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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 29.06.2023, RV/3100241/2023

Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde (§ 278 BAO)

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020 (Arbeitnehmerveranlagung), beschlossen:

I. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2020 vom sowie die Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt aufgehoben.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) war im Jahr 2020 bei zwei inländischen Arbeitgebern als Dienstnehmerin beschäftigt (Dienstverhältnis zur Firma DG1, Bezugszeitraum laut Lohnzettel bis ; Dienstverhältnis zur Firma DG2, Bezugszeitraum laut Lohnzettel bis ). Weiters bezog die Bf. im Jahr 2020 für 130 Tage ( - ) vom Arbeitsmarktservice Österreich Arbeitslosengeld.

In der Beilage zur beim Finanzamt eingereichten Abgabenerklärung 2020 (elektronisch eingebracht am ) beantragte die Bf., im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2020 den Betrag der laufenden Einkünfte von ihrem ehemaligen Arbeitgeber DG1 um € 4.467,60 herabzusetzen.
"Ich bin mit Juli 2020 ausgeschieden und habe - um auf eine Kündigungsanfechtungsklage zu verzichten - eine Vergleichszahlung in Höhe von € 4.467,60 erhalten. Diese Zahlung wurde fälschlich mit dem laufenden Tarifsteuersatz als "Abgangsentschädigung" versteuert. Richtig gewesen wäre eine Vergleichsbesteuerung gem. § 67 Abs.1 Z 8a EStG."
Ziffernmäßig beantragte die Bf., den Betrag von € 4.467,60 in Höhe des Teilbetrags von € 893,52 (= 20 % von € 4.467,60) als steuerfrei zu behandeln und den weiteren Teilbetrag (Restbetrag) von € 3.574,08 mit dem fixen Steuersatz von 6 % zu versteuern.

In der Folge richtete das Finanzamt an die Bf. ein Ergänzungsersuchen vom , mit dem die Bf. um "Übermittlung eines berichtigten Jahreslohnzettels (L16) des betreffenden Arbeitgebers DG1" ersucht wurde.

2. Den Einkommensteuerbescheid vom hat das Finanzamt u.a. auf Basis des vom vormaligen Dienstgeber Firma DG1 dem Finanzamt am übermittelten Lohnzettel erlassen. Die von der Bf. beantragte begünstigte Besteuerung der "Vergleichszahlung" gemäß § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 wurde vom Finanzamt nicht vorgenommen. Dazu führte das Finanzamt als Begründung an, da "trotz Ersuchens um Ergänzung kein berichtigter Jahreslohnzettel (L16) Ihres Arbeitgebers DG1 nachgereicht wurde, konnte hinsichtlich der Steuerbemessungsgrundlagen keine Abänderung durchgeführt werden."

3.1. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom erhob die Bf. mit Schreiben vom Beschwerde, welcher diverse Unterlagen (e-mail-Korrespondenz zwischen der Bf. und dem vormaligen Dienstgeber hinsichtlich der Auflösung des Dienstverhältnisses) angeschlossen wurden. Als Begründung hat die Bf. ihre in der Beilage zur Abgabenerklärung dargelegte Rechtsansicht zur Besteuerung der "Vergleichszahlung" nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 erneut angeführt und ergänzend vorgebracht, dass es sich nicht um eine Kündigungsentschädigung handle, sondern um eine "Vergleichszahlung", damit die Bf. das Dienstverhältnis einvernehmlich auflöste. Dazu hat die Bf. weitergehend ausgeführt.
"Um dies zu verdeutlichen und zu belegen, füge ich einige Unterlagen bei (Wunsch des Arbeitgebers für Ende Dienstverhältnis innerhalb von 2 Wochen - in diesem kurzen Zeitraum ist keine Kündigung möglich! daraufhin Verhandlung; Druck des Arbeitgebers durch Dienstfreistellung, Abnahme aller Arbeitsmittel etc.; meine Antworten: 1. Wunsch weiterzuarbeiten, 2. Verhandlungen über Kriterien für einvernehmliche Auflösung, welche die Vergleichszahlung mit Steuerbegünstigung nach Beratung durch Arbeiterkammer schon enthalten) und kann auf Wunsch weitere Unterlagen ergänzen bzw. den Prozess ausführlicher darlegen, wenn dies erwünscht ist und der Glaubhaftmachung dient."

