Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2023, RV/5101420/2018

Familienheimfahrten und Pendlerpauschale

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Richterin*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben. Der bekämpfte Bescheid wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Einkommensteuer wird auf die Berechnungen in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen, welche insoweit einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (infolge Bf.) ist LKW- Fahrer.

Er machte in seiner am eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 unter der Rubrik Werbungskosten, Pendlerpauschale/-euro ein Pendlerpauschale (KZ 718) in Höhe von 3.672 € sowie den Pendlereuro (KZ 916) iHv 272 € (68 km *2*2€) geltend. In der Rubrik "Angaben zur Person" wurde "ledig" angekreuzt. In der Rubrik "3. Partnerin/Partner" wurde nichts angegeben.
Der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 war die Beilage L1i für 2015 mit dem Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG zur unbeschränkten Steuerpflicht und die Bescheinigung des Ansässigkeitstaates (E9) beigelegt.

In dem am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2015 berücksichtigte das Finanzamt die Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben sowie den Verkehrsabsetzbetrag und den Arbeitnehmerabsetzbetrag unter Hinweis auf die Begründung des Vorjahres: " Unter Wahrung des Parteiengehörs wurden die von Ihnen geltend gemachten Aufwendungen hinterfragt. Da trotzdem die benötigten Unterlagen (zum Teil) nicht beigebracht wurden, konnten die Aufwendungen in freier Beweiswürdigung nur in Höhe der nachgewiesenen, bzw glaubhaft gemachten Aufwendungen berücksichtigt werden".

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer ua gegen den Einkommensteuer-bescheid 2015 vom Beschwerde ein mit folgender Begründung:
"
1. Bis November habe ich in
***A*** einen Nebenwohnsitz gehabt, mir wurde trotzdem die Pendlerpauschale nicht berücksichtigt. Bitte die Berücksichtigung der grossen Pendlerpauschale auf 10 Monate also mit 3.060.- Euro.
2. Bitte um Berücksichtigung der Familienheimfahrten für 12 Monate, mit 2.672,-Euro
Meine Begründung.
Ich bin mit meinem eigenen Fahrzeug jede Woche alleine nach
***U*** zu meinem Familienwohnsitz gefahren. Mein Wohnsitz in ***U*** ist ***AdresseU***. Ich habe ca. 42 Mal zwischen meinen Nebenwohnsitz und meinem Familienwohnsitz hin und hergefahren. An meinem Beschäftigungsort habe ich keine Schlafmöglichkeit gehabt. Ich habe keine Vergütung vom Arbeitgeber zur Familienheimfahrt oder zur Pendlerpauschale gehabt.
Ich lege Zulassungsschein und Bestätigung vom Arbeitgeber bei!".

In Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom gab der Bf. im übermittelten Schreiben vom folgendes an:
"Betreff: Ergänzung auf Ihren Ersuchen von .
… Ich habe den LKW immer in
***L***, ***H***, ***F1*** bei der Firma ***J*** übernommen, bzw. zurückgebracht.
Ich habe eine Wohnmöglichkeit in
***A***, ***Wstr*** gehabt, und habe meistens wöchentlich 2-3 Mal wöchentlich die Strecke gefahren, abhängig von meinem Fahrten, aber manchmal öfter.
Familienfahrten habe ich immer 3-4 Mal monatlich gemacht.
Ich arbeitete als LKW Fahrer, daher war jeden Tag 8-10 Stunden unterwegs, als LKW Lenker erhalten wir Diätengelder.
Ich habe nie Kostenbeitrag für meine Familienheimfahrten vom Arbeitgeber erhalten. - Ich lege die Bestätigung von Arbeitgeber bei".

