Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.03.2023, RV/7100764/2023

Familienbeihilfenanspruch bei ständigem Aufenthalt der Kinder in einem Drittland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des Antrages vom auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind To hinsichtlich des Zeitraumes Februar 2019 bis April 2022 und für das Kind So hinsichtlich des Zeitraumes März 2018 bis April 2022 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am beantragte der Beschwerdeführer (kurz: Bf) die Familienbeihilfe für seine Kinder KSo und KTo ab deren Geburt bis zum .

In einem Auskunftsersuchen vom forderte das Finanzamt (kurz: FA) folgende Auskünfte und Unterlagen vom Bf an:
- Wann und wo sei seine Ehegattin und die Kinder nach Österreich eingereist?
- Geburtsurkunde (Übersetzung in deutscher Sprache), Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepässe und eCards vom Bf, seiner Ehegattin und den Kindern
- Heiratsurkunde
- Aufenthaltstitel (NAG-Visum) von der Ehegattin
- Wie leiste sich der Bf seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie in Österreich? Eine detaillierte Aufstellung den Einnahmen und Ausgaben sei vorzulegen, ebenso Nachweise über allenfalls bezogene Beihilfen.
- Mietvertrag
- Einkommensnachweis (Lohnzettel ab Jänner 2022 bis laufend, Dienstvertrag, ALG-Bezüge etc.) vom Bf und seiner Ehegattin
- Kindergartenbestätigung der Kinder bzw Nachweis über Mutter-Kind-Pass Untersuchung von KTo.

Im Antwortschreiben, beim FA eingelangt am , hielt der Bf fest, dass seine Ehegattin und seine Kinder am von Kosovo nach Österreich eingereist seien. Er arbeite seit 2009 bei der Fa F GmbH in Wien und verdiene ca 2.400,00 Euro netto monatlich, zahle 600,00 Euro Miete und 150,00 Euro Strom. Die Ehegattin habe kein Einkommen und beziehe keine Sozialhilfe. Sie kümmere sich um die Kinder und den Haushalt.

Diesem Schriftsatz legte er die geforderten Unterlagen bei.

Mit Bescheid des FA vom wurde der Antrag des Bf auf Familienbeihilfe vom für die Kinder KTo und KSo jeweils ab dem Monat ihrer Geburt bis April 2022 im Wesentlichen mit nachstehender Begründung abgewiesen:
Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen würden nicht in Österreich liegen, daher habe der Bf gemäß § 2 Abs 8 FLAG 1967 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Kinder seien erst seit in Österreich gemeldet und hätten vorher in einem Drittstaat (Kosovo) gelebt.

Mit Schriftsatz (Fax) vom legte der Bf dagegen Beschwerde ein:
Ihm sei bewusst, dass Kinder sich in Österreich aufhalten müssten, damit die Familienbeihilfe ausbezahlt werde. Bei seinen Kindern sei das ein spezieller Fall, denn seinen Kindern sei die Einreise ins Land nicht gewährt worden. Sie seien im Kosovo auf die Welt gekommen und es sei am Anfang der Pandemie ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel für die Kinder und die Ehegattin des Bf gestellt worden. Das Verfahren sei unendlich in die Länge gezogen worden. Anfang dieses Jahres habe der Bf eine sehr überraschende Nachricht erhalten: Seine Kinder seien österreichische Staatsbürger und sollten sich ihre Staatsbürgerschaftsnachweise und Reisepässe bei der Botschaft im Kosovo abholen. Das Verfahren sei zu diesem Zeitpunkt fast zwei Jahre schon in Bearbeitung gewesen, man hätte es durchaus früher sagen können, damit seine Kinder ihre Staatsbürgerrechte auch wahrnehmen hätten können. Ihnen sei eine Einreise schlicht und einfach untersagt worden und deswegen hätten sie sich auch nicht hier aufhalten können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde unter Hinweis auf § 5 Abs 3 FLAG 1967 ab.