3.2. In weiterer Folge erging seitens des Finanzamtes an den ehemaligen Dienstgeber DG1 ein Auskunftsersuchen vom , mit dem der ehemalige Dienstgeber unter Hinweis auf das gegenständliche Rechtsmittelverfahren bzw. das Beschwerdebegehren um "evtl. Lohnzettelkorrektur für das Kalenderjahr 2020 (berichtigtes Formular L16)" ersucht wurde bzw. um schriftliche Stellungstellungnahme, weshalb der Jahreslohnzettel 2020 seiner Richtigkeit entspräche und somit nicht korrigiert werde.

Mit Datum per übermittelte der ehemalige Dienstgeber an das Finanzamt für das Kalenderjahr 2020 einen berichtigten Jahreslohnzettel.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom geändert und als Begründung angegeben, dass die Beschwerdeerledigung aufgrund des von der Fa. "DG1" korrigierten Jahreslohnzettels für das Kalenderjahr 2020 erfolgt sei (Anmerkung: im berichtigten Lohnzettel per wurden € 893,52 (= 20 % von € 4.467,60) als steuerfrei behandelt, der Restbetrag von € 3.574,08 dem Tarifsteuersatz unterzogen; als anrechenbare Lohnsteuer (KZ 260) waren im ursprünglichen (dem Finanzamt am übermittelten) Lohnzettel € 4.875,32 ausgewiesen, im berichtigten (dem Finanzamt am übermittelten) Lohnzettel ist demgegenüber als anrechenbare Lohnsteuer (KZ 260) ein Betrag von € 4.405,59 ausgewiesen).

5.1. In dem dagegen eingebrachten Vorlageantrag (elektronisch eingelangt am ) brachte die Bf. (auszugsweise) vor:
"…
Die vorgenommene Änderung ist mangels Begründung nicht nachvollziehbar.

Außerdem ist nicht nachvollziehbar, warum im korrigierten Jahreslohnzettel ein verminderter Betrag einbehaltener Lohnsteuer aufgeführt ist. Es entspricht auch nicht der tatsächlich einbehaltenen Summe.

…"

5.2. Nach Einlangen des Vorlageantrags vom übermittelte der vormalige Arbeitgeber über Aufforderung des Finanzamtes vom das Jahreslohnkonto für 2020 betreffend die Bf. an das Finanzamt.

6. Der eingebrachte Vorlageantrag wurde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ) und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt, Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Auf Grundlage der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage und der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung liegt der gegenständlichen Entscheidung der eingangs dargestellte Verfahrensgang als erwiesener Sachverhalt zugrunde.

Strittig zwischen dem Finanzamt und der Bf. ist, ob hinsichtlich der "Vergleichszahlung", welche die Bf. von ihrem vormaligen Dienstgeber für die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses erhalten hat, die begünstige Bestimmung nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 anzuwenden ist oder nicht. Strittig ist weites die Höhe der einbehaltenen Lohnsteuer (Vorlageantrag vom ).

a) zur Aufhebung und Zurückverweisung

Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Die aufhebende (die Sache an die Abgabenbehörde zurückverweisende) Beschwerdeerledigung setzt voraus, dass Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderlassung hätte unterbleiben können (vgl. Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Aufl., § 278 Rz 9).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. zB , unter Hinweis auf ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 278 Anm 2a (Stand , rdb.at)).

Den Einkommensteuerbescheid vom hat das Finanzamt u.a. auf Basis des vom vormaligen Dienstgeber DG1 dem Finanzamt am übermittelten Lohnzettel erlassen, und dementsprechend u.a. die darin ausgewiesene anrechenbare Lohnsteuer berücksichtigt. Nachdem die Bf. mit Schreiben vom Beschwerde erhoben hatte, richtete das Finanzamt an den vormaligen Dienstgeber ein Auskunftsersuchen vom hinsichtlich des vorgenommenen Lohnsteuerabzugs bzw. die Richtigkeit des dem Finanzamt am übermittelten die Bf. betreffenden Lohnzettels. In Reaktion darauf übermittelte der vormalige Dienstgeber dem Finanzamt für das Kalenderjahr 2020 die Bf. betreffend per Datum einen berichtigten Lohnzettel. Dazu ist nun festzustellen, dass im berichtigten Lohnzettel per von der "Vergleichssumme" € 893,52 (= 20 % von € 4.467,60) als steuerfrei behandelt und der Restbetrag von € 3.574,08 dem Tarifsteuersatz unterzogen wurde. Als anrechenbare Lohnsteuer (KZ 260) waren im ursprünglichen (dem Finanzamt am übermittelten) Lohnzettel € 4.875,32 ausgewiesen, wogegen im berichtigten Lohnzettel vom als anrechenbare Lohnsteuer (KZ 260) ein Betrag von € 4.405,59 ausgewiesen ist. Das Finanzamt erließ die Beschwerdevorentscheidung vom auf Grundlage des per berichtigten Jahreslohnzettels ohne weitere Rücksprache mit dem vormaligen Dienstgeber und ohne vorherige Rücksprache mit der Bf. und begnügte sich mit der Begründung, dass die Beschwerdeerledigung aufgrund des korrigierten Jahreslohnzettels für das Kalenderjahr 2020 erfolgt sei. Anzumerken ist dazu, dass die Frage, woraus die Verminderung der anrechenbaren Lohnsteuer von € 4.875,32 auf € 4.405,59 resultiert, vom Finanzamt nicht näher konkretisiert wurde.

