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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.06.2023, RV/3100295/2016

Operationen in Privatklinik: Mehrkosten mangels Nachweises der medizinischen Notwendigkeit keine außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Dr. Josef Vergeiner, Tiroler Straße 30, 9900 Lienz, über die Berufung, nunmehr Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Einkommensteuer 2011 wird mit 1.824 Euro festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Am reichte der Beschwerdeführer (Bf.) seine Einkommensteuererklärung für 2011 über FinanzOnline ein. Darin machte er verschiedene Sonderausgaben geltend, insbesondere Spenden im Ausmaß von 1.584,00 €, sowie Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung im Ausmaß von 8.408,94 €.

Vor Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2011 führte die Abgabenbehörde ein Vorhalteverfahren durch, im Zuge dessen die Spenden sowie die Krankheitskosten überprüft wurden. Vom Bf. wurden dabei entsprechende Belege vorgelegt. Zu den Krankheitskosten führte die Behörde aus, höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, seien nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen. Darauf erwiderte der Bf., die durchgeführten chirurgischen Eingriffe seien im Bezirkskrankenhaus ***Bezirkshauptort*** nicht möglich gewesen und er habe von vornherein größeres Vertrauen zu den Ärzten in ***Sanatorium-Ort*** gehabt, bei denen es sich um zwei bestqualifizierte Chirurgen handle. Für den Fall, dass die Abgabenbehörde keine antragsgemäße Veranlagung durchführen wolle, beantragte der steuerliche Vertreter des Bf. die amtswegige Einholung eines medizinischen Gutachtens über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Operation.

Mit Einkommensteuerbescheid 2011 vom kürzte die Abgabenbehörde die als Sonderausgaben geltend gemachten Spenden um 125,00 € sowie die Krankheitskosten um 2.588,58 €. Begründend führte sie dazu aus, die Spenden seien teilweise nicht absetzbar, weil sie an nicht begünstigte Organisationen geleistet worden seien; die außergewöhnlichen Belastungen seien zu kürzen, weil Aufwendungen für die Sonderklasse nicht als zwangsläufig erwachsen anzusehen und triftige medizinische Gründe für den Aufenthalt in der Sonderklasse nicht nachgewiesen worden seien. Zudem sei der geltend gemachte Betrag um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Da der nunmehr gekürzte Betrag von 5.820,36 € den Selbstbehalt in Höhe von 7.831,91 € nicht überstieg, wirkte sich der Restbetrag der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung steuerlich nicht aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Berufung des Bf. vom , bei der bescheiderlassenden Behörde eingebracht am , in welcher der Bf. zusammengefasst vorbringt, er habe die triftigen medizinischen Gründe angeführt, aber die Behörde habe dies nicht gewürdigt. Die Behörde sei zudem nicht auf den Antrag auf amtswegige Einholung eines Sachverständigengutachtens eingegangen und habe nicht im Einzelnen ausgeführt, welche Spenden aus welchen Gründen nicht anerkannt wurden, weshalb der Bescheid mit schweren Verfahrensmängeln behaftet sei.

