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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2023, RV/7300032/2023

Hier wurde irrtümlich Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG bestraft statt versuchter Hinterziehung der Jahresumsatzsteuer gemäß §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7300032/2023-RS2
Dem Bundesfinanzgericht kommt keine Befugnis zur Auswechslung der „Sache“ iSd § 161 Abs. 1 FinStrG zu.
Folgerechtssätze
RV/7300032/2023-RS1
wie RV/7300027/2014-RS3
Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines diese Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt (; , 2008/13/0076; , 2000/14/0109), werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen, wodurch die in § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG umschriebenen Tatbestände erfüllt werden. Es sind damit nicht nur in objektiver Hinsicht verschiedene strafrelevante Lebenssachverhalte, sondern auch subjektiv unterschiedliche Tatbestände angesprochen, weil für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich ist, während zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht. Solcherart kommt der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (nunmehr dem Bundesfinanzgericht) in Ansehung dieser beiden Finanzvergehen keine Befugnis zur Auswechslung der „Sache“ iSd § 161 Abs. 1 FinStrG zu (vgl. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, geboren 1965, ***Bf1-Adr*** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Einzelbeamten des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV1, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und das beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde zur Geschäftszahl FV1 geführte Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG gemäß §§ 136, 157, 82 Abs. 3 lit. c FinStrG eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

[...]

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Einzelbeamten des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV1, wurde Herr ***Bf1***, geboren 1965 in München (Deutschland), österreichischer Staatsbürger, Beruf, wohnhaft in ***Bf1-Adr*** schuldig erkannt,

"er hat vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten zu haben, und zwar:

Umsatzsteuer für 01-12/2018 in Höhe von € 8.598,86
Umsatzsteuer für 01-07/2019 in Höhe von € 2.153,42.

Er hat hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen und wird hierfür gemäß § 33 (5) FinStrG unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 23 (3) FinStrG mit einer Geldstrafe in Höhe von € 6.000,00 bestraft.

Gemäß § 20 FinStrG wird die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit 15 Tagen festgesetzt.

Gemäß § 185 FinStrG sind die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 500,00 und die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen. Die Höhe der Kosten des Strafvollzuges wird durch gesonderten Bescheid festgesetzt werden.

Hingegen wird das gegen ***Bf1*** am wegen des Verdachts der Begehung einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG aufgrund der Nichtabgabe von Abgabeerklärungen für Umsatzsteuer- und Einkommensteuer für die Jahre 2012 - 2017 eingeleitete Finanzstrafverfahren gem. § 124 (1) FinStrG eingestellt.

Entscheidungsgründe:

Im geführten Finanzstrafverfahren wurde folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Der in finanzstrafrechtlicher Hinsicht noch nicht in Erscheinung getretene Beschuldigte ist seit vielen Jahren betrieblich und unternehmerisch tätig. Er ist finanzstrafbehördlich unbescholten. Den Beschuldigten treffen laut Aktenstand keine Sorgepflichten.

Bereits im Jahr 2012 fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt, anlässlich derer festgestellt wurde, dass für die Jahre 2007 - 2010 keine Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen eingereicht worden waren und daher die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt werden mussten. Trotz Kenntnis von der Verpflichtung wurden allerdings auch im Folgezeitraum keine Abgabenerklärungen eingereicht, obwohl dem Beschuldigten eine Vielzahl von Aufforderungen zur Abgabe der jeweiligen Erklärungen zugestellt wurden.

Im Jahr 2020 fand eine weitere abgabenbehördliche Prüfung statt. Zu Prüfungsbeginn wurden weder Buchhaltungsunterlagen, Belege noch sonstige Aufzeichnungen vorgelegt. Im Laufe der Betriebsprüfung wurde eine Belegsammlung getrennt nach Jahren sowie die Bankkontoauszüge übergeben. In der Folge wurden in mehreren Mails Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2012 - 2017 nachgereicht, die von Herrn **K**, einem Bekannten des Beschuldigten teilweise korrigiert/berichtigt an den Betriebsprüfer übermittelt wurden. Wie sich die in den Abgabenerklärungen genannten Beträge zusammensetzen, wurde jedoch bis zum Prüfungsabschluss nicht offengelegt.

