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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 06.06.2023, RV/3100737/2021

Berechnung der Höhe der Rente beim Progressionsvorbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden_A, den Richter_A sowie die fachkundigen Laienrichter Person_A und Person_B in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin, Anschrift_A, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 und 2019, Steuernummer Zahl_1, in der Sitzung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A.) Verfahrensgang und Sachverhalt:
A.1.) Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsbürgerin und in Österreich wohnhaft (siehe ua. den Vorlageantrag vom ). Sie bezog neben den Pensionsbezügen von der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt und den nichtselbständigen Einkünften vom Verein_A (siehe die Lohnzettel laut Einkommensteuerbescheide) weiters noch Pensionszahlungen von der deutschen Anstalt_A sowie Rentenzahlungen von der deutschen Rentenversicherung_A (siehe ua. die bekämpften Bescheide sowie die Bescheide des deutschen_Finanzamtes_A für 2015 und 2019 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom bzw. ).

A.2.) Das Finanzamt_A veranlagte die Einkommensteuer der Jahre 2015 (mit Bescheid vom ) und 2019 (mit Bescheid vom ) antrags- und erklärungsgemäß ohne Ansatz der von der deutschen Rentenversicherung_A bezogenen Rente. Nach amtlicher Kenntnisnahme von diesen Rentenzahlungen hob die Abgabenbehörde obige Einkommensteuerbescheide für 2015 gemäß § 303 Abs. 1 BAO bzw. für 2019 gemäß § 299 BAO wieder auf und erließ neue Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2019 (sämtliche Bescheide mit Ausfertigungsdatum ), in welchen die Einkommensteuernachforderungen unter Berücksichtigung der deutschen Rente ermittelt wurden.

In der gegen obige Bescheide fristgerecht erhobenen Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, deutsche Pensionen oder Renten würden in Deutschland selbst besteuert und müssten in Österreich nicht noch einmal versteuert werden. Das werde durch das Doppelbesteuerungsabkommen vom Teil III, Bundesgesetzblatt Nr. 182, Artikel 18 und 23, geregelt. Nach Mitteilung durch das deutsche_Finanzamt_A unterliege die aus Deutschland bezogene Rente der Steuerpflicht in Deutschland. Die Einkommensteuer werde anhand der vom Rententräger automatisch übermittelten Rentenbezüge festgestellt und durch das deutsche_Finanzamt_A durchgeführt und die Steuer vorgeschrieben. Durch den Progressionsvorbehalt erhöhe sich in Österreich die Bemessungsgrundlage für den österreichischen Steuersatz nur um den steuerpflichtigen Anteil der deutschen Rente. Dies sei im Artikel 24 über die Gleichbehandlung geregelt: "Staatsangehörige eines Vertragsstaates dürfen im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden könnten." Dieses Abkommen gelte daher für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig seien. In dem Bescheid stimme der Bruttobetrag des Rentenbezuges mit dem Betrag von € Zahl_2 für das Jahr 2015 und € Zahl_3 für das Jahr 2019 überein. Nicht berücksichtigt sei allerdings, dass € Zahl_4 der Rente steuerfrei seien. Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung würden nur mit einem bestimmten Anteil der Besteuerung unterliegen, der sich nach dem Jahr des Rentenbeginns richte. Ab Beginn von Renten im Jahr 2010 betrage der Besteuerungsanteil 60 Prozent. Der steuerfreie Teil der Rente werde lebenslänglich fortgeschrieben und im Rahmen der Rentenbesteuerung der Folgejahre als Festbetrag vom Jahresrentenbetrag abgezogen. Die steuerrechtlich maßgebende Bruttorente betrage daher nach Artikel 24 BGBl und It. beigefügten Einkommensteuerbescheiden des deutschen_Finanzamtes_A nach Berücksichtigung des steuerfreien Teiles der Rente von € Zahl_4 und des Werbungskostenpauschales für das Jahr 2015 € Zahl_5 und für das Jahr 2019 € Zahl_6. Wenn eine Bescheinigung über die Höhe der aus der Deutschen Rentenversicherung steuerrechtlich maßgeblichen Bruttorente benötigt werde, könne diese auch von dieser Stelle beigebracht werden. Es werde daher ersucht, die Bemessungsgrundlagen für die ausländischen zu versteuernden Einkommen auf die oben angeführten Beträge zu berichtigen. Für das Jahr 2015 wären auch die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen neu zu bewerten, da sich die Bemessungsgrundlage dazu wieder geändert habe. Im neuen Einkommensteuerbescheid für 2019 sei auch der Pensionistenabsetzbetrag nicht mehr berücksichtigt worden.