Mit Vorhalt vom ersuchte die bescheiderlassende Behörde den Bf. erneut um Vorlage eines Nachweises der triftigen medizinischen Gründe, wobei sie ausführte, dass diese grundsätzlich durch entsprechende, vor Behandlungsbeginn ausgestellte ärztliche Gutachten nachzuweisen seien. Hinsichtlich der Spenden ersuchte die Behörde den Bf. um Stellungnahme zu 2 Spendenempfängern, die nicht in der Liste der begünstigten Empfänger enthalten seien.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte der Bf. neben der Wiederholung seines bisherigen Vorbringens aus, die Komplikationen haben eine sofortige Operation erforderlich gemacht, weil "tödliche" Schmerzen aufgetreten seien. In der allgemeinen Gebührenklasse wären die Wartezeiten erheblich gewesen und es sei dem Bf. nicht zumutbar gewesen, wochen- oder monatelang derart starke Schmerzen zu ertragen. Im Übrigen sei die Wahl der Sondergebührenklasse Ausfluss der freien Arztwahl. Ergänzend beantragte der Bf. in der Vorhaltsbeantwortung, auch die Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Behandlung mit dem amtlichen Kilometergeld als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Zu den Spenden nahm der Bf. nicht Stellung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab die bescheiderlassende Behörde der Berufung hinsichtlich der ergänzend geltend gemachten Fahrtkosten teilweise statt, wobei dadurch aber keine Änderung in der Besteuerung eintrat, da die außergewöhnlichen Belastungen laut Berufungsvorentscheidung den Selbstbehalt nicht überstiegen. Begründend führte die Behörde aus, bloße Vorstellungen oder Befürchtungen des Betroffenen im Zusammenhang mit der von der Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung würden keine triftigen medizinischen Gründe im Sinne der VwGH-Judikatur darstellen. Vielmehr müsse nachgewiesen werden, dass der Betroffene ohne die mit höheren Kosten verbundene Betreuung ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen ausgesetzt gewesen wäre. Aufgrund gesetzlicher Regelungen würden keine Unterschiede in der medizinischen Versorgung zwischen Patienten der Sonderklasse und denjenigen der allgemeinen Krankenversicherung bestehen, da für die Behandlung von allen Patienten eines Krankenhauses ausschließlich der Gesundheitszustand maßgeblich sei. Dass die erforderliche Behandlung in einem Krankenhaus mit allgemeiner Gebührenklasse nicht möglich gewesen sei, habe der Bf. jedenfalls nicht nachgewiesen. Spenden des Bf. wurden im Ausmaß von 125,00 € nicht anerkannt, da die Spendenempfänger "Armut Österreich" und "Hilfsaktion Noma" nicht in der Liste der begünstigten Einrichtungen enthalten seien.

Gegen diese Berufungsvorentscheidung richtet sich der rechtzeitige Vorlageantrag des Bf. vom , mit welchem dieser einerseits eine Bestätigung seiner Hausbank vorlegte, gemäß welcher die Spenden an "ARMIUT Österreich" tatsächlich an die Organisation "AMINA" geleistet wurden, und andererseits vorbrachte, der Bf. habe das Krankenhaus gewechselt, weshalb die Berufungsbegründung zu diesem Punkt unzutreffend sei. Dazu könne er auch einen Arztbrief vorlegen (mit dem Vorlageantrag wurde aber kein solcher vorgelegt). Im Vorlageantrag wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt.

Nachdem der Vorlageantrag nach Angaben der bescheiderlassenden Behörde zwischenzeitlich in Verstoß geriet, legte die Behörde die Berufung, nunmehr Beschwerde, am samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Am ergänzte der Bf. die Beschwerde dahingehend, dass er zusätzlich die Berücksichtigung freiwilliger Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 4.289,76 € als Werbungskosten beantragte.

Im Zuge der Finanzorganisationsreform trat mit das Finanzamt Österreich an die Stelle der bescheiderlassenden Behörde. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der mit neu besetzten Senatsgerichtsabteilung 4013-1 zugewiesen.

Über Vorhalt des Gerichts legte der Bf. am Nachweise für die geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträge vor. Mit Fax vom nahm er seine Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Entscheidung durch den gesamten Senat zurück.

2. Sachverhalt

2.1. Krankheitskosten

Der Bf. ist und war bereits im Jahr 2011 Arzt im Ruhestand. Er unterzog sich im Jahr 2011 zwei chirurgischen Eingriffen im Sanatorium ***Sanatorium***, einer privaten Krankenanstalt in ***Sanatorium-Ort***. Von bis war er zwecks Durchführung eines Eingriffs an der Wirbelsäule (Foraminotomie) dort stationär aufgenommen und von bis zwecks Durchführung einer Leistenbruchoperation (beidseitige laparoskopische Herniotomie).

Für diese Aufenthalte wurden ihm insgesamt 11.225,73 € in Rechnung gestellt, davon 5.780,18 € an Sonderklassegebühren und 5.445,55 € an Arzthonoraren. Das Sanatorium ***Sanatorium*** hat darüber hinaus die von der Sozialversicherung getragenen Leistungen direkt mit dieser verrechnet. Vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol erhielt er Zuschüsse zur Abdeckung der Sonderklassegebühren in Höhe von insgesamt 3.270,00 €.

