Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.05.2023, RV/7104589/2020

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 vom beantragte der Beschwerdeführer Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 1.752 Euro, Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 5.057,40 Euro und sonstige Werbungskosten in Höhe von 325 Euro. Als Bezeichnung der beruflichen Tätigkeit führte der Beschwerdeführer "Fassader" an. In dieser Einkommensteuererklärung wurden handschriftlich zu den einzelnen Kennziffern teilweise nicht leserliche Anmerkungen angeführt. Unter der Kennziffer zu "Kosten für Familienheimfahrten" lässt sich entziffern:

"2x460km, 20x/Jahr m. Linienbus, Kosten/Fahrt: 60,-€--> 1.200,- € + 5x/Jahr m. KFZ (s.Beleg), 1km=0,12€ pauschaliert nach Polen, wie im [unleserlich] 552,-€"

Unter der Kennziffer zu "Kosten für doppelte Haushaltsführung" wurde angemerkt: "Wohnungskosten am Arbeitsort in Wien (12x421,45€)".

Unter der Kennziffer zu "sonstige Werbungskosten" wird angemerkt: "Jahreskarte".

Im Einkommensteuerbescheid 2018 vom wurde der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 132 Euro berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht berücksichtigt werden konnten, da die hierfür erwachsenen Kosten durch den Verkehrsabsetzbetrag sowie durch ein allenfalls zustehendes Pendlerpauschale und den Pendlereuro abgegolten seien. Das Finanzamt habe die Kosten für Familienheimfahrten von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz nicht als Werbungskosten berücksichtigt. Folgende Gründe seien ausschlaggebend: Eine Wohnsitzverlegung könne zugemutet werden. Bei verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen gäbe es eine zeitliche Begrenzung von 2 Jahren für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung. Zu den Abweichungen gegenüber dem Antrag des Beschwerdeführers verweise das Finanzamt auf die Begründung aus dem Vorjahr. In der Bescheidbegründung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom wird ausgeführt, dass die Gattin des Beschwerdeführers über kein relevantes Einkommen von mindestens 2.200 Euro oder 10% des Familieneinkommens verfüge. Eine Wohnsitzverlegung nach Österreich sei daher zumutbar. Es bestehe somit kein Anspruch auf Gewährung der doppelten Haushaltsführung und den damit zusammenhängenden Familienheimfahrten. Lt E9 habe die Gattin des Beschwerdeführers kein Einkommen. Alle anderen Belege lägen nicht in deutscher Übersetzung vor und könnten deshalb nicht geprüft werden.

In seiner Beschwerde vom führte der Beschwerdeführer aus, dass er bezüglich nicht berücksichtigter Werbungskosten angebe, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar sei. Am ***11*** würde er die Voraussetzungen für eine Alterspension erfüllen. Eine Kopie des PV Schreibens wäre beigelegt. Im beigelegten Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alterspension im Fall des Beschwerdeführers zum Stichtag ***11*** erfüllt seien.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wird ausgeführt:

"Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind nur Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflichveranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Dies ist insbesondere dannder Fall, wenn dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, weil zum Beispiel der/die (Ehe-)Partner(in) am Ort des Familienwohnsitzes (un)selbständige Einkünfte in relevanter Höhe erzielt (mehr als € 6.000.- jährlich). Dies ist in Ihrem Fall laut den vorgelegten Bescheinigungen jedoch nicht gegeben.

Da in Ihrem Fall somit die Voraussetzungen nicht zutreffen, konnten die geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten im Sinne des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1988 berücksichtigt werden. Auch das im Beschwerdeschreiben angeführte Argument der bevorstehenden Pensionierung vermag an der steuerrechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nichts zu ändern.

Die Beschwerde war daher abzuweisen."

In seinem Vorlageantrag vom stellt der Beschwerdeführer den Antrag, auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ohne weitere Begründung.

