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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.05.2023, RV/2100768/2022

Keine Forschungsprämie für Patentanmeldung

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/15/0021.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2100768/2022-RS1
Mit der Patentierung von Forschungsergebnissen wird die Möglichkeit geschaffen, die Forschungsergebnisse zu verwerten. Diese Leistungen beziehen sich daher nicht auf die Forschung, sondern auf die wirtschaftliche Nutzung der Forschungsergebnisse und sind nicht prämienbegünstigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***Ri***, den Richter ***Ri1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LR1*** und ***LR2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Steiermark GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Schubertstraße 62, 8010 Graz,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Forschungsprämie 2017 und Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden wie in der Beschwerdevorentscheidung abgeändert:
Die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie 2017 wird in Höhe von ***13*** Euro festgestellt.
Die Forschungsprämie 2017 wird mit ***3*** Euro festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1*** (im Folgenden: Bf.) entwickelt laut Angaben auf ihrer hompage (www) verschiedene Technologien.

Für das Streitjahr 2017 hat die Bf. eine Forschungsprämie iHv ***1*** Euro beantragt, die ihr zunächst in voller Höhe gutgeschrieben wurde.

Im Jahr 2019 fand eine Außenprüfung statt. Als Folge dieser Außenprüfung legte das Finanzamt mit Feststellungsbescheid gemäß § 108c Abs. 9 EStG 1988 der Forschungsprämie die Bemessungsgrundlage in Höhe von ***12*** Euro zugrunde und setzte die Forschungsprämie mit Bescheid vom iHv ***2*** Euro fest. Begründend heißt es im Außenprüfungsbericht, dass die ausschließliche Forschungstätigkeit des Forschungspersonals, der Ansatz der Gemeinkosten sowie die Höhe der Patentaufwendungen nach Ansicht des Finanzamtes nicht zur Gänze der Forschung dienten.

In der dagegen innerhalb verlängerter Frist eingebrachten Beschwerde vom wurden die Forschungsaufwendungen ausführlich dargelegt und ergänzt.

Auf einen Vorhalt des Finanzamtes hin erklärte der steuerliche Vertreter zu den Patentaufwendungen:

"Bei den aktivierten Patentkosten handelt es sich um Erfindungen, die im Rahmen von Forschungskooperationen mit der TU Wien entstanden sind. Die Erfindungen wurden entgeltlich erworben und deshalb aktiviert. (…)

[...]

In der teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Bemessungsgrundlage mit ***13*** Euro festgestellt und die Forschungsprämie 2017 in der Höhe von ***3*** Euro festgesetzt.

Die Richtigkeit der im Rahmen der BVE festgestellten Bemessungsgrundlage wird mit Ausnahme des Streitpunktes von der Bf. und vom Finanzamt ausdrücklich außer Streit gestellt.

Zu den Patentaufwendungen führt das Finanzamt aus: "Förderbar sind laufende Patentarbeiten, bevor das Projekt patentreif ist. Darunter fallen beispielsweise Recherchearbeiten. Die technische Seite der geplanten Entwicklung muss recherchiert werden, bevor überhaupt die Zielrichtung der Lösung feststeht, weil man kann nicht FM betreiben und dann erst später feststellen, dass wer anderer Schutzrechte hat. "

Im Vorlageantrag vom wird beantragt, Patentanmeldekosten iHv insgesamt ***4*** Euro in die Bemessungsgrundlage zur Forschungsprämie einzubeziehen. Die Summe setzt sich wie folgt zusammen:
Aktivierte Patente ***4a*** Euro
Direkte Patente ***4b*** Euro
Jahresgebühren bestehende Patente ***4c*** Euro

Begründend wird dazu auszugsweise angeführt:

"Patentarbeiten erfolgen zeitlich immer nach der Erfindung und in der FPr-VO wird auch lediglich ein Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten gefordert. Das bedeutet wiederum, dass keine Erfindung ohne Bezug zu F&E, wie zB im Rahmen der Produktion, vorliegen darf.