Die insgesamt geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen im Ausmaß von 8.408,94 € enthalten neben den € 5.445,55 an Arzthonoraren für die oben angeführten Behandlungen insbesondere die nach Abzug der Zuschüsse des Wohlfahrtsfonds verbleibenden 2.510,18 € an Sonderklassegebühren. Die restlichen 453,21 € entfallen auf diverse weitere Arzt-, Zahnarzt- und Physiotherapiehonorare, die im gegenständlichen Verfahren nicht strittig sind. Darunter ist auch eine Honorarnote über eine Untersuchung im Wirbelsäulenzentrum des Sanatoriums ***Sanatorium*** vom . Der Bf. hat all diese Beträge im Jahr 2011 bezahlt bzw. erhalten.

Die gegenständlichen chirurgischen Eingriffe werden am Bezirkskrankenhaus ***Bezirkshauptort*** nicht durchgeführt, aber sehr wohl an anderen öffentlichen Krankenanstalten wie beispielsweise der Universitätsklinik Innsbruck. Der behandelnde Arzt bei der zweiten Operation, Univ.-Prof. Dr. ***OP-Arzt***, war zum Zeitpunkt dieser Operation auch stellvertretender Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie. Dass die Durchführung der Eingriffe in einer privaten Krankenanstalt medizinisch indiziert war, konnte nicht festgestellt werden.

2.2. Spenden

Der geltend gemachte Betrag von 1.584 € setzt sich aus 97 Einzelspenden an verschiedene Organisationen zusammen. Darunter gingen laut Aufstellung des Bf. und Überweisungsbelegen 5 Spenden an "Armut Österreich" bzw. "AMURT Österreich" im Ausmaß von insgesamt 80 € sowie 3 Spenden an die "Hilfsaktion Noma" im Ausmaß von insgesamt 45 €. Tatsächlicher Spendenempfänger der Überweisungen an "Armut Österreich" bzw. "AMURT Österreich" war der Verein "AMINA - aktiv für Menschen in Not Austria" (ZVR: 662074512), der bis 2010 "AMURT Österreich" hieß. Dieser Verein verfügt seit über einen Spendenbegünstigungsbescheid (Registrierungsnummer SO-2203). Von den insgesamt 80 €, welche der Bf. an diesen Verein spendete, wurden 65 € vor diesem Datum an den Verein überwiesen und 15 € nach diesem Datum. Die "Hilfsaktion Noma" verfügt erst seit über einen Spendenbegünstigungsbescheid (Registrierungsnummer SO-2437).

2.3. Freiwillige Krankenversicherungsbeiträge

Der Bf. war im Jahr 2011 in keiner gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert und hat im Jahr 2011 freiwillige Krankenversicherungsbeiträge im Ausmaß von insgesamt 4.289,76 € an die Tiroler Gebietskrankenkasse geleistet.

3. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Art der durchgeführten Eingriffe, zur Dauer der stationären Aufenthalte sowie zu den dafür entrichteten Beträgen ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Rechnungen samt Leistungsaufstellungen, die sich auch mit dem Vorbringen des Bf. decken. Dass die gegenständlichen chirurgischen Eingriffe am Bezirkskrankenhaus ***Bezirkshauptort*** nicht durchgeführt werden, hat der Bf. glaubhaft behauptet und wurde von der Behörde auch nicht bestritten.

Der Bf. hat allerdings auch nie behauptet, dass derartige Eingriffe an öffentlichen Krankenanstalten generell nicht durchgeführt werden. Dass diese Eingriffe insbesondere an der Universitätsklinik Innsbruck durchgeführt werden, ergibt sich für das Gericht einerseits aus dem Umstand, dass diese Klinik erheblich größer als das Sanatorium ***Sanatorium*** ist und nach Erfahrung des erkennenden Richters ein deutlich breiteres Spektrum an Behandlungen anbietet, sowie andererseits aus den von der Universitätsklinik Innsbruck im Internet bereitgestellten Informationen (Seite der Universitätsklinik für Neurochirurgie zur Wirbelsäulenchirurgie: https://neurochirurgie.tirol-kliniken.at/page.cfm?vpath=aufgabenbereiche/ spinale-chirurgie, Seite der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie zur Hernienchirurgie: https://www.chirurgie-innsbruck.at/de/hernienchirurgie).

