Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2023, RV/2100701/2022

Kein Alleinerzieherabsetzbetrag (AEAB), auch wenn neuer (Ehe-)Partner des Alleinerziehers weder leiblicher Elternteil des Kindes ist noch für den Unterhalt des Kindes aufkommt Kein Unterhaltsabsetzbetrag (UAB), wenn Kinderbeihilfe oder Kinderabsetzbetrag gewährt wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin C. WITTMANN in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***2***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am reichte die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf) die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung (im Folgenden ANV) für das Jahr 2021 elektronisch via FinanzOnline ein und beantragte ua den Alleinerzieherabsetzbetrag (im Folgenden AEAB).

Mit Bescheid vom betreffend ANV für das Jahr 2021 gewährte das Finanzamt der Bf den AEAB nicht. Begründend führte dieses aus, dass die Bf für ihren erwachsenen Sohn ***3***, geb am , Familienbeihilfe bekomme und ihm Unterhalt für das Studium zahle. Diese Kosten seien privat veranlasst und hätten nichts gemeinsam mit Unterhaltskosten "im normalen Sinn". Der AEAB könne nicht anerkannt werden, da ihr erwachsener Sohn ***3*** nicht mehr bei ihr wohne.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde und begründete diese wie folgt: Bei Berechnung der ESt sei im Streitjahr 2021 nicht berücksichtigt worden, dass sie gesetzlich verpflichtenden Unterhalt für ihren volljährigen Sohn ***3*** geleistet habe. Dieser arbeite neben seinem Studium geringfügig und habe 2021 dafür ein Jahresgehalt von 5.549,46 Euro bezogen. Die monatliche Miete von ***3*** habe im Jahr 2021 2.772,- Euro betragen und sei als Teil des Unterhaltes von der Bf bezahlt worden. Die jährlichen Strom- und Heizungskosten für die Mietwohnung beliefen sich auf 936,- Euro. Ebenso sei von der Bf ein Unterhalt von 2.140,- Euro für das Jahr 2021 an ihren Sohn überwiesen worden. An Familienbeihilfe (inkl Kinderabsetzbetrag) habe sie 2.682,- Euro bezogen. Die Bf beantragte die Aufhebung des angefochtenen und die Erlassung eines neuen Bescheides, in dem "die gesetzlich verpflichteten Unterhaltszahlungen berücksichtigt werden".

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gem § 260 Abs 1 lit b BAO als verspätet zurück.

Am stellte die Bf einen Vorlageantrag an das BFG, hielt ihre Beschwerdeanträge vollinhaltlich aufrecht und führte betreffend die Zurückweisung durch die belangte Behörde wegen Verspätung aus, dass sie den Beschwerdeschriftsatz fristgerecht postalisch aufgegeben habe.

Im Vorlagebericht vom erwiderte das Finanzamt, dass der ESt-Bescheid 2021 am erlassen und am selben Tag in die Databox zugestellt worden sei. Am sei eine Beschwerde eingelangt, auf der das Finanzamt am Eingangsstempel vermerkt habe "persönlich abgegeben", weshalb es die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen habe. Für den Fall einer inhaltlichen Entscheidung beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist wie im Verfahrensgang beschrieben aktenkundig, wurde von keiner Partei bestritten und kann daher als erwiesen angenommen werden.

Die Bf hat den Beschwerdeschriftsatz am um 16:37 Uhr bei der Postfiliale 8010 aufgegeben.

Die Bf hat im Streitjahr 2021 für ihren Sohn ***3*** für mehr als 6 Monate sowohl die Familienbeihilfe als auch den Kinderabsetzbetrag gem § 33 Abs 3 EStG bezogen. Aus den Erhebungen des BFG (insb durch Einsicht in das ZMR) ergibt sich, dass die Bf im Kalenderjahr 2021 keinen gemeinsamen Wohnsitz bzw Haushalt mit ihrem Sohn ***3***, jedoch mit ihrem Partner ***1*** geführt hat.

2. Rechtslage

Das Bundesgesetz vom über die Besteuerung natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG) idF BGBl I 2020/96 lautet auszugsweise:

"3. TEIL

TARIF

Steuersätze und Steuerabsetzbeträge

§ 33.

[…]

(4) Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält:

[…]

2.Alleinerziehenden steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. […]

Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

3. Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn

- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und

- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

[…]."

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

a) Zum Verspätungseinwand der belangten Behörde

Bescheidbeschwerden sind fristgerecht, wenn sie spätestens am letzten Tag der Beschwerdefrist eingebracht werden. § 108 Abs 4 BAO ist anwendbar; daher reicht zur Fristwahrung, wenn die Postaufgabe am letzten Tag der Rechtsmittelfrist erfolgt (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl (2021), § 260, Rz 21; zur Beschwerdefrist s § 245 Abs 1 BAO).

Nach Aufforderung durch das BFG hat die Bf mit Schreiben vom die Sendungsdetails sowie den Sendungsverlauf des am um 16:37 Uhr bei der Postfiliale 8010 aufgegebenen Beschwerdeschriftsatzes (datiert mit ) übermittelt. Am wurde die Sendung dem zuständigen AV01-Team des Finanzamtes Österreich übergeben.

