bf.) ist in der Steiermark nichtselbständig beschäftigt und erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Zuge der Einreichung der Einkommensteuererklärungen 2020 und 2021 machte die Bf. die hier strittigen Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 15.689,05 Euro (2020) bzw. 11.808,93 Euro (2021) und Familienheimfahrten iHv jeweils 3.672,00 Euro geltend. Weiters wurde der Abzug von Werbungskosten iHv 1.349,71 Euro im Jahr 2020 und iHv 1.730,02 Euro im Jahr 2021 beantragt (und bei der Steuerberechnung in Abzug gebracht).

In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2020 und 2021 jeweils vom versagte das Finanzamt den Abzug der Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten und begründete dies in einem gesonderten Schreiben wie folgt:

"Die Abgabepflichtige (AbgPfl.) ist seit dem Jahr 2007 bei ***1*** tätig und hat ihren Hauptwohnsitz in ***Stmk***, dort befindet sich eine Liegenschaft in ihrem Eigentum. Sie hat im Jahr 2011 Herrn ***B*** geheiratet und befindet sich seit dieser Zeit der Familienwohnsitz in Wien bei ihrem Ehemann. Seit Jänner 2018 erzielt der Ehemann nur mehr Pensionseinkünfte.

Durch die Pensionierung des Ehegatten liegen die Voraussetzungen für die Gewährung für eine auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung nicht mehr vor. Jedoch ist eine angemessene Frist einzuräumen, um den Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort zu verlegen. Als angemessene Frist bei Eheleuten wird eine Dauer von 2 Jahren angenommen. Daher wurden die Kosten der doppelten Haushaltsführung für die Veranlagungsjahre 2018 und 2019 gewährt.

Gründe für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung aufgrund der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes liegen nach Ansicht der Abgabenbehörde ab dem Jahr 2020 nicht (mehr) vor.

Wenn wie in der Beantwortung des Ergänzungsansuchens vom hinsichtlich der Veranlagung 2019 eingewendet wird, dass die Pensionierung der AbgPfl. bereits absehbar ist, dann wird dem entgegnet, dass der VwGH ausführt, dass erst nach dem Erreichen des 60. Lebensjahres die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zumutbar ist.

Bei bevorstehender Pensionierung sind die Kosten der doppelten Haushaltsführung dann anzuerkennen, wenn davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer noch höchstens fünf Jahre berufstätig sein dann an den Familienwohnsitz zurückkehren wird (Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG, Kommentar, 58. Lfg. Jänner 2015, § 16 Abs 1 Z 6, Rz 79).

Im konkreten Fall war die AbgPfl. zum Zeitpunkt der Pensionierung ihres Ehemannes im 57. Lebensjahr und damit eindeutig unter der festgelegten Grenze. Auch ist eine Rückkehr an den Familienwohnsitz bzw. Aufgabe des Wohnsitzes am Beschäftigungsort noch offen.

In der erwähnten Beantwortung des Ergänzungsansuchens wurde dargelegt, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes auch deshalb nicht möglich sei, da der Ehemann der AbgPfl. gegenüber seinen Kindern verpflichtet sei, das Haus in gutem Zustand zu erhalten und dieses auch nicht zu verkaufen. Weiters wurde angeführt, dass durch die häufigen Aufenthalte in Wien und durch die guten Verbindungen zur Politik und den leitenden Beamten die berufliche Tätigkeit gefördert werde.

Dem ist wie folgt zu entgegnen: Behält ein Steuerpflichtiger den bisherigen (Familien)Wohnsitz deswegen bei, weil er dort über Eigentum verfügt, so sind die Aufwendungen für eine Wohnung am oder in der Nähe des Arbeitsortes privat veranlasst und nicht abzugsfähig. Der VwGH hat wiederholt ausgesprochen, dass der Besitz eines Eigenheimes keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den neuen Arbeitsort darstellt (; ).

Die vorgebrachten Gründe sind privat veranlasst und begründen keine Berücksichtigung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten.

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass man bei den beantragten Kosten für die doppelte Haushaltsführung am Beschäftigungsort iHv mehr als 15.500,00 Euro keinesfalls von angemessenen Kosten sprechen kann."