Mit Schriftsatz vom stellte der Bf einen Vorlageantrag und führte ergänzend aus:
Bei Geburt seiner Kinder habe er beantragt, dass diese nach Österreich dürften. Erst Anfang 2022 sei von den Behörden eingeräumt worden, dass sie von Anfang an österreichische Staatsbürger gewesen seien und somit hätten einreisen dürfen. Er habe alles in seiner Macht stehende getan, damit den Kindern die Staatsbürgerschaft zuerkannt werde. Es sei an den Behörden gescheitert. Insofern könne seinen Kindern nicht angelastet werden, dass sie ihren ständigen Aufenthalt nicht in Österreich gehabt hätten.
Im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz gebe es mehrere Ansätze, die bestimmen würden, wie Behörden funktionieren. § 73 AVG spreche davon, dass ohne unnötigen Aufschub gearbeitet werden müsse. Es habe bis zur Feststellung der Staatsangehörigkeit zwei Jahre gedauert, das Verschulden liege auf Seiten der Behörden. § 18 AVG spreche davon, dass Behörden zweckmäßig, rasch, einfach und kostensparend arbeiten sollten, insbesondere, wenn von einer Entscheidung einer Behörde andere Entscheidungen von anderen Behörden abhängen würden. Es sei hier zu entscheiden, für wie zweckmäßig man eine Bearbeitungsdauer von zwei Jahren halten könne. Auch seine Kosten seien in diesem Verfahren sehr hoch gewesen, ganz abgesehen von den entgangenen Einnahmen. Es widerspreche aber allen Prinzipien des Verwaltungsrechts, einen Staatsbürger davon abzuhalten, in sein Land zu ziehen und alle Staatsbürgerrechte wahrzunehmen. Insofern handle es sich hier um einen speziellen Fall, der den Behörden anzulasten sei. Er begehre daher die Anerkennung der Familienbeihilfe ab der Geburt der Kinder, da es keine Entscheidung gewesen sei, sich im Ausland aufzuhalten, sondern die Einreise schlicht unmöglich gemacht worden sei.

Mit Bericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (kurz: BFG). Nach Darstellung des Sachverhaltes hielt das FA in der Stellungnahme fest, dass der Aufenthalt in der Republik Kosovo bis Mai 2022 unstrittig sei und dass die Gründe für den Aufenthalt im Ausland für den Anspruch nicht maßgeblich seien, sondern die Tatsache des Aufenthaltes dort. Es werde daher die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Dazu wird erwogen:

1. Sachverhalt

Dem Bf wurde am 06/2003 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Während des Streitzeitraumes bzw der Streitzeiträume verfügte er stets über Wohnsitze in Österreich.

KSo, der Sohn des Bf, kam am 03/2018 in der Republik Kosovo zur Welt, KTo, die Tochter des Bf, wurde am 02/2019 in der Republik Kosovo geboren. Am 02/2022 wurde durch die Österreichische Botschaft in Pristina bestätigt, dass beide Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.

Der Ehegattin des Bf wurde für die Zeit von bis der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß § 8 Abs 1 Z 8 NAG erteilt.

Seit sind die Kinder und die Ehegattin des Bf (die Eheschließung erfolgte am ) in Ort, dem Hauptwohnsitz des Bf in Österreich gemeldet; am reisten sie tatsächlich nach Österreich ein. Davor lebten die beiden Kinder mit ihrer Mutter, der Ehegattin des Bf, in der Republik Kosovo. Weder die Ehegattin noch die Kinder waren zuvor in Österreich gemeldet.

Die Republik Kosovo ist derzeit nicht Mitglied der Europäischen Union.

Dieser Sachverhalt beruht im Wesentlichen auf den Angaben des Bf und den von ihm vorgelegten Unterlagen und wird als unbedenklich angesehen.

2. Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

3. Rechtliche Beurteilung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs 3 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen. (Vgl , mwN)

Nach § 26 Abs 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Die Frage des ständigen Aufenthaltes im Sinne des § 5 Abs 3 FLAG 1967 ist somit nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach dem objektiven Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit zu beantworten. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. (Vgl , , , , ).