Eine Erfindung muss mit dem Einreichen der Anmeldung gemäß § 87a Abs 1 PatG komplett offenbart werden: "Die Erfindung ist in der Patentanmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass sie ein Fachmann ausführen kann." Die Erfindung muss daher vor der Anmeldung zur Gänze vorliegen. Die diesbezüglichen administrativen und juristischen Arbeiten können zeitlich erst nach Abschluss der erfindungsrelevanten Forschungsarbeiten beginnen. Der Gesetzgeber intendiert den Ansatz nachgelagerter Patentarbeiten als Teil der Forschungsarbeiten insbesondere durch explizite Aufnahme in der Verordnung.

Sobald eine Erfindung feststeht, werden auf Basis einer Erfindungsbeschreibung (anhand von konkreten Beispielen) folgende Patentarbeiten durchgeführt:

1) Ausarbeitung des Patententwurfs und darauffolgend das Verfahren der Patentanmeldungen durch einen Patentanwalt. Der Entwurf wird laufend abgeändert. Die Änderungen erfolgen im Zusammenhang mit nationalen Anmeldungen, Entgegenhaltungen, Übersetzungen in andere Sprachen, und befassen sich auch mit der späteren Ausarbeitung von Teilanmeldungen.

Je nach Anmeldung und Land, in dem die Anmeldung durchgeführt werden soll, können sich diese Verfahren auch über Jahre hinweg ziehen. Der Zusammenhang mit den konkreten F&E-Projekten, wie er auch in Anhang I, Teil B Z 9 der FPr-VO gefordert wird, ist daher auch bei Kosten, die erst Jahre nach Abschluss der Erfindung entstehen, ausnahmslos gegeben.

2) Patentarbeiten im Zusammenhang mit der Erhaltung der Patente: Nachdem ein Patent erteilt wurde, müssend laufend administrative und juristische Arbeiten durchgeführt werden mit dem Ziel, die Patente aufrecht zu erhalten.

Daraus ergibt sich zwingend, dass nur jene Tätigkeiten, die unter 1) und 2) fallen, diese administrativen und juristischen Tätigkeiten sein können, die der Gesetzgeber in der FPr-VO mit einbeziehen wollte. Eine andere Auslegung wäre sinnwidrig. (…)

Diese Begründung für die Anwendbarkeit des Frascati Manual ist wiederum nicht schlüssig. "Unterschiedliche Begrifflichkeiten" müssen einander in diesem Fall ausschließen. Wie bereits oben ausgeführt, sind Patentanmeldungen ein elementarer Teil der Patentarbeiten. Dass das Frascati Manual Patentanmeldungen von der F&E ausschließt, aber die FPr-VO die Einbeziehung der juristischen und administrativen Arbeiten im Zusammenhang mit Patenten bejaht, ist ein klarer Widerspruch. Die belangte Behörde greift mit ihrer Interpretation den Intentionen des Gesetzgebers vor und erweitert diese ungebührlich. Der zur Bedingung erhobenen Feststellung, wonach "man nicht F&E betreiben und dann erst später feststellen kann, dass wer anderer Schutzrechte hat" ist insbesondere aus praktischen Gesichtspunkten entschieden entgegenzutreten.

Aufgrund der widersprüchlichen Formulierungen geht die FPr-VO als Rechtsvorschrift vor und kommt in diesem Zusammenhang das Frascati Manual nicht zur Anwendung."

Auf einen Vorhalt des BFG hin wurden die Rechnungen der Patentanwälte vorgelegt. Darin werden hauptsächlich für Patentanmeldungen in verschiedensten Ländern Kanzleipauschalen, anteilige Vertreterkosten und Gebühren (Jahresgebühren) verrechnet. Die einzelnen Rechnungen weisen Beträge zwischen 200 Euro und 6.000 Euro aus, eine Rechnung über 11.000 Euro.

