Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.05.2023, RV/2100207/2021

Keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch VertretungsNetz - Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung, Flugplatzstraße 52 Tür 7, 5700 Zell/See, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag vom betreffend (erhöhte) Familienbeihilfe ab Juli 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die am xx.xx.1993 geborene Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am durch ihre Erwachsenenvertretung die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe für sich ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Deshalb ersuchte das Finanzamt das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ("Sozialministeriumservice") ein ärztliches Sachverständigengutachten zu erstellen. In der Stellungnahme des Sozialministeriums vom wurde dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin unentschuldigt nicht zur Untersuchung erschienen ist.

Aus den Vorjahren lagen bereits zwei Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vor, die im Rahmen einer Beantragung der Familienbeihilfe durch die Mutter der Bf. und einer Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid veranlasst wurden:

In dem im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ("Sozialministeriumservice") erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, relevanter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund folgende Diagnose erstellt und dafür nach der angegebenen Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 70 v. H. seit Juli 2017 festgestellt:

Weiters wurde ausgeführt:
"
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Frau
***Bf1*** ist in ihrem Zustand nicht arbeitsfähig.
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

Im ärztlichen Sachverständigengutachten des Sozialministeriums vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, relevanter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund folgende Diagnose erstellt und dafür nach der angegebenen Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wiederum ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 70 v. H. seit Juli 2017 festgestellt:

Begründend wurde ausgeführt:
"Stellungnahme zu Vorgutachten:
Gleiche Einschätzung wie bei meinem VGA von 12/2017. Der Krankheitsbeginn kann nicht vordatiert werden, weil es dafür keine ärztlichen Befunde gibt.
Frau
***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Eine Arbeitsfähigkeit ist zum jetzigen Zeitpunkt längerfristig nicht gegeben. Eine dauernde Arbeitsunfähigkeit ist anzunehmen
."
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

Im Bescheid vom wurde unter Verweis auf die Bestimmungen der §§ 6 Abs. 2 lit. d und 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) der Antrag der Bf. für den Zeitraum ab Juli 2015 abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Eine rückwirkende Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ist für max. fünf Jahre ab der Antragstellung möglich bzw. ab dem Monat, ab dem das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt hat (§ 10 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der geltenden Fassung).
Laut Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom , GZ
***1***, wurde bereits eine Untersuchung, beantragt von der Kindesmutter Frau ***2***, durchgeführt mit dem Ergebnis, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 18. Lebensjahr festgestellt werden konnte. Dagegen wurde eine Beschwerde von der Kindesmutter eingebracht. Es wurde beim Sozialministeriumservice eine nochmalige Untersuchung initiiert. Das Gutachten vom , GZ ***3***, kam zu dem gleichen Ergebnis:
Es konnte wiederum keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 18. Lebensjahr bei Ihnen festgestellt werden.
Laut Abfrage im Zentralen Melderegister bestand von bis und von bis ein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter Frau
***2***.
Laut Versicherungsdatenabfrage wird Bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen, das heißt, die Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs erfolgt aus öffentlichen Mitteln.
"

Mit Schreiben vom brachte der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid mit folgender Begründung ein:
"Mit dem oben genannten Abweisungsbescheid wurde der Antrag von Fr. ***Bf1*** auf Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe mit der Begründung abgelehnt, dass bei der Beschwerdeführerin keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 18. Lebensjahr festgestellt werden konnte. Dem wird entgegengehalten, dass sich die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt noch in der Berufsausbildung befand. Frau ***Bf1*** besuchte 4 Jahre die Volksschule und 4 Jahre die Hauptschule. Dann war sie kurze Zeit in der HBLA in ***4*** und wechselte in die HBLA nach ***5***. Diese Schule brach sie ca. 2 Monate vor dem Schulabschluss ab. Zuletzt begann sie ein Lehrverhältnis in der ***6*** in ***7***, welches sie auch nach 3 Monaten beendete. Zu diesem Zeitpunkt war sie 21 Jahre alt.
Ab diesem Zeitpunkt trat die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin immer mehr in den Vordergrund. Es kam zu regelmäßigen Aufenthalten in der allgemeinpsychiatrischen Abteilung des LKH
***8***. Im Jahr 2020 wurde schließlich ein Erwachsenenschutzverfahren für die Beschwerdeführerin eingeleitet und der Verein VertretungsNetz mit Beschluss des BG ***9*** vom zum Erwachsenenvertreter bestellt. Fr. ***Bf1*** ist in regelmäßigen Abständen in stationärer psychiatrischer Behandlung im LKH ***8***.
Es ist daher davon auszugehen, dass Fr.
***Bf1*** während ihrer Berufsausbildung erkrankt ist, und zwar vor Vollendung des 21. Lebensjahres und mit Sicherheit vor Erreichung des 25. Lebensjahres. Aufgrund ihrer massiven psychischen Erkrankung ist Fr. ***Bf1*** dauernd erwerbsunfähig. Allein der Verlauf ihrer Schul- bzw. Berufsausbildung ist ein deutliches Indiz für das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung. Es ist mit Sicherheit von einer bereits vor dem 21. Lebensjahr beginnenden schweren psychischen Erkrankung auszugehen."

