Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.06.2023, RV/2300003/2023

Widerruf eines Strafaufschubs wegen unentschuldigtem Fernbleiben in der gemeinnützigen Einrichtung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Finanzstrafsache gegen X, Adresse, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Bestrafen vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung vom , GZ. x, über den Widerruf eines Strafaufschubes zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit der Strafverfügung vom , Strafnummer x, wurde der Beschwerdeführer (Bf.) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 2.500 € (8 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Die Finanzstrafbehörde stellte fest, dass die Geldstrafe uneinbringlich war und erließ am die Aufforderung zum Strafantritt. In dieser wurde darauf hingewiesen, dass der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, wenn der Bf. gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 32 Stunden innerhalb eines Zeitraums von längstens 4 Wochen erbringt.

Der Bf. erklärte sich am gegenüber der Finanzstrafbehörde bereit, gemeinnützige Leistungen zu erbringen und verpflichtete sich über die Vermittlung durch den Verein NEUSTART, mit der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen im Ausmaß von 32 Stunden im Senioren-Stadthaus U am zu beginnen, wobei die Erbringung innerhalb von maximal 4 Wochen, sohin bis zum , vereinbart wurde (Mitteilung NEUSTART nach § 3a Abs. 2 StVG vom ).

Am wurde von Seiten der Einrichtung mitgeteilt, dass aufgrund der aktuellen Situation (COVID-19) eine Ableistung von gemeinnützigen Leistungen erst möglich sei, wenn dies die Maßnahmen zu COVID-19 gestatten (Zwischenbericht NEUSTART vom ).

Laut dem Abschlussbericht des Vereins NEUSTART vom erbrachte der Bf. beim Vinzi-Markt U 10 Stunden an gemeinnütziger Leistung. Entgegen der Vereinbarung sei der Bf. am nicht im Vinzi-Markt erschienen. Er wurde von der Leiterin der Einrichtung angerufen und teilte mit, dass er keine Zeit habe, und sich am melden werde. Daraufhin wurden zwei Termine zur Leistungserbringung vereinbart, die eingehalten wurden. Der folgende vereinbarte Termin wurde vom Bf. wieder nicht wahrgenommen. Er teilte der gemeinnützigen Einrichtung mit, keine weiteren Stunden erbringen zu wollen.
In einem Telefonat mit dem Verein NEUSTART am bestätigte er diese Aussage und gab an, den noch ausständigen Betrag nach Abzug der geleisteten Stunden bezahlen zu wollen.
Die Vermittlungsbemühungen wurden deshalb seitens des Vereins NEUSTART eingestellt.

Mit dem Bescheid vom widerrief die Finanzstrafbehörde den zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen gewährten Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe und führte aus, der Vollzug habe mit der Mitteilung über die Herstellung des Einvernehmens mit einer geeigneten Einrichtung zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von 25 Stunden gemäß § 179 Abs. 3 FinStrG in Verbindung mit § 3a Abs. 2 StVG als aufgeschoben gegolten. Der Aufschub des Strafvollzuges sei zu widerrufen, da der Bf. die gemeinnützigen Leistungen innerhalb der dafür vorgesehenen Frist nicht oder nicht vollständig erbracht habe. Die bereits erbrachte gemeinnützige Leistung im Ausmaß von 10 Stunden werde auf die zu vollziehende Ersatzfreiheitsstrafe mit 2 Tagen 12 Stunden (offen aushaftende Geldstrafe 1.719 €) angerechnet.

Mit dem Bescheid vom bewilligte die Finanzstrafbehörde eine Zahlungserleichterung mit einer Ratenhöhe von 100 € pro Monat. Drei Zahlungstermine wurden eingehalten, dann trat Terminverlust ein. Eine vierte Teilzahlung in Höhe von 100 € erfolgte am . Zwei weitere Zahlungserleichterungsansuchen vom und wurden bewilligt, doch wurde seit der letzten Ratenzahlung am keine weitere Rate entrichtet.

Am wies die Finanzstrafbehörde ein (weiteres) Zahlungserleichterungsansuchen als unbegründet ab.

Nach einer Aufforderung zum Strafantritt vom beantragte der Bf. am neuerlich die Ableistung der Strafe in einer gemeinnützigen Einrichtung.

Nach einer Mitteilung nach § 3a Abs. 2 StVG des Vereins NEUSTART vom gab der Bf. bereits im Erstgespräch an, die gemeinnützigen Leistungen wieder im Senioren-Stadthaus U erbringen zu wollen und teilte mit, "vor Mitte Jänner 2023 ohnehin keine Zeit dafür zu haben".
Da der Leiter der gemeinnützigen Einrichtung längere Zeit nicht seinen Dienst verrichten konnte, wurde seitens des Vereins für den Bf. eine andere Einrichtung gesucht. Dies lehnte der Bf. mit der Begründung ab, er habe bereits vor einigen Monaten seine Ableistungsmöglichkeit mit dem Senioren-Stadthaus abgeklärt.
Am wurde seitens der Einrichtung die Ableistungsmöglichkeit abgebrochen, da der Bf. am erst nach telefonischer Aufforderung zur vereinbarten Stundenableistung (4 Stunden) und am nicht wie vereinbart zur Ableistung erschienen ist.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom wurde der zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen gewährte Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 178 FinStrG widerrufen, weil der Bf. nur 4 statt der erforderlichen 16 Stunden an gemeinnützigen Leistungen erbracht habe.

