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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.05.2023, RV/4100022/2021

Kein Anspruch auf Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung eines alleinstehenden (ledigen) Polizeischülers im elterlichen Haushalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin Christoph Wittmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am brachte der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz Bf) elektronisch seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung (im Folgenden kurz ANV) für das Jahr 2017 ein und machte darin ua die Kosten für die doppelte Haushaltsführung geltend.

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt den Bf ua auf, die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung mit entsprechenden Unterlagen nachzuweisen (zB Mietvertrag, Zahlungsbelege für Miete und Betriebskosten, "Wohnen Sie im Haushalt der Eltern oder besitzen Sie eine eigene Wohnung am Familienwohnort?", Mietvertrag bzw Kaufvertrag bei einer Eigentumswohnung).

Der Einkommensteuer-(im Folgenden kurz ESt-)Bescheid der belangten Behörde vom führte zu einer Nachforderung. Begründend führte sie aus, dass sie trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen erhalten habe, weswegen nur die nachgewiesenen Aufwendungen hätten berücksichtigt werden können.

Dagegen erhob der Bf am Beschwerde und begründete diese damit, dass er im gesamten Jahr 2017 als Polizeischüler in der Stadt Salzburg tätig gewesen sei. Der Familienwohnsitz mit seiner Lebensgefährtin ***5*** befinde sich seit Jahren in ***6***. Aufgrund der Wegstrecke und den unterschiedlichen Dienst- bzw Ausbildungszeiten sei es für den Bf unumgänglich gewesen, eine Wohnung in der Stadt Salzburg anzumieten. Daher ersuche er, insb die geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen und um antragsgemäße Veranlagung der Werbungskosten.

In der Beschwerdevorentscheidung vom berücksichtigte die belangte Behörde zwar die geltend gemachten Werbungskosten und Sonderausgaben, die jedoch im Beschwerdefall nicht mehr strittig sind. Die in casu ausschließlich interessierenden Kosten der doppelten Haushaltsführung berücksichtigte das Finanzamt nicht und begründete dies damit, dass bei Polizeischülern davon auszugehen sei, dass eine Unterkunft am Schulort vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestellt werde.

Mit Eingabe vom via FinanzOnline beantragte der Bf die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (im Folgenden kurz BFG) und führte begründend aus, dass er im gesamten Jahr 2017 nachweislich als Polizeischüler (Ausbildungsdauer 3 Jahre) in der Stadt Salzburg tätig gewesen sei. Der Familienwohnsitz befinde sich seit Jahren in ***6***. Seit Herbst 2017 sei auch seine langjährige Lebensgefährtin am selben Wohnsitz amtlich gemeldet. Aufgrund der Wegstrecke und den unterschiedlichen Dienst- bzw Ausbildungszeiten habe der Bf eine Wohnung in der Stadt Salzburg angemietet. Die Mietverträge seien der belangten Behörde bereits vorgelegt worden. Für die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung erlaube er sich, auf Rz 345 der LStR hinzuweisen: Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort sei zB unzumutbar, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet sei (vgl zu einen auf zwei Jahre befristeten Projekt). Angesichts einer absehbaren befristeten Entsendung an einen anderen Beschäftigungsort sei es dem (auch alleinstehenden) Steuerpflichtigen nicht zumutbar, den gewählten Familienwohnsitz aufzugeben.

