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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.05.2023, RV/7101135/2023

Ablauf der Aussetzung der Einhebung, keine "Weitergeltung" der Aussetzung der Einhebung bei ao. Revision

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101135/2023-RS1
Die unter den besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 212a BAO vom Gesetz ermöglichte Aussetzung der Einhebung erstreckt sich nach dem keine andere Deutung zulassenden Wortlaut des § 212a Abs. 5 BAO ausschließlich auf das Verwaltungsverfahren. Dieses endet spätestens mit dem Ergehen der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auch dann, wenn diese Entscheidung in der Folge vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes angefochten wird.
RV/7101135/2023-RS2
Die Bundesabgabenordnung regelt nur den Verfahrensablauf bis zum Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes und nicht darüber hinaus auch das höchstgerichtliche Verfahren, weshalb bereits aus diesem Grunde § 212a BAO nicht auf Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bzw. dem Verwaltungsgerichtshof ausgedehnt werden kann.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senat in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Steuerberater Gerhard Peither, Sandgasse 16, 4020 Linz, über die Beschwerde der Abgabepflichtigen vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Ablauf der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO zu Steuernummer ***BF1StNr1*** in der Sitzung am in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) aufgrund ihres Antrages die Aussetzung der Einhebung bewilligt unter anderem für folgende Abgaben:
Kapitalertragsteuer 1-12/2013 von € 5.619,06
Kapitalertragsteuer 1-12/2014 von € 9.284,47
Kapitalertragsteuer 1-12/2015 von € 33.985,81
Kapitalertragsteuer 1-12/2016 von € 13.912,25
Kapitalertragsteuer 1-12/2017 von € 5.985,81
Kapitalertragsteuer 1-12/2018 von € 2.293,79.

Mit weiterem Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Ablauf der Aussetzung der Einhebung infolge Beschwerdeerledigung für folgende Abgaben verfügt:

Kapitalertragsteuer 1-12/2013 von € 5.544,06
Kapitalertragsteuer 1-12/2014 von € 4.032,75
Kapitalertragsteuer 1-12/2015 von € 33.985,81
Kapitalertragsteuer 1-12/2016 von € 8.238,45
Kapitalertragsteuer 1-12/2017 von € 5.985,81
Kapitalertragsteuer 1-12/2018 von € 2.293,79.

Als Zahlungstermin wurde für alle Beträge der festgesetzt.

Diesem Bescheid lag das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100257/2021, zugrunde, mit der über die Beschwerde der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Grieskirchen Wels (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2013 - 2017 und 5/2018 entschieden wurde.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom wird beantragt, den Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom hinsichtlich Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 2013 bis 2017 und 05/2018 ersatzlos aufzuheben mit folgender Begründung:

"Auf Grund einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof wird die Zurückversetzung in das Beschwerdeverfahren die Haftungsbescheide Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 2013 bis 2017 und 05/2018 betreffend erwartet. Innerhalb des Beschwerdeverfahrens besteht der Anspruch auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO zu Recht.

Für den Fall der Vorlage gegenständlicher Beschwerde beim Bundesfinanzgericht wird schon jetzt die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt."

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen mit der Begründung, dass "der Ablauf der Aussetzung gemäß § 212a BAO anlässlich einer über die Beschwerde ergehenden Beschwerdevorentscheidung, eines Erkenntnisses oder einer anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung zu verfügen ist. Der Ablauf ist zwingend vorzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine gesetzliche Grundlage, die Aussetzung der Einhebung von Abgabenschulden wegen einer bei Höchstgerichten anhängigen Beschwerde über den Zeitpunkt der abschließenden Erledigung des Rechtsmittels hinaus auszudehnen (vgl. Ritz: BAO, 7. Auflage, § 212a, Rz 28)."

In dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag vom wurden keine weiteren Ausführungen in der Sache erstattet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage und VwGH-Judikatur:

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden
a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung
zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.
Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Ablauf der Aussetzung gemäß § 212a Abs 5 BAO von der Abgabenbehörde erster Instanz anlässlich einer der in § 212a Abs 5 BAO genannten Erledigung der Berufung (bzw Beschwerde) gegen die Festsetzung der Abgabe zu verfügen (vgl etwa ; ).

Der Ablauf ist zwingend vorzunehmen (, 95/13/0020; , 2000/17/0266; , 2007/15/0294).

Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine gesetzliche Grundlage, die Aussetzung der Einhebung von Abgabenschulden wegen einer bei Höchstgerichten anhängigen Beschwerde (bzw Revision) über den Zeitpunkt der abschließenden Erledigung des Rechtsmittels hinaus auszudehnen (zB ; , 96/14/0175; , 2002/13/0136; ; vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 212a, V. Aussetzungszinsen (§ 212a Abs 9) [Rz 28]).

Zum Beschwerdevorbringen:

Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich in der Aussage, dass "auf Grund einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof die Zurückversetzung in das Beschwerdeverfahren die Haftungsbescheide Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 2013 bis 2017 und 05/2018 betreffend erwartet wird. Innerhalb des Beschwerdeverfahrens besteht der Anspruch auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO zu Recht."

