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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.05.2023, RV/7100803/2023

Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung wesentlich

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 in der Beschwerdesache NN, Adresse, vertreten durch Rechtsanwalt RA, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Abgabenkontonummer xx, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Vertreters und des Vertreters des Finanzamtes, VFA, sowie der Schriftführerin S zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) war Kommanditist der im Jahr 2011 gegründeten X.KG.

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum, GZ., wurde ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet.

Mit der Eingabe an das Finanzamt vom begehrte der Bf. die Nachsicht der aufgrund des Pfändungsbescheides vom fälligen, in Vollstreckung befindlichen Abgabenforderungen in der Gesamthöhe von 12.426,55 Euro zuzüglich Gebühren und Barauslagen. Diese Abgaben bestünden aus der in der Vergangenheit liegenden unternehmerischen Tätigkeit des Bf., die schon Jahre zurückliege.

Andere Verpflichtungen aus dieser unternehmerischen Tätigkeit bestünden nicht mehr. Das Ansinnen des Bf. stelle auch keine Unbilligkeit oder Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gläubigern dar.

Der Bf. habe im Bundesgebiet keinen Aufenthaltstitel mehr und, da er mangels Aufenthaltstitel keinerlei Tätigkeiten nachgehen könne, auch keinerlei Einkommen, das ihm ermögliche, den Rückstand bei der Finanzverwaltung auszugleichen.

Der Bf. sei von den Zuwendungen seiner Eltern abhängig, um seinen Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten. Durch den fehlenden Aufenthaltstitel bestehe eine Existenzgefährdung des Bf. im Bundesgebiet.

Die Einhebung der noch nicht entrichteten Abgaben stelle nicht nur eine persönliche Existenzgefährdung, sondern auch eine sachliche Unbilligkeit dar, über die die Abgabenbehörde im Ermessen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden habe.

Zu berücksichtigen sei, dass sich der Bf. in der Zeit seines Wirkens als Verantwortlicher des steuerpflichtigen Unternehmens ordentlich verhalten habe und es nunmehr aufgrund seines mangelnden Aufenthaltstitels eine Unbilligkeit darstellen würde, die Einhebung der in Rede stehenden fälligen vollstreckbaren Forderungen im Bundesgebiet vorzunehmen.

Mit dem Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Bf. betreffend Nachsicht noch nicht entrichteter Abgaben in der Höhe von 12.426,55 € zuzüglich Nebengebühren in der Höhe von 271,93 € als unbegründet ab.
Im Nachsichtsverfahren liege das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Ihn treffe eine erhöhte Mitwirkungspflicht; die amtswegige Ermittlungspflicht trete in den Hintergrund. Lege der Abgabepflichtige nicht jene Umstände dar, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergebe, sei eine Nachsicht nicht zu gewähren.
Um das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit zu überprüfen sei auch die Erhebung der wirtschaftlichen Lage vor Ort an der Wohnadresse des Nachsichtswerbers durch ein Außendienstorgan des Finanzamtes erforderlich. Der Bf. sei an seinem gemeldeten Hauptwohnsitz zweimal nicht angetroffen worden und habe sich trotz hinterlassener Verständigungen auch nicht bei der Abgabenbehörde gemeldet. Es sei daher davon auszugehen, dass er nicht bereit sei, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen.

Der Bf. brachte durch seinen Vertreter gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde ein, weil dieser gemäß § 132 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm §§ 7 und 9 VwGVG seine einfach gesetzlich gewährleisteten Rechte verletze.
Nach Wiederholung des Antrages wird unter Punkt 3 (Beschwerdegründe) wörtlich ausgeführt:

"Der angefochtene Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom zum Abgabenkontonummer xx verletzt den Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten.

Diese Rechtsverletzung ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Statt sich mit den Voraussetzungen für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen auseinanderzusetzen, hat die Abgabenbehörde erster Instanz am den angefochtenen abweisenden Bescheid erlassen.

In der Begründung stützt sich die Abgabenbehörde erster Instanz auf den Tatbestand des § 236 BAO, wonach dem Beschwerdeführer eine erhöhte Mitwirkungspflicht in seiner Behauptung und Beweislast liegt.

Wenn die belangte Behörde vermeint, dass der Beschwerdeführer jene Umstände darzulegen hat, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergibt, ist dem entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde dargelegt hat, dass er durch den mangelnden Aufenthaltstitel in Österreich faktisch einkommenslos ist und von Zuwendungen von Dritter Seite, seiner in China lebenden Eltern, abhängig ist.