A.3.) Das Finanzamt Österreich wies die Beschwerde mit den Beschwerdevorentscheidungen betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 und 2019 (beide mit Ausfertigungsdatum ) als unbegründet ab und führte hierzu begründend aus, im gegenständlichen Fall stehe unstrittig Deutschland nach Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland für die von der Abgabepflichtigen aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung bezogenen Rente das alleinige Besteuerungsrecht zu und seien in Österreich diese Einkünfte nach Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA-Deutschland von der Steuer befreit. Ebenso sei unstrittig, dass gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland Österreich das Recht habe, bei der Festsetzung der Steuer für inländische Einkommen die deutschen Pensionsbezüge zu berücksichtigen (Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt). Strittig sei lediglich, in welcher Höhe diese Rente zum Progressionsvorbehalt heranzuziehen sei. Das Finanzamt vermöge nicht die Ansicht der Beschwerdeführerin zu teilen, dass die Rente nur in jenem Ausmaß zum Progressionsvorbehalt herangezogen werden dürfe, insoweit die Rente in Deutschland der Besteuerung unterliege. Soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen seien, sei nach § 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988 für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebend. Bei Anwendung des Progressionsvorbehaltes werde daher das Gesamteinkommen nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes ermittelt, die auf dieses Einkommen entfallende österreichische Einkommensteuer eruiert und sodann der Durchschnittssteuersatz errechnet. Dieser werde auf jenen Einkommensteil angewandt, der von Österreich besteuert werden dürfe (vgl. ; ). Der Umstand, dass die Rente in Deutschland nur mit einem Anteil von 60% versteuert werde, könne daher nicht dazu führen, dass auch auf österreichischer Seite nur 60% der deutschen Rente in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen seien. Dafür gäbe es im österreichischen Steuerrecht keine rechtliche Grundlage. Gemäß § 33 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 komme es für Pensionseinkünfte zwischen € 17.000,00 und € 25.000,00 zu einer Einschleifung des Pensionistenabsetzbetrages. Bei höheren Pensionsbezügen stehe kein Pensionistenabsetzbetrag mehr zu. Da im konkreten Beschwerdefall obige Grenze überschritten werde, könne im Jahr 2019 der begehrte Pensionistenabsetzbetrag nicht zuerkannt werden. Aus diesen Gründen sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin begehrte mit Eingabe vom fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte hierin ergänzend vor, strittig sei, ob die Wortfolge "zu versteuernde Pensionsbezüge" nur auf jene Bezugsteile abstelle, die in Österreich der Einkommensbesteuerung unterliegen würden, oder ob sie sich auch auf die gemäß den Bestimmungen von Doppelbesteuerungsabkommen unter Progressionsvorbehalt freizustellenden Bezugsteile beziehe. Bei allen Entscheidungen des Finanzamtes sei nur auf Paragraphen des EStG Bezug genommen und der historische Spruch des VwGH (96/15/0234 vom ) zum Progressionsvorbehalt, demgemäß das österreichische Finanzamt einerseits das Entsprechen beider Rentensysteme zu prüfen habe, außer Acht gelassen worden. Der VwGH habe erkannt, dass die Behörde zu prüfen habe, ob die Auslandsrenten zu 100% in die Bemessungsgrundlage für den Progressionsvorbehalt eingehen dürften. Doppelbesteuerungsabkommen würden eine Schrankenwirkung insofern entfalten, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen würden. Ob Steuerpflicht bestehe, sei zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergebe sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, sei