Das Finanzamt erließ die Beschwerdevorentscheidung 2015 am mit folgender Begründung:
"Laut Ihren Angaben vom zum Ersuchen um Ergänzung vom sind Sie als LKW Fahrer tätig. Der LKW wurde in ***L*** ***H*** übernommen bzw. abgestellt und Sie hatten einen Wohnsitz in ***PLZ*** ***A***.
Die Fahrten zwischen Wohnort
***A*** und ***L*** wurden wöchentlich 2-3 Mal zurückgelegt. Die verlangte Reisekostenaufstellung wurde nicht vorgelegt, daher ist die genaue Anzahl der Fahrten auch nicht bekannt.
Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte sind mit dem Verkehrsabsetzbetrag und einem allfälligen Pendlerpauschale abgegolten. Für das Jahr 2015 konnte ein Pendlerpauschale im Ausmaß von 1/3 für 4-7 Fahrten pro Monat berücksichtigt werden.
Familienheimfahrten stehen nicht zu, da die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind. Die Fahrten nach
***U*** sind privat veranlasst und stellen gemäß § 20 EStG 1988 nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung dar".

Aus dem mit Schreiben vom eingebrachten Vorlageantrag geht im Wesentlichen hervor, dass der Bf. alle benötigten Unterlagen weitergeleitet habe, welche gewünscht worden seien. Dokumente seiner Gattin seien nicht angefordert worden.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde für das Jahr 2015 zur Entscheidung dem BFG vorgelegt mit folgender darin dargelegter Stellungnahme:
"… Stellungnahme:
Das Finanzamt beantragt, die Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abzuweisen.
Familienheimfahrten:
Der Bf. war seit 2003 in Österreich beschäftigt und lebte in
***U*** in keiner Beziehung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015: Familienstand "ledig" - keine Partnerangabe). Die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung lagen nicht vor, weil eine Verlegung des Familienwohnsitzes in die Nähe der Arbeitsstelle nicht unzumutbar war. Daher stellen die Kosten für die Fahrten zum Familienwohnsitz nach ***U*** nichtabzugsfähige Aufwendungen gem. § 20 EStG dar.
Pendlerpauschale:
Aufgrund des Umstandes, dass der Bf. sehr hohe steuerfreie Bezüge gem. § 26 EStG (6.411,-) vom Dienstgeber erhalten hat und deren genaue Aufschlüsselung (Reisekostenabrechnungen) vom Bf. nicht vorgelegt wurde, geht das Finanzamt davon aus, dass der Bf. die Wegstrecke
***A*** - ***H*** nur 4-7 mal im Lohnzahlungszeitraum zurückgelegt hat und daher Pendlerpauschale und Pendlereuro nur mit einem Drittel anzusetzen sind".

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist seit Jahren als LKW-Fahrer in Österreich beschäftigt.

Vom Bf. wurde der in ***A*** ***Wstr*** von 2004 bis gemeldete Hauptwohnsitz und der bis gemeldete Nebenwohnsitz genutzt und bewohnt.

Laut Angaben des Bf. sei die Strecke zwischen ***A*** (Haupt-/Nebenwohnsitz) und ***L*** zu seinem Arbeitgeber 2-3 Mal wöchentlich gefahren worden. Weitere Angaben und Anhaltspunkte fehlen.

Der Bf. ist seit 1992 von seiner Gattin geschieden. Konkrete Angaben über eine Partnerschaft/Lebensgemeinschaft erfolgten nicht.

Laut Bf. würden die Familienheimfahrten 3-4 Mal pro Monat an den Wochenenden nach ***U***, ***Bf1-Adr*** stattfinden. Gründe für die Heimfahrten (bzw. die doppelte Haushaltsführung) wurden nicht genannt bzw. dargelegt.

Laut Bestätigung des Arbeitgebers hat der Bf. kein Fahrzeug und keine Ersätze für die Familienheimfahrten bekommen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Aktenteile. Die persönlichen Verhältnisse des Bf ergeben sich aus den Angaben des Bf. in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 (und auch 2014) sowie aus der ZMR-Abfrage vom , aus der hervorgeht, dass der Bf. geschieden ist.

