Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 06.06.2023, RV/7103454/2022

Vorliegen eines Vorsatzes bei Veruntreuung von Firmengeldern durch einen leitenden Angestellten

Beachte

Revision eingebracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Susanne Haim, den richterlichen Beisitzer Mag. Günter Narat, die fachkundige Laienrichterin Mag.a Andrea Prozek und den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Heumesser im Beisein der Schriftführerin Daniela Peter über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Steuernummer: ***BF1StNr1***, vertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG, Färbergasse 3, 3150 Wilhelmsburg, gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 - 2014 sowie betreffend Einkommensteuer 2011 - 2015 nach der am über Antrag der Partei (§ 274 Abs 1 Z 1 BAO) in Linz abgehaltenen öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I)
Die Beschwerde betreffend die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 - 2014 sowie betreffend Einkommensteuer 2011 - 2015 wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach einer beim Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) durchgeführten Außenprüfung wurden von der belangten Behörde die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2011 - 2014 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide betreffend Einkommensteuer 2011 - 2014 erlassen. Weiters wurde ein Bescheid betreffend Einkommensteuer 2015 erlassen. Der BF habe als leitender Mitarbeiter der Fa. E GmbH, zu dessen Aufgaben ua. die Prüfung und Freigabe von Eingangsrechnungen für von ihm betreute Projekte gezählt habe, Scheinrechnungen zur Zahlung freigegeben und so im Zeitraum 2009 bis 2019 insgesamt mehr als € 1,965 Mio veruntreut und es unterlassen, die daraus resultierenden Einkünfte in seinen Abgabenerklärungen offenzulegen.

Mit Schreiben vom wurde vom BF eine Beschwerde gegen die angeführten Bescheide eingebracht. In der Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass seitens der belangten Behörde nicht dargelegt worden sei, auf Basis welcher Sachverhalte und Ermittlungen die erforderliche Schuldform vorliege. Der BF habe durch überhöhte Rechnungen unter Mitwirken von Herrn K die Fa. E GmbH geschädigt und sich dadurch bereichert. Die Fa. E GmbH habe am mit dem BF einen Vergleich zur Schadenswiedergutmachung geschlossen. Unbestritten seien der Sachverhalt der Untreue sowie die Bemessungsgrundlagen der einzelnen Jahre. Weiter werde nicht bestritten, dass veruntreute Gelder im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Lohnsteuerabzug und die Rückzahlungen erst im Zeitpunkt der Rückzahlungen Werbungskosten darstellen würden.