Im Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt insb die Berücksichtigung von Kosten der doppelten Haushaltsführung iHv 1.831,32 Euro für den Zeitraum September bis Dezember 2017 sowie das bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom angesetzte Pendlerpauschale iHv 2.448,- Euro und den Pendlereuro iHv 223,- Euro. Von Jänner bis einschließlich August 2017 seien keine Kosten der doppelten Haushaltsführung anzuerkennen, da - auf das Wesentlichste zusammengefasst - Voraussetzung für den Abzug von Kosten eines zweiten Haushalts am Berufsort das Vorliegen eines Mehraufwands, dh eines über das übliche Maß hinausgehenden Aufwandes, sei. Sei die Beibehaltung der Wohnmöglichkeit an einem auswärtigen Ort für den Steuerpflichtigen mit keinerlei Kosten verbunden (bspw Wohnmöglichkeit bei den Eltern), könne von Mehrkosten nicht gesprochen werden (). Dem Argument des Bf, wonach sich der Familienwohnsitz mit seiner Lebensgefährtin seit Jahren in ***6*** befinde, entgegnete die belangte Behörde dahingehend, dass sich dieser Sachverhalt weder anhand des Zentralen Melderegisters (im Folgenden kurz ZMR) noch aus den beim Finanzamt aufliegenden Daten nachvollziehen lasse. Laut ZMR sei der Bf erst seit an derselben Adresse wie seine Lebensgefährtin, in ***3***, ***4***, gemeldet. Bis zu diesem Zeitpunkt seien auch sämtliche Schriftstücke des Finanzamtes betreffend seine Lebensgefährtin an die Adresse, an der auch ihre Eltern gemeldet seien, zugestellt worden. Mangels anderer Nachweise sei daher davon auszugehen, dass die Lebensgemeinschaft erst seit diesem Zeitpunkt bestanden habe und der Bf bis dahin im Haushalt seiner Mutter gelebt habe, die - wie der Bf bis zum - an der Adresse ***7***, ***4***, wohne. Die belangte Behörde sei daher der Ansicht, dass dem Bf erst ab dem nachweislichen Beginn der Lebensgemeinschaft im September 2017 ein Mehraufwand durch die Anmietung einer Wohnung in Salzburg entstanden sei. Aus diesem Grund seien dem Bf auch nur Wohnungsmietkosten für die Monate September bis Dezember 2017 iHv 1.831,32 Euro (4 x 457,83 Euro) als Mehraufwand entstanden und als Kosten der doppelten Haushaltsführung in Ansatz zu bringen.

Mit Vorhalt vom forderte das BFG den Bf auf, folgende Fragen zu beantworten bzw die angesprochenen Unterlagen/Nachweise zu übermitteln:

1. "Welche Räume im Haus ***7*** wurden damals von Ihnen alleine und welche mit anderen "Mitbewohnern" wie Ihrer Mutter und/oder Ihrem Bruder ***8***, bzw - falls tatsächlich gegeben - weiteren Personen im Jahr 2017 genutzt/bewohnt? Bitte um Übermittlung eines Grundrisses sowie eines Stockwerkplanes des Hauses ***7***, aus dem hervorgeht, wer im Jahr 2017 (bis ) welche Räumlichkeiten (inkl Flächenangabe in m² für jeden Raum) auf welchen Stockwerken allein und welche Räumlichkeiten gemeinsam mit Ihrem Bruder, Ihrer Mutter bzw mit etwaigen anderen "Mitbewohnern" genutzt/bewohnt hat.[…]

2. Nachweis der von Ihnen getragenen Kosten für die Haushaltsführung an der Adresse ***7*** im Jahr 2017 (bis )

3. Bekanntgabe und Nachweis des Rechtstitels (Vertrag, Grundbuchsauszug, odgl.) zur Nutzung Ihres Wohnsitzes ***7*** im Jahr 2017 (bis )"

Mit Schreiben vom erklärte der Bf, dass er kein "Übereinkommen" mit seiner Mutter beibringen könne, da er ihr die Kosten immer bar erstattet habe.

Mit Schreiben vom brachte der Bf eine weitere Stellungnahme zum Beschwerdeverfahren ein, im Rahmen welcher er ua Mietüberweisungsbestätigungen an die Vermieterin seiner in der Stadt Salzburg für die Monate September bis Dezember 2017 übermittelte.

Mit weiterer Eingabe vom übermittelte der Bf den Einreichplan des Hauses seiner Mutter (Außenansichten, Erdgeschoß, Obergeschoß, Schnitt, Detailübersicht über die Zimmer im Obergeschoß), der am vom Bürgermeister der Marktgemeinde ***6*** baubehördlich genehmigt wurde, samt Darstellung der Nutzung der einzelnen Räumlichkeiten des Hauses.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Nicht mehr strittig ist im vorliegenden Fall das bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom angesetzte Pendlerpauschale iHv 2.448- Euro, der Pendlereuro iHv 223,- Euro, Ausgaben für Arbeitsmittel iHv 249,66 Euro sowie Sonderausgaben iHv 1.884,- Euro.

Strittig ist noch, ob die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlasst sind und als Werbungskosten bei der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 berücksichtigt werden können. Das Finanzamt hat die vom Bf geltend gemachten Mietkosten für die beiden Wohnungen in Salzburg iHv 4.406,65 Euro nicht anerkannt.