In den dagegen eingebrachten Beschwerden vom führte die steuerliche Vertreterin aus, dass ab 2020 die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung aus anderen Gründen als der Erwerbstätigkeit des Ehegatten bestehe: Der Ehegatte habe sich seinen Kindern gegenüber nicht nur vertraglich verpflichtet, das Einfamilienhaus in gutem Zustand zu erhalten, sondern auch, dieses nicht zu verkaufen und in weiterer Folge an sie zu vererben. Gleichzeitig solle der Bf. ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt werden.

Überdies ziehe die Bf. durch ihre Anwesenheit am Familienwohnsitz in Wien enorme berufliche Vorteile, da ihre guten Verbindungen sowie zu den zahlreichen Direktorinnen auch ihre berufliche Tätigkeit fördern und von ihrem Arbeitgeber mehr als geschätzt werden.

Da von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die steuerliche doppelte Haushaltsführung mit der Pensionierung der Bf. beendet sein werde, betrage der maßgebliche Zeitrahmen (maximal) sieben Jahre und sei damit absehbar iSd Rechtsprechung des VwGH, der wohl nicht starr auf eine Jahresgrenze von vier oder fünf Jahren abstelle. Außerdem sei es aufgrund der gesundheitlichen Vorgeschichte der Bf. durchaus vorstellbar, dass sie in vorzeitigen Ruhestand treten werde.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und fügte in sachverhaltsmäßiger Hinsicht hinzu, dass die Bf. ihren Wohnsitz nach Beginn ihrer Erwerbstätigkeit im Jahr 2007 erst im November 2011 nach Wien verlegt habe. Damit sei bereits die Begründung des Hausstandes in Wien nicht beruflich, sondern privat veranlasst gewesen ().

Im Vorlageantrag vom wiederholte die Bf. ihr bisheriges Vorbringen und beantragte die Entscheidung durch einen Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Außerdem beantragte sie, den Ehegatten ***B*** als Zeugen zu befragen. Dazu heißt es wörtlich:

"Die Ursache für die Unzumutbarkeit liegt daher in Umständen von erheblicher objektiver Bedeutung. Der Ehegatte von Frau ***Bf1*** hat sich seinen Kindern gegenüber nicht nur verpflichtet das Einfamilienhaus in gutem Zustand zu erhalten, sondern sich auch vertraglich verpflichtet, dieses nicht zu verkaufen und in weiterer Folge an sie zu vererben. Gleichzeitig gibt es die testamentarische Verpflichtung zwischen allen Beteiligten, dass Frau ***Bf1*** ein lebenslanges Wohnrecht am Familienwohnsitz eingeräumt werden soll. Es geht hier also nicht um persönliche Vorlieben oder nur um die Tatsache, dass ihr Ehegatte ein Eigenheim am Familienwohnsitz besitzt, sondern um konkrete rechtliche Verpflichtungen, die damit verbunden sind und eingehalten werden müssen. Diese Umstände machen die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes deutlich.

Beweis: vorzulegendes Testament

Zeuge ***B***

weitere noch namhaft zu machende Zeugen

Hervorgehoben sei hier auch noch einmal die Tatsache, dass Frau ***Bf1*** durch ihre häufige Anwesenheit am Familienwohnsitz in Wien enorme berufliche Vorteile zieht. Sie ist laut Stellenbeschreibung unter anderem auch für Studien und vergleichende strategische Arbeiten zuständig, ihre guten Verbindungen sowie zu den zahlreichen Direktorinnen fördern daher auch ihre berufliche Tätigkeit und werden von ihrem Arbeitgeber mehr als geschätzt.