Unter Vorlage der Beschwerde forderte das Finanzamt ein weiteres Sachverständigengutachten an. In dem im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ("Sozialministeriumservice") erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten auf Grund der Aktenlage vom wurde nach der Anführung sämtlicher relevanten Befunde als Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausgeführt:
"Bei Frau ***Bf1*** ist eine schwere psychische Erkrankung seit dem 24. Lebensjahr belegt. Ein weiterer ärztlicher Befund bescheinigt das Vorliegen einer akuten psychischen (affektiven) Störung (einer Dysthymie) im September 2014, somit ca. 7 Monate nach Vollendung des 21. Lebensjahrs. Über Schwere und Verlauf dieser Erkrankung liegen keine weiteren Befunde vor.
Zeugnisse belegen massive Fehlstunden, teilweise auch unentschuldigt, im Schuljahr 2009/ 2010 (vor Vollendung des 18. Lebensjahrs), sowie einen Schulabbruch im Jahr 2011 (vor Vollendung des 19. Lebensjahrs). Danach belegt der Versicherungsdatenauszug, dass die Aufnahme einer geregelten Erwerbstätigkeit nie gelungen ist.
Schulabbruch und fehlende Arbeitsfähigkeit könnten durchaus als Krankheitsfolge gedeutet werden. (Wie oben ausgeführt, liegt der Krankheitsbeginn einer paranoiden Schizophrenie häufig im Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter). Der genaue Beginn der Erwerbsunfähigkeit kann aufgrund fehlender medizinischer Befunde jedoch nicht genau festgelegt werden
."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Anführung der Bestimmungen der §§ 6 Abs. 2 lit. d, 8 Abs. 5 und 8 Abs. 6 FLAG 1967 ab und verwies auf die drei Gutachten des Sozialministeriumservice, in denen eine Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin vor dem vollendetem 21. Lebensjahr nicht festgestellt wurde.
Außerdem wurde nochmals darauf hingewiesen, dass laut Abfrage im Zentralen Melderegister ein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter von bis und von bis bestand.

Daraufhin stellte der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) ohne weitere Begründung.

Lt. Versicherungsdatenauszug wurde von der Beschwerdeführerin vom bis zumindest zur Erlassung des ggst. Abweisungsbescheides bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) idgF haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 bezweckt die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, mit Vollwaisen, für die niemand unterhaltspflichtig ist und die deshalb einen eigenen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Der Gesetzgeber will mit dieser Bestimmung in jenen Fällen Härten vermeiden, in denen Kinder sich weitgehend selbst erhalten müssen ().

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu , und , sowie ) hat sich darauf zu erstrecken, ob ein Antragsteller wegen einer vor Vollendung seines 21. Lebensjahres (oder - für den Beschwerdefall nicht relevant - während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. etwa ).

Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen.

Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa und ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. und , mwN).

Damit eine Person die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe erfüllt, muss die Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten sein und dies durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund der erstellten Sachverständigengutachten bescheinigt werden.
Die Sachverständigen im Sozialministeriumservice ziehen bei ihrer Diagnoseerstellung bzw. um den Zeitpunkt des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit feststellen zu können, neben den Untersuchungsergebnissen und ihrem Fachwissen regelmäßig die von den Antragstellern vorgelegten Befunde heran. Hilfreich sind dabei vor allem "alte" Befunde, Arztbriefe etc., die darauf schließen lassen, dass die Erkrankung bereits vor dem 21. Lebensjahr bzw. während einer schulischen Ausbildung aufgetreten ist; aber derartige Befunde stehen den Sachverständigen erfahrungsgemäß kaum zur Verfügung, vermutlich auch deswegen, weil sich viele Erkrankungen mit zunehmendem Alter verschlechtern und demgemäß ärztliche Hilfe erst später in Anspruch genommen wird.
Die Ärzte haben somit medizinische Feststellungen über Zeiträume zu treffen, die oft Jahrzehnte zurückliegen.
Damit kann aber die vom Gesetzgeber geforderte Feststellung des tatsächlichen Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit eines Antragstellers immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen (vgl. ).

§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 stellt darauf ab, dass der Vollwaise / "Sozialwaise" auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt; die vom Gesetzgeber geforderte Feststellung des tatsächlichen Eintritts der Erwerbsunfähigkeit eines Antragstellers kann immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen (; , und ). Liegen keine Befunde vor einem bestimmten Zeitraum vor, ist es einem Gutachter nicht möglich, bereits davor eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festzustellen, sofern kein Leidenszustand vorliegt, der eindeutig eine Erwerbsfähigkeit bereits von vorneherein ausschließt ().

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes sind im vorliegenden Beschwerdefall sämtliche Gutachten vollständig, schlüssig und widersprechen einander nicht.

Dem Vorbringen in der Beschwerde ist entgegenzuhalten, dass in drei Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen entsprechend den vorliegenden Befunden ein Grad der Behinderung von 70% ab Juli 2017 und dass die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor dem vollendetem 21. Lebensjahr der Bf. eingetreten ist, übereinstimmend festgestellt wurde.
Daher wurde die dauernde Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres (xx.xx.2014) festgestellt. Eine spätere Berufsausbildung der Bf. vor Vollendung des 25. Lebensjahres ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Somit liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 nicht vor und es war wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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