Im vorliegenden Einzelfall wurde die Abgabennachsicht deshalb nicht gewährt, weil der Beschwerdeführer an seinem gemeldeten Wohnsitz bei zwei Bereisungsversuchen eines Erhebungsorganes nicht angetroffen wurde. Aus der Sicht der belangten Behörde ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist, seine Vermögensverhältnisse gegenüber der belangten Abgabenbehörde offenzulegen, weshalb sein Ansuchen abzuweisen war.

Die belangte Behörde irrt.

Die persönliche Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach der Lage des Falles, kann eine persönliche oder sachliche Unbilligkeit sein.

Im vorliegenden Fall ist es eine persönliche Unbilligkeit, welche sich aus der wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers, aufgrund seines mangelnden Aufenthaltstitels im Bundesgebiet, ergibt. Der Beschwerdeführer ist weder arbeitslosnoch ist er berechtigt eine Beschäftigung anzunehmen. Er lebt überhaupt von Zuwendungen seiner Eltern, um seinen Lebensunterhalt in Österreich zu bewerkstelligen.

Sofern die belangte Behörde verlangt, dass aus den Zuwendungen seiner Eltern die Abgabenschuld getilgt wird, so ist dies mehr als eine Unbilligkeit, denn die Einhebung gefährdet bei weitem die Existenz des Beschwerdeführers.

Sofern die Behörde aufgrund einer Nachschau die Vermögenswerte des Beschwerdeführers überprüfen wollte, so ist dies auch eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO, denn es bedarf nicht der Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen, die außergewöhnlich sind, z.B. wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte.

Maßgebend sind für die Entscheidung gegenüber des Nachsichtsansuchens ist die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen.

Zur Offenlegung dieser Vermögensverhältnisse ist der Beschwerdeführer jederzeit bereit.

Im Ergebnis hat die belangte Behörde, ohne sich mit der Unbilligkeit auseinanderzusetzen, durch Abweisung des Nachsichtsansuchens vom den Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten verletzt."

Der Bf. beantragte, dass im Sinne des § 262 Abs. 2 Z 2 BAO die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unterbleibt, das BFG den Bescheid aufhebt und in der Sache selbst entscheidet, in eventu die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Abgabenbehörde erster Instanz zurückverweist sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, vom Vorliegen einer Unbilligkeit könne beim Bf. keine Rede sein. Auch eine Gefährdung des Nahrungsstandes aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse sei nicht gegeben. Der Bf. habe laut Erhebungen zwei Dienstgeber mit einem durchschnittlichen Arbeitseinkommen und besitze ein relativ neues Kraftfahrzeug Baujahr 2020. Die Abtragung der Haftungsschuld sei im Rahmen eines Ratenplanes zumutbar und zweckmäßig.

Mit dem Schriftsatz vom begehrte der Bf. die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht. Darin wird begründend ausgeführt:

"Dem Beschwerdeantrag wonach das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge geben wolle und den angefochtene Bescheid - Abweisung eines Nachsichtsansuchens - aufheben und in der Sache selbst entscheiden, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit an die Abgabenbehörde erster Instanz unter Ausschluss der bisherigen Entscheidungsgründe zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Abgabenbehörde erster Instanz zurückverweisen als auch eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, wurde nicht stattgegeben.

Der mit der Beschwerde verbundene Aufschiebungsantrag wurde von der belangten Behörde nicht behandelt.

In den Beschwerdegründen hat der Beschwerdeführer umfassend ausgeführt und begründet, dass beim Beschwerdeführer die im § 236 BAO bestimmten Voraussetzungen für eine zu erteilende Nachsicht für die weit in der Vergangenheit liegenden Abgaben vorliegen.

Die belangte Behörde hat sich mit den vorliegenden Voraussetzungen der Nachsicht nicht auseinandergesetzt. Auch nicht mit den mit der Beschwerde verbundenen Aufschiebungsantrag.

Die Argumentation der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, dass dem Beschwerdeführer die Abtragung der (bereits mehrere Jahre zurückliegenden) Abgabenschuld im Rahmen eines Ratenplanes zumutbar ist, weil er offenkundig nunmehr im Jahre 2023 zwei Dienstgeber mit einem durchschnittlichen Arbeitsübereinkommen hat und ein relativ neues Kraftfahrzeug (Baujahr 2020) besitzt, geht insofern fehl, weil - wie bereits in der Beschwerdeschrift ausgeführt - das Verlangen der belangten Behörde auf Abstattung der Abgabenschuld auf Verwertung des Kraftfahrzeuges und allenfalls durch Verminderung seines Einkommens auf das Existenzminimum eine Unbilligkeit darstellt.

Aus diesem Grunde kommt dem mit der Beschwerde verbundenen begehrten Aufschiebungsantrag volle Berechtigung zu. Vollstreckungsmaßnahmen stellen im vorliegenden Falle, geradezu eine klassische Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zuersetzenden Vermögensnachteiles dar, welcher zu begegnen ist.