in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt werde (; auch 2012/15/0035). Bei Anwendung des DBA seien nicht nur die zum Vorteil der Steuerbehörden geltenden Artikel anzuwenden, sondern auch der Artikel 24 über die Gleichbehandlung zum Vorteil des Steuerpflichtigen. Artikel 24 des Doppelbesteuerungsabkommens über die Gleichbehandlung, in dem diese Beschränkung festgeschrieben sei, werde nicht berücksichtigt. "(1) Staatsangehörige eines Vertragsstaates dürfen im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden könnten. Dieses Abkommen gilt daher für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind." Diese Vertragsbestimmung, die dem Art. 24 Pkt. 8 des OECD-Musterabkommens 2008 entspreche, normiere ein Verbot der an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Diskriminierung. Absatz 1 enthalte den Grundsatz, dass die an die Staatsbürgerschaft anknüpfende Diskriminierung untersagt sei und dass unter Vorbehalt der Gegenseitigkeit die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat unter gleichen Verhältnissen nicht ungünstiger behandelt werden dürften als die Staatsangehörigen des letzteren Staates. Der Ausdruck "unter gleichen Verhältnissen" beziehe sich auf Steuerpflichtige, die sich hinsichtlich der Anwendung der allgemeinen gültigen Steuergesetze und -vorschriften in ähnlichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen befinden würden. Der Ausdruck "insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit" stelle klar, dass die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen einer der Umstände sei, die bei der Feststellung heranzuziehen seien, ob Steuerpflichtige sich in ähnlichen Verhältnissen befinden würden. Der Ort der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen sei beim Ausdruck "unter gleichen Verhältnissen" rechtserheblich. Nach richtigem Verständnis der Gleichbehandlung iSd Art. 24 DBA liege bei einem deutschen Staatsangehörigen und einem österreichischen Staatsangehörigen, die beide ihren Wohnsitz in Österreich haben würden, dort nach Art. 4 DBA als ansässig gelten und wegen des inländischen Wohnsitzes in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig seien, gleiche Verhältnisse, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, vor. Art. 24 Abs. 1 DBA untersage daher eine andere oder belastendere Besteuerung des deutschen Staatsangehörigen, die an der Staatsangehörigkeit anknüpfe. Die Beschwerdeführerin sei deutsche Staatsangehörige, aber in Österreich ansässig. Nach diesem Sachverhalt möge entsprechend Art. 24 Abs. 1 DBA über die Gleichbehandlung und dem historischen Spruch des , bewertet werden, ob Renten aus der deutschengesetzlichen Rentenversicherung zu 100% in die Bemessungsgrundlage für den Progressionsvorbehalt eingehen dürften. Nachdem in der BRD ab Beginn von Renten im Jahr 2010 diese nur mit einem Besteuerungsanteil von 60 % der Steuer unterliegen würden, stehe die vorgenommene inländische Besteuerung im Widerspruch zum Gesetzessinn zu dieser Bestimmung des DBA und es werde dadurch eine andere oder belastendere "diskriminierende" Besteuerung des deutschen Staatsangehörigen vorgenommen, welche gegen das Gleichbehandlungsverbot verstoße. Die steuerrechtlich maßgebende Bruttorente betrage daher nach Artikel 24 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Gleichbehandlung) nach Berücksichtigung des steuerfreien Teiles der Rente von € Zahl_4 und des Werbungskostenpauschales für das Jahr 2015 € Zahl_5 und für das Jahr 2019 € Zahl_6. Es werde ersucht, die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz auf diese Beträge der ausländischen Einkünfte zu berichtigen. Für das Jahr 2015 seien auch die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen neu zu bewerten, da sich die Bemessungsgrundlage dazu wieder ändern würde.