Strittig sei die Beurteilung, ob im gegenständlichen Fall Vorsatz vorliege. Die Ausführungen, dass der BF den Unterschied zwischen Netto und Brutto kenne und hier nur die Einkommensteuer anführe, nicht aber die Sozialversicherungsbeiträge, seien nicht geeignet den Vorsatz darzulegen. Die Durchführung eines Jahresausgleiches sei auch kein Beweis für steuerliche Kenntnisse, denn der Jahresausgleich sollte so verständlich sein, dass dies der einfachste Bürger ohne Kenntnis durchführen könne, wie es auch der Gesetzgeber gewollt habe. Der BF sei nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, dass bei Beträgen aus Unterschlagung oder Betrug, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses begangen würden, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen würden. Dies deshalb, da er keine besonderen steuerlichen Kenntnisse habe. Von einem durchschnittlichen Bürger ohne steuerrechtliche Kenntnisse, wie dem BF, sei nicht zu erwarten, dass er erkennen müsste, dass es sich bei seinen unrechtmäßig erwirtschafteten Geldern um steuerpflichtiges Einkommen handle. Es entziehe sich auch jeder Vorstellungkraft, dass ein Dienstnehmer, der eine kriminelle Handlung begehe, sich auch nur eine Sekunde mit dem Gedanken beschäftige, ob die Beträge Einkünfte sein könnten. Wenn kein Gedanke daran verschwendet werde, könne auch kein Wille und Wissen vorliegen. Auch dass der BF die Verwirklichung der Steuerhinterziehung ernsthaft für möglich gehalten und sich damit abgefunden habe, könne damit ausgeschlossen werden. Es liege daher kein Vorsatz vor und trete die fünfjährige Verjährungsfrist ein. Die Abgabenhinterziehung liege nicht bereits bei einer objektiven Abgabenverkürzung vor, sondern es sei Vorsatz als Schuldform erforderlich.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Bei der Abgabenhinterziehung gem. § 33 Abs 1 FinStrG genüge bedingter Vorsatz, wonach der Täter die Tat zumindest ernstlich für möglich halte und sich damit abfinde. Die geforderte Begründung des erforderlichen bedingten Tatvorsatzes ergebe sich nicht nur aus dem im BP-Bericht vom dargelegten Geschehensablauf (aus dem eine rege, wenn auch malversive Vertrautheit mit dem Wirtschaftssystem hervorgehe), sondern überdies zusätzlich aus der mit dem BF am im Beisein des rechtsfreundlichen Vertreters abgehaltenen Beschuldigteneinvernahme. Aus dieser Einvernahme gehe hervor, dass dem BF klar sei, dass eine Eingangsrechnung den Gewinn vermindere, und dem BF auch die Korrelation zwischen Gewinn und Steuern bewusst gewesen sei. Auch für "normal sterbliche Bürger mit keinen Kenntnissen im Steuerrecht" gelte der Grundsatz als bekannt, dass Einkünfte mit Steuern einhergehen würden. In der eingebrachten Selbstanzeige vom seien die Bemessungsgrundlagen für den gesamten Zeitraum von 2009 bis 2019 offengelegt und ausgeführt worden, dass unter Berücksichtigung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sich ein Grenzsteuersatz von 50 % ergebe. Diese getätigte Darstellung ergebe nur dann Sinn, wenn eben vorsätzliches Handeln gegeben sei. Die Selbstanzeige müsse als erste Aussage des BF gewertet werden, die die Vermutung für sich habe, dass sie der Wahrheit am nächsten komme. Dass die bei der Abgabe der Selbstanzeige anwesenden Rechtsvertreter laut Aktenvermerk vom davon ausgegangen seien, dass ein vorsätzliches Finanzvergehen nicht vorgelegen habe und rein aus Gründen der Vorsicht dem BF eine Selbstanzeige nach den steuerlichen Bestimmungen nahegelegt worden sei, widerspreche dem Wesen der Selbstanzeige. Darüber hinaus habe der steuerliche Vertreter des BF selbst darauf hingewiesen, dass aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht ausgeschlossen werden könne, dass die vom BF vereinnahmten Beträge zu versteuern seien und vorerst davon ausgegangen werde, dass eine Besteuerungspflicht bestehen würde und weiters, dass vor diesem Hintergrund bei Beurteilung der Leistungsfähigkeit des BF für Rückzahlungen dem Umstand Rechnung getragen werde, dass dieser die hinterzogenen Beträge zu versteuern haben werde, wenngleich ihm jedenfalls die Möglichkeit zukommen werde, die zurückgezahlten Beträge in Hinkunft gewinnmindernd in Anschlag zu bringen. Ganz klar ersichtlich sei die konzertierte Vorgangsweise aller an den Untreuehandlungen Beteiligten und den Vertretern der geschädigten Fa. E GmbH, die darauf hinauslaufe, größtmögliche Schadenswiedergutmachung im Betrieb durch den BF - inklusive jener Beträge, die bei K hängig blieben - zu erreichen und entsprechende Rückzahlungen an Einkommensteuer dem zuwider laufen würden.

Mit Schreiben vom wurde vom BF ein Vorlageantrag bei der belangten Behörde eingebracht. Im Zuge dessen wurde vom BF ergänzend vorgebracht, dass die Ausführungen, wonach die Selbstanzeige ein Schuldeingeständnis sei, ins Leere führen würden, da der BF im Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits rechtlich als auch steuerrechtlich vertreten gewesen sei und jeder Vertreter zur Vorsicht zu mahnen zu habe und somit die Selbstanzeige empfohlen werde, um auch Beraterhaftungen zu vermeiden. Es sei auch anzunehmen, dass ein Betrüger oder Dieb sich mit der Vertuschung seiner Tat beschäftigen und nicht mit dem Steuerrecht auseinandersetzen würden. Somit werde ein Betrüger oder Dieb nicht vorsätzlich Steuern hinterziehen und nie einen Gedanken daran verschwenden, dass diese Vorteile Einkünfte darstellen könnten. Ein Betrüger oder Dieb habe auch Unrechtsempfinden, dass es nicht sein Eigentum darstelle und er bei einer Aufdeckung seiner Tat dies wieder zurückzahlen müsse.

