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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.05.2023, RV/6100038/2023

Abweisung eines Antrages auf Aufhebung des Säumniszuschlages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde des ***Bf1***, Adr. Bf., vertreten durch XY OG, Rechtsanwälte, Adr. OG, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Abschreibung des Säumniszuschlages zu Recht erkannt:

1.
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang

A/1. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf.) einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 1.087,70 fest, weil dieser die Einkommensteuer 2020 in Höhe von € 54.385 nicht am Fälligkeitstag () entrichtet hatte.

Daraufhin stellte der Bf. am den Antrag auf Aufhebung des Säumniszuschlages. Als Begründung führte er Arbeitsüberlastung an, welche auch bedingt durch die Covid-Pandemie aufgetreten sei. So habe er als Rechtsanwalt in mehreren Konkursverfahren gleichzeitig die Tätigkeit des Masseverwalters übernehmen müssen. Weiters sei durch die Krisensituation seine Beratungstätigkeit stark angestiegen. Er habe daher in 28 Jahren erstmals einen Fälligkeitstermin für die Steuerzahlungen übersehen.

A/2. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab. Dagegen erhob der Bf., vertreten durch seine bevollmächtigten Rechtsvertreter (kurz: RA OG) mit Eingabe vom Beschwerde. Als Anfechtungsgrund führte der Bf. an, dass nach seinem Dafürhalten die Voraussetzung des § 217 Abs 7 BAO jedenfalls greife. Im angefochtenen Bescheid sei einerseits eine unvollständige Sachverhaltsdarstellung und andererseits eine unrichtige Beurteilung der Angelegenheit erfolgt. So habe er die Steuernachzahlung, über die ihn sein Steuerberater bereits im Oktober informiert hatte, in Evidenz genommen, die Zahlung vorbereitet und in seiner Erledigungsmappe abgelegt. Dies sei vom Finanzamt ebenso negiert worden wie die Tatsache, dass er seit fast 30 Jahren pünktlich seine Steuern zahle. Es sei notorisches Wissen der Abgabenbehörde, dass er nicht nur seine eigenen Steuern stets pünktlich entrichtet habe, sondern auch in seiner Eigenschaft als Masseverwalter hunderte Steuerzahlungen für die Insolvenzmassen fristgerecht abgeführt habe. Alleine dieses Wissen reiche aus, um zu konstatieren, dass es sich gegenständlich um eine absolute Ausnahme gehandelt habe.

Außerdem habe der Bf. sofort nach Entdecken des Versäumnisses seine Erledigungsmappe durchforstet, den vergessenen Zahlschein bemerkt und am selben Tag zur Bank gebracht. Abschließend stellte der Bf. den Antrag auf Aufhebung des Säumniszuschlages, die im Instanzenzug übergeordnete Behörde möge diesem Rechtsmittel Folge geben.

Mit Schreiben vom teilte der Bf. in Ergänzung der Beschwerde mit, dass er auf eine Beschwerdevorentscheidung verzichte und den Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht stelle.

A/3. Das Finanzamt wies dennoch mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab. Dagegen stellte der Bf. durch seine bevollmächtigten Rechtsvertreter mit Eingabe vom einen Vorlageantrag. Er habe berücksichtigungswürdige Gründe für die Aufhebung des Säumniszuschlagsbescheides vorgebracht, die vom Finanzamt nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Die Finanzverwaltung messe mit zweierlei Maß. Im Gegensatz zu tausenden anderen Steuerpflichtigen, die sich ihre Steuerverbindlichkeiten stunden ließen, habe der Bf. niemals eine "Corona-Pause" eingelegt, weder bei seiner Arbeit noch bei seinen Steuerzahlungen. Er habe die Steuernachzahlung im Herbst 2021 schlicht übersehen und stehe auch dazu, denn er habe eine massive Arbeitsbelastung gehabt, während andere nichts gearbeitet und keine Steuern bezahlt hätten.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und schilderte in diesem Bericht ausführlich den Sachverhalt samt Verfahrensgang, das Beschwerdevorbringen und die Argumentation der Abgabenbehörde. Eine Ausfertigung des Vorlageberichts wurde dem Bf. zugestellt und blieb unwidersprochen.

B. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung den folgenden Sachverhalt zugrunde, der in den vom Finanzamt vorgelegten Akten abgebildet und unstrittig ist. Strittig ist nur die rechtliche Beurteilung, nämlich ob das Verhalten des Bf. ein grobes Verschulden darstellt.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Bf. einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 1.087,70 fest, weil dieser die Einkommensteuer 2020 in Höhe von € 54.385 nicht am Fälligkeitstag () entrichtet hatte.

In seinem Antrag auf Aufhebung des Säumniszuschlagsbescheides schildert der Bf. den Grund und die Umstände seiner Säumnis. Der Bf. ist als Rechtsanwalt selbständig tätig und erzielte im Jahr 2020 einen hohen Gewinn, der eine Nachzahlung an Einkommensteuer nach sich zog. Der entsprechende Einkommensteuerbescheid datiert vom .

Sein Steuerberater informierte ihn am über die bevorstehende Steuernachzahlung mit Fälligkeit . Der Bf. bereitete einen Einzahlungsbeleg für die Steuernachzahlung vor und legte diesen in seiner Erledigungsmappe ab.