Dass ein Vertreter der belangten Behörde am Eingangsstempel mit Datum vermerkt habe "persönlich abgegeben", steht der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde nicht entgegen, zumal - wie bereits oben ausgeführt - es nach § 245 Abs 1 iVm § 108 Abs 4 BAO bereits genügt, wenn der Schriftsatz innerhalb der Beschwerdefrist bei der Post aufgegeben wird (Poststempel muss spätestens vom letzten Tag der Frist sein). In casu wurde der Bescheid vom der Bf am selben Tag zugestellt. Letzter Tag der Frist wäre daher (aufgrund des gesetzlichen Feiertages am ) der .

Somit hat die Bf die ggst Beschwerde fristgerecht eingebracht.

b) Zum geltend gemachten Alleinerzieherabsetzbetrag (AEAB) gem § 33 Abs 4 Z 2 EStG

§ 106 Abs 3 EStG definiert einen (Ehe-)Partner als Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind in einer Lebensgemeinschaft lebt.

Bei der Lebensgemeinschaft handelt es sich nach Rsp und Verwaltungspraxis um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Diese drei Merkmale als Prüfkriterien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft können unterschiedlich stark ausgeprägt sein bzw kann eines sogar gänzlich fehlen (vgl § 91 Abs 1 ABGB), ohne dass dies dem Vorliegen einer Lebensgemeinschaft abträglich wäre; es ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (s mwN). Nach der Jud des VwGH ist eine Lebensgemeinschaft (iSe eheähnlichen Gemeinschaft) anzunehmen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Zusammenleben erfolgt, wie es bei Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre (s , 0177). Indizien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft können die polizeiliche Meldung an ein- und demselben Wohnort (s ), eine gemeinschaftliche Zustelladresse oder die gemeinsame Anschaffung einer Wohnung oder der Wohnungseinrichtung sein (s -G/07).

Auf Grund der vorangeführten Feststellungsergebnisse gilt für das BFG in freier Beweiswürdigung als erwiesen, dass die Bf im Streitjahr 2021mit ihrem (Ehe)Partner, in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an ihrem gemeinsamen Hauptwohnsitz gelebt hat.

Alleinerzieher sind nach dem Wortlaut des § 33 Abs 4 Z 2 EStG Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (gem § 106 Abs 1 EStG für das dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 EStG zusteht), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner leben. Voraussetzung für den AEAB ist daher, dass der Steuerpflichtige/Alleinerzieheralleine (dh nicht in einer Lebensgemeinschaft) lebt. Ein nicht haushaltszugehöriges Kind vermittelt keinen Anspruch auf den AEAB (). Der AEAB steht auch dann nicht zu, wenn der (Ehe-)Partner nicht leiblicher Elternteil des Kindes ist (). Die Alleinerziehereigenschaft wird auch durch einen (mehr als "6-monatigen") Lebensgefährten ausgeschlossen, der weder Vater des Kindes ist noch zu dessen Unterhalt aufkommt ().

Durch den AEAB soll nicht etwa die Unterhaltsbelastung durch das Kind, sondern die besondere Belastung berücksichtigt werden, der alleinstehende Personen mit Kindern durch ein dadurch erschwertes berufliches Fortkommen ausgesetzt sind (vgl nur Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33, Tz 49).

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Berücksichtigung des AEAB waren demzufolge im Beschwerdefall für das Streitjahr 2021 nicht erfüllt. Das Beschwerdebegehren war daher als unbegründet abzuweisen.

c) Zum geltend gemachten Unterhaltsabsetzbetrag (UAB) gem § 33 Abs 4 Z 3 EStG

Der UAB steht dem Steuerpflichtigen zu, der für ein Kind, das nicht seinem Haushalt zugehört, den gesetzlichen Unterhalt leistet. Kinderabsetzbetrag und UABschließen einander beim selben Steuerpflichtigen für gleiche Zeiträume aus (vgl nur Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22 § 33, Tz 61). Der UAB steht daher nur dann zu, wenn dem Steuerpflichtigen oder seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner keine Familienbeihilfe gewährt wird (siehe dazu auch EB zum "Familienbesteuerungspaket" 1993, ÖStZ 1992, 146; ebenso mwN; Kanduth-Kristen in Jakom, EStG, 15. Aufl, 2022, § 33, Rz 76 mwN).

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Berücksichtigung des UAB waren aus den genannten Gründen im Beschwerdefall für das Streitjahr 2021 nicht erfüllt. Das Beschwerdebegehren war demzufolge als unbegründet abzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis war nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig. Die Gewährung des AEAB und des UAB ergaben sich aus den gesetzlichen Bestimmungen, aus der im Erk zitierten Jud des VwGH und aus der Würdigung des in casu konkret vorliegenden tatsächlichen Geschehens. Das ggst Erk steht in Einklang mit der zitierten Rsp des VwGH, sodass aus all diesen Gründen die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100701.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at