Beweis: Zeuge ***B***

weitere noch namhaft zu machende Zeugen

Zur zeitlichen Komponente ist anzumerken, dass Frau ***Bf1*** im Jahr 2020 bzw. 2021 zwar das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, allerdings trotzdem von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die steuerliche doppelte Haushaltsführung mit der Pensionierung von Frau ***Bf1*** beendet sein wird. Selbst wenn hier der Zeitrahmen (maximal) sieben Jahre beträgt (2020 bis 2026) und nicht nur vier bis fünf wie in zahlreichen Judikaten des Verwaltungsgerichtshof angeführt, kann wohl nicht starr auf diese Jahresgrenzen abgestellt werden, sondern wohl nur auf die Tatsache, dass der Zeitrahmen absehbar ist und sich in dieser Zeit auch keine großen beruflichen Veränderungen mehr ergeben werden. Dann wird sie den Wohnsitz in ***Stmk*** - außerhalb des Familienwohnsitzes in Wien - nicht mehr benötigen. Dieser zeitliche Horizont kann sich hier nur noch verkürzen, man denke nur an die Möglichkeit einer früheren Pensionierung (welche aufgrund der gesundheitlichen Vorgeschichte von Frau ***Bf1*** nicht unwahrscheinlich erscheint), dann liegt der zeitliche Rahmen ohnehin nur mehr bei den bisher judizierten vier bis fünf Jahren.

Beweis: Zeuge ***B***

weitere noch namhaft zu machende Zeugen"

Aus dem Vorlagebericht vom bzw. den vorgelegten Unterlagen ergeben sich folgende weitere Informationen:

Laut Zentralem Melderegister Zahl ZMR hat die Bf. an der Adresse ***A in Stmk*** seit ihren Hauptwohnsitz, seit hat sie an der Adresse ***W in*** Wien ihren Nebenwohnsitz. Ihr Ehegatte ***B*** ist als Unterkunftgeber vermerkt.

In einem Schreiben vom (Beantwortung eines Ergänzungsersuchens) gab die Bf. hinsichtlich ihrer Wohnverhältnisse den melderechtlichen Status bekannt und erklärte, dass die Wohnung in Wien die gemeinsam bewohnte Familienwohnung sei (Eheschließung am ). Das Haus in Hart sei 1996 um ***x*** Euro errichtet worden.

In Beantwortung eines Bedenkenvorhaltes des Finanzamtes übermittelte die Bf. am unter Anderem eine Aufstellung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung (die Zahlungsbelege wurden mit Schreiben vom nachgereicht), wobei diese Kosten den Hauptwohnsitz in ***A in Stmk*** betreffen (AfA + Instandhaltungskosten), die laut ihrer Angabe angemessen seien. Eine Aufstellung hinsichtlich der Familienheimfahrten wurde nicht vorgelegt (auch keine Fahrtenbuch oder sonstige Belege).

Im Vorlagebericht beantragte das Finanzamt ausdrücklich, Werbungskosten abweichend von den angefochtenen Bescheiden (1.349,71 Euro im Jahr 2020 und 1.730,02 Euro im Jahr 2021) zu kürzen und zwar um folgende Beträge:

Im Jahr 2020 Arbeitsmittel um 174,99 Euro für einen Schreibtisch mangels Vorlage eines Beleges und sonstige Werbungskosten um 971,27 Euro für Arztkosten (671,21 Euro), die keine Berufskrankheit darstellen und Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer (300,06 Euro), weil keine Belege vorgelegt wurden.

Im Jahr 2021 Arbeitsmittel um den Betrag 488,31 Euro: Von den Druckerpatronen, dem Büromaterial und dem Laptop sei ein Privatanteil von 40% auszuscheiden (40,79 Euro, 7,72 Euro und 279,60 Euro). Zusätzlich sei die Homeoffice-Pauschale iHv 300 Euro in Abzug zu bringen, damit es zu keiner doppelten Berücksichtigung komme. Die sonstigen Werbungskosten seien um den Betrag von 734,24 Euro für Arztkosten zu kürzen, weil es sich bei den behandelten Krankheiten um keine Berufskrankheiten handle.

Dazu reichte die stV ein Schreiben ein, in dem sie ausführlich darlegte, warum dem Ehegatten der Bf. eine Wohnsitzverlegung nicht zumutbar ist und welche beruflichen Vorteile die Bf. aus dem Familienwohnsitz in Wien ziehe. Offenbar dazu beantragte sie die Zeugeneinvernahme folgender Personen: ***2***, ***3***, ***4***, ***5***, ***6***, ***7***, ***8***, ***9***.

