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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.05.2023, RV/3100801/2016

Zurechnung der Einkünfte bei Fruchtgenussrecht des Sohnes an einer langfristig vermieteten Liegenschaft des Vaters

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100801/2016-RS2
Zurechnungssubjekt von Einkünften ist derjenige, der die Möglichkeit besitzt, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern (). Für die Einkünftezurechnung ist das Bestehen einer Dispositionsbefugnis unabdingbar. Das Zurechnungssubjekt muss die Einkunftserzielung nach eigenem Dafürhalten gestalten können und das Unternehmerrisiko tragen. In der Aufrechterhaltung eines unkündbaren Mietvertrages durch den Fruchtgenussberechtigten ist hingegen keine für die Zurechnung ausreichende unternehmerische Initiative zu erblicken (; , 2012/15/0146).
Folgerechtssätze
RV/3100801/2016-RS1
wie RV/3100552/2021-RS1
Wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur für den Fall einer negativen Entscheidung beantragt, liegt kein gültiger Antrag im Sinne des § 274 Abs. 1 BAO vor und besteht folglich keine Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch at steuerberatungs gmbH, Philippine-Welser-Straße 41, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom betreffend Einkommensteuer 2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang

Am reichte der Beschwerdeführer (Bf.) seine Einkommensteuererklärung für 2013 über FinanzOnline ein, in welcher er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -22.914,21 € sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 15.071,25 € erklärte.

Mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom des Finanzamtes Kufstein Schwaz erfolgte die Veranlagung antragsgemäß. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am über FinanzOnline Beschwerde, weil er seine Geschäftsführerbezüge (Einkünfte aus selbständiger Arbeit) in Höhe von 20.847,25 € irrtümlich nicht gemeldet habe.

Dieser Beschwerde gab die bescheiderlassende Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom statt, wobei sie jedoch gleichzeitig auch die erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Gänze aus der Bemessungsgrundlage ausschied. Begründend führte die Behörde dazu aus, der diesen Einkünften zugrundeliegende Fruchtgenussvertrag zwischen dem Bf. als Fruchtgenussberechtigtem und seinem Vater als Fruchtgenussbesteller sei steuerlich nicht beachtlich, vielmehr seien die Mieteinkünfte weiterhin allein dem Vater des Bf. zuzurechnen, da in der bloßen Aufrechterhaltung eines langfristigen Bestandvertrags keine eigene unternehmerische Initiative des Fruchtgenussberechtigten zu erkennen sei.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der von der steuerlichen Vertretung des Bf. eingebrachte Vorlageantrag vom samt gesonderter Begründung vom , in welcher zusammengefasst vorgebracht wird, die von der Judikatur geforderten Kriterien für die Zurechnung der Einkünfte zum Fruchtgenussberechtigten seien erfüllt, zumal der Bf. über die erforderliche Dispositionsbefugnis verfüge und diese auch ausübe sowie der Fruchtgenussbesteller selbst keine die Einkünfte betreffenden Geschäftsmaßnahmen mehr treffe. Insbesondere habe der Bf. im Jahr 2015 Vertragsverhandlungen mit der Bestandnehmerin geführt und einen Nachtrag zum Bestandvertrag abgeschlossen. In der gesonderten Begründung wurde für den Fall, dass nicht entsprechend des Vorlageantrags entschieden werden soll, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Im Zuge der Finanzorganisationsreform trat mit das Finanzamt Österreich an die Stelle der bescheiderlassenden Behörde. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der mit neu besetzen Gerichtsabteilung 4013 zugewiesen.

2. Sachverhalt

***Vater***, der Vater des Bf., war im gegenständlichen Zeitraum Alleineigentümer der Liegenschaft ***GB/EZ***. Über einen Teil dieser Liegenschaft wurde am rückwirkend zum zwischen ***Vater*** als Bestandgeber und der ***Handelskette*** als Bestandnehmerin ein Bestandvertrag abgeschlossen. Die wesentlichen Inhalte dieses Vertrags sind zusammengefasst:

  1. Vermietung unbebauter Grundstücksteile im Ausmaß von 2.072 m² zur alleinigen Benützung durch die Bestandnehmerin und im Ausmaß von 781 m² zur Mitbenützung

  2. Die Bestandnehmerin ist berechtigt, auf dem Bestandobjekt auf ihre Kosten Bauwerke aller Art als Superädifikate zu errichten, wobei sie bei Beendigung des Bestandverhältnisses den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen hat