Welchen genauen Zusammenhang die Patentarbeiten mit der Forschungstätigkeit der Bf. haben, wurde trotz dreimaligen Nachfragens nicht beantwortet. Auf die Mutmaßung des BFG hin, die Kanzlei habe die Ergebnisse der Forschungstätigkeit der Bf. weltweit zum Patent angemeldet, erklärte der Geschäftsführer schließlich:

"Die Patentanwaltskanzlei führte für die ***Bf1*** die internationalen Anmeldungen durch, aber eben auch viele andere Patentarbeiten, die zu den Patentarbeiten gehören, wie beispielsweise das Abfassen von Patentanmeldungen, die Erstellung von Antworten auf Prüfungsbescheiden, das Studium der von den Patentämtern ausgestellten internationalen Prüfbescheide, die Stellungnahme und Beantwortung von Prüfungsbescheiden, die von den internationalen Patentämtern herausgegeben wurden, die Überwachung sämtlicher Fristen zur Aufrechterhaltung von Patentanmeldungen und Patenten, sowohl auf nationaler, regionaler (Ö + EP) als auch internationaler Ebene, usw. "

Im Vorlagebericht ergänzte das Finanzamt, dass teilweise 50% der Kosten für die Patentanmeldung (zB Rechnung 0135-2017 vom ) an die Firma ***X*** GmbH aufgrund von Vereinbarungen weiterverrechnet wurden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am wurden die rechtlichen Argumente ausführlich dargelegt. Auf Befragen des Geschäftsführers wurde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht ergänzt, dass die Bf. ihre Forschungsergebnisse durch Lizenzvergaben, die teilweise erst Jahre später erfolgen können, verwertet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine Forschungsgesellschaft, die im Streitjahr 2017 unstrittig Forschungstätigkeiten iSd § 108c EStG 1988 durchgeführt hat.

Für den Forschungsaufwand iHv ***13*** Euro steht der Bf. nach übereinstimmender Ansicht von Finanzamt und Bf. die Forschungsprämie iHv ***3*** Euro zu. Dieser Betrag ist höher als der in den angefochtenen Bescheiden betreffend Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie 2017 und Forschungsprämie 2017.

Zusätzlich dazu ist strittig, ob für Rechtsanwaltskosten, die im Zusammenhang mit der Anmeldung und Erhaltung von internationalen Patenten der Bf. stehen, eine Forschungsprämie zuzuerkennen ist oder nicht.

Die Patentanwaltskanzlei, die die Rechnungen ausgestellt hat, war mit der Patentierung der Erfindungen der Bf. (= Ergebnisse der Forschungstätigkeit, die Grundlage für die Forschungsprämie ist) betraut. Sie führte internationale Anmeldungen durch, aber auch andere Patentarbeiten wie beispielsweise das Abfassen von Patentanmeldungen, die Erstellung von Antworten auf Prüfungsbescheiden, das Studium der von den Patentämtern ausgestellten internationalen Prüfbescheide, die Stellungnahme und Beantwortung von Prüfungsbescheiden, die von den internationalen Patentämtern herausgegeben wurden, die Überwachung sämtlicher Fristen zur Aufrechterhaltung von Patentanmeldungen und Patenten, sowohl auf nationaler, regionaler als auch internationaler Ebene, usw.

Betroffen davon sind aktivierte Patente iHv ***4a*** Euro, direkte Patente iHv ***4b*** Euro und Jahresgebühren für bestehende Patente iHv ***4c*** Euro.

Die Erfindungen werden durch Vergabe von Lizenzen verwertet.

2. Beweiswürdigung

Die Höhe des unstrittigen Forschungsaufwandes ergibt sich aus den Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung, der Anfragebeantwortung und den Aussagen in der mündlichen Verhandlung.

Der Umstand, dass die Patentarbeiten darauf zielen, die Erfindungen der Bf. patentieren zu lassen und dass die Patente durch Lizenzvergaben verwertet werden, wurde vom Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Höhe der strittigen Aufwendungen ergibt sich aus dem Vorbringen der Bf. und den dazu vorgelegten Rechnungen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtslage

§ 108c EStG 1988:

(1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und eine Forschungsprämie für Auftragsforschung in Höhe von jeweils 14% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) geltend machen. Die Prämien stellen keine Betriebseinnahmen dar; § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 sind auf sie nicht anwendbar.