Mit Beschluss vom fordert das Bundesfinanzgericht die beschwerdeführende Partei auf, die in der Arbeitnehmerveranlagung unleserlichen Ausführungen zu erläutern und bekannt zu geben, wie sich die geltend gemachten Beträge zusammensetzen. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, auszuführen, warum zum Teil mit dem eigenen KFZ und nicht mit dem Bus gefahren wurde und bekannt zu geben, mit welchem KFZ er gefahren ist sowie das Fahrtenbuch und entsprechende Nachweise über die Fahrten vorzulegen. Zudem wurde der Beschwerdeführer ersucht, bekannt zu geben, um welche Kosten es sich bei "sonstigen Werbungskosten" in Höhe von 235 Euro handelt und diese belegmäßig nachzuweisen. Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am mittels RSa zugestellt (Beginn der Abholfrist). Das Schreiben wurde nicht an das Bundesfinanzgericht retourniert. Als Frist wurden vier Wochen ab Zustellung des Beschlusses angeführt. Bis dato () wurde vom Beschwerdeführer keinerlei Stellungnahme/Antwort zu diesem Beschluss übermittelt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im Streitjahr 2018 in Österreich als Fassader beschäftigt. Im Steuerakt scheinen 2 Lohnzettel nach § 84 Abs. 1 EStG auf: Von 8.1. bis 22.6. bei ***1*** und von 25.6. bis 10.12. bei ***6***. Er war verheiratet und hat 2 Kinder (geboren 1990 und 1992). Der Familienwohnsitz befindet sich in Polen, Adresse ***2***. Die Wohnadresse des Beschwerdeführers in Wien lautete: ***3***. Die Entfernung zwischen Arbeitsort und Familienwohnsitz beträgt ca. 460 km. Die Mietkosten betrugen im Jahr 2018 für die Wohnung in Wien insgesamt 421,45 Euro monatlich.

Am ***7*** 2018 hat der Beschwerdeführer das 64. Lebensjahr vollendet.

Die Kosten für den Bustransfer für die Strecke von Wien nach ***4***, Polen, hin und retour betrug im Streitjahr insgesamt 60 Euro. Die Strecke fuhr der Beschwerdeführer im Jahr 2018 insgesamt 20-mal mit einem Bustransport.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Steuerakt und sind zwischen den Parteien unstrittig.

Dass der Beschwerdeführer mit einem eigenen PKW 5-mal jährlich die Strecke zwischen Arbeitsort und Familienwohnsitz zurückgelegt hat konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Einzig in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung wurde dies vom Beschwerdeführer angeführt. Dass der Beschwerdeführer einen eigenen PKW in Österreich zur Verfügung hatte, wurde vom Beschwerdeführer nicht bekannt gegeben und dieser Umstand würde sich auch aus keinen sonstigen im Akt befindlichen Unterlagen erschließen. Zudem wurde zur Glaubhaftmachung dieser Fahrten weder ein Fahrtenbuch noch sonstige Nachweise wie bspw. Tankrechnungen oder ähnliche auf dieses Fahrzeug bezogene Kosten vorgelegt. Auch wurde trotz Aufforderung nicht bekannt gegeben, um welches Fahrzeug es sich dabei handelte noch die konkrete Nummer dieses Fahrzeuges. Dass diese Fahrten mit einem PKW stattgefunden hätten, konnte aus diesem Gründen im vorliegenden Verfahren vom Bundesfinanzgericht nicht als glaubhaft festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Demgegenüber dürfen bei den einzelnen Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung nicht abgezogen werden:

1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.

2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

[…]

e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

Als Arbeits(Tätigkeits-)Ort ist jener Ort zu verstehen, der eine persönliche Anwesenheit zur Arbeitsleistung erfordert, sodass der Steuerpflichtige an diesem Ort wohnen muss (). Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet. Ab dem Veranlagungsjahr 2014 definiert § 4 PendlerVO (BGBl II 276/2013) den Begriff des Familienwohnsitzes. Demnach liegt ein Familienwohnsitz dort, wo ein Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen und einen eigenen Hausstand hat.

Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Jedenfalls unzumutbar beurteilte der VwGH eine Strecke von 130 km (). Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass sich der Familienwohnsitz des Bf. in Polen befindet und daher eine tägliche Heimfahrt aufgrund der Entfernung des Beschäftigungsortes vom Familienwohnsitz (460 km) unzumutbar ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) ist die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. etwa ; , 2010/15/0124; vgl auch Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 16, 21. Lfg, Jänner 2020, Rz 202). Unterhält ein Steuerpflichtiger einen vom Beschäftigungsort entfernten Familienwohnsitz, und ist in einem Streitjahr die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes unzumutbar, sind die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen für Familienheimfahrten gegeben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in einem früheren Zeitraum, insbesondere bei Eingehen der Beschäftigung (am neuen Beschäftigungsort), die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung gegeben war. Die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in einem Streitjahr hängt nämlich nicht davon ab, ob in einem Vorjahr die Verlegung des Wohnsitzes zumutbar gewesen ist. Wenn dem Abgabepflichtigen im Streitjahr die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes nicht zumutbar ist, macht es keinen Unterschied, ob die Unzumutbarkeit bereits früher vorlag oder nicht ().

Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe)Partners haben (vgl. z.B. ; , 2000/13/0083). Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. ).

Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass nach einer gewissen Zeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar ist, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab. Spätestens nach einem Zeitraum von zwei Jahren hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird (vgl. Ebner in Jakom, EStG, 2022, § 16, Rz 56 "Doppelte Haushaltsführung" mit Verweis auf die LStR und Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 16, 21. Lfg. Jänner 2020, Rz 202/14).

Unzumutbarkeit wurde etwa dann angenommen, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit bis zu vier bis fünf Jahren befristet ist (vgl. und , 2008/15/0296). Unzumutbar wurde die Verlegung des Familienwohnsitzes bei einem 60-jährigen Arbeitnehmer, der seine Tätigkeit aufgrund von halbjährlich befristeten Dienstverträgen bis zu seinem 65. Lebensjahr fortsetzte, angesehen, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellt (vgl. die oben zitierte E des ).

Wenn bei bevorstehenden Pensionierungen davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige noch höchstens fünf Jahre berufstätig sein wird und dann an den Familienwohnsitz zurückkehren wird, kann eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes vorliegen (; , 2008/15/0296, vgl auch Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer: Kommentar, § 16 Abs 1 Z 9, 65. Lfg, Dez. 2017, Rz 79). In seinem Erkenntnis vom (siehe oben) führt der VwGH aus, dass es nicht darauf ankommt, ob die kurzfristige Beendigung des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers wahrscheinlich war, denn der VwGH hat bereits bei einem Fall eines (unverheirateten) Steuerpflichtigen, der für die Dauer von fünf Jahren zu Ausbildungszwecken an einem Ort, von dem aus die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zugemutet werden konnte, nichtselbständig tätig gewesen ist, ausgesprochen, dass bei einer nur vorübergehenden, im Zusammenhang mit einem Berufsabschluss stehenden Tätigkeit, anders als bei einer auf unbestimmte Dauer erfolgten Versetzung, die Beibehaltung des Familienwohnsitzes dann auch in einer Dauer von vier Jahren vertretbar erscheint, wenn der Beschwerdeführer beabsichtigt, den Beruf anschließend am Familienwohnsitz auszuüben und entsprechende Vorbereitungen für die Zeit nach dem Berufsabschluss bereits getroffen werden. Diesem höchstgerichtlichen Erkenntnis vom , 88/14/0081 liegt der Gedanke zugrunde, dass die Verlegung des Wohnsitzes dann nicht zumutbar ist, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit auf vier bis fünf Jahre befristet ist. Es war in diesem Fall daher davon auszugehen, dass einem Arbeitnehmer nach Erreichen des 60. Lebensjahres die Verlegung des Wohnsitzes an den Tätigkeitsort nicht zumutbar ist, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit - wie dies der allgemeinen Übung entspricht - spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen wird.

Es ist Sache des Steuerpflichtigen der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist ein einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegeben Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ( mwN; , 2000/13/0083).

Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer im Streitjahr 63 und 64 Jahre alt. Gemäß Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt, ***8***, vom waren die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alterspension im Fall des Beschwerdeführers zum Stichtag ***11*** erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des VwGH, ist die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungs-/Tätigkeitsort bei einem Arbeitnehmer nach Erreichen des 60. Lebensjahres gegeben, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen wird. Da die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ist (vgl. bereits oben), kommt es nicht darauf an, ob die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes in früheren Zeiträumen gegeben war oder nicht. Die Frage, ob die Berufstätigkeit mit Erreichen des 65. Lebensjahres eingestellt wird oder nicht ist aus Sicht des jeweiligen Veranlagungsjahres zu betrachten. Für das Bundesfinanzgericht sind keine Gründe ersichtlich, dass der Beschwerdeführer aus der Sicht des Veranlagungsjahres 2018 länger arbeiten würde als bis zum Stichtag, zu dem er die Alterspension antreten kann. Auch wurden solche Gründe weder vom Beschwerdeführer noch vom Finanzamt angeführt. Im vorliegenden Fall war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer spätestens mit Erreichung des 65. Lebensjahres (***7*** ***10***) in Pension gehen wird. Auch die Pensionsversicherung bestätigte den frühesten Pensionsantritt mit ***11***. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort war daher im Veranlagungsjahr 2018 nicht zumutbar. Die Kosten und Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten stehen im Kalenderjahr 2018 daher dem Grunde nach zu.