Daher wurden vom Betriebsprüfer die betrieblichen Einkünfte und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt. Hinsichtlich Umsatzsteuer wurden die steuerbaren Umsätze anhand der übergebenen Bankkontoauszüge festgestellt, indem alle Eingänge It. Kontoauszügen, welche nicht offensichtlich der privaten Lebensführung zuzuordnen waren bzw. bereits versteuerte Einkünfte betrafen, als steuerbare Umsätze angesetzt wurden. Da sich aufgrund der Tätigkeit des Beschuldigten die Betriebsausgaben vor allem aus KFZ-Kosten und Hotel- und Reisekosten im Ausland ergeben, welche zu keinem Vorsteuerabzug berechtigen, wurden die abziehbaren Vorsteuern mit 1,8% der steuerbaren Umsätze pauschal festgesetzt.

Nach dem Prüfungsabschluss wurde die Rechtsmittelfrist mehrmals verlängert, bis eine Beschwerde gegen die Abgabenbescheide für die Jahre 2012 - 2017 schlussendlich am bei der Abgabenbehörde einlangte. Da dem Mängelbehebungsauftrag nicht rechtzeitig entsprochen wurde, war die Beschwerde als zurückgenommen zu erklären. Gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Umsatzsteuer für die Zeiträume 01-12/2018 und 01-07/2019 wurde hingegen keine Beschwerde eingereicht.

Am wurde das Finanzstrafverfahren eingeleitet. Am fand eine Einvernahme des Beschuldigten statt. Er zeigte sich nicht geständig und gab an, dass die Schätzungen überhöht wären, da seiner Meinung nach die mit Herrn **K** gemeinsam gemachten Aufstellungen korrekt seien. Unterlagen dazu legte er nicht vor.

Mit Strafverfügung vom wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe in Höhe von EUR 6.800,00 (im Nichteinbringungsfall 17 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Kosten EUR 500,00) verhängt. Gegen die Strafverfügung wurde am vom Beschuldigten Einspruch erhoben, sodass diese aus dem Rechtsbestand ausschied.

Im Einspruch wurde vonseiten des Beschuldigten bekanntgegeben, dass die am Abgabenkonto ersichtlichen Voranmeldungen von 2018 und 2019 nicht von ihm getätigt wurden, da er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage dazu gewesen wäre. Er gehe davon aus, "dass diese Abgabe von Herrn **K** selbständig getätigt wurden".

Festzuhalten ist, dass die Festsetzung der Umsatzsteuervoranmeldungen für die obengenannten Zeiträume jedoch bereits im Zuge der Betriebsprüfung erfolgt ist.

Dazu wurde erwogen:

Nach § 33 (2) lit. a FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Gem. § 8 (1) FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Die obigen Tatbestände sind aufgrund des geführten Untersuchungsverfahrens in objektiver und subjektiver Hinsicht erwiesen. Es war daher mit einem Schuldspruch vorzugehen.

Die Teileinstellung des Finanzstrafverfahrens erfolgte aus dem Grunde des § 82 (3) a FinStrG iVm. § 82 (3) c FinStrG, da die angelastete Tat nicht erwiesen werden kann und Umstände vorliegen, welche die Schuld des Täters ausschließen.

Aufgrund des langen Zeitraums der Ausübung der unternehmerischen und betrieblichen Tätigkeit des Beschuldigten, sowie des Hinweises der Vorbetriebsprüfung und anhand der Daten des Abgabenkontos des Beschuldigten ist ersichtlich, dass dieser von der Verpflichtung zur Abgabe von den § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen wusste, da bereits in den Jahren vor der Betriebsprüfung rechtzeitig Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht wurden. Dementsprechend wurde eine Verkürzung von Umsatzsteuer nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Anhand der eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2019 ist ersichtlich, dass die Festsetzungen der Umsatzsteuer für die Monate 01-07/2019 durch die Betriebsprüfung den Gesamtbetrag des steuerbaren Umsatzes übersteigen. Zur Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages wurde ausgehend von den erklärten Beträgen eine Aliquotierung auf den unterjährigen Zeitraum von sieben Monaten vorgenommen, wodurch sich ein strafbestimmender Wertbetrag in Höhe von € 2.153,42 ergibt, welcher sich wie folgt errechnet: (Tabelle siehe Originalerkenntnis)

Gem. § 33 (5) FinStrG wird die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages geahndet.

Bei der Strafbemessung wurden berücksichtigt als mildernd: Unbescholtenheit, die teilweise Schadensgutmachung als erschwerend: kein Umstand.