(2) Prämienbegünstigt sind:

1. Eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die Forschung muss in einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kriterien zur Festlegung der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) sowie die Berücksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohnes für eine nachweislich in Forschung und experimenteller Entwicklung ausgeübte Tätigkeit mittels Verordnung festzulegen.

2. Auftragsforschung für in Auftrag gegebene Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

- Die Forschung muss von einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte in Auftrag gegeben werden.

- Es dürfen nur Einrichtungen oder Unternehmen beauftragt werden, die mit Forschungsaufgaben und experimentellen Entwicklungsaufgaben befasst sind und deren Sitz in einem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes gelegen ist.

- Der Auftragnehmer darf nicht unter beherrschendem Einfluss des Auftraggebers stehen oder Mitglied einer Unternehmensgruppe (§ 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) sein, der auch der Auftraggeber angehört.

- Die Forschungsprämie kann nur für Aufwendungen (Ausgaben) in Höhe von höchstens 1.000.000 Euro pro Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden. Umfasst das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten, ist der Höchstbetrag von 1.000.000 Euro entsprechend der Anzahl der Monate des Wirtschaftsjahres zu aliquotieren. Angefangene Kalendermonate gelten dabei als volle Kalendermonate.

- Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Forschungsprämie ist, dass der Auftraggeber bis zum Ablauf seines Wirtschaftsjahres dem Auftragnehmer nachweislich mitteilt, bis zu welchem Ausmaß an Aufwendungen (Ausgaben) er die Forschungsprämie für Auftragsforschung in Anspruch nimmt. Der Auftragnehmer kann für die in Auftrag genommene Forschung und experimentelle Entwicklung hinsichtlich der von der Mitteilung umfassten Aufwendungen (Ausgaben) keine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung in Anspruch nehmen.

- Die Forschungsprämie für Auftragsforschung kann von jenen Aufwendungen (Ausgaben) nicht geltend gemacht werden, die Grundlage einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung ist. (…)

(3) Die Prämien können jeweils für ein Kalenderjahr beantragt werden. Die Bemessungsgrundlage für die Prämie für das Kalenderjahr ist aus den Forschungsaufwendungen(-ausgaben) aus dem/den Wirtschaftsjahr(en) zu ermitteln, das/die in dem Kalenderjahr endet/enden. Die Antragsfrist beginnt mit dem Ablauf des (letzten) Wirtschaftsjahres und endet vier Jahre nach dem Beginn. Die Antragstellung hat elektronisch im Wege von FinanzOnline zu erfolgen.

§ 1 Forschungsprämienverordnung BGBl. II Nr. 515/2012 idF BGBl. II Nr. 302/2022:

(1) Der Geltendmachung einer Forschungsprämie sind Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne der Abs. 2 und 3 im Bereich von Forschung und experimenteller Entwicklung (Anhang I) zu Grunde zu legen. Die Bestimmungen der § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988 sind anzuwenden.

(2) Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung (Anhang I, Teil A) sind:

1. Löhne und Gehälter für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte einschließlich Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Wohnbauförderungsbeiträge und sonstige Personalaufwendungen (beispielsweise freiwillige Sozialleistungen) sowie Vergütungen für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte, die außerhalb eines Dienstverhältnisses tätig werden. Bei Beschäftigten, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, werden die der Arbeitsleistung für Forschung und experimentelle Entwicklung entsprechenden Anteile an diesen Aufwendungen (Ausgaben) herangezogen.

2. Unmittelbare Aufwendungen (Ausgaben) und unmittelbare Investitionen (einschließlich der Anschaffung von Grundstücken), soweit sie nachhaltig Forschung und experimenteller Entwicklung dienen.