In der gegen das "Schreiben vom " eingebrachten Beschwerde vom führte der Bf. wörtlich aus:

"SozialstundenAbleistungIchhabebeimAltersheim A in U.
Am
dieSozialstundenbegonnen4Stunden hattedenHausmeisterGesagtdasich am 16.1.nichtkommenkanndaicheinenTerminbeiderBezirkshauptmannschaft U habeunderstam 17.1 wiederkomme SagtemirderHausmeisterichbrauchenichtmehr kommen , wurdeaber Abgesprochen.Ichbitteum eineLösungohneFreiheitsstrafe,daichsowiesoHaftuntauglichbinEpileptischeAnfälleundNierenproplemehabe.IchbitteumeinefürmichandereLösungzufinden.Ich habeeinePensionVon€661mit Ausgleichzulagekönnte€60bezahlen.IcherwarteeineposetiveAntwort.Gruss …".

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 179 Abs. 3 FinStrG hat der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe zu unterbleiben, wenn der Bestrafte gemeinnützige Leistungen (§ 3a StVG) erbringt. Darüber ist er in der Aufforderung zum Strafantritt zu informieren, wobei ihm auch das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen mitzuteilen ist. Eine Gleichschrift dieser Mitteilung darf auch einer in der Sozialarbeit erfahrenen Person (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes, BGBl. Nr. 146/1969) übermittelt werden. § 3a Abs. 1 bis 4 StVG und § 29bBewährungshilfegesetz sind mit derMaßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an Stelle des Gerichtes die Finanzstrafbehörde tritt. Die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen hat nur über Ersuchen des Bestraften zu erfolgen.

Gemäß § 178 FinStrG ist der Aufschub des Strafvollzuges zu widerrufen, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für seine Bewilligung nicht zugetroffen haben. Der Bestrafte ist aufzufordern, seine Strafe unverzüglich anzutreten.

§ 3a StVG lautet auzugseise:

Erbringung gemeinnütziger Leistungen

(1) Gemeinnützige Leistungen sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung (§ 202 Strafprozessordnung - StPO) zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist. Vier Stunden gemeinnütziger Leistungen entsprechen einem Tag der Freiheitsstrafe. Nach vollständiger Erbringung gilt die Strafe als vollzogen. Der Vermittler erarbeitet gemeinsam mit dem Verurteilten [Bestraften] den für die Erbringung der gemeinnützigen Leistung benötigten Zeitraum, wobei auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung, eine Berufstätigkeit oder eine Verpflichtung aus einer Arbeitsvermittlung Bedacht zu nehmen ist, und unterstützt ihn bei den erforderlichen Eingaben bei Gericht [bei der Finanzstrafbehörde]. Der Zeitraum für die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen darf nicht länger bemessen werden, als der Verurteilte [Bestrafte] bei wöchentlich zehn Arbeitsstunden benötigen würde. § 202 Abs. 1 letzter Satz sowie Abs. 3 bis 5 StPO gilt sinngemäß. […]

(2) Teilt der Verurteilte [Bestrafte] innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2 [hier: die Monatsfrist des § 175 Abs. 2 FinStrG] dem Gericht [der Finanzstrafbehörde] mit, dass er sich bereit erkläre, gemeinnützige Leistungen zu erbringen und ist dies rechtlich zulässig, so wird diese Frist gehemmt. Danach muss der Verurteilte [Bestrafte] innerhalb eines Monats ein Einvernehmen mit einer geeigneten Einrichtung erreichen und dies dem Gericht [der Finanzstrafbehörde] mitteilen. Wird innerhalb dieser Frist kein Einvernehmen erzielt, so läuft die Frist des § 3 Abs. 2 [die Monatsfrist nach Aufforderung zum Strafantritt] fort. Teilt der Verurteilte [Bestrafte] hingegen die erreichte Einigung rechtzeitig mit, so gilt der Strafvollzug mit dem Tag des Einlangens der Mitteilung bei Gericht [bei der Finanzstrafbehörde] bis zum Nachweis der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen als aufgeschoben.

(3) ….

(4) Der Aufschub ist zu widerrufen und die Freiheitsstrafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte [der Bestrafte] die gemeinnützigen Leistungen nicht oder nicht vollständig erbringt; bereits erbrachte Leistungen sind entsprechend zu berücksichtigen. Weist der Verurteilte [Bestrafte] nach, dass er an der vollständigen Erbringung der gemeinnützigen Leistungen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse gehindert war, so hat das Gericht [die Finanzstrafbehörde] den Aufschub für die notwendige und angemessene Dauer zu verlängern."