Gemäß § 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 werden auf die Einkommensteuerschuld angerechnet die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht bei der Veranlagung lohnsteuerpflichtiger Einkünfte (vgl. § 41 EStG 1988) keine Bindung an die Vornahme des Lohnsteuerabzuges vom Arbeitslohn durch den Arbeitgeber. Unter Einkommensteuerschuld im Sinne des § 46 EStG 1988 ist jene Schuld zu verstehen, die als Einkommensteuer im Ergebnis der zu veranlagenden Einkünfte resultiert (vgl. zB , uHa Vorjudikatur). Für die Anrechnung von Lohnsteuer auf die veranlagte Einkommensteuer genügt es, dass der Betrag vom Arbeitgeber einbehalten wurde. Die Frage, ob und wann die einbehaltenen Beträge an das Finanzamt abgeführt wurden, ist für die Anrechnung gemäß § 46 leg.cit. ohne Bedeutung (vgl. , uHa Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Band III, Tz. 6 zu § 46).

Seitens des Bundesfinanzgerichts festzustellen, dass das Finanzamt gegen die in § 115 Abs. 1 BAO normierte Ermittlungspflicht verstoßen hat. Dies deshalb, da (zumindest) nach Einlangen des berichtigten Jahreslohnzettels am und vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom jedenfalls sachverhaltsmäßige Feststellungen über die Höhe der einbehaltenen Lohnsteuer zu treffen gewesen wären. Jedenfalls wären seitens des Finanzamtes Erkundigungen bei der Bf. einzuholen bzw. ihr die Gelegenheit zu geben gewesen, sich über die Richtigkeit des berichtigten Jahreslohnzettels zu äußern. Im Vorlageantrag vom hat die Bf. dazu schließlich auch ausgeführt, dass es für sie nicht nachvollziehbar sei, warum im korrigierten Jahreslohnzettel ein verminderter Betrag einbehaltener Lohnsteuer aufgeführt ist und dieser Betrag auch nicht der tatsächlich einbehaltenen Summe entspreche.

Eine Entscheidung anhand der vorliegenden vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht übermittelten Akten ist vor diesbezüglich vorzunehmenden Ermittlungsschritten bzw. Feststellungen nicht möglich. Zudem ist es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch zweifelsfrei nicht ausgeschlossen, dass bei Vornahme der gebotenen Sachverhaltsermittlungen seitens des Finanzamtes ein anders lautender Bescheid erlassen werden hätte können.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gem. § 278 Abs 1 BAO steht im Ermessen (§ 20) des Gerichts (vgl. ).

Hingewiesen sei auch darauf, dass es angesichts des Grundsatzes, dass das Bundesfinanzgericht nach der Sach- und Rechtslage zu entscheiden hat, welche im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt (vgl. etwa ), es nicht darauf ankommt, ob eine Rechtsansicht oder Rechtsauslegung der Abgabenbehörde schon im Zeitpunkt deren Entscheidung bekannt gewesen ist (vgl. -8, Rn 15).

Zur Ermessensübung (zu § 66 Abs 2 AVG) weist der VwGH (, 2002/20/0315, ZfV B 2004/234) darauf hin, es würde die Anordnungen des Gesetzgebers (über ein zweitinstanzliches Verfahren) unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es sei nicht im Sinn des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (vgl. Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Aufl., § 278 Rz 5; vgl. zB auch , uHa Ritz, BAO6, Tz 5 zu § 278 BAO und die dort zitierte Judikatur des VwGH und des UFS; vgl. auch Achatz, SWK 2015, S 1248ff [1252f]; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 278 Anm 2a (Stand , rdb.at)).