Die Feststellungen zu seinem Wohnsitz in ***A*** ergeben sich aus den Angaben des Bf. in der Beschwerde und aus dem Schreiben vom . Dass er von dort aus den Beschäftigungsort teilweise aufsucht, ist unstrittig. Das ergibt sich im Übrigen auch aus dem Antrag des Pendlerpauschales.

Über die vom Bf. erfolgten Familienheimfahrten ist nichts bekannt. Konkrete Gründe für die Heimfahrten wurden nicht vorgebracht.

Der Vorhaltebeantwortung wurden keine entscheidungsrelevanten Unterlagen angeschlossen. Auf die Vorhaltewirkung der Beschwerdevorentscheidung wird hingewiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

A)Rechtsgrundlagen und rechtliche Ausführungen:

a) Rechtsgrundlagen:

§ 16 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988 idF BGBl. I Nr. 53/2013:

(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Werbungskosten sind auch: (…)

6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

b)+c) ……..

d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:
Bei mindestens 2 km bis 20 km 372 Euro jährlich,
bei mehr als 20 km bis 40 km 1.476 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km 2.568 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km 3.672 Euro jährlich.

e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:
- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.
f) ….

§ 33 EStG 1988

(5) Bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis stehen folgende Absetzbeträge zu: (…)
4. Ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 hat. Für die Berücksichtigung des Pendlereuros gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. e bis j entsprechend.

Nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach Z 2 lit. a dieser Gesetzesbestimmung für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-) ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abgezogen werden, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-) Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

Nach § 119 Abs. 1 BAO sind nämlich die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

§ 138 Abs. 1 BAO sieht vor, dass die Abgabepflichtigen auf Verlangen der Abgabenbehörde zur Beseitigung von Zweifeln, den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen, sowie dessen Richtigkeit zu beweisen haben. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

Das betrifft vor allem die Feststellung solcher Verhältnisse, die für die Abgabenbehörde nur unter Mithilfe des Abgabepflichtigen aufklärbar sind, also Umstände, denen der Abgabepflichtige hinsichtlich der Beweisführung nähersteht, als die Abgabenbehörde.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde im Übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Bei Auslandssachverhalten besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei, eine Beweismittelbeschaffungspflicht und eine Vorsorgepflicht (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 115, Tz 10).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Abgabenbehörde muss dieser Rechtsprechung zufolge den Bestand einer Tatsache nicht im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn nachweisen (vgl. zB ; Ritz, BAO6 § 167 Rz 8 mwN).

Der Begründung der Beschwerdevorentscheidung kommt der Charakter eines Vorhaltes zu (). Durch die Einbringung des Vorlageantrages kommt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Berufungsvorentscheidung nunmehr die Wirkung eines Vorhaltes zu. Beispielsweise hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 99/15/0165 ausgeführt, dass " es Sache der Beschwerdeführer gewesen wäre, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser (in der Berufungsvorentscheidung auch inhaltlich mitgeteilten) Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen". Da die Feststellungen in der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt gelten, diese jedoch im Vorlageantrag weder bestritten wurden noch ein sonstiges Vorbringen zu diesen Feststellungen erfolgte, bestand für die Abgabenbehörde zweiter Instanz keine Veranlassung von den schlüssigen Ausführungen der Abgabenbehörde erster Instanz abzuweichen.

b) Erwägungen:

Unbeschränkt steuerpflichtig ist, wer im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 1 Abs. 2 EStG). Da der Bf. den Wohnsitz in ***A*** schon seit Jahren als Adresse angegeben hat und diesen auch nutzt, ist er unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 2 EStG).