Der gewöhnliche Aufenthalt erfordert nicht, dass der Aufenthalt freiwillig genommen wird (zB kann der Aufenthalt im Gefängnis, in einer Krankenanstalt ober in der Kaserne zum gewöhnlichen Aufenthalt führen). Auch der Umstand, dass sich beispielsweise die Kinder gegen den Willen einer Person an einem Ort aufhalten, steht der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes nicht entgegen. (Vgl , Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Rz 9, Ritz/Koran, BAO7, § 26 Rz 14, -G/09).

Die beiden Kinder des Bf kamen in der Republik Kosovo in den Monaten März 2018 (KSo) und Februar 2019 (KTo) zur Welt und lebten ab ihrer Geburt mit ihrer Mutter, der Ehegattin des Bf, in der Republik Kosovo. Dieser Zustand änderte sich erst nach über drei (KTo) bzw vier Jahren (KSo) nach der Geburt im Mai 2022 durch die Einreise der Mutter mit ihren Kindern nach Österreich, die mit der Absicht, in Österreich nicht nur vorübergehend, sondern für einen längeren Zeitraum zu bleiben und gemeinsam mit dem Bf hier zu leben, verbunden war. Die Kinder hielten sich somit ab ihrer Geburt bis zu ihrer gemeinsamen Einreise nach Österreich im Mai 2022 mit ihrer Mutter in der Republik Kosovo und damit im Ausland (außerhalb des Gemeinschaftsgebietes) auf; an deren (grundsätzlichen) körperlichen Anwesenheit über diesen langen Zeitraum und dem tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt in der Republik Kosovo während dieser Zeit besteht kein Streit. (Vgl Verfahrensgang und Pkt 1 Sachverhalt)

Für den Bf war - wie seinen Darstellungen im gegenständlichen Verfahren zu entnehmen ist - von der Geburt seiner Kinder an klar, dass die Ehegattin mit den beiden gemeinsamen Kindern zunächst in der Republik Kosovo verbleiben werden und eine Übersiedlung der Ehegattin des Bf und Mutter der beiden Kinder des Bf nach Österreich erst nach Vorliegen rechtlicher Grundlagen für die Begründung eines rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich in Betracht kommt. Dementsprechend reisten seine Ehegattin und seine Kinder erst nach Erhalt entsprechender Unterlagen zur erstmaligen Begründung eines längerfristigen und damit ständigen Aufenthaltes in Österreich nach Österreich ein.

In diesem Zusammenhang brachte der Bf vor, dass das Verfahren bis zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung für die Kinder bzw bis zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Kinder aus seiner Sicht länger als erwartet gedauert habe und der Aufenthalt seiner Kinder in der Republik Kosovo dementsprechend länger als von ihm erwünscht (unfreiwillig) andauerte. (Vgl Verfahrensgang)

Wie den Rechtsausführungen zu entnehmen ist, steht allerdings der Umstand eines aus der Sicht des Bf (zumindest zum Teil) unfreiwilligen Aufenthalts der Kinder im Ausland der Annahme des ständigen Aufenthaltes im Ausland nicht entgegen. Es ändert nichts an der Tatsache, dass die Kinder des Bf ab ihrer Geburt bis einschließlich April im Ausland (Drittland) ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.

Das Anspruchshindernis bzw der Ausschlussgrund des § 5 Abs 3 FLAG 1967 ist somit im gegenständlichen Fall hinsichtlich des Sohnes KSo für die Monate März 2018 bis April 2022 und hinsichtlich der Tochter KTo für die Monate Februar 2019 bis April 2022 verwirklicht, sodass Familienbeihilfe während dieser Monate nicht zusteht.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Angemerkt wird noch: der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , B 2366/00, zum Ausdruck gebracht, dass gegen eine Vorschrift, die bewirkt, dass Personen, die im Ausland (Drittland) lebenden Kindern gegenüber zur Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, keine Familienbeihilfe gewährt wird, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl ).

4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG).

Im gegenständlichen Fall entscheidet das BFG auf Grund und in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen ist. Die ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100764.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at