B.) Beweiswürdigung:
Der streitwesentliche Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage, insbesondere aus den oben näher bezeichneten Unterlagen.
Für das Bundesfinanzgericht besteht kein Zweifel, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Pensionsbezug um eine Rentenzahlung aus einer deutschen gesetzlichen Sozialversicherung handelt, welche einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht (siehe hierzu ua. auch den Vorlageantrag vom ). Weder die Aktenlage noch das Beschwerdevorbringen veranlassen zu Bedenken hieran, dass die geleisteten ausländischen Versicherungsbeiträge ihrer Art nach aufgrund der in den Streitjahren geltenden Rechtslage (EStG 1988) in voller Höhe einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten.

C.) Rechtliche Würdigung:
C.1.) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte (§ 1 Abs. 2 EStG 1988).

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 sind Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn). Nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 gehören Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, sind gemäß § 2 Abs. 8 EStG 1988 für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebend.

Ausländische Einkünfte sind durch Umrechnung auf das inländische Recht zu adaptieren. Die Vorlage von ausländischen Steuerbescheiden reicht nicht aus. Jene Besonderheiten des ausländischen Steuerrechtes, die in den inländischen Normen nicht enthalten sind (wie zB nur im ausländischen Steuerrecht vorgesehene Steuerbefreiungen), bleiben außer Ansatz. Umgekehrt sind die inländischen Regelungen für die Gewinnermittlung maßgebend, auch wenn gleichartige Normen im Abkommensstaat nicht existieren. Die Umrechnung kann zu betragsmäßigen Abweichungen führen (Jakom/Ehgartner, EStG 2023, § 2 Rz.190 und die hierin angeführte Judikatur; Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 2 Tz 193).

C.2.a) Ein Besteuerungsrecht an den ausländischen Einkünften besteht jedoch nur insoweit, als dieses nicht durch die Regelungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002 (DBA-Deutschland), eingeschränkt wird. Das DBA-Deutschland lautet auszugsweise:

Artikel 18 Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen
(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.
(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.
[…]

Artikel 23 Vermeidung der Doppelbesteuerung
[…]
(2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:
a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.
[…]
d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.

Artikel 24 Gleichbehandlung
(1) Staatsangehörige eines Vertragsstaats dürfen im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden können. Diese Bestimmung gilt ungeachtet des Artikels 1 auch für Personen, die in keinem Vertragsstaat ansässig sind.
[…]

C.2.b) Doppelbesteuerungsabkommen entfalten eine Schrankenwirkung bloß insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob und in welcher Höhe überhaupt Steuerpflicht besteht, ist zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist erst in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird ( mwN).

Die Einkommensteuerpflicht eines Abgabepflichtigen erstreckt sich aufgrund seines inländischen Wohnsitzes auf alle in- und ausländischen Einkünfte (§ 1 Abs. 2 EStG 1988), soweit diese nicht durch die Schrankenwirkung eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBAs) eingeschränkt und die Einkünfte von der Besteuerung ausgenommen wurden (). Ist dies der Fall, gebietet es der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, dass sich der Steuersatz trotzdem nach dem (Gesamt)Einkommen bemisst. Dies bildet die innerstaatliche Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt ( unter Hinweis auf und Widhalm in Gassner/ Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung). Diese Regel gilt nur dann nicht, wenn ein DBA die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts verbietet. Eine den Progressionsvorbehalt einräumende Bestimmung in einem DBA hat lediglich deklaratorische Bedeutung ( unter Hinweis auf BFH , I R 63/00 und BFH , I B 60/08).

Bei Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird das Gesamteinkommen ermittelt. Dabei sind - auch für die ausländischen Einkünfte - die Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes maßgebend. Nach Ermittlung der auf dieses Gesamteinkommen entfallenden österreichischen Einkommensteuer wird sodann der Durchschnittssteuersatz errechnet. Dieser wird zuletzt - unter Außerachtlassung der ausländischen Einkünfte - auf den Einkommensteil angewandt, der von Österreich besteuert werden darf ( mwN).