aa)Pendlerpauschale:
Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind grundsätzlich mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Beträgt jedoch die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehr als 60 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, besteht Anspruch auf ein Pendlerpauschale in Höhe von 3.672 Euro jährlich (§ 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG). Das Pendlerpauschale steht daher für die Monate Jänner bis Oktober 2015 anteilig zu. Aufgrund der nicht nachvollziehbaren Angaben des Bf. (… "meistens wöchentlich 2-3mal die Strecke gefahren hat, abhängig von meinen Fahrten, aber manchmal öfter"), ist das Pendlerpauschale zu einem Drittel, dh für 4-7 Tage pro Monat in Höhe von 1.224 € anzuerkennen. Dies vor allem auch im Hinblick darauf, dass der Bf. sein Vorbringen durch nichts bestätigt und nachgewiesen hat. Demzufolge steht auch der Pendlereuro (§ 33 Abs 5 Z 4 EStG) im Ausmaß von 44 Euro zu, wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom berücksichtigt wurde.

bb) Familienheimfahrten:

Unstrittig hat der Bf. seinen Aufenthalt seit Jahren (2004) in Österreich und nutzt auch seitdem die Adresse in ***A*** als Wohnort, so auch im beschwerdegegenständlichen Jahr 2015.

Voraussetzung dafür, dass Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt werden, ist, dass es unzumutbar ist, den Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort zu verlegen.

Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen (Familien)Wohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung dieses Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (vgl. zB ; ).

Ist davon auszugehen, dass die Verlegung des Wohnsitzes an den Beschäftigungsort bereits erfolgt ist, können die Kosten der Haushaltsführung und der Fahrten zur Wohnung schon aus diesem Grund nicht zu Werbungskosten führen können (; ).

Aus objektiver Sicht ist aber ohnehin davon auszugehen, dass der Wohnsitz vom Bf bereits lange vor dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum 2015 nach Österreich verlegt worden war.

Diese Annahme ergibt sich aus der Aktenlage. Der Bf. ist seit Jahren in Österreich tätig und ist seit 2004 bis Jänner 2012 mit Hauptwohnsitz bzw. ab Jänner 2012 mit Nebenwohnsitz ständig in der ***Wstr*** in ***A*** gemeldet und wohnhaft. Er ist geschieden und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er an seinem ungarischen Wohnsitz in Györ im gemeinsamen Haushalt mit einer Partnerin gelebt hat. Der Familienstand wurde in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung mit "ledig" angekreuzt bzw. angegeben. Der Besuch seiner Angehörigen spricht nicht dagegen, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes durch den alleinstehenden Bf. schon längst vollzogen wurde.

Unter diesen Umständen konnten aber, wie der Verwaltungsgerichtshof (; ) festgehalten hat, die Kosten der Haushaltsführung und der Fahrten zur Wohnung schon allein aus diesem Grund nicht zu Werbungskosten führen.

Zu den Familienheimfahrten ist noch hinzuzufügen und zu erwähnen, dass Aufwendungen für Familienheimfahrten vom Wohnsitz am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz (Heimatwohnsitz) und retour in einem Spannungsverhältnis zwischen beruflicher Veranlassung und privater Veranlassung stehen. Dabei ist grundsätzlich von privater Veranlassung auszugehen, außer es liegen die Voraussetzungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vor. Die Voraussetzungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung (und damit die Absetzbarkeit von Familienheimfahrten) können auch gegeben sein, wenn aus der doppelten Haushaltsführung selbst keine Kosten erwachsen.

Die Voraussetzung für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung ist die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort.

Bei Alleinstehenden ist der Begriff der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht ganz passend; für Alleinstehende wäre eher folgende Formulierung geeignet: Verlegung des (Haupt)Wohnsitzes vom Heimatort an den Beschäftigungsort.

Jedenfalls ist die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familien- bzw. Heimatwohnsitz wesentlich vom (steuerlichen) Familienstand abhängig. Im vorliegenden Fall sind folgende zwei Differenzierungen maßgebend:

Verheiratete und die steuerlich gleichgestellten, in eheähnlicher Gemeinschaft Lebenden: Die Verlegung des Familienwohnsitzes ist unzumutbar, wenn die Ehegattin/Ehegatte am Familienwohnsitz berufstätig ist und wirtschaftlich bedeutende Einkünfte erzielt. Soweit ein stpfl als Verheirateter (im steuerlichen Sinne) einzustufen wäre samt ausreichender Einkünfteerzielung der Ehegattin/Ehegatte im Ausland, dann wäre für den Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes nach ***L*** unzumutbar und sind somit die Familienheimfahrten als Werbungskosten absetzbar.