Am wurde die Beschwerde von der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der BF darauf hingewiesen, dass sein steuerlicher Vertreter, die Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG, am im Wege von FinanzOnline ihre Bevollmächtigung gegenüber der belangten Behörde bekannt gegeben habe (damit habe sie sich auf die erteilte Vollmacht berufen). Erst nach Ergehen der angefochtenen Bescheide am sei von der Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG am über FinanzOnline die Funktion "Zustellungsbevollmächtigter" gesetzt worden. Der BF wurde aufgefordert, die von ihm an die Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG erteilte(n) Vollmacht(en) im Original vorzulegen. Weiters wurde der BF um Mitteilung ersucht, auf welche Weise die Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG vom Inhalt der angefochtenen Bescheide Kenntnis erlangt habe. Insbesondere wurde um Bekanntgabe ersucht, ob eine Weiterleitung der Originale der angefochtenen Bescheide an die Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG erfolgt sei.

Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom wurde die vom BF an die Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG erteilte Vollmacht vorgelegt. Mit ergänzendem Schreiben vom teilte die Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG mit, dass der BF die angefochtenen Bescheide im Original an seinen steuerlichen Vertreter übergeben habe.

Mit weiterem Schreiben des steuerlichen Vertreters vom wurden der Lebenslauf des BF und eine Auflistung der vom BF während seines Dienstverhältnisses bei der Fa. E GmbH absolvierten, beruflichen Fortbildungen nachgereicht.

Am fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht in Linz statt. Ergänzend wurde seitens des steuerlichen Vertreters vorgebracht, dass heute über die Verjährungsfrist gesprochen werde. Es sei zwar kein Finanzstrafverfahren erforderlich um einen Vorsatz festzustellen, aber es gebe eine sehr unterschiedliche Vorgehensweise. Unter Einkünften verstehe man normalerweise Geld aus Arbeit oder Kapitalvermögen, nicht Erträge aus Veruntreuung. Für viele Leute sei daher in diesem Zusammenhang keine Steuerpflicht erkennbar. Insbesondere sei auch kein Verschulden und kein Vorsatz erkennbar. Es liege im beschwerdegegenständlichen Fall nur die objektive Abgabenverkürzung vor, nicht aber die Schuldform. Es sei nicht klar, wo das Verschulden liege. Auch eine Richterin habe beispielsweise ausgeführt, sie wäre bei solchen Sachverhalten nicht vom Vorliegen von Einkünften ausgegangen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Der BF war im Beschwerdezeitraum bei der Fa. E GmbH als Gruppenleiter im Bereich öffentliche Gebäude tätig. In seiner Tätigkeit als Gruppenleiter trug der BF die Personalverantwortung (gemeint Einteilung des Personals in der Gruppe), war für die Kundenbetreuung zuständig, hat zur Entlastung der Projektleiter Kalkulationen erstellt und hatte die Berechtigung, Angebote bis zu einer Höhe von € 250.000,00 selbst zu unterzeichnen. Zu den Aufgaben des BF zählte ua. die Prüfung und Freigabe von Eingangsrechnungen für von ihm betreute Projekte.

Von Herrn K wurden Scheinrechnungen an die Fa. E GmbH erstellt und an diese übermittelt, welche anschließend vom BF freigegeben und von der Fa. E GmbH verbucht wurden. Auf diese Art und Weise wurden vom BF und K im Zeitraum 2009 bis 2019 insgesamt mehr als € 1,965 Mio veruntreut.

Die aufgrund der Scheinrechnungen vom BF und K erzielten Einnahmen wurden zwischen dem BF und K im Verhältnis 70 % (BF) und 30 % (K) aufgeteilt.

Der BF hat es unterlassen, die daraus resultierenden Einkünfte in seinen Abgabenerklärungen offenzulegen. Er hat es ernstlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass dadurch die Einkommenssteuer in den hier relevanten Jahren 2011 bis 2015 verkürzt wird.