Ab Herbst 2016 bis über das Streitjahr 2017 hinaus besuchte der Bf die Polizeischule in Salzburg. Zu diesem Zweck wohnte er in der Zeit zwischen Herbst 2016 und Anfang Februar 2017 unentgeltlich in einer Unterkunft der LPD Salzburg. Seit Februar 2017 lebte der Bf auf eigene Kosten zunächst mit einem Polizeischulkollegen, ab August 2017 in einer eigenen Mietwohnung in der Stadt Salzburg und bezahlte für zweitere einen Mietzins iHv 457,83 Euro monatlich. Diese Mietwohnungen bestanden jeweils aus Wohnraum, Schlafzimmer, Küche, Bad/WC, Vorraum samt Balkon/Loggia und Kellerabteil. Laut ZMR-Auskunft war der Bf von seinem 13. Lebensjahr bis zum (27. Lebensjahr) im Elternhaus ***7***, ***4***, im Hauptwohnsitz gemeldet, welches ca 170 km von seinem Ausbildungs- bzw Beschäftigungsort entfernt liegt und das man mit dem PKW in einer Fahrtzeit von ca 2 h erreichen kann. In diesem Haus stand dem Bf ein Zimmer zur alleinigen Benützung zur Verfügung, wobei er die restlichen Räume gemeinsam mit seiner Mutter sowie seinem Bruder nutzte.

Von bis war der Bf laut ZMR gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin (seit 2022 nunmehrigen Ehefrau) an der Adresse ***3***, ***4***, gemeldet.

Ein etwaiger Nebenwohnsitz bestand der ZMR-Auskunft nach im Streitjahr 2017 nicht.

Er war im Beschwerdejahr 2017 ledig und kinderlos.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt erschließt sich aus dem vom Finanzamt im Zuge der Beschwerdevorlage übermittelten Verwaltungsakt zur genannten Steuernummer, insb aus den vom Bf bereits der Abgabenbehörde bzw nach Vorhalt dem BFG vorgelegten Dokumenten und Fragebeantwortungen (insb Mietverträge und Überweisungsbestätigungen der Mietzinse für die Wohnungen in Salzburg, Bau- und Raumnutzungsplan des Hauses seiner Mutter, etc), aus den vom BFG abgerufenen Meldedaten aus dem ZMR, den seitens des Bf unwidersprochenen Angaben der belangten Behörde im Vorlagebericht vom sowie den Eingaben des Bf vom , sowie vom . Die Entfernungen zwischen dem Elternhaus des Bf und dem Ausbildungs- bzw Beschäftigungsort bzw der Wohnadresse in der Stadt Salzburg - soweit für das ggst Verfahren überhaupt von Relevanz - ergeben sich aus den Internetrecherchen des BFG bei www.google.at/maps.

Dieser Sachverhalt ist insoweit nicht strittig; dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht, weshalb das BFG diesen Sachverhalt als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zugrunde legen durfte.

3. Rechtslage

Das Bundesgesetz vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG) idF BGBl I 2015/118 lautet auszugsweise:

"Werbungskosten

§ 16.

(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:

[…]

6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. […]

[…]

9.Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen.

[…]

8. ABSCHNITT

Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben

§ 20.

(1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

[…]

2.a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

[…]

e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen."

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gem § 16 Abs 1 erster Satz EStG sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs 1 Z 1 EStG dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach Z 2 lit a dieser Gesetzesbestimmung für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Liegt ein Familienwohnsitz vor, können die Kosten der doppelten Haushaltsführung in Abzug gebracht werden, wenn zwei Unzumutbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind: Zum einen muss die tägliche Rückkehr des betroffenen Arbeitnehmers von der Arbeitsstätte an den Familienwohnsitz, zum anderen muss auch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort unzumutbar sein. Nach der VwGH-Judikatur ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen.

Die - nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles und aus der Sicht des betreffenden Verfahrensjahres - zu beurteilende Unzumutbarkeit kann unterschiedliche Ursachen haben. Für eine steuerliche Berücksichtigung muss sie aber aus Umständen von erheblichem objektiven Gewicht resultieren. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl zB ).

Für die Berücksichtigung von (Mehr-)Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung muss nicht nur am Beschäftigungsort, sondern auch am Familienwohnsitz ein eigener Hausstand mit einer gewissen Selbstständigkeit und Abgeschlossenheit bestehen ().