3. Finanzierungsaufwendungen (-ausgaben), soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.

4. Gemeinkosten, soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.

5. Für Einzelunternehmer, Mitunternehmer und unentgeltlich tätige Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ein Betrag von 45 Euro für jede im Wirtschaftsjahr geleistete Tätigkeitsstunde in begünstigter Forschung und experimenteller Entwicklung, maximal jedoch 77 400 Euro für jede Person pro Wirtschaftsjahr (fiktiver Unternehmerlohn). Voraussetzung dafür ist, dass die Tätigkeit auf Grundlage von Zeitaufzeichnungen mit aussagekräftiger Beschreibung nachgewiesen wird.

(…)

Anhang I
Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen

A. Allgemeine Begriffsbestimmungen (…)

1. Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 ist eine schöpferische Tätigkeit, die auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Forschung und experimentelle Entwicklung in diesem Sinne umfasst Grundlagenforschung (Z 2) und/oder angewandte Forschung (Z 3) und/oder experimentelle Entwicklung (Z 4). Sie umfasst sowohl den naturwissenschaftlich-technischen als auch den sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich.

2. Grundlagenforschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens ohne Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel zu vermehren.

3. Angewandte Forschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens zu vermehren, jedoch mit Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel.

4. Experimentelle Entwicklung umfasst den systematischen Einsatz von Wissen mit dem Ziel, neue oder wesentlich verbesserte Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Methoden oder Systeme hervorzubringen.

5. Forschungsprojekte sind auf ein definiertes wissenschaftliches oder spezifisch praktisches Ziel gerichtete inhaltlich und zeitlich abgrenzbare Arbeiten im Bereich der Forschung und experimentellen Entwicklung unter Einsatz von personellen und sachlichen Ressourcen.

6. Ein Forschungsschwerpunkt ist eine Zusammenfassung von Forschungsprojekten oder laufenden Arbeiten im Bereich der Forschung und experimentellen Entwicklung, die inhaltlich einem übergeordneten Thema zugeordnet werden können.

Als Grundsatz gilt, dass Forschung und experimentelle Entwicklung (Z 1) aus Tätigkeiten besteht, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens ist. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung der experimentellen Entwicklung von Produktionstätigkeiten. Sind hingegen das Produkt oder das Verfahren im Wesentlichen festgelegt und ist das primäre Ziel der weiteren Arbeiten die Marktentwicklung oder soll durch diese Arbeiten das Produktionssystem zum reibungslosen Funktionieren gebracht werden, können diese Tätigkeiten nicht mehr der Forschung und experimentellen Entwicklung (Z 1) zugerechnet werden. Grundlage dieser Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen ist das Frascati Manual (2002) der OECD in der jeweils gültigen Fassung, das ergänzend zu diesen Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen herangezogen wird.

B. Weitere Abgrenzungen (in alphabetischer Reihenfolge)

9. Patentarbeiten: Administrative und juristische Arbeiten, die im Zusammenhang mit Patenten stehen, fallen nur dann unter Forschung und experimentelle Entwicklung (Teil A, Z 1), wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Teil A, Z 1) stehen.

OECD (2018), Frascati-Handbuch 2015: Leitlinien für die Erhebung und Meldung von Daten über Forschung und experimentelle Entwicklung, Messung von wissenschaftlichen, technologischen und Innovationstätigkeiten, OECD Publishing, Paris. (auszugsweise)

2.7 Beispiele für FuE, Abgrenzungen und Ausschlussfälle in verschiedenen Bereichen

(…)

2.47 Von FuE sorgfältig auszuschließen sind Aktivitäten, die zwar Bestandteil des Innovationsprozesses sind, aber die Kriterien für die Klassifikation als FuE nicht erfüllen. Beispielsweise sind Patentanmeldungen und Lizenzvergaben, Marktforschung, Produktionsanlauf, Werkzeugeinrichtung (tooling up) und Umgestaltung für das Herstellungsverfahren an sich keine FuE-Tätigkeiten und können entsprechend nicht als Bestandteil eines FuE-Projekts betrachtet werden. (…)

Tabelle 2.3 Abgrenzung zwischen FuE, Innovationen und anderen wirtschaftlichen Aktivitäten


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Gegenstand
Einordnung
Bemerkungen
(…)
(…)
(…)
Patent- und Lizenzarbeiten
Ausschließen
Alle verwaltungstechnischen und rechtlichen Schritte, die für die Beantragung von Patenten und Lizenzen erforderlich sind (Dokumentation von FuE-Projekten ist FuE). Indessen sind Patentarbeiten in direkter Verbindung mit FuE-Projekten FuE.