Zu den Kosten für das Arbeitszimmer in Wien gab sie an, dass es dazu - wie in Familien üblich - keine Belege gebe, da die Eheleute ihre Lebenshaltungskosten teilen würden (Zeuge: ihr Ehegatte)

***Dr***div. Diagnosen[...]

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die steuerlich vertretene Bf. ausdrücklich auf § 270 und § 272 BAO sowie die Rechtsprechung des VwGH zum Grundsatz von Treu und Glaube hingewiesen. Zur beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung erklärte die Bf., dass diese aufgrund des bei ihrer (ab dem Jahr der Eheschließung neuen) Stelle gebotenen "Netzwerkens" beruflich erforderlich gewesen sei. Nur ihre - auch bzw. insbesondere durch ihren Gatten begründeten - Kontakte zu den als Zeugen beantragten Personen in Wien und Eisenstadt hätten ein effizientes "Netzwerken" ermöglicht.

Die Rechnung für den Schreibtisch habe sie bei Ausfolgung des Schreibtisches irrtümlich dem Lagerarbeiter übergeben. Sie könne nur die Abbuchung des Betrages durch das Möbelhaus belegen. Die Rechnungen für das Arbeitszimmer wurden übergeben und lauten auf den Ehegatten. Erklärend führte die Bf. aus, dass die Geldgebarung innerhalb der Familie so erfolge, dass einmal ihr Gatte alles zahle, einmal sie.

Auf Befragen durch den Senat erklärte die Bf., dass sie seitens ihres Dienstgebers keine Aufzeichnungen über Homeoffice-Tage führen müsse, weshalb sie auch keine Aufzeichnungen vorlegen könne. Der Vertreter des Finanzamtes legte daraufhin eine Übersicht vor, die er anhand der Angaben der Bf. zu den Familienheimfahrten erstellt hat (laut Angaben der Bf. handelt es sich um handschriftliche Aufzeichnungen in ihrem Kalenderbuch). Demzufolge habe die Bf. im Jahr 2020 von 252 Arbeitstagen 173 in ***Stmk*** und 47 in Wien gearbeitet sowie 32 Tage Urlaub genossen, im Jahr 2021 entfielen 183 Tage auf Arbeiten in ***Stmk*** und 49 in Wien (20 Tage Urlaub).

Aufgrund der vorgelegten Bestätigung der behandelnden Ärztin geht das Finanzamt ausdrücklich davon aus, dass es sich um eine Berufskrankheit handelt. Die private Mitverwendung der Arbeitsmittel wurde von der Bf. ausdrücklich bestätigt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung

Die Bf. hat seit an der Adresse ***A in Stmk*** ihren Hauptwohnsitz, seit hat sie an der Adresse ***W in*** Wien ihren Nebenwohnsitz (ZMR). Laut eigenen Angaben (Schreiben vom ) ist die Wohnung in Wien seit der Eheschließung am die gemeinsam bewohnte Familienwohnung.

Die Bf. ist seit dem Jahr 2007 beim ***AG in Stmk*** tätig (aktenkundig; s.a. unwidersprochene Bescheidbegründung vom ).

Die steuerliche Berücksichtigung folgender Kosten ist strittig:

[...]

In den angefochtenen Bescheiden wurden als Werbungskosten berücksichtigt:

2020: 1.349,71 Euro (Arbeitsmittel und sonstige Werbungskosten wie beantragt)

2021: 1.730,02 Euro (Arbeitsmittel und sonstige Werbungskosten mit Ausnahme des Arbeitszimmers in Wien, das erst im Rahmen der Beschwerde beantragt wurde)

Dazu ergeben sich im Beschwerdeverfahren folgende Tatsachen:

Im Jahr 2020 wurden für den Schreibtisch (174,99 Euro) und die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer (300,06 Euro) keine Belege vorgelegt (Vorlagebericht, Schreiben vom und mündliche Verhandlung, in der hins. des Schreibtisches auf das Vorliegen von Bildern und die Abbuchung auf dem Girokonto, hins. des Arbeitszimmers auf die Kosentargung durch den Ehegatten verwiesen wurde).