Der Beschwerdeführer beantragte im Kalenderjahr 2018 Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 1.752 Euro und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 5.057,40 Euro. Sonstige Werbungskosten beantragte er in Höhe von 325 Euro.

Als Werbungskosten aus einer doppelten Haushaltsführung kommen nur die unvermeidbaren Mehraufwendungen in Betracht, die dem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (vgl. ). Die Kosten für die Mietwohnung in Wien in Höhe von 5.057,40 Euro sind daher als Kosten für doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer führt in seinem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung an, dass er 20-mal im Jahr mit dem Linienbus zu seinem Familienwohnsitz und retour gefahren sei. Abzugsfähige Kosten für Familienheimfahrten sind jene Fahrtkosten, die durch das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel anfallen. Nach Ebner (Ebner in Jakom, EStG, 2022, § 16, Rz 56 unter "Doppelte Haushaltsführung" mit Verweis auf ) besteht über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten keine gesetzliche Regelung, weshalb sie im Einzelfall zu prüfen sei. Dabei seien insbesondere die Distanz zwischen den beiden Wohnsitzen und die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen (mit Verweis auf ). Nach Ansicht des VwGH sind wöchentliche Familienheimfahrten eines Dienstnehmers zwischen Arbeitsort und Wohnsitz dann nicht anzunehmen, wenn die Anzahl der Familienheimfahrten mit Rücksicht auf die Entfernung bzw. die dadurch erwachsenen Kosten als völlig unüblich zu bezeichnen wäre (). Die Entfernung zwischen der Arbeitsstätte des Beschwerdeführers und seinem Familienwohnsitz betragen etwa 460 km. Nach Ansicht des VwGH besteht keine Lebenserfahrung, dass eine Entfernung von 600 km Personen vom Aufsuchen ihres Familienwohnsitzes für ein arbeitsfreies Wochenende abhält (). Als Nachweis der Kosten wurde ein Schriftstück der Firma ***5*** vorgelegt, wonach für eine Fahrt Polen-Österreich-Polen-Österreich 60 Euro im Jahr 2017 zu bezahlen waren. Dass dieser Betrag auch im Jahr 2018 zu bezahlen war erscheint dem Bundesfinanzgericht glaubhaft. Die Kosten für 20 Familienheimfahrten im Jahr 2018 in Höhe von 1.200 Euro (20 Fahrten zu je 60 Euro) sind daher zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer führte in seinem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2018 in der Spalte "Kosten für Familienheimfahrten" an, dass er 5-mal im Jahr mit einem KFZ die Strecke von Wien nach Polen und retour gefahren sei. Weder gibt er dabei an, wer Eigentümer dieses KFZ ist, noch, um welches KFZ es sich dabei gehandelt hätte, noch, wann diese Fahrten stattgefunden hätten. Es wurde auch weder ein Fahrtenbuch noch Belege wie etwa Tankrechnungen zum Nachweis dieser Fahrten vorgelegt. Der Beschluss des Bundesfinanzgerichts, in welchem nähere Fragen zu den Fahrten mit einem KFZ angeführt waren, wurde vom Beschwerdeführer bis dato nicht beantwortet. Vgl. dazu ausführlicher bereits oben unter Beweiswürdigung. Dass solche Fahrten mit dem KFZ stattgefunden hätten ist daher für das Bundesfinanzgericht nicht glaubhaft.

Auch zu den sonstigen Werbungskosten in Höhe von 235 Euro wurde trotz Aufforderung keine näheren Ausführungen getätigt. Einzig das Stichwort "Jahreskarte" wurde im Antrag zur Arbeitnehmerveranlagung angeführt. Falls es sich um die Jahreskarte für die Wiener Linien handeln sollte, wäre entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer keine Angaben dazu gemacht hat, ob die Strecke zwischen Wohnort und Arbeitsstätte mindestens 20 km beträgt und daher ein Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG zu gewähren wäre.

Da für einen Teil des Kalenderjahres 2018 steuerfreie Leistungen bezogen wurden, waren gemäß § 3 Abs. 2 EStG die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf einen Jahresbetrag umzurechnen.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung folgt der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl die im Entscheidungstext angeführten Erkenntnisse). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104589.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at