C.2.c) Art. 24 Abs. 1 DBA Deutschland untersagt eine Ungleichbehandlung eines Steuerpflichtigen aufgrund der Staatsangehörigkeit des anderen Vertragsstaates. Dies gilt unabhängig von der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen und daher über den Anwendungsbereich eines Doppelbesteuerungsabkommens gemäß Art. 1 hinaus auch für in Drittstaaten ansässige Steuerpflichtige (siehe Art. 24 Z 6 OECD-MK), wobei eine Gleichbehandlung nur im Vergleich zu jeweils im gleichen Staat ansässigen Steuerpflichtigen zu gewähren ist ("unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit"). Geschütztes Anknüpfungsmerkmal ist der Besitz der fremden Staatsangehörigkeit, es sind daher auch Doppelstaatsbürger geschützt (). Die praktische Bedeutung der Bestimmung bleibt jedoch hinter dem theoretisch weiten Anwendungsbereich zurück, da ertragsteuerliche Regelungen regelmäßig nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellen; darüber hinaus soll das Diskriminierungsverbot nicht zur Anwendung kommen, soweit das Steuerrecht eines Vertragsstaates grundsätzliche Unterschiede wie die unbeschränkte Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit knüpft (Art. 24 Z 9 OECD-MK). Dies folgt aus der Anwendungsvoraussetzung "gleiche[r] Verhältnisse[]", welche bei unterschiedlicher Reichweite der Steuerpflicht nicht erfüllt ist (Haslehner in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar², Art. 24, Rz 10).

Maßgeblich für die Beurteilung ist die Behandlung des fremden Staatsangehörigen aufgrund der steuerlichen Vorschriften des Anwendestaates. Die innerstaatlichen Vorschriften anderer Staaten sind unbeachtlich; insbesondere lässt sich auf Art. 24 DBA kein Anspruch auf Anwendung günstiger Regelungen des anderen Vertragsstaates gründen ( zu einer deutschen Staatsangehörigen, welche die spiegelbildliche Ausnahme vom Progressionsvorbehalt für Vermietungseinkünfte entsprechend deutschem Recht in Österreich begehrte; Haslehner in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar², Art. 24, Rz 16).

D.) Erwägungen:
D.1.) Die in Österreich wohnhafte Beschwerdeführerin ist gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die Steuerpflicht umfasst hierbei auch die ausländischen Einkünfte. Aufgrund ihres Wohnsitzes ist Österreich nach Artikel 4 Abs. 1 DBA-Deutschland der Ansässigkeitsstaat.

D.2.) Die streitgegenständliche Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ist unstrittig als Pension aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht, zu beurteilen. Dementsprechend bezieht die Beschwerdeführerin mit dieser Rente gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Einkommensteuer aufzunehmen sind.

Aus Deutschland bezogene Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind "Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung" im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Z 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (BGBl. 221/1955; kurz DBA-D alt), sodass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland als Quellenstaat zukommt (). Für solche Bezüge kommt Österreich kein Besteuerungsrecht zu (Art. 15 Abs. 3 DBA-D alt), sie unterliegen aber hier (im Ansässigkeitsstaat) dem vollen Progressionsvorbehalt (Art. 15 Abs. 1 DBA-alt). Dies gilt auch für die aktuelle DBA-Rechtslage (vgl. ). Das Besteuerungsrecht an der streitgegenständlichen deutschen Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung steht sohin gemäß Artikel 18 Abs. 2 DBA-Deutschland dem Quellenstaat, also Deutschland, zu. In Österreich sind diese Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen (Artikel 23 Abs. 2 lit. a DBA-Deutschland), allerdings bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einzubeziehen (Artikel 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland).

Der Progressionsvorbehalt ist im Einkommensteuergesetz nicht ausdrücklich geregelt, kann aber aus den §§ 1, 2 und 33 EStG und dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abgeleitet werden (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 1 Rz 49, Hinweis u.a. auf ).

Das Finanzamt unterwarf demzufolge in den bekämpften Bescheiden zutreffend die von der deutschen Rentenversicherung_A bezogenen Zahlungen nicht der österreichischen Besteuerung, sondern stellte diese nach den Bestimmungen des DBA-Deutschland frei und berücksichtigte sie nur bei der Berechnung des Steuersatzes. Dies führte im Beschwerdefall dazu, dass die inländischen Einkommen mit einem höheren Steuersatz besteuert wurden. Dadurch wurde eine Gleichstellung mit jenen Steuerpflichtigen herbeigeführt, die ihre Pensionseinkünfte ausschließlich aus Österreich beziehen.