Zur beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens ist auszuführen, dass das vom steuerlichen Vertreter angeführte Beweisthema ("Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Operation") nicht weiter zu erörtern ist, da weder die Abgabenbehörde noch das Gericht an der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Operation(en) zweifelt. Strittig ist nämlich nicht die medizinische Indikation der Behandlungen an sich, sondern ob eine medizinische Indikation für eine Aufnahme und Behandlung in einer privaten Krankenanstalt vorlag. Dazu wurden trotz mehrfacher Aufforderung der Abgabenbehörde keinerlei Nachweise vorgelegt, weshalb das Gericht dies in freier Beweiswürdigung verneint.

Die Feststellung zum behandelnden Arzt bei der zweiten Operation beruht auf dem Leistungsnachweis zur Operation und dem auf der Webseite dieses Arztes dargestellten Lebenslauf.

Die Feststellungen zu den Spenden wurden aufgrund der vorgelegten Unterlagen (Spendenliste und Überweisungsbelege) getroffen. Dass der Bf. die gegenständlichen Spenden geleistet hat, wurde auch von der Abgabenbehörde nie bestritten. Die Identität des Vereins "AMURT Österreich" mit dem Verein "AMINA - aktiv für Menschen in Not Austria" war für das Gericht bereits nach einer kurzen Internetrecherche zu erkennen. Die Daten zu den Spendenbegünstigungsbescheiden hat das Gericht der entsprechenden Liste des BMF entnommen.

Die Feststellung zu den freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen ergibt sich unmittelbar und widerspruchsfrei aus dem am vorgelegten Kontoauszug vom Versicherungskonto des Bf. bei der Tiroler Gebietskrankenkasse. Zudem ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zum ergänzenden Vorbringen bezüglich dieser Beiträge keine Stellungnahme abgegeben und die Abzugsfähigkeit dieser Beiträge in den Folgejahren stets akzeptiert hat.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu den Krankheitskosten

Gemäß § 34 EStG 1988 sind außergewöhnliche Belastungen bei der Ermittlung des Einkommens in Abzug zu bringen. Für die Abzugsfähigkeit müssen nach dieser Bestimmung kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, also höher als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen;

  2. der Steuerpflichtige kann sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen (Zwangsläufigkeit);

  3. die Belastung beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das heißt, sie übersteigt den nach der Höhe des Einkommens gestaffelten Selbstbehalt.

Fraglich ist bei den gegenständlichen Sonderklassegebühren insbesondere das Vorliegen der Zwangsläufigkeit. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl. ; , 2001/15/0116). Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind. Triftige Gründe liegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dann vor, wenn sie in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen (; , 85/14/0181).

Um beurteilen zu können, ob derartige ernsthafte gesundheitliche Nachteile feststehen oder sich konkret abzeichnen, wird regelmäßig ein medizinisches Gutachten bzw. ein Attest eines (vom Bf. verschiedenen) Arztes erforderlich sein. Aus diesem müsste hervorgehen, dass die Behandlung in einer öffentlichen Krankenanstalt bzw. in der Allgemeinklasse gegenüber der gewählten Behandlung in einer privaten Krankenanstalt zu konkreten Nachteilen für den Bf. führen würde. Ein solches (regelmäßig bereits vor Beginn der Behandlung ausgestelltes) Gutachten bzw. Attest hat der Bf. nicht vorgelegt. Die Einholung eines nachträglichen Gutachtens erscheint dem Gericht nicht zweckmäßig, weil nach nunmehr über zwölf Jahren seit dem ersten strittigen chirurgischen Eingriff erhebliche Schwierigkeiten bei der Befundaufnahme, aber insbesondere beim gebotenen Vergleich der Behandlung in einer öffentlichen Krankenanstalt mit der Behandlung in einer privaten Krankenanstalt zu erwarten sind.

Die Befürchtung des Bf., es könne in der Allgemeinklasse eventuell zu längeren und allenfalls unzumutbaren Wartezeiten kommen, erscheint dem Gericht grundsätzlich nicht unplausibel. Allerdings trifft der Einwand der Behörde zu, dass auch die allgemeinen öffentlichen Krankenanstalten eine Priorisierung nach medizinischen Gesichtspunkten vornehmen und Operationen vorreihen, wenn dies medizinisch geboten ist (vgl. die OP-Warteliste der Tiroler Landeskrankenanstalten, https://www.tirol-kliniken.at/page.cfm?vpath=ueber-uns/ patientinneninformation/op-warteliste). Auch ist für das Gericht mangels diesbezüglicher Unterlagen nicht erkennbar, dass die Wartezeit des Bf. durch die Behandlung im Sanatorium ***Sanatorium*** tatsächlich verkürzt wurde. Schließlich liegen auch zwischen der Untersuchung am , bei welcher der Bf. offenbar bereits Beschwerden im Zusammenhang mit der Wirbelsäule haben musste, und dem chirurgischen Eingriff Ende April ungefähr drei Monate. Diesbezüglich geht das Gericht daher davon aus, dass eine bloße Befürchtung des Bf. vorlag, die aber nach der Judikatur nicht zur Annahme der Zwangsläufigkeit genügt.