Außerdem wurde auf die persönlichen Verhältnisse und auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten sowie des belangten Verbandes Bedacht genommen (€ 23 Abs. 3 FinStrG).

Die gemäß § 185 FinStrG festgesetzten Kosten betreffen: Pauschalkostenbeitrag (10 v.H. der verhängten Geldstrafe, höchstens 500,00 Euro)."

In der dagegen fristgerecht am eingebrachten Beschwerde wird wie folgt ausgeführt:

"Bei der Erkenntnis vom wurde der Einspruch vom inhaltlich nicht berücksichtigt!

Die angenommene Begründung der Strafverfügung gemäß § 143 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die anhand der Daten des Abgabenkontos ersichtlichen Voranmeldungen von 2018 und 2019 wurden von mir nicht getätigt! Ich war hierzu aus gesundheitlichen Gründen leider nicht in der Lage.

Als Zeugen kann ich hier Herrn **K**, geb. 1979 angeben.

Ich beantrage die am verfügte Strafe von 6.800,00 aufzuheben.

Seit über zehn Jahren leide ich unter einer schweren Depression und bin somit bei meinen Tätigkeiten sehr eingeschränkt und kann kurzfristige Termine in aller Regel nicht wahrnehmen.

Ich ersuche aus meiner gesundheitlichen Beschränkung keinen unzulässigen Vorteil zu nehmen."

Der Vollständigkeithalber bleibt festzuhalten, dass - anders als in der Beschwerde mit € 6.800,00 dargestellt - in der angefochtenen Entscheidung eine Geldstrafe von € 6.000,00 ausgesprochen wurde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält.

Gemäß § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 oder 2 bewirkt mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten.

§ 13 Abs. 1 FinStrG: Die Strafdrohungen für vorsätzliche Finanzvergehen gelten nicht nur für die vollendete Tat, sondern auch für den Versuch und für jede Beteiligung an einem Versuch.

§ 13 Abs. 2 FinStrG: Die Tat ist versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 11), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt.

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

§ 161 Abs. 3 FinStrG: Eine Änderung des angefochtenen Erkenntnisses zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten ist nur bei Anfechtung durch den Amtsbeauftragten zulässig.

Objektive Tatseite (Sachverhalt):

Feststellungen der Außenprüfung laut Bericht vom , Steuernummer1 ABNr.: 124059/19:

Tz. 1 Nichtabgabe von Steuererklärungen

Für die Jahre 2005 bis 2018 - und somit auch im gesamten Prüfungszeitraum - wurden durch den AbgPfl. weder Einkommen- noch Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Ebenfalls erfolgte keine Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen gem. § 21 UStG 1994. Die Besteuerungsgrundlagen wurden vom FA jährlich gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt; gegen diese Bescheide wurden keine RM oder sonstigen Abänderungsanträge eingebracht. […] Darüber hinaus fand über die Jahre 2007 bis 2010 bereits eine Außenprüfung statt, in welcher bereits festgestellt wurde, dass keine Einkommens- und Umsatzsteuererklärungen eingereicht wurden. Zumindest zwei Mal pro Veranlagungsjahr ergingen Aufforderungen zur Abgabe der jeweiligen Erklärungen. Erklärend gibt der Abgabepflichtige an, dass er seit vielen Jahren unter psychischen Beeinträchtigungen leidet. Dies sei der Grund, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, die Steuererklärungen einzureichen bzw. nachzureichen.

Tz. 2 Ordnungsmäßigkeit der Buchführung

Zum Prüfungsbeginn wurden vom AbgPfl. keinerlei Buchhaltungsunterlagen oder sonstige Aufzeichnungen sowie keinerlei Belege übergeben. Begründet wurde dies mit der unter Tz 1 angeführten psychischen Beeinträchtigung. Er sei nicht imstande gewesen, die laufenden Geschäftsfälle im Sinne der Abgabenvorschriften aufzuzeichnen, obwohl ihm bekannt war, dass er hierzu verpflichtet ist.

Erst im Laufe der Außenprüfung und nach mehrmaliger Aufforderung wurden vom AbgPfl. eine Belegsammlung getrennt nach Jahren sowie die Bankkontoauszüge aller der Bp. bekannten Bankkonten übergeben. Darüber hinaus wurden Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen nachgereicht.