Eine weitere Rechtswidrigkeit ist durch das Versäumnis der Nichtbehandlung derBeschwerde in einem Zeitraum von nahezu 3 Jahren gegeben."

Der Bf. beantragte, das Finanzamt Österreich möge die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom - Zurückweisung eines Nachsichtsansuchens - dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorlegen.
Auf die im Beschwerdebegehren beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat des Bundesfinanzgerichtes werde nicht verzichtet.

In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung führte der Bf. aus, er sei im Jahr 2009 nach Österreich gekommen. Er besuche derzeit eine Musikschule und habe seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen.
Im Jahr 2011 habe er mit K ein Gastronomielokal eröffnet, weil er Einnahmen erzielen und in Österreich Steuern zahlen wollte, um leichter zu einem Aufenthaltstitel zu kommen.
Steuerlich habe er sich nicht ausgekannt; die KG hatte einen steuerlichen Vertreter, mit dem er aber nur zweimal Kontakt gehabt habe.
Das Geschäft habe er mit Geld seiner Eltern um 50.000 € gekauft, wobei ihm der Voreigentümer versichert habe, dass das Geschäft gut laufe. Dem war nicht so, er sei betrogen worden und habe viel Geld verloren.
Danach hätten ihn seine Eltern mit ca. 1.000 € pro Monat unterstützt.

Zu seinen derzeitigen Einkommensverhältnissen befragt, gab der Bf. an, er arbeite in einem asiatischen Gastronomielokal 40 Stunden die Woche und verdiene netto 1.200 €. Daneben arbeite er in einer Firma, die Lüftungsanlagen für die Gastronomie betreue, 10 Stunden die Woche, dort verdiene er 850 € netto. Diese Arbeit sei aber zeitlich limitiert. Seit er im Jahr 2022 den Aufenthaltstitel in Österreich erhalten habe, dürfe er arbeiten und habe auch sofort zu arbeiten begonnen.
Er sei derzeit nicht Eigentümer eines Kraftfahrzeuges; das vom Finanzamt im Vorlagebericht erwähnte Fahrzeug habe er mit Verlust um 25.000 € verkauft. Das Auto habe er mit dem Geld seiner Eltern gekauft und den Verkaufserlös seinen Eltern wieder zurückbezahlt. Er habe kein weiteres Einkommen, kein Vermögen und keine Verbindlichkeiten.

Der Vertreter des Finanzamtes führte aus, es bestehe nach wie vor kein Grund, dem Nachsichtsantrag stattzugeben. Das derzeitige Nettoeinkommen des Bf. betrage 2.050 € monatlich. Der Bf. könne selbstverständlich eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt schließen. Es werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Rechtsvertreter des Bf. führte aus, aus einer ex-ante Betrachtung sei die Nachsicht zu gewähren. Der Bf. habe mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit große Schwierigkeiten gehabt, habe seinen Aufenthaltstitel verloren und von Zuwendungen seiner Eltern gelebt.
Das vorgelegte Vermögensverzeichnis habe das Finanzamt weder berücksichtigt noch habe es drei Jahre lang eine Entscheidung getroffen. Der Bf. besitze seit August 2022 wieder einen Aufenthaltstitel und sei mit Mindestlohn beschäftigt. Man müsse auf den Zeitpunkt der Antragsstellung abstellen, weshalb die Stattgabe der Beschwerde und die Gewährung der Nachsicht beantragt wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre (§ 236 Abs. 1 BAO).

Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungslast und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann ().

Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.

Vom Bf. werden im Antrag vom sowohl eine sachliche als auch eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung geltend gemacht.

Von einer sachlichen Unbilligkeit der Einhebung von Abgaben ist auszugehen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt ().

Unbeschränkt steuerpflichtig sind Personen, die in Österreich ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einen Wohnsitz in Österreich haben Personen, die im Bundesgebiet über eine Wohnung verfügen, die sie offensichtlich längerfristig als solche nutzen (werden).
Unbestritten ist, dass der Bf. in den verfahrensgegenständlichen Jahren seinen Wohnsitz in Österreich hatte und daher unbeschränkt steuerpflichtig war.
Der Bf. war von Oktober 2011 bis zur Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens (Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum, GZ.) Komplementär und damit unbeschränkt haftender Gesellschafter der X.KG. Als solcher war der Bf. einzelvertretungsbefugt und hatte die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der KG zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln der KG entrichtet werden (§ 81 in Verbindung mit § 80 BAO).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine abgabenrechtliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, nicht im Einzelfall als Unbilligkeit gewertet und durch Nachsicht behoben werden. § 236 BAO soll die Unbilligkeit des Einzelfalles beseitigen. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einhebungseinzelfalles ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden (vgl. mwN).