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist "Familienwohnsitz" jener Ort, an dem ua ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet (). Auch ein alleinstehender (lediger) Steuerpflichtiger kann einen "Familienwohnsitz" haben. Dies ist jener Ort, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Eltern, Familie, Freunde) hat (vgl § 4 Abs 1 Pendlerverordnung - PendlerVO, BGBl II 2013/276; Doralt/Kirchmayer/Mayr/Zorn, EStG21, § 4, Rz 349 ff; Hofstätter/Reichel, § 16 Abs 1 Z 6 EStG, Rz 72 ff) und einen eigenen Hausstand hat. Der Steuerpflichtige hat einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Für den eigenen Hausstand ist insb die ausschließliche Nutzung von Bad, Küche und WC von Bedeutung (vgl nur ; , RV/7102799/2013, Parteirevision zurückgewiesen mit ). Begründet ein alleinstehender Steuerpflichtiger am Beschäftigungsort einen Wohnsitz, ist besonders zu prüfen, ob nicht entweder von einer erstmaligen Hausstandsgründung oder von einer Wohnsitzverlegung auszugehen ist ( mwN). Ein eigener Hausstand - und damit kein Familienwohnsitz - liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt. Die Definition entspricht somit im Wesentlichen den von der Verwaltungspraxis und der Judikatur entwickelten Kriterien (s Ebner in Jakom, EStG15, 2022, § 16, Rz 56, Stichwort "doppelte Haushaltsführung"). Ein Zimmer im Haus der Eltern ist nicht als eigener Hausstand anzusehen und begründet auch keinen Familienwohnsitz (vgl jüngst ; mwN).

Auch § 26 BAO bestimmt einen Wohnsitz derart, dass eine Wohnung vorhanden sein muss. Darin müssen Räumlichkeiten für Wohnen, Körperpflege, Kochen, persönliche Gegenstände vorhanden sein, welche bei einem Zimmer im Haus der Eltern nicht gegeben sind (vgl jüngst mwN).

Der Judikatur des VwGH folgend ist es Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde bzw das BFG in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen. Die berufliche Veranlassung von Aufwendungen, denen nach dem ersten Anschein eine nicht berufliche Veranlassung zu Grunde liegt, ist vom Steuerpflichtigen darzustellen ( ua).

Für den Beschwerdefall bedeutet dies:

Betrachtet man den ggst Sachverhalt unter dem Blickwinkel der einschlägigen Bestimmungen und der Rechtsprechung des VwGH, so bleibt festzuhalten, dass der bis Herbst 2017 alleinstehende Bf in seinem Elternhaus in ***6***, über keinen "Familienwohnsitz" verfügte. Damit fehlt es bereits am für den Werbungskostenabzug entscheidenden Tatbestandsmerkmal eines Doppelhaushalts, weswegen abzugsfähige Werbungskosten im Zusammenhang mit doppelter Haushaltsführung schon aus diesem Grund nicht vorlagen und war die Verlegung des steuerlich relevanten Wohnsitzes des Bf an den Ausbildungs- bzw Beschäftigungsort nach Salzburg zumutbar.

Soweit die Beschwerde auf die Lohnsteuerrichtlinien (LStR) verweist, lässt sich daraus für den Beschwerdefall nichts gewinnen, da ein BMF-Erlass zufolge des Legalitätsprinzips des Art 18 B-VG keine für das BFG verbindliche Rechtsquelle darstellt, das sich in seiner Entscheidungsfindung ausschließlich an den bestehenden Rechtsnormen (Gesetzen und Verordnungen) und bei deren Auslegung an der Judikatur des VwGH zu orientieren hat. In Erlässen geäußerte Rechtsansichten des BMF sind daher mangels Veröffentlichung im BGBl rechtlich nicht verbindlich und begründen weder objektive Rechte noch subjektive Ansprüche des Steuerpflichtigen (vgl nur mwN).

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2016/15/0028, hat der VwGH wie folgt ausgeführt:

"Nach der Rechtsprechung des VwGH kann bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer die Wohnung am Beschäftigungsort - ungeachtet der melderechtlichen Bezeichnung dieses Wohnsitzes - durchaus den steuerlichen (Familien-)Wohnsitz darstellen. Das gilt insb dann, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort den Wohnbedürfnissen des Arbeitnehmers nicht weniger entspricht, als eine außerhalb des Beschäftigungsortes gelegene weitere Wohnung dieses Arbeitnehmers (vgl idS zB 2006/15/0024; , 2002/15/0119 mwN)."