  3. Die Bestandnehmerin ist uneingeschränkt zur Untervermietung/Weitergabe des Bestandrechtes berechtigt

  4. Wertgesicherter Bestandzins im Höhe von ATS 300.000, wobei die Wertsicherung ursprünglich bis mit ⅔ der rechnerisch ermittelten Wertanpassung vereinbart war und die Berechnung der Wertanpassung dem Bestandgeber obliegt

  5. Bestandverhältnis ist auf unbestimmte Dauer abgeschlossen, aber Kündigungsverzicht des Bestandgebers und seiner Rechtsnachfolger ursprünglich bis zum

  6. Das Bestandrecht sowie ein Vorkaufsrecht für die Bestandnehmerin wurden grundbücherlich einverleibt

Die Bestandnehmerin hat auf der gegenständlichen Liegenschaft ein Gebäude samt Parkplatz als Superädifikat errichtet und betreibt darin seither einen Supermarkt und ein Bistro ("***Name Bistro***").

Am schlossen der Bf. und sein Vater rückwirkend zum einen Vertrag, mit welchem der Vater des Bf. seinem Sohn ein auf zehn Jahre befristetes Fruchtgenussrecht an der gegenständlichen Liegenschaft einräumt, wobei im Gegenzug der Bf. "die Hälfte der naturalen und zivilen Früchte" an seinen Vater abzuführen hat. Dieses Fruchtgenussrecht wurde nicht verbüchert.

Im Jahr 2013 legte der Bf. als Fruchtgenussberechtigter die Rechnung über den Jahresbestandzins an die [...], wobei er auch die ihm obliegende Berechnung der Wertanpassung vornahm. Darüber hinaus wurde er im Jahr 2013 in keiner Weise in Bezug auf das gegenständliche Bestandverhältnis tätig.

Im Jahr 2015 trat der Bf. auf Initiative der ***Handelskette*** wegen eines von ihr beabsichtigten Umbaus des Superädifikates in Vertragsverhandlungen mit der Bestandnehmerin. Als Ergebnis dieser Verhandlungen wurde mit 2. Nachtrag zum Bestandvertrag vereinbart, den Kündigungsverzicht des Bestandgebers um zwölf Jahre bis und die ⅔-Regelung bezüglich der Wertanpassung um fünf Jahre bis zu verlängern. Eine Änderung des Bestandzinses war hiermit nicht verbunden. Der 2. Nachtrag zum Bestandvertrag wurde vom Bf. als Fruchtgenussberechtigten sowie seinem Vater als Eigentümer unterzeichnet.

3. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Grundbuchsstand sowie zum Inhalt des Bestandvertrages ergeben sich widerspruchsfrei aus dem vom Gericht angefertigten Grundbuchsauszug der gegenständlichen Liegenschaft sowie dem Bestandvertrag, in welchen das Gericht über die Urkundensammlung des Grundbuchsgerichts Einsicht nahm. Die Feststellung zum Superädifikat und Betrieb der Bestandnehmerin auf der gegenständlichen Liegenschaft gründet auf einer vom Gericht vorgenommenen Internetrecherche, deren Ergebnis auch im Vertragsinhalt Deckung findet. Die Feststellung zum Inhalt des Fruchtgenussvertrages ergibt sich widerspruchsfrei aus dem der belangten Behörde vorgelegten Vertrag.

Trotz des diesbezüglichen Vorhaltcharakters der Beschwerdevorentscheidung behauptete der Bf. in der gesonderten Begrünung des Vorlageantrags keinerlei konkrete auf den gegenständlichen Bestandvertrag bezogene eigene Tätigkeit im Jahr 2013 und legte auch keinerlei Nachweise für eine solche Tätigkeit vor. Daraus kann das Gericht nur schließen, dass er im Jahr 2013 tatsächlich keine solche Tätigkeiten ausübte. Ausgenommen hiervon ist lediglich die Rechnungslegung samt Wertanpassung: Aufgrund der vorgelegten Rechnung über den Bestandzins 2015 hält das Gericht es für plausibel, dass der Bf. auch schon im Jahr 2013 die Rechnungslegung vornahm.

Die Feststellungen zu den Vertragsverhandlungen im Jahr 2015 ergeben sich widerspruchsfrei aus den Unterlagen, die mit der gesonderten Begründung des Vorlageantrags vorgelegt wurden und finden auch im Vorbringen des Bf. Deckung.