Im vorliegenden Fall vereinbarte der Bf. am mit dem Verein NEUSTART, entsprechend der Höhe der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen im Senioren-Stadthaus U 32 Stunden gemeinnützige Leistungen zu erbringen.
Da auf Grund des Ausbruchs von COVID-19 die Erbringung von gemeinnützigen Leistungen nicht möglich war, wurde mit dem Bf. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Juli 2020 im Vinzi-Markt U vereinbart.
Zum ersten Termin erschien der Bf. mit der Begründung nicht, er habe keine Zeit. Die zwei folgenden Termine hielt er ein und leistete 10 Stunden gemeinnützige Arbeit. Nach diesen 10 Stunden teilte er der Einrichtung mit, er wolle keine weitere Stunden gemeinnützige Arbeit erbringen.
Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde der Bf. auf eine noch verbleibende offene Forderung des Finanzamtes hingewiesen. Mit der Aussage gegenüber der gemeinnützigen Einrichtung, die der Bf. gegenüber dem Verein NEUSTART wiederholte, weitere Stunden nicht erbringen zu wollen, gab der Bf. deutlich zu erkennen, dass er die Bezahlung der Reststrafe bzw. den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe gegenüber der Erbringung gemeinnütziger Leistungen vorzieht.

Nach mehreren Zahlungserleichterungsansuchen, Terminverlusten und der Zahlung von 4 Raten zu 100 € stellte der Bf. weitere Bemühungen, die Geldstrafe zu entrichten, ein.

Trotz der Erlassung des Widerrufsbescheides vom , in dem der Bf. aufgefordert wurde, die restliche Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten, wurde der Bf. am von der Finanzstrafbehörde neuerlich zum Strafantritt aufgefordert, woraufhin der Bf. im Schriftsatz vom der Finanzstrafbehörde postwendend mitteilte, anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Dienste leisten zu wollen.
Gegenüber dem Verein NEUSTART verpflichtete sich der Bf. im Senioren-Stadthaus U 16 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten zu wollen.
Bereits im Erstgespräch am teilte der Bf. mit, "vor Mitte Jänner 2023" ohnehin keine Zeit für die Erbringung gemeinnütziger Leistungen zu haben. Da eine Ableistung im Senioren-Stadthaus U im fraglichen Zeitraum nicht möglich war, hätte der Bf. die Stunden bei einer anderen, von NEUSTART kontaktierten Einrichtung ohne Wartezeit ableisten können, was vom Bf. abgelehnt wurde.
Tatsächlich wurde diesem Wunsch des Bf. entsprochen und der Bf. erst nach den Feiertagen ans Senioren-Stadthaus U vermittelt.
Am erschien der Bf. erst nach telefonischer Aufforderung, am erschien er gar nicht zur vereinbarten Stundenableistung.
Die Vermittlungsbemühungen seitens NEUSTART wurden daraufhin eingestellt.

Der Bf. hat daher entgegen der getroffenen Vereinbarung zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von 16 Stunden lediglich 4 Stunden erbracht.

In der vorliegenden Beschwerde bringt der Bf. vor, er habe dem Hausmeister der sozialen Einrichtung mitgeteilt, er könne am nicht kommen, weil er einen Termin bei der BH U habe.

Die Mittteilung, an einem vereinbarten Termin nicht erscheinen zu können, kann nicht, wie auch für einen mit Behördenangelegenheiten nicht vertrauten Staatsbürger einsichtig ist, dem Hausmeister der sozialen Einrichtung mitgeteilt werden. Der Bf. hat von diesem Termin, der nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bereits vor dem festgestanden haben muss, weder die Leitung der Einrichtung noch den Verein NEUSTART noch die Finanzstrafbehörde informiert.
Dass eine diesbezügliche "Absprache" mit dem Vertragspartner, dem Verein NEUSTART, nicht erfolgte, ist bereits aus der Einstellung der Vermittlungsbemühungen des Vereins ersichtlich.


Auf Grund der mehrmaligen Bemühungen des Vereins, eine für den Bf. adäquate Arbeit in einem für ihn passenden Zeitraum zu suchen und der nochmaligen Vermittlung trotz bereits erfolgten Abbruchs konnte das Fernbleiben am seitens des Vereins nur dahingehend verstanden werden, dass der Bf. nicht gewillt war, die Vereinbarung zu erfüllen und ein paar Stunden Sozialarbeit zu leisten, obwohl dem Bf. die Folgen seines Handelns bereits aus dem ersten Abbruch bekannt waren.

Damit sind die Voraussetzungen zur Genehmigung und Bewilligung der Erbringung gemeinnütziger Leistungen nicht mehr gegeben, weshalb der im angefochtenen Bescheid erfolgte Widerruf des Aufschubs des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe seitens der Finanzstrafbehörde rechtmäßig ergangen ist.

Ob der Bf. laut eigenem Vorbringen haftunfähig ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und wird im weiteren Verfahren ebenso abzuklären sein wie die Höhe der noch aushaftenden Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 178 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2300003.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at