Zurückweisung des Vorlageantrages, weil die BVE keinen Hinweis nach § 101 Abs 3 und 4 BAO enthält
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Stb***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2020, beschlossen:
Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 260 Abs 1 lit a iVm § 264 Abs 4 lit e der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 idgF (BAO) als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Hinweis
Dieser Beschluss wirkt gegen alle an der Beschwerdeführerin beteiligten Personen, denen Einkünfte zugerechnet werden (§ 191 Abs 3 BAO). Mit der Zustellung dieses Beschlusses an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs 3 und 4 BAO).
Begründung
Die beschwerdeführende Partei ist eine Kommanditgesellschaft.
Im Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2020 vom wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -70.001,13 € festgestellt.
Dagegen wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft am das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.
Die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Entscheidung von enthält keinen Hinweis nach § 101 Abs 3 und 4 BAO.
Mit Schriftsatz vom stellte die steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde vom durch das Bundesfinanzgericht, den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie den Antrag auf Entscheidung durch den Senat.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Mit E-Mail vom wurde der Abgabenbehörde vom Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass die im Rahmen der Beschwerdevorlage dem Bundesfinanzgericht übermittelte Beschwerdevorentscheidung vom keinen Hinweis nach § 101 Abs 3 und 4 BAO aufweise. Die Abgabenbehörde wurde ersucht, mitzuteilen, ob die der beschwerdeführenden Gesellschaft zugestellte Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung ebenfalls keinen Hinweis nach § 101 Abs 3 und 4 BAO enthielte bzw ob der der beschwerdeführenden Gesellschaft zugestellte Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung etwa eine dem Bundesfinanzgericht nicht übermittelte bzw im Abgabeninformationssystem des Bundes nicht ersichtliche Beilage mit dem erwähnten Hinweis, angeschlossen gewesen sei.
Mit E-Mail vom teilte die Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht mit, dass die Ausfertigung, welche an die beschwerdeführende Gesellschaft zugestellt worden sei, keinen Hinweis gemäß § 101 Abs 3 und 4 BAO enthielte, keine Beilage mit erwähntem Hinweis angeschlossen gewesen sei und der Hinweis auf die Zustellfiktion fehle.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Kommanditgesellschaft).
Die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2020 vom enthält keinen Hinweis nach
§ 101 Abs3 und 4 BAO .
Das dargestellte Verwaltungsgeschehen ergibt sich aus den oben angeführten Schriftstücken, die sich in dem von der Abgabenbehörde elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt befinden, und der E-Mail der Abgabenbehörde vom .
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 264 Abs 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
Gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO ist § 260 Abs 1 BAO für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Gemäß § 264 Abs 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.
Beschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter sind als unzulässig zurückzuweisen (zB ; ).
Gemäß § 191 Abs 1 lit c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Nach § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide im Sinne des § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw nicht zugerechnet werden.
Erledigungen werden gemäß § 97 Abs 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind.
Damit ein Feststellungsbescheid die ihm nach § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO zukommende Wirkung entfalten kann, muss er den betreffenden Personen nach § 97 Abs 1 BAO zugestellt sein oder als zugestellt gelten.
Gemäß § 101 Abs 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs 1 lit a und c), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.
Nach , entfaltet ein an eine Personengesellschaft (Personenvereinigung) zugestellter Bescheid, der keinen Hinweis nach § 101 Abs 3 BAO enthält, in seinem Abspruch über die Feststellung (bzw das Unterbleiben einer Feststellung) von Einkünften nach § 188 im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit einer solchen Feststellung geprägte Wesen insgesamt keine Wirkung (ebenso ; ; ; , 0073; ).
Nach Tanzer (in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 101, 307) ist dem VwGH zu folgen, weil Zurechnungsadressaten gemeinschaftlicher Einkünfte bzw eines gemeinsamen Vermögens nur die Teilhaber (Mitunternehmer, Miteigentümer) sein können, niemals aber die von ihnen gebildete Vereinigung, durch die ertragsteuerrechtlich und zuordnungsmäßig durchgegriffen werden muss.
Im Hinblick darauf, dass im vorliegenden Feststellungsverfahren die als Beschwerdevor-entscheidung intendierte Erledigung an die beschwerdeführende Gesellschaft - einer Personenvereinigung ohne Rechtspersönlichkeit - ohne Hinweis nach § 101 Abs 3 und 4 BAO gerichtet ist, ist die Zustellwirkung im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO nicht eingetreten. Die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung konnte daher keine Rechtswirksamkeit erlangen.
Die "Beschwerdevorentscheidung" vom ist somit mangels Bescheidqualität nicht rechtswirksam erlassen worden, sie ist rechtlich nicht existent geworden.
Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrages ist, dass die Abgabenbehörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 264 Tz 6, und die dort zitierte Judikatur). Wurde ein Vorlageantrag eingebracht, obwohl keine Beschwerde-vorentscheidung zugestellt wurde, so ist er als unzulässig zurückzuweisen (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 264 Tz 17).
Da die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung der Abgabenbehörde vom nicht in Rechtskraft erwachsen ist, war der Vorlageantrag vom gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO iVm § 264 Abs 4 lit e BAO als unzulässig zurückzuweisen.
Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können die dem Verwaltungs-gericht gemäß § 269 BAO eingeräumten Rechte gemäß § 272 Abs 4 BAO zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegt auch zunächst die Erlassung von Zurückweisungen gemäß § 260 BAO.
Nach § 274 Abs 3 Z 1 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages ua auch dann von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist. Gleiches gilt nach Abs 5 leg cit auch in den Fällen, in denen die Entscheidung über die Beschwerde dem Einzelrichter obliegt.
Wenn eine Formalentscheidung - wie beispielsweise eine Zurückweisung - zu erfolgen hat, kann daher trotz Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung davon Abstand genommen werden. Ob in diesem Fall eine solche durchgeführt wird, liegt im Ermessen (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 274 Tz 12).
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO). Die Ermessensübung hat sich daher vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 8). Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 7).
Die mündliche Verhandlung dient vor allem dazu, den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären (vgl ).
Da - wie oben dargestellt - der Vorlageantrag gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO iVm § 264 Abs 4 lit e BAO als unzulässig zurückzuweisen ist, der dargestellte Verwaltungsgang bzw Sachverhalt im Verwaltungsakt klar dokumentiert ist und von der Abgabenbehörde per E-Mail bestätigt wurde, und die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung getroffen werden könnte, erscheint es zweckmäßig, von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen. Dies ist auch nicht unbillig gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft, weil ihr nach Erlassung einer rechtswirksamen Beschwerdevorentscheidung über ihre Beschwerde durch die Abgabenbehörde weiterhin die Möglichkeit einer Erörterung der Sache im Rahmen einer mündlichen Verhandlung offensteht.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf die oa. Judikatur stützen, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht gegeben und die Revision nicht zuzulassen war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 101 Abs. 3 und 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 81 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 269 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 272 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953 § 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 |
Schlagworte | Kommanditgesellschaft Feststellung von Einkünften Personenvereinigung Zustellwirkung Bescheidqualität Beschwerdevorentscheidung Rechtspersönlichkeit Bescheidcharakter Hinweis Ermessen Feststellungsbescheid Zustellfiktion Feststellungsverfahren Zurückweisung Ermessensentscheidung Zustellung Vorlageantrag |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101227.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at