Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.05.2023, RV/2100546/2016

Abgabenbescheid anstatt Feststellungsbescheid bei der Umsatzsteuerjahresveranlagung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***, über die Beschwerde vom gegen den zur Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheid des ***FA*** (jetzt Dienststelle des Finanzamtes Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2014 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im anhängigen Verfahren besteht zwischen den Verfahrensparteien Uneinigkeit darüber, ob der Beschwerde führenden Vermietungsgemeinschaft (Bf) der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten eines im Jahr 2014 errichteten Wohnhauses zusteht.

Das Finanzamt Österreich/Dienststelle X (FA) vertritt aufgrund des Ergebnisses einer durchgeführten Außenprüfung (AP) den Standpunkt, dass der Vermietung von zwei Kleinwohnungen in einem neu erbauten Bungalow keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des UStG 1994 zugrunde liegt, sondern tatsächlich die Wohnversorgung der beiden (erwachsenen) Kinder beabsichtigt war. Den zwischen den Eltern und den Kindern vereinbarten Mietverhältnissen versagt das FA vor allem wegen einer deutlich zu niedrigen Miethöhe die steuerliche Anerkennung.

Die Bf verweist auf einen "Tippfehler" bei der in den Mietverträgen ausgewiesenen Miethöhe, der umgehend nach seinem Entdecken behoben worden sei. Da seit dieser Berichtigung eine fremdübliche Miethöhe vorliege, seien die Mietverhältnisse mit den Kindern anzuerkennen und der Vorsteuerabzug zu gewähren.

Das Mietverhältnis mit der Tochter sei zudem bereits nach einem Jahr beendet und die Wohnung in der Folge fremdvermietet worden. Im Übrigen sei von vorne herein eine künftige touristische Vermietung der beiden Wohnungen als Teil eines Ferienparks ins Auge gefasst gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

I. Nach Auswertung der vorgelegten Verfahrensunterlagen und ergänzender finanzgerichtlicher Recherchen in den abgabenbehördlichen Datenbanken ergibt sich folgender Verfahrensverlauf, den das BFG der gegenständlichen Entscheidung als erwiesenen Sachverhalt zugrunde legt:

Am beantragten die Eheleute im Wege ihrer steuerlichen Vertretung beim FA die Vergabe einer Steuernummer (StNr) und Erteilung einer UID-Nummer für ihre im März 2014 gegründete Vermietungsgemeinschaft.

Dem Antrag angeschlossen waren ein Auszug aus einem Einreichplan für ein Wohnhaus mit zwei Wohneinheiten, zwei zugehörige Mietverträge mit den Kindern vom und eine Prognoserechnung für eine Vermietungstätigkeit ab .

Mit Wirkung ab teilte das FA dem neuen Steuersubjekt antragsgemäß eine Steuer- und UID-Nummer zu.

Am langte auf elektron. Weg zur neuen StNr eine Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) für das 2.Quartal 2014 ein, die (ausschließlich) Vorsteuern in Höhe von 21.142,- € enthielt.
Das FA nahm von einer Verbuchung dieser UVA auf dem Abgabenkonto der Bf Abstand und veranlasste stattdessen eine Überprüfung des Vorsteueranspruchs. Eine nachfolgende Verbuchung der UVA auf dem Abgabenkonto erfolgte nicht.
Nachdem am und UVA für das 3. und 4. Quartal 2014 neuerlich mit Vorsteuerüberhängen von insgesamt 8.531,- € eingereicht und nunmehr auch auf dem Abgabenkonto der Bf verbucht worden waren, veranlasste das FA Anfang Mai 2015 eine Außenprüfung gem. § 147 BAO zur Überprüfung der Umsatzsteuer 4 - 12/2014.

Am fand die Schlussbesprechung (SB) im AP-Verfahren statt.
In der zugehörigen Niederschrift (NS) hielt das FA fest, dass wegen Nichtangemessenheit der Mietentgelte im Fremdvergleich, in wirtschaftlicher Betrachtungsweise von privat veranlassten Verträgen zwischen nahen Angehörigen auszugehen sei.

Am ergingen, unter Verweis auf die in der SB-Niederschrift vom bzw. in einem AP-Bericht vom getroffenen Feststellungen, drei Bescheide über die Nichtfestsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen (UVZ) für das 2. - 4. Quartal 2014.

Eine Beschwerde gegen die drei Nichtfestsetzungsbescheide wies das FA mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) als unbegründet ab.
Nach einem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag (§ 264 BAO) der Bf, legte das FA das Rechtsmittel dem BFG zur Entscheidung vor.

Zwei Wochen später reichte die Bf die Umsatzsteuerjahreserklärung 2014 beim FA ein, in der sie Umsätze von 2.062,98 € erklärte (10% USt-Satz) und einen Vorsteuerabzug von 29.853,04 € geltend machte.

Am erließ das FA folgenden händischen Bescheid:
"Bescheid
Die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 wird nicht veranlagt.