(…)

3.2. Patentaufwendungen als Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie

Steuerpflichtige können gem. § 108c EStG 1988 eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung in Höhe von 14% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) geltend machen.

Mit der Forschungsprämienverordnung, BGBl II 515/2012 hat der Bundesminister u.a. verordnet, was zu den prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen zählt.

In Anhang I Teil A der Forschungsprämienverordnung finden sich dazu allgemeine Begriffsbestimmungen. Im letzten Absatz heißt es, dass als Grundsatz gilt, dass Forschung und experimentelle Entwicklung aus Tätigkeiten besteht, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens ist. Ist das primäre Ziel der weiteren Arbeiten die Marktentwicklung, können diese Tätigkeiten nicht mehr der Forschung und experimentellen Entwicklung zugerechnet werden.

In Teil B der Forschungsprämienverordnung findet sich schlussendlich die Aussage, dass Patentarbeiten (administrative und juristische Arbeiten, die im Zusammenhang mit Patenten stehen) nur dann unter Forschung und experimentelle Entwicklung (Teil A, Z 1) fallen, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Teil A, Z 1) stehen.

Streit besteht im Beschwerdefall darüber, ob die angefallenen Patentaufwendungen, die die Patentierung von Forschungsergebnissen zum Inhalt haben, aufgrund der Nennung in Teil B der Forschungsprämienverordnung jedenfalls zur Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie zählen oder nicht.

Gemäß Art 18 Abs 2 B-VG kann jede Verwaltungsbehörde auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Das bedeutet, dass die erlassenen Verordnungen gesetzliche Regelungen nur präzisieren dürfen, der Inhalt selbst muss durch das Gesetz vorbestimmt sein (vgl Muzak, B-VG6 Art 18 Rz 14).

Für das Verständnis der Verordnung ergibt sich daraus, dass die Verordnung selbst nur den in § 108c Abs 1 iVm Abs 2 EStG 1988 genannten Begriff der Forschungsaufwendungen konkretisieren kann aber keinen eigenständigen normativen Charakter hat.

Forschungsaufwendungen sind alle Aufwendungen, die im Rahmen der Forschung dem Ziel dienen, den Stand des Wissens zu vermehren oder neue Anwendungen des Wissens zu erarbeiten (vgl § 108c Abs 2 EStG 1988). Dementsprechend wird auch in Anhang I Teil A der Forschungsprämienverordnung festgehalten, dass als Grundsatz gilt, dass Forschung und experimentelle Entwicklung aus Tätigkeiten besteht, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens ist. Ist das primäre Ziel der weiteren Arbeiten die Marktentwicklung, können diese Tätigkeiten nicht mehr der Forschung und experimentellen Entwicklung zugerechnet werden.

Aus diesem internen Verweis in Teil B der Forschungsprämienverordnung auf Teil A Z 1 Forschungsprämienverordnung ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Senates, dass nur solche administrativen und juristischen Arbeiten gemeint sein können, die notwendig sind, um weiter Forschung & Entwicklung betreiben zu können.

Soweit die Patentarbeiten der Sicherung einer Rechtsposition dienen, die eine Verwertung der Forschungsergebnisse möglich macht, ist keine Forschung & Entwicklung mehr gegeben, sondern Tätigkeiten die der Marktentwicklung zuzurechnen sind, weshalb eine Einbeziehung der Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage aus systematischen Gründen ausscheidet.