Laut Rückstandsaufgliederung Kto.Nr. 03 390/9458 handelt es sich bei den aushaftenden Abgaben größtenteils um Umsatzsteuer 2012 und 2013 der KG sowie um Neben- und Einhebungsgebühren. Die persönliche und unbeschränkte Haftung eines Komplementärs ist vom Gesetzgeber vorgesehen und daher Ausfluss der allgemeinen Rechtslage. Eine sachliche Unbilligkeit in der Einhebung dieser Abgaben kann der Senat nicht erkennen.
Die behauptete sachliche Unbilligkeit wurde auch nicht näher ausgeführt. Dass der Bf. in Österreich zwischenzeitig keinen Aufenthaltstitel hatte, führt nicht zur sachlichen Unbilligkeit zuvor angewachsener Finanzamtsverbindlichkeiten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Nachsicht nach § 236 BAO ausgesprochen, dass eine persönliche Unbilligkeit einer Abgabenbelastung in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen besteht. Eine solche Unbilligkeit ist stets gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet. Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte ().

Entgegen dem Vorbringen des Vertreters des Bf. sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (, mit Verweis auf Vorjudikatur).
Demnach geht der Senat von derzeitigen monatlichen Einkünften des Bf. in der Höhe von über 2.000 € aus. Das Argument des Finanzamtes, der Bf. könne die Abstattung der Abgaben mittels monatlicher Ratenzahlung begleichen, trifft daher zu.

Auf die im Vorlageantrag aufgeworfene mögliche Verwertung des Kraftfahrzeuges zur Schuldentilgung ist nicht weiter einzugehen, weil der Bf. kein Fahrzeug mehr besitzt.

Dass die Verminderung des Einkommens bis auf das Existenzminimum hingegen im Fall einer Lohnpfändung zulässig ist und nicht, wie der Bf. behauptet, eine Unbilligkeit darstellt, ist vom Gesetzgeber vorgesehen (siehe §§ 291 ff. EO). Wie bereits das Finanzamt angeboten hat, steht es dem Bf. frei, ein Zahlungserleichterungsansuchen zu stellen und die Abgaben in monatlichen Ratenzahlungen abzustatten.

Eine Ermessensentscheidung ist im vorliegenden Fall mangels sachlicher oder persönlciher Unbilligkeit nicht zu treffen.

Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Ermessensübung vor allem das Verhalten des Abgabepflichtigen in Steuerangelegenheiten zu berücksichtigen ist. Am Abgabenkonto der KG wurden ab dem Voranmeldungszeitraum 10/2012 keine Selbstbemessungsabgaben gemeldet (Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens am Datum), weshalb die Verbuchung der im Oktober 2013 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2012 zu einer Nachforderung an Umsatzsteuer in der Höhe von 2.475,58 € geführt hat (siehe zu Handen des Bf. zugestellter Umsatzsteuerbescheid 2012 vom ). Der Abgabenrückstand ist weiters darauf zurückzuführen, dass auch für das Jahr 2013 keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht wurden und die Besteuerungsgrundlagen vom Finanzamt wegen der Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO im Schätzungsweg ermittelt werden mussten (siehe zu Handen des Bf. zugestellter Umsatzsteuerbescheid 2013 vom ).
Es entspricht daher nicht der Aktenlage, dass sich der Bf., wie im Nachsichtsantrag dargestellt, als Verantwortlicher des steuerpflichtigen Unternehmens ordentlich verhalten hat. Die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. die Nichtabfuhr laufender Selbstbemessungsabgaben stellt eine grobe Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen dar, sodass eine Nachsicht auch im Zuge einer Ermessensentscheidung nicht befürwortet werden kannn, zumal eine solche den Interessen der steuerehrlichen Abgabepflichtigen widersprechen würde.

Dass über den mit der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid verbundenen Aufschiebungsantrag nicht entschieden wurde, ist für das gegenständliche Nachsichtsverfahren nicht von Bedeutung. Die Erledigung des Antrages obliegt der Abgabenbehörde, die während des laufenden Verfahrens ohnehin keine Einhebungsmaßnahmen gesetzt hat.

Hinsichtlich des Vorwurfs, die Beschwerde sei in einem Zeitraum von beinahe drei Jahren nicht behandelt worden, ist darauf hinzuweisen, dass der Bf. eine Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes mit dem Rechtsmittel der Säumnisbeschwerde bekämpfen hätte können. Eine "Rechtswidrigkeit" des Verfahrens bzw. des erlassenen Bescheides bei einer Verfahrensdauer von drei Jahren ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu entscheiden, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100803.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at