Durch eine Geldwäscheverdachtsmeldung und Ermittlungen der Steuerfahndung wurde dies der Fa. E GmbH bekannt. Es wurden daraufhin Ermittlungen innerhalb der Firma durchgeführt. Unter Beiziehen eines Rechtsvertreters wurde die Angelegenheit erörtert und mit dem BF eine Regelung zur Schadensgutmachung geschlossen (Vergleich vom ).

Am wurde vom rechtlichen Vertreter des BF eine Selbstanzeige an die belangte Behörde übergeben. Im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige waren von der belangten Behörde noch keine konkreten und nach außen wirkenden Ermittlungsschritte betreffend den BF gesetzt worden.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen:

Der festgestellte Sachverhalt ist bis auf die Frage, ob es der BF vorsätzlich unterlassen hat, die veruntreuten Gelder bzw die daraus resultierenden Einkünfte in seinen Abgabenerklärungen offenzulegen, als solcher unstrittig. Auch die von der belangten Behörde in den einzelnen Jahren angesetzten Bemessungsgrundlagen sind unbestritten bzw. ergeben sich diese aus der vom BF eingereichten Selbstanzeige.

Die Feststellung, dass der BF es durch die Nichtoffenlegung der aus den Veruntreuungshandlungen erzielten Einkünfte ernstlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass dadurch seine Einkommensteuer in den hier relevanten Jahren 2011 bis 2015 verkürzt wurde, gründet sich auf nachfolgende Umstände:

Der BF und K haben gemeinsam über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren durch die geschilderte Vorgangsweise - Erstellung von Scheinrechnungen durch K an die Fa. E GmbH und anschließende Freigabe der Scheinrechnungen durch den BF - die Fa. E GmbH um einen Betrag von ca. € 1,965 Mio geschädigt, wobei die veruntreuten Gelder im Verhältnis von 70 % für den BF und 30 % für K aufgeteilt wurden.

Bei einer Veruntreuung von Geldern in derart hohem Ausmaß und über einen derart langen Zeitraum muss dem BF bewusst gewesen sein, dass die Vereinnahmung von Beträgen in dieser Größenordnung auch entsprechende steuerliche Konsequenzen für ihn haben wird, wenn ihm auch vielleicht nicht bewusst gewesen sein mag, welcher Einkunftsart die erzielten Einkünfte zuzuordnen sind. Selbst einem steuerlichen Laien ist klar, dass die Vereinnahmung von Geldern dieser Größenordnung nicht ohne entsprechende steuerliche Auswirkungen bleiben kann. Umso mehr muss dies für einen leitenden Angestellten einer Firma wie der Fa. E GmbH gelten, da bei einem leitenden Angestellten nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass es zu seinem allgemeinen Wissen gehört, dass fortlaufenden Einnahmen auch zu entsprechenden steuerlichen Konsequenzen führen, sprich zu versteuern sind.

Aus dem Verhältnis der Aufteilung der veruntreuten Gelder zwischen dem BF (70 %) und K (30 %) ist zudem zu schließen, dass der BF der maßgebliche Betreiber der Veruntreuungen war, da der überwiegende Teil der Gelder ihm zugeflossen ist. Die Handlungen des BF waren zweifelsfrei darauf gerichtet, sich fortlaufend zusätzliche Einnahmen in erheblicher Höhe zu verschaffen und es muss dem BF damit auch bewusst gewesen sein, dass diese Einnahmen steuerliche Relevanz haben.

Vor diesem Hintergrund kommt das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass der BF es ernstlich für möglich gehalten hat, d.h. es naheliegend für den BF war, dass die ihm zugeflossenen, veruntreuten Gelder entsprechend zu versteuern sind, und er dies auch in Kauf genommen hat. Das Vorbringen des BF, von einem durchschnittlichen Bürger ohne steuerrechtliche Kenntnisse, wie dem BF, sei nicht zu erwarten gewesen, dass er erkennen müsste, dass es sich bei seinen unrechtmäßig erwirtschafteten Geldern um steuerpflichtiges Einkommen handle, stellt für das Bundesfinanzgericht eine reine Schutzbehauptung dar.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs 1 BAO).