Ebenso nicht von Bedeutung ist das besondere Vertrauen, welches der Bf. den behandelnden Ärzten entgegenbrachte. Vielmehr ist die Arztwahl als im Sinne der angeführten Judikatur unbeachtlicher "bloßer Wunsch" anzusehen. Die freie Arztwahl ist zweifellos ein hohes Gut und der Bf. ist natürlich - wie in seinem Vorlageantrag vorgebracht - keineswegs verpflichtet, den "Billigstbieter" und nicht den "Bestbieter" auszuwählen. Der freie Entschluss des Bf., sich einer teureren medizinischen Behandlung zu unterziehen, als zur Heilung oder Linderung notwendig gewesen wäre, kann nicht dazu führen, dass der Bf. diese Mehrkosten auf die Allgemeinheit überwälzen kann. Zudem ist darauf zu verweisen, dass der Bf. zumindest hinsichtlich seiner zweiten Operation auch an der Universitätsklinik Innsbruck durch denselben Arzt behandelt hätte werden können.

Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob infolgedessen nur den Sonderklassegebühren oder auch den mit den Aufenthalten im Sanatorium ***Sanatorium*** untrennbar verbundenen Privatarzthonoraren das Element der Zwangsläufigkeit fehlt. In beiden Fällen unterschreiten die verbleibenden Aufwendungen nämlich den Selbstbehalt, der nach Berücksichtigung der Änderungen durch dieses Erkenntnis (siehe Punkte 4.2. und 4.3.) 7.358,38 € beträgt. Aus demselben Grund kann auch dahingestellt bleiben, ob die tatsächlichen Fahrtkosten des Bf. zu und von der Behandlung - wie beantragt und in der Berufungsvorentscheidung auch gewährt - mit dem amtlichen Kilometergeld oder niedriger zu schätzen sind.

4.2. Zu den Spenden

Gemäß § 4a Abs. 7 Z 1 EStG 1988 sind Spenden nur dann abzugsfähig, wenn der Spendenempfänger zum Zeitpunkt der Zuwendung über einen Spendenbegünstigungsbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 verfügte. Der Verein "AMINA - aktiv für Menschen in Not Austria" erfüllt diese Voraussetzung erst seit , die "Hilfsaktion Noma" erfüllte diese Voraussetzung im Jahr 2011 überhaupt nicht.

Daher ist von den strittigen Spenden nur die nach Ausstellung des Spendenbegünstigungsbescheides an den Verein "AMINA - aktiv für Menschen in Not Austria" geleistete Spende in Höhe von 15 € abzugsfähig, die übrigen Spenden in Höhe von 65 € hingegen nicht. Ebenso sind die Spenden an die "Hilfsaktion Noma" im Jahr 2011 in Höhe von 45 € nicht abzugsfähig.

4.3. Zu den freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen

Gemäß § 16 Abs. 1 ASVG können sich Personen, die nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind und die ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Krankenversicherung auf Antrag selbst versichern. Der Bf. erfüllt diese Voraussetzungen und hat sich freiwillig bei der Tiroler Gebietskrankenkasse krankenversichert. Diese freiwilligen Beiträge zu einer gesetzlichen Krankenversicherung sind nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit e EStG 1988 als Werbungskosten absetzbar (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 16 Tz 105).

Da die belangte Behörde dem Gericht die entsprechende Beschwerdeergänzung ohne Abgabe einer Stellungnahme vorlegte und dem Bf. den Werbungskostenabzug auch in den Folgejahren zugestanden hat, konnte das Gericht von der Einholung einer Stellungnahme der belangten Behörde zum übermittelten Versicherungskontoauszug (und zur Beschwerdeergänzung) absehen.

4.4. Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das vorliegende Erkenntnis der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100295.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at