D.3.) Bei Anwendung des Progressionsvorbehaltes ist nach § 2 Abs. 8 EStG das (Gesamt-)Einkommen nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes, EStG 1988, zu ermitteln (; ; ). Dies schließt den Abzug eines - ausschließlich nach deutschem Steuerrecht begründeten - steuerfreien Teiles aus bzw. auch aus, dass derartige Renteneinkünfte in Österreich nur mit einem bestimmten Anteil zu erfassen wären (). Das österreichische Einkommensteuergesetz sieht nicht vor, dass die ausländischen Einkünfte nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 nur anteilsmäßig bei der Berechnung des progressiven Steuersatzes einzubeziehen sind, weshalb der stete Hinweis, dass die Rente in Deutschland zum Teil als steuerfrei behandelt wurde, ins Leere geht.

Nachdem die teilweise Besteuerung von Rentenbezügen eine Besonderheit des deutschen Abgabenrechts darstellt und sich keine vergleichbare Norm im inländischen Steuerrecht findet, ist die Freistellung von der Steuerpflicht eines gewissen Prozentsatzes der Renteneinkünfte im Rahmen der Berücksichtigung für die österreichische Steuerpflicht außer Acht zu lassen. Der in Deutschland bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens in den Streitjahren steuerfrei belassene Teil der Rente darf daher in Österreich für Zwecke des Progressionsvorbehaltes nicht abgezogen werden. Die deutschen Rentenbezüge wurden demzufolge in den bekämpften Bescheiden zutreffend ohne Abzug von steuerfreien Rententeilen ("Rentenfreibetrag") in Ansatz gebracht.

Gleiches gilt auch für den nach deutschem Steuerrecht verankerten Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 102,00 €, dem nach § 2 Abs. 8 EStG im österreichischen Einkommensteuerbescheid keine Berücksichtigung zukommt.

D.4.) Im gegenständlichen Fall findet das österreichische Einkommensteuerrecht Anwendung, da ausschließlich dieses für die Beurteilung im Ansässigkeitsstaat Österreich maßgeblich ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind die innerstaatlichen Vorschriften anderer Staaten unbeachtlich, insbesondere lässt sich aus Art. 24 DBA-Deutschland kein Anspruch auf die Anwendung einer für die Beschwerdeführerin günstigeren Regelung des deutschen Einkommensteuergesetzes ableiten.
Unabhängig von der Staatsbürgerschaft sind in Österreich ansässige Personen steuerlich gleich zu behandeln und deren (Gesamt-)Einkommen undifferenziert nach österreichischem Steuerrecht zu ermitteln. Die von der Beschwerdeführerin begehrte anteilige steuerliche Freistellung der deutschen Rente sowie der Ansatz des deutschen Werbungskosten-Pauschbetrages, welche beide von der österreichischen Rechtslage nicht gedeckt wären, würden sohin einem Verstoß gegen den Art. 24 DBA-Deutschland gleichkommen.

Sinn und Zweck eines die Befreiungsmethode vorsehenden Doppelbesteuerungsabkommens erschöpft sich darin, den Vertragsstaaten das Besteuerungsrecht hinsichtlich bestimmter Einkunftsquellen zuzuordnen. Es dient aber nicht dazu, einen im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen von der Anwendung des progressiven Steuersatzes zu schützen (). Auch im Lichte des Grundsatzes des Art. 21 AEUV ("Allgemeine Freizügigkeit der Unionsbürger") ist festzuhalten, dass das Unionsrecht eine Steuerneutralität im Fall der Verlagerung der Tätigkeit eines Unionsbürgers nicht zu garantieren vermag (siehe , Schrempp).

D.5.) Durch die vorliegende Entscheidung erfährt der im bekämpften Bescheid festgestellte Gesamtbetrag der Einkünfte für 2015 keine Änderung, sodass der Selbstbehalt bei den begehrten außergewöhnlichen Belastungen unverändert zum Ansatz zu bringen ist. Die Pensionseinkünfte überschreiten im Jahr 2019 einen Betrag von 25.000,00 €, sodass der Beschwerdeführerin gemäß § 33 Abs. 6 Z 3 EStG kein Pensionistenabsetzbetrag zukommt.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

E.) Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das vorliegende Erkenntnis orientiert sich an den gesetzlichen Regelungen des (österreichischen) Einkommensteuergesetzes und den Normen des DBA-Deutschland. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dem Beschwerdefall nicht zugrunde, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100737.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at