Einzig strittiger Punkt ist im gegenständlichen Fall, ob der BF vorsätzlich gehandelt hat (Anwendbarkeitsvoraussetzung für die 10 jährige Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 BAO).

Nach § 207 Abs 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 207 Abs 2 BAO - abgesehen von den dort angeführten, im Beschwerdefall nicht maßgeblichen Ausnahmen - fünf Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.

Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine Vorfrage nach § 116 Abs 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist. Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen (zB ; , 0084; ; bis 0078; ). Nicht erforderlich ist daher für die Annahme der zehn Jahre betragenden Verjährungsfrist ein rechtskräftiger Schuldausspruch im Finanzstrafverfahren (; , 96/17/0453; , 99/16/0110) oder die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens (; , 89/14/0149; , 98/16/0391; , 2002/14/0154).

Die Beurteilung der Vorfrage hat in der Begründung des Bescheides (bzw. Beschlusses oder Erkenntnisses) zu erfolgen. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus (zB ; , 2007/15/0292; , 2009/16/0032), und zwar auch dann, wenn im Verwaltungsverfahren noch keine Verjährungseinrede erhoben wurde. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (; , 99/13/0036). Die längere Verjährungsfrist betrifft nur den vorsätzlich verkürzten Teil (arg "soweit").

Nach § 33 Abs 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Eine Abgabenhinterziehung liegt nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vor, sondern erfordert Vorsatz als Schuldform. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl , mwN).

Gem. § 8 Abs 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Der bedingte Vorsatz liegt nur dann vor, wenn der Täter die Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der Täter muss also einerseits den Eintritt des verpönten Erfolges als naheliegend ansehen (vgl. hiezu auch RIS-Justiz RS0088985) und anderseits bereit sein, diesen Erfolgseintritt in Kauf zu nehmen (vgl. ). Davon spricht man, wenn der Täter intellektuell erkannt hat, dass sein Verhalten zu einer Steuerverkürzung führen kann und er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33 Rz 216 und die dort zitierte OGH- bzw VwGH-Rechtsprechung).

Aufgrund des oben unter Punkt 1 festgestellten Sachverhaltes kann sowohl von einer Erfüllung des objektiven als auch des subjektiven Tatbildes des § 33 Abs 1 FinStrG durch den BF ausgegangen werden. Das vom BF vorgebrachte Argument der Unkenntnis über die Rechtslage überzeugt nicht. In Anbetracht der über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahre mit Schädigungsvorsatz ausgeführten kriminellen Handlungen und der Höhe der veruntreuten Gelder geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der BF die Abgabenverkürzungen ernstlich für möglich gehalten und sich damit auch abgefunden hat.

Das Recht, die Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2015 festzusetzen, war daher gem. § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO noch nicht verjährt.

Gem. § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen unter anderem wiederaufgenommen werden, "wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind" und "die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen wird vom BF nicht bestritten bzw ergeben sich diese zweifelsfrei aus dem festgestellten Sachverhalt.

Gem. § 25 Abs 1 Z 1 lit. a EStG 1988 gehören Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Bei diesen Einkünften ist es unmaßgeblich, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob sie dem zunächst Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen (§ 25 Abs 2 EStG 1988).

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen in der Regel dem Lohnsteuerabzug. Nur Ausnahmsweise werden sie im Wege der Veranlagung erfasst. Dies ist der Fall, wenn sich Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Vermögen gegen den Willen des Dienstgebers verschaffen, beispielsweise bei veruntreuten Geldern, Bestechungsgeldern oder Warendiebstählen (; ; ; ; ).

Veruntreute Gelder gehören als Vorteile aus einem Dienstverhältnis gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Das Dienstverhältnis muss nur die Grundlage für die Möglichkeit der Zueignung der veruntreuten Gelder darstellen (; ).

Der BF hat nach dem festgestellten Sachverhalt in den beschwerdegegenständlichen Jahren Firmengelder seines Arbeitgebers veruntreut. Die Einkünfte wurden von der belangten Behörde entsprechend der angeführten Judikatur als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der hg einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw stellt die Frage des Vorliegens eines Vorsatzes eine (auf Sachverhaltsebene zu lösende) Tatfrage dar, weshalb gem. § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 25a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103454.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at