Begründung:
Die Nicht-Veranlagung zur Umsatzsteuer 2014 erfolgt auf Grund der Feststellung und dem Ergebnis des abgabenbehördlichen Außenprüfungsverfahrens. Es liegt keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 des UStG 1994 vor.
Auf die Niederschrift vom über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO anlässlich der Außenprüfung sowie den Bericht vom über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO wird vollinhaltlich verwiesen."

Die Bf erhob auch gegen den Bescheid vom (auf dem Abgabenkonto verbucht am ) Beschwerde und beantragte die Festsetzung der Abgaben gemäß ihrer eingereichten USt-Erklärung 2014.

Das FA reichte dem BFG die am eingebrachte Beschwerde der Bf, unter Anschluss des angefochtenen Bescheides vom , ohne weitere Maßnahmen als ergänzenden Schriftsatz zum UVZ-Rechtsmittel nach.

II. Bescheide sind individuelle, hoheitliche, im Außenverhältnis ergehende und normative (rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende) Verwaltungsakte (Ritz, BAO Kommentar7§ 92 Tz1).

§ 92 Abs 1 BAO verpflichtet die Abgabenbehörde Erledigungen "als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen
a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen
."

Nach § 93 Abs 2 BAO ist jeder schriftliche Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen. Er hat einen Spruch zu enthalten und die Person (Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Wird dem zu Grunde liegenden Anbringen nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder ergeht ein Bescheid von Amts wegen, hat er eine Begründung und jedenfalls eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten (§ 93 Abs 2 und Abs 3 BAO).

In verschiedenen Normen der BAO finden sich zusätzliche Bestimmungen für einzelne Bescheidtypen.
§ 198 BAO regelt die Festsetzung von Abgaben und lautet:
"(1) Soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.
(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit."

§ 21 Abs 4 UStG 1994 lautet auszugsweise:
"Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt."

Ist die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich, so hat nach der VwGH-Judikatur infolge des Grundsatzes der Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden kein Feststellungsbescheid zu ergehen. Mangels gegenteiliger Anordnung besteht für Abgabepflichtige Anspruch auf einen Abgabenbescheid jedenfalls dann, wenn über die Richtigkeit einer Selbstbemessung Meinungsverschiedenheiten bestehen (vgl. ; ; ).

Während Umsatzsteuer-Veranlagungsbescheide nach § 21 Abs 4 UStG 1994 Abgabenbescheide iSd § 198 Abs 1 BAO sind, gehören Nichtveranlagungsbescheide zu den Feststellungsbescheiden nach § 92 BAO (vgl. Ritz aaO, § 198 Rz 5 und § 92 Rz 13 mit Verweis auf ; ; ).

Nach § 253 BAO gilt eine gegen einen UVZ-Bescheid eingebrachte Beschwerde als auch gegen den nachfolgenden Jahresbescheid eingebracht. Der Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für bestimmte Kalendermonate wird durch die Erlassung des Umsatzsteuerjahresbescheides, der den gleichen Zeitraum (mit-)umfasst, ipso iure außer Kraft gesetzt. Für den Übergang einer Entscheidungspflicht auf das BFG bedarf es im Rechtmittelverfahren gegen einen solchen Jahresbescheid keiner (weiteren) BVE (; ; ; uva.).

III. Aus der festgestellten Sach- und der dargestellten Rechtslage resultiert für das anhängige Verfahren, dass die Bf - aufgrund der Einreichung einer Umsatzsteuererklärung mit ausgewiesenen Umsätzen und Vorsteuern - Anspruch auf eine Umsatzsteuerveranlagung 2014 mittels Abgabenbescheid hatte.
Diesem Anspruch wurde mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom nicht entsprochen.
Unzweifelhaft war nach dem normativen Willen des FA eine "Nicht-Veranlagung" der Umsatzsteuer 2014 Gegenstand dieses Bescheides. Unzweifelhaft fehlen im Spruch dieses Bescheides die von den erklärten Umsätzen und Vorsteuern abweichenden Bemessungsgrundlagen und die zugehörige Festsetzung der Umsatzsteuer 2014 (nach dem Rechtsstandpunkt des FA jeweils 0,00 €).

Damit mangelt es dem verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid gemäß § 198 Abs. 2 BAO an zwingenden Inhaltserfordernissen für einen Abgabenbescheid.

Da dem BFG eine erstmalige Abgabenfestsetzung mit Abgabenbescheid nicht obliegt, war der an die Bf ergangene Nichtveranlagungsbescheid zur Umsatzsteuer 2014 vom aus dem Rechtsbestand zu entfernen.

Eine Entscheidung durch den Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte infolge Zurücknahme des Antrages im finanzgerichtlichen Verfahren entfallen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im anhängigen Verfahren lagen die genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor. Soweit nicht Sachverhaltsfragen maßgeblich waren, folgt die Entscheidung dem klaren Wortlaut der verwendeten gesetzlichen Bestimmungen sowie der angeführten VwGH-Judikatur.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 198 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100546.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at