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100257/2021, wurde über die Beschwerde der Abgabepflichtigen vom gegen die Bescheide des damaligen Finanzamtes Grieskirchen Wels (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2013 - 2017 und 5/2018 entschieden
(Kapitalertragsteuer 1-12/2013 von € 5.544,06
Kapitalertragsteuer 1-12/2014 von € 4.032,75
Kapitalertragsteuer 1-12/2015 von € 33.985,81
Kapitalertragsteuer 1-12/2016 von € 8.238,45
Kapitalertragsteuer 1-12/2017 von € 5.985,81
Kapitalertragsteuer 1-12/2018 von € 2.293,79).

Gemäß § 212a Abs. 5 BAO war die Abgabenbehörde verpflichtet, den Ablauf der Aussetzung der Einhebung zu verfügen, da im Rahmen der Beschwerde, in deren Zusammenhang die hier relevante Aussetzung der Einhebung beantragt wurde, eine Entscheidung in der Sache ergangen ist.

Auch wenn die Beschwerdeführerin vermeint, im Rahmen der eingebrachten ao. Revision erfolgreich sein zu wollen, diese (allenfalls gewünschte) Entscheidung ist noch nicht ergangen. Nichts desto trotz liegt die in § 212a Abs. 5 lit. b BAO geforderte Voraussetzung für die bescheidmäßige Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung vor, sodass die Abgabenbehörde gesetzeskonform nur den angefochtenen Bescheid erlassen konnte. Hinsichtlich der Erlassung des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung stand der Behörde kein Wahlrecht zu, sich in irgendeiner Form von Ermessenüberlegungen leiten zu lassen.

Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht zu haben, sei erwähnt, dass auch bei einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof eine über den Zeitpunkt der das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung hinauswirkende Aussetzung der Einhebung nach § 212a Abs. 1 BAO nicht möglich ist bzw. es (in der BAO) keine gesetzliche Grundlage gibt, die Wirkungen der Aussetzung der Einhebung über diesen Zeitpunkt hinaus auszudehnen (). Ein "offenes Beschwerdeverfahren" liegt auch dann nicht mehr vor, wenn über die Beschwerde allenfalls noch in einem nach Ergehen einer verfassungsgerichtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Entscheidung fortgesetzten Verfahren zu entscheiden wäre.

Die unter den besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 212a BAO vom Gesetz ermöglichte Aussetzung der Einhebung erstreckt sich nach dem keine andere Deutung zulassenden Wortlaut des § 212a Abs. 5 BAO ausschließlich auf das Verwaltungsverfahren. Dieses endet spätestens mit dem Ergehen der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auch dann, wenn diese Entscheidung in der Folge vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes angefochten wird.

Die Bundesabgabenordnung regelt nur den Verfahrensablauf bis zum Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes und nicht darüber hinaus auch das höchstgerichtliche Verfahren, weshalb bereits aus diesem Grunde § 212a BAO nicht auf Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bzw. dem Verwaltungsgerichtshof ausgedehnt werden kann.

Eine solche Anfechtung hat nämlich auf die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung keinen Einfluss; die Voraussetzungen der Erwirkung eines Vollzugsaufschubes auf Grund einer an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gerichteten Beschwerde richten sich ausschließlich nach den Gesetzen, die das Verfahren vor diesen Gerichtshöfen regeln (; ; ).

Der angefochtene Bescheid ist daher zu Recht ergangen, sodass der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben muss.

Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung:

Zum in der Beschwerde gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung darf festgehalten werden, dass das Unterbleiben einer (gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO beantragten) mündlichen Verhandlung zwar eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellen mag, dieser Verfahrensfehler ist jedoch - außerhalb des von Art. 51 GRC erfassten Bereichs des Unionrechts - kein absoluter (; ).

Art. 6 Abs. 1 EMRK garantiert das Recht auf ein faires Verfahren als Grundrecht. Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. die Entscheidung vom , Fall SPEIL v. Austria, Appl. 42057/98) kann das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zwar dann ausnahmsweise als mit der EMRK vereinbar angesehen werden, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen (vgl. hiezu etwa ). Solche besonderen Umstände nimmt der EGMR an, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen könnte (vgl. ). Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt (vgl. ua). Nach der Rechtsprechung des EGMR und - ihm folgend - des VfGH kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg 18.994/2010, VfSlg 19.632/2012, ). Das Gericht kann unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR , Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z37 ff.; EGMR , Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z29; ).

Da es im gegenständlichen Fall ausschließlich um die Lösung von Rechtsfragen (die in der Judikatur der Höchstgerichte eindeutig geklärt sind) ging und kein Sachverhaltselement strittig war, konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da kein ergänzendes Vorbringen vorstellbar ist, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine ungelöste Rechtfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in der Judikatur der Höchstgerichte nicht einheitlich entschieden wäre, war für diese Entscheidung nicht relevant.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 5 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101135.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at