Diese Überlegungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu, denn dem bis September 2017 alleinstehenden Bf stand in seinem Elternhaus lediglich ein Zimmer (ohne Bad und WC) zur alleinigen Benützung zur Verfügung, wohingegen er am Ausbildungs- bzw Beschäftigungsort jeweils vollwertige Wohnungen bestehend aus Wohnraum, Schlafzimmer, Küche, Bad/WC, Vorraum samt Balkon/Loggia und Kellerabteil anmietete.

Nicht jede Begründung eines Wohnsitzes am Beschäftigungsort führt zu steuerlich zu berücksichtigenden Aufwendungen. Lediglich eine aus beruflichen Gründen notwendige Neugründung eines Wohnsitzes am Beschäftigungsort unter gleichzeitiger Beibehaltung des Wohnsitzes am Heimatort kann unter gewissen Umständen zu einer steuerlichen Berücksichtigung führen. Wesentlich sind aber nicht bloß zwei Wohnsitze, sondern auch zwei Haushalte, die vom Steuerpflichtigen aufrechterhalten werden müssen. Laut Beschwerdevorbringen liege die Begründung einer Wohnmöglichkeit am Beschäftigungsort unter gleichzeitiger "Beibehaltung" der Wohnmöglichkeit im Elternhaus und somit des Familienwohnsitzes am Heimatort vor. Unter "Beibehaltung" einer Wohnmöglichkeit ist aber nach der ständigen Rechtsprechung keinesfalls das Führen eines Haushaltes zu verstehen (vgl nur ). Auch der Bf behauptet nicht, dass er im Haus seiner Mutter den Haushalt aufrechterhalten hat, weswegen davon ausgegangen wird, dass er lediglich eine Wohnmöglichkeit im Elternhaus hatte und diesbzgl keine nennenswerten Kosten angefallen sind. Es liegt also diesbzgl keine eigene Haushaltsführung und damit auch aus diesem Grund keine Berechtigung zum Abzug von Werbungskosten vor.

Wie der Begriff doppelte Haushaltsführung bestimmt, müssen jedenfalls zwei getrennte Haushalte vorliegen. Bei einer sog "Wohnmöglichkeit" kann noch nicht von einem eigenen Haushalt gesprochen werden und wurde vom Bf auch nicht so dargestellt. Es entspricht der herrschenden Rechtsauffassung, dass ein im elterlichen Wohnungsverband gelegenes Zimmer nicht als "eigener Haushalt" bzw "eigene Wohnung" anzusehen ist (vgl ). Tatsache und aus dem Bauplan klar ersichtlich ist, dass der Bf im Wohnhaus seiner Mutter über keine eigenständige Wohnung verfügte. Dem Bf stand im Haus seiner Mutter laut seiner roten Einfärbung ein Zimmer im Ausmaß von 14,35 m² zur alleinigen Benützung zur Verfügung. Die gelb markierte Fläche war der gemeinsam genutzte Wohnraum, bestehend laut Bauplan aus einem Wohnzimmer (16,80 m²), einer Küche (14,45 m²), einer Diele (10,70 m²), einem Bad (9,80 m²) sowie einem WC (2,4 m²). Das WC und das Bad liegen außerhalb des Bereichs Wohnzimmer und Küche. Die Sanitäranlagen sind nur über eine Gemeinschaftsdiele erreichbar und standen auch dem Bruder sowie seiner Mutter zur Verfügung.

Des Weiteren hat der Bf zugestanden, dass für den Wohnsitz im Elternhaus keine Aufwendungen nachgewiesen werden könnten. In seiner Antwort auf ein diesbzgl Ergänzungsersuchen des BFG hat er objektiv nachvollziehbar dargestellt, dass seine Mutter von ihm für den Wohnbereich, den sie ihm zur Verfügung gestellt hatte, keine Mietzahlungen verlangt hätte. Dies erscheint umso plausibler, als der Bf auch seinen Wohnsitz in Salzburg, wo er schon allein aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit mehr Zeit verbringen musste, aufrechterhalten und finanzieren musste. Dass Eltern in einer solchen Situationen von ihrem Sohn für den Aufenthalt in ihrem Haus keine explizite Miete verlangen, entspricht durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung; sind doch entsprechende Anwesenheiten des Sohnes im Elternhaus maßgeblich auch von emotionalen Interessen der Eltern getragen (vgl zB ).