Im Jahr 2021 wurde von den Kosten für Druckerpatronen, Büromaterial und Laptop kein Privatanteil ausgeschieden und die Homeoffice-Pauschale berücksichtigt (Bescheid bzw. Vorlagebericht, mündliche Verhandlung). Das Finanzamt geht von einem Privatanteil von 40% aus. Der Privatanteil wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht in Zweifel gezogen.

Die als Werbungskosten berücksichtigten Arztkosten stehen laut unwidersprochener Bestätigung der behandelten Ärztin im Zusammenhang mit einer Berufskrankheit.

2. Antrag auf Zeugeneinvernahme

Die Bf. hat im Vorlageantrag beantragt, ihren Ehegatten als Zeuge einzuvernehmen wobei er offenbar folgende Tatsache bezeugen soll:
- er hat sich vertraglich verpflichtet, sein Einfamilienhaus in gutem Zustand zu erhalten, es nicht zu verkaufen und in weiterer Folge an seine Kinder zu vererben
- die Bf. ziehe erhebliche berufliche Vorteile durch den Wohnsitz in Wien
- seine Gattin habe ein gewisses Alter und es sei nicht ausgeschlossen, dass sie früher in Pension gehe.

Mit Schreiben vom hat die Bf. beantragt, diverse in Wien und Eisenstadt tätige Personen einzuvernehmen, wobei auch hier nicht ganz klar ist, was sie bezeugen sollen. Offenbar ist gemeint, dass diese Personen ihre beruflichen Kontakte in Wien darstellen und daher bezeugen könnten, dass sie berufliche Vorteile aus ihrem Wohnsitz in Wien ziehe.

Beweisanträge haben das Beweismittel und das Beweisthema (die Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen) anzugeben (Ritz/Koran, BAO7, § 183 Rz 2 mit Hinweis auf die Judikatur des VwGH ). Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das Beweismittel erwiesen werden sollen, brauchen die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht nicht zu entsprechen (zB ; ).

Den Anträgen lässt sich nach Ansicht des Senates nicht genau entnehmen, welche Tatsachenbehauptungen bewiesen werden sollen: Der Ehegatte soll offenbar dazu befragt werden, was in seinem Testament steht (welches von der Bf. nicht vorgelegt wurde), welche beruflichen Vorteile die Bf. aus ihrem Wohnsitz in Wien zieht (obwohl er nicht ihr Arbeitgeber ist oder sonst in ihr Arbeitsleben involviert ist) und dass sie plant, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen (wobei der Entschluss, möglicherweise vorzeitig in Ruhestand zu treten, keine Tatsache ist, die beweisbar wäre). Die weiteren Zeugen ***diverse, Zeugen*** stellen ihre Wiener Kontakte dar und sollen das bezeugen (wobei die Behauptung im Raum steht, sie ziehe daraus berufliche Vorteile, was die Zeugen allerdings nicht bezeugen können, weil sie ja nicht Arbeitgeber der Bf. sind).

Geht man dennoch davon aus, dass die hier dargestellten "Tatsachenbehauptungen" bewiesen werden sollen, ist zu prüfen, ob den Anträgen überhaupt gefolgt werden muss.

Von der Aufnahme beantragter Beweise ist gem. § 183 BAO nämlich abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind.

Die Tatsache der vertraglichen Verpflichtung im Testament kann ebenso als richtig anerkannt werden wie die Tatsache des Geburtstages der Bf (der Entschluss vorzeitig in Ruhestand zu treten ist keine Tatsache). Auch die Tatsache, dass die Bf. keinen Beleg über die Kosten für die doppelte Haushaltsführung vorlegen kann, ist als richtig anzuerkennen.

Erheblich ist ein Beweisantrag dann, wenn das Beweisthema eine für die Rechtsanwendung mittelbar oder unmittelbar erhebliche Tatsache ist ( unter Hinweis auf ).

Die beruflichen Vorteile sind - wie oben dargestellt - weder durch die beantragten Zeugen beweisbar, noch sind sie für die Rechtsanwendung erheblich, weil die Regelungen des § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 - neben der Ernährung und der bürgerlichen Kleidung - insbesondere die private Wohnung des Steuerpflichtigen erfassen und hiefür anfallende Aufwendungen von vornherein vom Abzug als Werbungskosten ausschließen (zB ). Damit sind mögliche berufliche Vorteile, die die Bf. durch ihren privaten Wohnsitz in Wien zieht, für die Besteuerung unerheblich.

