Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.04.2023, RV/7500129/2023

Übertretung der Gebrauchsabgabe durch den Geschäftsführer bei Insolvenz der GmbH

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf., geb. am 1988, vertreten durch Ankershofen Goess Hinteregger Rechtsanwälte OG, 1010 Wien, Plankengasse 7/3, vom , gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, MA 6, vom , Zl MA 6/123456789/2021, betreffend acht Verwaltungsübertretungen nach § 1 Abs 1 iVm mit § 16 Abs 1 und Tarifpost D1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl für Wien Nr 20, in der Fassung des LGBI Nr 57/2019, iZm § 9 Abs 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom wurde dem Beschwerdeführer (Bf) vorgeworfen, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der XY Bau GmbH in acht näher bezeichneten Fällen an näher bezeichneten Standorten in Wien den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, in näher bezeichneten Zeiträumen im Jahr 2021, durch die Belassung näher beschriebener Baustelleneinrichtungsflächen sowie näher beschriebener Gerüste, genutzt, wofür er bis zum bzw. hierfür weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe verkürzt und acht Verwaltungsübertretungen begangen.
Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 1 Abs 1 iVm § 16 Abs 1 und Tarifpost D1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl für Wien Nr 20 idgF LGBl Nr 57/2019, iZm § 9 Abs 1 VStG.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden gemäß § 16 Abs 1 GAG über den Bf folgende Strafen verhängt:
Acht Geldstrafen in einer Gesamthöhe von EUR 5.280,00, falls diese uneinbringlich seien, acht Ersatzfreiheitsstrafen von näher bezeichnetem Ausmaß.
Ferner wurden gemäß § 64 VStG gesamt EUR 528,00 (10% der Strafe) als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.
Der zu zahlende Gesamtbetrag betrug daher EUR 5.808,00.

In der Begründung wurde nach Darstellung der gesetzlichen Grundlagen i.w. ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Bf die zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufene Person und somit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich verantwortlich sei.
Im vorliegenden Fall gehe aus einer Anzeige der MA 46 hervor, dass der Beschuldigte den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, durch die oben angeführten Taten ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen habe. Einer Aufforderung zur Rechtfertigung sei keine Folge geleistet worden. Die Taten seien letztlich unbestritten geblieben und somit als erwiesen anzusehen.
Eine Verkürzung liege bereits dann vor, wenn eine Abgabe unter Verletzung einer Anzeigepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet werde.
Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehöre der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe komme.
Es folgen Ausführungen über die Strafhöhe, die Wirkung der Strafe und die Strafbemessung.

Der rechtsfreundlich vertretene Bf brachte in der am form- und fristgerecht eingebrachten Beschwerde i.w. vor, er sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der XY Bau GmbH, über welche durch das Handelsgericht Wien mit Stichtag **.05.2021 die Insolvenz ohne Eigenverwaltung der Schuldnerin eröffnet worden sei. Eine Masseverwalterin sei bestellt worden. Der Konkurs sei mit Beschluss vom **.12.2021 aufgehoben worden. Mit Beschluss des HG Wien vom **.06.2022 sei erneut Insolvenz eröffnet worden. Am **.06.2022 sei die Schließung des Unternehmens angeordnet worden und am **.03.2022 sei die Auflösung der Gesellschaft infolge des Konkursverfahrens in das Firmenbuch eingetragen worden.
Die XY Bau GmbH sei Bauführerin auf ggstdl Baustelle gewesen. Vor Beginn der Insolvenz habe mit Laufzeit bis eine aufrechte Bewilligung nach dem GAG für die dort befindlichen Baustelleneinrichtungsflächen vorgelegen.
Nach Insolvenzeröffnung sei diese Bewilligung durch die Masseverwalterin offenbar nicht verlängert worden. Deshalb sei in weiterer Folge ein Bescheid der MA 46 ergangen, mit welchem die XY Bau GmbH zur Zahlung von gesamt EUR 7.524,00 als Gebrauchsabgabe für die Nutzung des öffentlichen Grundes ohne Gebrauchserlaubnis in der Zeit vom bis verpflichtet worden sei. Die Masseverwalterin habe anschließend im Oktober eine entsprechende Zahlung veranlasst. Eine fristgerechte Verlängerung der bestehenden Bewilligung über den hinaus sei von der Masseverwalterin offenbar allerdings nicht veranlasst worden.
Der Bf sei zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretungen zwar handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen, aber auf Grund der bereits erfolgten Insolvenzeröffnung ohne Eigenverwaltung hätte er keine Befugnis mehr gehabt, das Unternehmen im relevanten Zeitraum nach außen zu vertreten. Diese Gegebenheiten seien der Insolvenzdatei entnehmbar.
Der Bf sei seit der Insolvenzeröffnung mit rechtlich nicht mehr zur Vertretung nach außen befugt gewesen und er sei auch nicht mehr für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die XY Bau GmbH verantwortlich gewesen.
Seit sei allein die Masseverwalterin das zur Vertretung nach außen befugte Organ und somit auch allein nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortlich gewesen.
Im anhängigen Insolvenzverfahrens könne ausschließlich die Masseverwalterin Maßnahmen zur Vermeidung rechtswidrigen Verhaltens setzen.
Der Bf sei hingegen nicht nach § 9 VStG strafrechtlich verantwortlich gewesen.