Wenn hin und wieder nicht belegbare pauschale Beträge als Abgeltung für entstandene Kosten an die Mutter flossen, so handelt es sich dabei um Geldflüsse, die einem familienhaften Verhältnis zuzuordnen waren. Um Zahlungsflüsse aus einem vertraglichen Verhältnis zwischen nahen Angehörigen anerkennen zu können, fordert die Rechtsprechung aber einen eindeutigen und klaren Inhalt des Vertragsverhältnisses, ausreichende Transparenz nach außen und fremdübliche Vereinbarungen (zB ). Diese Kriterien waren hier nicht erfüllt, da weder eindeutige Vereinbarungen noch nachweisbare Geldflüsse vorlagen. Sind mit dem Elternhaus des Abgabepflichtigen aber keine nachweisbaren Aufwendungen verbunden, so kann dies auch nicht zu Aufwendungen für doppelte Haushaltsführungen führen (s hiezu auch ). Wesentlich für die Berücksichtigung von Kosten für die doppelte Haushaltsführung sind nämlich nicht bloß zwei Wohnsitze, sondern auch zwei Haushalte, die vom Steuerpflichtigen aufrechterhalten bzw finanziert werden müssen (; ). Diese Tatsache bestätigte auch der Bf im Schreiben vom , wenn er ausführt, dass er Barbeträge an seine Mutter für ihren Aufwand geleistet habe, wobei er den Nachweis einer tatsächlichen Kostentragung insgesamt schuldig blieb.

Somit kann hier von dem Bf erwachsenen "Mehrkosten" im oa Sinne also erst ab dem nachweislichen Beginn der Lebensgemeinschaft im September 2017 gesprochen werden (vgl ). In casu ist spätestens mit Beginn der Polizeiausbildung im Herbst 2016 kein eigener Hausstand des Bf im steuerlichen Sinne in seinem Elternhaus im oa Sinne mehr anzunehmen, sondern erst (wieder) ab dem "Zusammenziehen" mit seiner späteren Ehefrau im 4. Quartal 2017.

Es war daher davon auszugehen, dass der Bf unabhängig davon, ob er nun nach der dreijährigen Ausbildung mit einer Übernahme in ein Dienstverhältnis als Polizist rechnete oder nicht, am Ausbildungs- bzw Beschäftigungsort erstmalig seinen Hausstand gründete und seinen Familienwohnsitz im Elternhaus aufgab. Im September 2017 begründete er dann an der Adresse ***3***, ***4***, einen neuen Familienwohnsitz mit ***1*** (nunmehr ***2***), die er im Jahr 2022 heiratete.

Abschließend untermauern auch folgende Umstände, dass der Bf mit der Anmietung einer Wohnung (zunächst mit einem Kollegen, dann eine andere Wohnung alleine) am Beschäftigungs- bzw Ausbildungsort erstmalig einen eigenen Hausstand gegründet und seinen Familienwohnsitz in seinem Elternhaus aufgegeben hat: Der Bf behauptet nämlich im gesamten Beschwerdeverfahren an keiner Stelle, dass diese Wohnungen in Salzburg nicht seinen Wohnbedürfnissen entsprochen hätten. Vor diesem Hintergrund ist aber auch nicht zu erkennen, warum es im Streitjahr für den Bf unzumutbar gewesen sein sollte, seinen (weiteren) Wohnsitz im Elternhaus aufzugeben (vgl dazu ). Auch aus der Möglichkeit einer - wie er vorbringt - "absehbaren befristeten Entsendung an einen anderen Beschäftigungsort" ergibt sich eine solche Unzumutbarkeit schon deshalb nicht, weil im Beschwerdefall jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Bf im Falle einer Entsendung an einen anderen Dienstort (gerade) mit einem Einsatz im Einzugsbereich seines Elternhauses hätte rechnen können (vgl dazu zB ). Vom Bestehen besonders gelagerter Pflegenotwendigkeiten war in casu gleichfalls nicht auszugehen.

Aus den genannten Gründen konnten daher die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten gewährt werden.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung vorliegen, ist auf Basis der Rechtsprechung des VwGH (s oben zitierte VwGH-Judikatur), von der im ggst Fall nicht abgewichen wurde, bezogen auf das konkret vorliegende sachliche Geschehen als Tatfrage im Wege der Beweiswürdigung zu lösen und hing insb von den Umständen des Einzelfalles ab. Das ggst Erkenntnis war somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig, weswegen eine Revision an den VwGH nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100022.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at