Der Senat hat daher beschlossen, von der beantragten Zeugeneinvernahme abzusehen.

3. Rechtliche Beurteilung

Rechtliche Beurteilung in der Vergangenheit

Die Bf. erklärte im Vorlageantrag:
"Strittig ist im vorliegenden Fall also nicht das Vorliegen der doppelten Haushaltsführung, sondern nur die Frage, ob die angefallenen Kosten für die doppelte Haushaltsführung samt Familienheimfahrten als Werbungskosten angesetzt werden können. "

Das ist eine verkürzte Sichtweise. Strittig ist, ob bzw. in welcher Höhe Kosten für die doppelte Haushaltsführung in den Jahren 2020 und 2021 als Werbungskosten in Abzug gebracht werden können. Die Beurteilung der Abgabenbehörde in den Vorjahren könnte nur aus dem Grundsatz von Treu und Glaube maßgeblich sein.

Nach ständiger Rechtsprechung schützt der Grundsatz von Treu und Glauben jedoch nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit (, ). Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen ( unter Hinweis auf , mwN; ). Der Umstand, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Überprüfung durch die Behörde eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, hindert die Behörde nicht, diese Vorgangsweise als rechtswidrig zu beurteilen (zB unter Hinweis auf ).

Daher ist durch das BFG zunächst das Vorliegen einer steuerlich beachtlichen doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach zu prüfen. Erst wenn diese Frage bejat wird, ist die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung zu prüfen.

Vorliegen einer steuerlich beachtlichen doppelten Haushaltsführung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften u.a. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie z. B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist.

Die doppelte Haushaltsführung ist dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist; eine berufliche Veranlassung in diesem Sinn liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seine Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Wohnort, der auch der Beschäftigungsort ist, weg verlegt und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand führt ( unter Hinweis auf , oder ).

Im Beschwerdefall hatte die Bf. seit ihren Wohnsitz am Beschäftigungsort bei ***1*** (Dienstverhältnis seit 2007). Im Zuge ihrer Eheschließung im Jahr 2012 hat sie bei ihrem Ehemann in Wien ihren Familienwohnsitz begründet.

Damit hat sie ihre Familienwohnung aus privaten Gründen weg verlegt und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand beibehalten. Unter solchen Umständen ist die doppelte Haushaltsführung aus Sicht des VwGH nicht beruflich, sondern privat veranlasst (vgl die oben zitierte Judikatur).

Der Umstand, dass sie durch ihre Kontakte in Wien allenfalls berufliche Vorteile ziehen konnte, ändert nichts an der an sich privaten Veranlassung der Wohnsitzverlegung.

Kontakte können einerseits auch ohne einen Wohnsitz gepflegt werden und andererseits sind gem. § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG 1988 Aufwendungen für die Lebensführung ertragsteuerlich auch dann nicht abzugsfähig, auch wenn sie eindeutig dem beruflichen Fortkommen dienen.

Damit erübrigen sich die Frage, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes von Wien nach ***Stmk*** zumutbar ist.

Auch die Kosten für Familienheimfahrten können - abgesehen davon, dass sie nicht nachgewiesenen werden konnten - mangels beruflicher Veranlassung der doppelten Haushaltsführung nicht in Abzug gebracht werden (vgl Jakom/Lenneis, EStG, 2020, § 16 Rz 56).

Werbungskosten

Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (vgl. § 16 Abs 1 EStG). Für die folgenden strittigen Aufwendungen gilt:

Internet

Die Kosten für das Internet (gekürzt um einen Privatanteil) dienen nach übereinstimmender Ansicht der Parteien der Sicherung der Einnahmen und stellen so Werbungskosten dar.