4. Rechtliche Würdigung

4.1. Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 274 Abs. 1 BAO hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn dies in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wurde oder wenn der Einzelrichter es für erforderlich hält.

Anträge, die in einem den Vorlageantrag ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen jedoch keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 274 Rz 3 f mit zahlreichen Judikaturfundstellen). Der Bf. hätte den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung trotz der Zeichenbeschränkung bei der Einbringung via FinanzOnline direkt im Vorlageantrag stellen können und auch müssen.

Zudem stellt der im ergänzenden Schriftsatz gestellte Antrag auch deshalb keinen gültigen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung dar, da er unter der Bedingung einer negativen Entscheidung gestellt wurde und bedingte Prozesshandlungen grundsätzlich unwirksam sind (). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erschien bei der gegebenen Sach- und Rechtslage auch sonst nicht geboten.

4.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob die Einkünfte aus dem Bestandvertrag mit der ***Handelskette*** dem Bf. als Fruchtgenussberechtigten oder seinem Vater als Eigentümer der Liegenschaft zuzurechnen sind.

Zurechnungssubjekt von Einkünften ist derjenige, der die Möglichkeit besitzt, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern (). Für die Einkünftezurechnung ist das Bestehen einer Dispositionsbefugnis unabdingbar. Das Zurechnungssubjekt muss die Einkunftserzielung nach eigenem Dafürhalten gestalten können und das Unternehmerrisiko tragen. In der Aufrechterhaltung eines unkündbaren Mietvertrages durch den Fruchtgenussberechtigten ist hingegen keine für die Zurechnung ausreichende unternehmerische Initiative zu erblicken (; , 2012/15/0146).

Nach den Feststellungen des Gerichts wurde der Bf. im Jahr 2013 in Bezug auf das gegenständliche Bestandverhältnis nur insoweit tätig, als er Rechnungen legte und seine vertraglichen Pflichten erfüllte. Diese Aktivitäten gehen nicht über das Mindestmaß dessen hinaus, was für die Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses absolut unerlässlich war. Die Aktivitäten des Bf. im Jahr 2015 sind für die streitgegenständliche Festsetzung der Einkommensteuer 2013 schon aufgrund des Grundsatzes der Periodenbesteuerung prinzipiell nicht von Belang. Unabhängig davon reichen aber auch die festgestellten Aktivitäten des Bf. im Jahr 2015 - die Vertragsänderung im Sinne des 2. Nachtrags zum Bestandvertrags - nicht über das hinaus, was jeder verständige Bestandgeber im Hinblick auf die Fortführung eines Bestandverhältnisses leisten würde. Eine eigene Unternehmerinitiative des Bf. ist darin nicht zu erkennen, zumal die Initiative für die Vertragsänderung von der Bestandgeberin ausging. Außerdem verschlechterte der Nachtrag die Rechtpositionen des Bf. bzw. seines Vaters in jeder Hinsicht (Verlängerung des Kündigungsverzichtes und der geringeren Indexanpassung ohne gleichzeitige Erhöhung des Bestandzinses), was auf eine verdünnte Willensfreiheit und somit ein lediglich geringes Potenzial zur Entfaltung eigener Unternehmerinitiative hindeutet. Die Vertragsänderung konnte zudem offenkundig nicht ohne Zustimmung des Vaters des Bf. zustande kommen.

Nach der vorhin zitierten höchstgerichtlichen Judikatur vermögen die Aktivitäten des Bf. nicht die Zurechnung der Einkünfte an ihn als Fruchtgenussberechtigten zu begründen. Zudem schränkt der vom Vater des Bf. abgegebene Kündigungsverzicht, der auch den Bf. bindet und von diesem sogar noch verlängert wurde, die Dispositionsmöglichkeiten des Bf. derart stark ein, dass von einer eigenen Dispositionsbefugnis des Bf. keine Rede sein kann. Die Einkünfte aus dem Bestandvertrag sind daher zur Gänze dem Vater des Bf. zuzurechnen. Die nachfolgende Überlassung der Hälfte der Einkünfte an den Bf. stellt beim Vater eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung dar, beim Bf. ist sie unter keine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG 1988 zu subsumieren und daher nicht steuerbar.

Die Beschwerdevorentscheidung vom erweist sich somit als richtig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

4.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das vorliegende Erkenntnis der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 274 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100801.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at