Im Beschwerdefall dienen die Patentarbeiten der Erlangung (neue Patente) und Sicherung (Jahresgebühren für bestehende Patente) einer Rechtsposition, die es der Bf. erlaubt, ihre Forschungsergebnisse (durch Lizenzvergaben) zu verwerten. Diese Aufwendungen dienen wie in Anhang I Teil A der Forschungsprämienverordnung definiert, nicht der Forschung und experimentellen Entwicklung, weil deren primäres Ziel nicht die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens, sondern die Marktentwicklung ist. Der "Markt", den die Bf. entwickelt, ist nämlich die Lizenzvergabe, die ohne rechtlich durch Patente gesicherte Positionen nicht möglich wäre.

Anderes würde nur gelten, wenn der Erwerb der Patente notwendig wäre, um weiter Forschung betreiben zu können, etwa um ein patentiertes Produkt oder Verfahren weiter technisch verbessern zu können.

Im Übrigen verweist die Forschungsprämienverordnung in Anhang I Teil A ausdrücklich darauf, dass Grundlage dieser Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen das Frascati Manual (2002) der OECD in der jeweils gültigen Fassung ist, das ergänzend zu diesen Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen herangezogen wird.

Auch der VwGH hat sich mit der Frage der Maßgeblichkeit des Frascati Manuals im Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0018 (im Zusammenhang mit dem Forschungsfreibetrag) auseinandergesetzt und ausgeführt, dass bereits nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Konjukturbelebungsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 68/2002 (977 BlgNR 21. GP, 12 f.) der Begriff der Forschung und Entwicklung über die bisherige - am Erfindungsbegriff orientierte - Abgrenzung hinausgehen sollte. Die Forschungsförderung sollte auf international gebräuchliche Standards ausgerichtet werden. Hierzu wurde die OECD-Definition im Frascati Manual genannt. Es entspricht also offenkundig der Absicht des Gesetzgebers, dieses Frascati Manual zur Auslegung des Begriffes Forschung und Entwicklung (ergänzend) heranzuziehen ().

Daher hat das Finanzamt zu Recht das Frascati-Manual als Auslegungsbehelf herangezogen, das im Übrigen nichts Anderes feststellt, als das oben gesagte: Nicht zu den Forschungsaufwendungen zählen alle verwaltungstechnischen und rechtlichen Schritte, die für die Beantragung von Patenten und Lizenzen erforderlich sind, außer die Patentarbeiten stehen in direkter Verbindung mit Forschungs- & Entwicklungsprojekten.

Mit der Patentierung der Forschungsergebnisse wurde für die Bf. die Möglichkeit geschaffen, ihre Forschungsergebnisse zu verwerten. Diese Leistungen beziehen sich daher nicht auf die Forschung, sondern auf die wirtschaftliche Nutzung der Forschungsergebnisse und sind nicht prämienbegünstigt.

3.3. Festsetzung der Forschungsprämie

§ 108c Abs. 4 EStG 1988 sieht als Handlungsalternativen für das Finanzamt lediglich die Gutschrift auf dem Abgabenkonto und die Erlassung eines Bescheides nach § 201 BAO vor. Festsetzungsbescheide nach § 201 BAO haben die gesamte Abgabe festzusetzen und nicht bloß die Nachforderung zu enthalten, um welche sich die Selbstberechnung als zu niedrig erweist ( unter Verweis auf , mwN).

Im Beschwerdefall sind die Bescheide vom angefochten, mit denen die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie 2017 mit ***12*** Euro und die Forschungsprämie 2017 mit ***2*** Euro festgesetzt wurde.

Demgegenüber beantragen beide Verfahrensparteien, die Forschungsprämie jedenfalls anhand der in der Beschwerdevorentscheidung vom festgestellten Bemessungsgrundlage von ***13*** Euro in Höhe von ***3*** Euro festzusetzen.

Da das Bundesfinanzgericht gem. § 278 Abs 1 BAO berechtigt ist, einen angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, war die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie und die Forschungsprämie in Höhe der Beschwerdevorentscheidung festzusetzen.

3.4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall gibt es - soweit zu sehen - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, in welchen Fällen administrative und juristische Patentarbeiten Forschungsaufwendungen darstellen. Die Revision war daher zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100768.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at