Alleinstehende (= weder verheiratet noch in eheähnlicher Gemeinschaft lebend): Die Verlegung des (Haupt)Wohnsitzes vom Heimatort an den Beschäftigungsort ist in der Regel innerhalb von sechs Monaten zumutbar.

Nach Ablauf der sechs Monate, sind für den Alleinstehenden die Voraussetzungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung und damit die Absetzbarkeit von Heimfahrtkosten nicht gegeben.

Eine Eheschließung im nachfolgenden Jahr des beschwerdegegenständlichen Jahres 2015 wirkt nicht auf die Zeit vor der Eheschließung zurück.

Damit im Streitjahr 2015 die Voraussetzungen für eine berufliche veranlasste doppelte Haushaltsführung gegeben wären, hätte der Bf. in eheähnlicher Gemeinschaft am Heimat- bzw. Familienwohnsitz leben müssen. Dann hätte die Berufstätigkeit der späteren Ehefrau, welche im Jahr 2015 als Lebensgefährtin zu bezeichnen wäre, für den Bf. die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach ***L*** bedeutet.

Vom Bf. wurde in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 von einer eheähnlichen Gemeinschaft /Lebensgemeinschaft nichts erwähnt. Der Bf. hat seinen Status mit "ledig" angekreuzt. In der ZMR -Auskunft ist der Status des Bf. mit geschieden angeführt. Konkrete Hinweise für den Familienstand im steuerlichen Sinne im Jahr 2015, d.h. ob eine der Ehe steuerlich gleichgestellte Lebensgemeinschaft am Heimat- bzw. Familienwohnsitz vorgelegen ist, fehlen. Der Bf. hat keine - auf den Zeitraum 2015 bezogenen - Nachweise für das damalige Bestehen eines Familienwohnsitzes erbracht.

Daher und im Sinne des von den zu lösenden Rechtsfragen her vergleichbaren Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 96/15/0171, ist der Bf. für den Zeitraum 2015 als alleinstehend einzustufen, weshalb er aufgrund der Umstände in diesem Zeitraum die Voraussetzungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung nicht erfüllt hat. Somit waren im Jahr 2015 die Voraussetzungen für absetzbare Familienheimfahrten nicht erfüllt.

Im Ergebnis war den beantragten Aufwendungen für die Familienheimfahrten deswegen die Anerkennung als Werbungskosten zu versagen, weil der Bf für das Streitjahr 2015 keine ausreichenden Gründe für eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung vorgebracht hatte; andererseits war aber bereits von einer Wohnsitzverlegung weit vor 2015 auszugehen, die eine Anerkennung von entsprechenden Aufwendungen nach dem Gesagten von Vornherein nicht möglich machte.

Auch wenn der Bf. mit Ende Oktober 2015 den Wohnsitz in ***A*** abgemeldet hat, so verhilft diese Vorgangsweise der Beschwerde nicht zum Erfolg. Es mangelt an der Voraussetzung des Vorliegens von zwei Wohnsitzen um überhaupt Kosten für Familienheimfahrten geltend zu machen. Daher stehen im November und im Dezember 2015 auch aus diesem Grund keine Familienheimfahrten zu. Da vom Bf. diesbezüglich nichts Entscheidungsrelevantes vorgebracht wurde, sind Kosten für Familienheimfahrten nicht zu berücksichtigen.

Dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren konnte daher nur teilweise - nämlich im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom - Rechnung getragen werden.

Die Berechnung der Einkommensteuer 2015 ergibt sich somit aus der Beschwerdevorentscheidung vom , die einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur) bzw. der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 119 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101420.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at