Das Bundesfinanzgericht müsste im vorliegenden Fall bei Fällung einer Sachentscheidung erstmalig vollumfänglich Sachverhaltsermittlungen durchführen, erstmals daran anschließend den entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen und in der Folge auf dieser Grundlage die Beschwerdeerledigung vornehmen.

Für die Ermessensübung (§ 20 BAO) zu Gunsten einer Bescheidaufhebung spricht für den vorliegenden Fall weiters, dass dem Bf. der volle Instanzenzug erhalten bleiben soll (vgl. Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Aufl., § 278 Rz 5; Fellner, BFGjournal 2015, 441 f, mwN).

b) zur Besteuerung der "Vergleichszahlung"

Die Bf. ist der Ansicht, dass hinsichtlich der "Vergleichszahlung", welche die Bf. von ihrem vormaligen Dienstgeber für die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses erhalten hat, die begünstigende Bestimmung nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 anzuwenden ist.

§ 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 lautet:

"(8) Für die nachstehend angeführten sonstigen Bezüge gilt Folgendes:

a) auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen, sind, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Fallen derartige Vergleichssummen bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses an und werden sie für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse besteht, sind sie bis zu einem Betrag von 7 500 Euro mit dem festen Steuersatz von 6% zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden."

Unter Vergleichssummen sind Zahlungen zu verstehen, die aufgrund eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs aus einem Dienstverhältnis geleistet werden. Ein Vergleich ist die unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte. Ein Vergleich bereinigt sohin ein strittiges oder zweifelhaftes Rechtsverhältnis. Streitig ist ein Recht dann, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können, ob und in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht. Zweifelhaft ist das Recht, wenn die Parteien sich über Bestand, Inhalt und Umfang oder auch über das Erlöschen nicht im Klaren sind. Rechte sind auch dann zweifelhaft, wenn ihre Verwirklichung unsicher geworden ist. Eine bloße Klarstellungs-, Bereinigungs- oder Streitvorbeugungsfunktion ist nicht ausreichend, einen Vergleich zu begründen (vgl. Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer: Kommentar, zu § 67 Abs 8, Anm 7, uHa u.a. ). Im vorliegenden Fall hat die Bf. die "Vergleichszahlung" deshalb von ihrem vormaligen Arbeitgeber erhalten, damit die Bf. das Dienstverhältnis einvernehmlich auflöste. Solcherart ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht davon auszugehen, dass die "Vergleichszahlung" vom vormaligen Dienstgeber aufgrund eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs geleistet wurde. Die Bestimmung des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 ist somit nicht anzuwenden.

Solche Zahlungen im Zusammenhang mit der einvernehmlichen vorzeitigen Auflösung eines Dienstverhältnisses waren als "Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume" von der begünstigenden Bestimmung des § 67 Abs. 8 lit. b EStG erfasst, soweit die Auszahlungen bis zum erfolgten. Zu einem Fall der vorzeitigen Auflösung des Dienstvertrages gegen Zusage einer einmaligen Entschädigung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/15/0073, die Rechtslage dargelegt und dazu ausgeführt:

"14 § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 13/2014, lautet:
"Kündigungsentschädigungen sind gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG."

15 In der zuvor geltenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 hatte § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 folgenden Wortlaut:
"Kündigungsentschädigungen sowie andere Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume sind gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen."

16 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 13/2014, wurde die Begünstigung des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 somit auf Kündigungsentschädigungen eingeschränkt. Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume sollten nicht mehr erfasst werden (vgl. RV 24 BlgNR 25. GP 9). Die Änderung ist auf Auszahlungen anzuwenden, die nach dem erfolgten (§ 124b Z 256 EStG 1988).

17 Gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die nicht unter Abs. 1 bis 8 fallen, wie ein laufender Bezug zu besteuern."

Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume, die nach dem erfolgen, sind steuerlich weder nach § 67 Abs. 8 noch nach Abs. 6 EStG 1988 begünstigt, sondern gem. § 67 Abs. 10 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats zu besteuern (vgl. Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 67 Anm 151 (Stand , rdb.at)).

Nach der vorliegenden Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2020 vom wird im weiteren Verfahren bzw. im Rahmen der Erlassung des Einkommensteuerbescheids 2020 durch das Finanzamt für die streitgegenständliche "Vergleichszahlung" die dargelegte Rechtslage zu berücksichtigen sein.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100241.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at