Arbeitszimmer in Wien

In den Streitjahren wurden Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in Wien iHv jeweils 300,06 Euro geltend gemacht, ohne dass die Tragung der Kosten durch die Bf. nachgewiesen wurde. Weiters wurden im Jahr 2020 wurden für den Schreibtisch (174,99 Euro) keine Belege, sondern nur ein Foto vorgelegt.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abgezogen werden. Nur wenn ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

Für die Bestimmung des Mittelpunktes einer Tätigkeit ist ihr materieller Schwerpunkt maßgebend; in Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl ; vom , 2011/15/0104; vom , 2013/15/0165).

Im Beschwerdefall hat das Finanzamt aus den Angaben der Bf. zu den Familienheimfahrten errechnet, dass die Bf. im Jahr 2020 an 47 Arbeitstagen in Wien und an 173 Arbeitstagen in ***Stmk*** gearbeitet hat, im Jahr 2021 waren es 49 Arbeitstage in Wien und 183 Arbeitstage in ***Stmk***. Damit liegt der Mittepunkt ihrer Tätigkeit keinesfalls in Wien.

Das BFG vertritt auch hinsichtlich der Pandemie die Auffassung, dass sich an der hier dargestellten rechtlichen Beurteilung durch angeordnetes bzw. empfohlenes "Homeoffice" nichts ändert (, , , , , oder ).

Als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen sind überdies auf Verlangen der Abgabenbehörde gemäß § 138 BAO nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft zu machen ( unter Verweis auf 9.2/14/0176). Ist nach den Umständen des Einzelfalles der Beweis nicht zumutbar, genügt die Glaubhaftmachung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung musste der Ehegatte einräumen, dass er die Betriebskoste für die gesamte Wohnung in Wien trägt, während seine Gattin andere gemeinsame Ausgaben trägt. Damit ist weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht, dass der Bf. Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer erwachsen sind. Auch ist es nicht möglich zu überprüfen, ob der fotografierte Schreibtisch derjenige ist, auf den sich die Kosten beziehen.

Da das Arbeitszimmer in Wien nicht den Mittelpunkte der Tätigkeit der Bf. bildet, ist ein Abzug der damit zusammenhängenden Kosten nicht möglich.

Büromaterial

Wird die berufliche Veranlassung von Aufwendungen für Gegenstände, die sich auch zur Nutzung im privaten Bereich eignen, geltend gemacht, so ist der Möglichkeit der privaten Mitverwendung durch ein Ausscheiden des Privatanteils Rechnung zu tragen. Die Vorgangsweise, einen anzunehmenden Privatanteil durch griffweise Schätzung zu ermitteln, hat der Verwaltungsgerichtshof vom Grundsätzlichen her bereits in seinem Erkenntnis vom , 94/13/0203, als an sich unbedenklich angesehen (vgl ).

Die im Jahr 2021 geltend gemachten Kosten für Druckerpatronen, Büromaterial und Laptop sind um einen Privatanteil zu kürzen. Das Finanzamt hat dafür nach seinen Erfahrungen griffweise einen Anteil von 40% herangezogen. Dies ist nicht zu beanstanden.

Zusätzlich zu den Kosten für einen Laptop wurde im Jahr 2021 auch das Homeoffice-Pauschale in Abzug gebracht. Ausgaben für digitale Arbeitsmittel zur Verwendung eines in der Wohnung eingerichteten Arbeitsplatzes sind gem. § 16 Abs 1 Z 7 EStG 1988 idF BGBl 52/2021 um ein Homeoffice-Pauschale gemäß § 26 Z 9 zu kürzen. Daher vermindern sich die beruflich veranlassten Kosten für den Laptop (60% der Anschaffungskosten) um das Homeoffice Pauschale von 300 Euro.

Krankheitskosten:

Krankheitskosten gehören grundsätzlich zu den gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 nicht abzugsfähigen Aufwendungen der Lebensführung. Sie sind dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht (). Da es sich bei der Erkrankung der Bf. unwidersprochen um eine Berufskrankheit handelt, waren die Krankheitskosten abzugsfähig.

Zusammenfassend ergeben sich damit folgende abzugsfähige Werbungskosten:

[...]

Die angefochtenen Bescheide waren daher wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ergibt sich die Beurteilung anhand der ständigen Rechtsprechung des VwGH weshalb keine Rechtsfrage grundlegender Bedeutung vorliegt. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100165.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at