Als Rechtsanwalt hatte der Bf. im Herbst 2021 ein hohes Arbeitsaufkommen. Wegen der Corona-Pandemie war ein Ansteigen von Insolvenzen zu verzeichnen, und der Bf. musste zeitgleich in vier Insolvenzfällen als Masseverwalter fungieren. Darüber hinaus hatte er zahlreiche Beratungsgespräche in Krisenfällen zu leisten, teilweise verbunden mit Auswärtsterminen. Aus seinen Schilderungen lässt sich der Schluss ableiten, dass der Arbeitsaufwand in diesem Zeitraum das übliche Arbeitspensum des Bf. überstieg.

Da der Bf. den vorbereiteten Zahlschein nicht zeitgerecht zur Bank brachte, erging am der Säumniszuschlagsbescheid. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Bf. seine Säumigkeit offenkundig noch nicht bemerkt. Mit Datum richtete das Finanzamt an den Bf. eine Zahlungsaufforderung. Wohl aufgrund dieser Zahlungsaufforderung führte der Bf. Mitte Dezember 2021 ein Gespräch mit seinem Steuerberater, welcher den Bf. auf den Zahlungsverzug aufmerksam machte. Noch am selben Tag (mutmaßlich Mitte Dezember 2021) durchforstete der Bf. seine Erledigungsmappe und fand den unbezahlten Einzahlungsbeleg vor. Er holte die versäumte Zahlung unverzüglich nach, welche seinem Abgabenkonto am gutgeschrieben wurde.

C. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

C/1. Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs 2 lit d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Der erste Säumniszuschlag beträgt 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (Abs 2 leg.cit.).

Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist (Abs 5 leg.cit.)

Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (Abs 7 leg.cit.).

Der Säumniszuschlag ist eine "Sanktion eigener Art". Er ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht. Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung von Abgabenschulden sicherzustellen. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich. Die Verwirkung von Säumniszuschlägen setzt kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraus (Ritz/Koran, BAO7, § 217 Rz 2f. mit zahlreichen Judikaturverweisen).

Im vorliegenden Fall liegt unstrittig keine ausnahmsweise Säumnis im Sinne des § 217 Abs 5 BAO vor. Die Fristversäumnis beträgt hier mehr als drei Wochen.

C/2. Das Antragsrecht des § 217 Abs 7 BAO auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen setzt voraus, dass den Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft. Diese Bestimmung normiert einen Begünstigungstatbestand. Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (; ).

Zu prüfen ist daher, ob die vom Bf. geschilderte Vorgangsweise ein grobes Verschulden darstellt.

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (; , 2007/15/0169;). Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (). Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().

Grobes Verschulden liegt beispielsweise vor, wenn der Abgabepflichtige Überweisungen erst am letzten Tag der Respirofrist durchführen lässt ().

C/3. Die Verantwortung des Bf. zielt im Wesentlichen auf seine Arbeitsüberlastung im fraglichen Zeitraum ab sowie auf das Vorbringen, dass er seine Zahlungen über viele Jahre stets pünktlich entrichtet habe. Er habe lediglich einmalig übersehen, den in seiner Erledigungsmappe vorbereiteten Zahlschein zur Bank zu bringen.

Damit ist ein fehlendes grobes Verschulden jedoch nicht ausreichend dargetan. Die einmalige Versäumung einer Frist lässt für sich allein noch nicht den Schluss zu, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt ist ().

Der Bf. hat in seinem Vorbringen nicht dargestellt, dass er über irgendeine Form von Kontrollsystem verfügt, das die Einhaltung von Abgabenzahlungsfristen sicherstellen soll (siehe dazu sowie ). Den in der Erledigungsmappe vorbereiteten Zahlschein konnte er somit über mehrere Wochen übersehen, ohne dass es ihm auffiel.

Das Argument, dass er bei anderen Abgaben nicht säumig war, kann ein solches konkretes Vorbringen nicht ersetzen, weil es auf ein Wohlverhalten bezüglich der Entrichtung bzw. Abfuhr anderer Abgaben - wie im Übrigen auch auf die sofortige Nachholung der Zahlung - nicht ankommt (siehe dazu ).

Es stellt eine geradezu auffallende Verletzung der Sorgfaltspflicht des Bf. dar, wenn er im Hinblick auf die ihm bekannte außergewöhnliche Höhe der Einkommensteuernachzahlung keine geeigneten Schritte unternimmt, um trotz der angeführten Umstände die fristgerechte Entrichtung der aushaftenden Abgabenschuld zu veranlassen (vgl. ). Gerade die geschilderte Lage der massiven Arbeitsbelastung aufgrund einer krisenhaften Gesamtsituation durch Covid hätte besondere Maßnahmen erfordert, um Fälligkeitsfristen nicht zu übersehen. Als Rechtsanwalt verfügt der Bf. über eine entsprechende Kanzleiorganisation, um Termine seiner Klienten fristgerecht wahrnehmen zu können. Es wäre ihm daher möglich gewesen, sich auch für die Einhaltung seiner persönlichen Verpflichtungen in Abgabensachen dieser Kanzleiorganisation zu bedienen oder aber durch andere geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass er rechtzeitig an Fälligkeitstermine erinnert wird. Sein eigenes Vorbringen, dass er seine Erledigungsmappe nach einem Gespräch mit seinem Steuerberater "durchforsten" musste, um den unerledigten Zahlschein aufzufinden, macht das nicht vorhandene Kontrollmanagement deutlich.

Unter diesen Umständen kann ein fehlendes grobes Verschulden des Bf. an der nicht rechtzeitigen Entrichtung der Einkommensteuernachzahlung nicht angenommen werden. Im Übrigen wird auf die sehr detaillierte Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom samt der dort zitierten Judikatur verwiesen.

Aus den angeführten Gründen konnte der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie Fragen der Beweiswürdigung ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100038.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at