Die angesprochenen Unterlagen wurden als Beilagen zur Beschwerde vorgelegt.

Der Magistrat der Stadt Wien legte mit Schreiben vom die Beschwerde dem zuständigen Bundesfinanzgericht vor und beantragte, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, da der Bf auf Grund der Konkurseröffnung nicht mehr für die ggstdl Verwaltungsübertretungen verantwortlich gewesen sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bf war handelsrechtlicher Geschäftsführer der XY Bau GmbH.
Mit Beginn der Wirkungen der Eröffnung am wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom über das Vermögen der XY Bau GmbH das Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und eine Masseverwalterin bestellt.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.

Die dem Bf zur Last gelegten Taten - Verkürzung der Gebrauchsabgabe in acht Fällen durch die Belassung näher beschriebener Baustelleneinrichtungsflächen sowie näher beschriebener Gerüste auf öffentlichem Gemeindegrund, ohne eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet zu haben - wurden in der Zeit von Juli 2021 bis Oktober 2021 bis zum bzw. begangen.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen sind dem Verwaltungsakt sowie einem Auszug aus dem Firmenbuch entnommen und sind unstrittig.

Rechtliche Beurteilung:

§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet wie folgt:

"(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:
1. im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;
2. im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.
(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten."

§ 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:

"Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;"

Nach den getroffenen Feststellungen war die XY Bau GmbH Bauführerin auf ggstdl Baustellen.

Gemäß § 2 IO treten die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört, oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH und einhelliger Lehre erfolgt ab Konkurseröffnung ein Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit iSd § 9 Abs 1 VStG vom handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GmbH auf deren Masseverwalter (; ).

Der Tatzeitraum lag im vorliegenden Beschwerdefall nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Aufhebung des Konkurses.

Mit Bestellung eines Masseverwalters erhält die Konkursmasse ein ex lege vertretungsberechtigtes und -verpflichtetes Organ in der Person des Masseverwalters, der kraft seiner Bestellung alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die der Gemeinschuldner nicht vornehmen kann, mit Wirkung für die Masse und für die Konkursgläubiger vorzunehmen hat.

Damit war im Tatzeitpunkt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Bf als handelsrechtlicher Geschäftsführer der XY Bau GmbH erloschen und die Verantwortlichkeit auf den Masseverwalter übergegangen.

Dass der Bf zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden wäre, ist nicht hervorgekommen und wurde auch von der belangten Behörde nicht vorgebracht.

Dem Insolvenzverwalter kommt die ausschließliche Kompetenz für Rechtshandlungen zu, die Auswirkungen auf das dem Konkurs unterworfene Vermögen haben können (vgl. insb. § 81a, § 83, § 114 IO). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH trägt der Masseverwalter bei einem zur Konkursmasse gehörenden Betrieb die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der zum Betrieb des Unternehmens erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen (). Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des zur Vertretung einer juristischen Person nach außen Berufenen - im aufrechten Insolvenzverfahren ist dies der Insolvenzverwalter (vgl. auch ; ; ; ) - besteht dann, wenn nicht die Verwaltungsvorschriften etwas anderes bestimmen und nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind (). Damit ist jedenfalls aber im Beschwerdefall keine weitere Verantwortlichkeit des zuvor vertretungsbefugten Geschäftsführers mehr gegeben gewesen (vgl. auch Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 9 Rz 13; Wessely, in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG² § 9 Rz 4).

Der Bf war somit im Tatzeitpunkt nicht mehr nach § 9 Abs 1 VStG aus seiner Organstellung als Geschäftsführer heraus verantwortlich. Auch aus dem GAG ergibt sich aus seiner Stellung kein Anknüpfungspunkt für eine in der Insolvenz und nach Masseverwalterbestellung fortdauernde Verantwortlichkeit.

Da sohin zu den Tatzeitpunkten keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Beschuldigten für die vorgeworfene Übertretung (mehr) bestand, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG gegen den Beschuldigten einzustellen.

Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist und beide Parteien übereinstimmend vorbringen, das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bf möge eingestellt werden.

Zur Kostenentscheidung:

Gemäß 52 Abs 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bf nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Rechtslage ist aufgrund der zitierten Gesetzeslage klar und durch die angeführte Rechtsprechung geklärt. Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 45 Abs. 1 Z 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 44 Abs. 2 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 50 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 9 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500129.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at