Ein Rechenwerk oder eine sonstige Offenlegung, wie sich die in den nachgereichten Abgabenerklärungen genannten Beträge zusammensetzen, wurde bis zum Abschluss der Prüfung nicht vorgelegt.

Da somit weder für die betrieblichen Einkünfte noch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ordnungsgemäße Aufzeichnungen vorliegen, sind die nachgereichten Abgabenerklärungen für die Bp. in keiner Weise überprüfbar. Somit sind die Einkünfte gem. § 184 BAO im Schätzungswege zu ermitteln.

Tz. 5 Umsatzsteuer

Wie in Tz 1 dargestellt, wurden im Prüfungszeitraum keinerlei Umsatzsteuererklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht.

Die steuerbaren Umsätze werden von der Bp. anhand der übergebenen Bankkontoauszüge ermittelt. Dafür wurden alle Kontozugänge, welche nicht offensichtlich der privaten Lebensführung zuzuordnen sind bzw. bereits versteuerte Einkünfte betreffen, als steuerbare Umsätze angesetzt.

Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden dem ermäßigten Steuersatz unterzogen, da es sich um die Vermietung zu Wohnzwecken handelt (Wohngemeinschaft). Die Einkünfte aus der betrieblichen Tätigkeit wurden dem Normalsteuersatz unterzogen, sofern nicht der Tätigkeitsort im Ausland gelegen ist (diese Umsätze sind nicht steuerbar in Österreich). Die abziehbaren Vorsteuern wurden gem. § 184 BAO im Schätzungswege mit 1,8 % der steuerbaren Umsätze festgesetzt. Dieser Wert orientiert sich an der Vorsteuerpauschalierung gem. § 14 UStG. Aufgrund der Tätigkeit des AbgPfl. ergeben sich Betriebsausgaben vor allem aus KFZ-Kosten und Hotel- und Reisekosten im Ausland, welche keinem Vorsteuerabzug in Österreich zugänglich sind. Darüber hinaus sind von der Bp. nur geringe vorsteuerabzugsberechtigte Ausgaben anzunehmen, weshalb ein Prozentsatz von 1,8 % als den Tatsachen am ehesten entsprechend angesehen wird.

Für den Nachschauzeitraum 2017 und 2018 liegen keinerlei Unterlagen bzw. Belege vor. Die quartalsmäßigen Umsatzsteuervoranmeldungen wurden somit gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt. Hierfür wurden die oben ermittelten Jahreswerte für 2017 durch vier geteilt und mit einem Sicherheitszuschlag von 5% (für 2017) bzw. 10% (für 2018) quartalsweise festgesetzt.

Sache des anhängigen Finanzstrafverfahrens

Das Bundesfinanzgericht ist (im Strafverfahren unter Beachtung des Verböserungsverbotes) berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Entscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener der belangten Behörde zu setzen (vgl. ; ) und die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung maßgebend ist (vgl. ; ).

Gegenstand einer Überprüfung nach § 161 Abs. 1 FinStrG ist die Sache, die dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorliegt, nämlich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat. Das gegen den Beschuldigten anhängige Finanzstrafverfahren muss wegen derselben Sache im Sinn des § 161 Abs. 1 FinStrG eingeleitet gewesen sein, die Gegenstand des Schuldspruches ist. Es ist dem Bundesfinanzgericht verwehrt, dem Beschuldigten eine andere Tat oder ein anderes Verhalten zu unterstellen als die Finanzstrafbehörde und damit die "Sache" dieses Verfahrens auszuwechseln (vgl. ; vgl. ; ).

Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines diese Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt (; , 2008/13/0076; , 2000/14/0109), werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen, wodurch die in § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG umschriebenen Tatbestände erfüllt werden. Dabei entsprechen nicht nur die zu verschiedenen Tatbildern, sondern auch in der Qualifikation unterschiedlichen subjektiven Tatbeständen, weil für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich ist, während zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG machte sich eine Person einer zu § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG in Scheinkonkurrenz stehenden weiteren Abgabenhinterziehung schuldig, wenn sie (zumindest bedingt) vorsätzlich unter Verletzung der diesbezüglichen abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht im Sinne der obgenannten Bestimmungen die Verkürzung einer Umsatzsteuer bewirkt, indem im Falle der Kenntnis des Fiskus vom Abgabenanspruch die Festsetzung der Umsatzsteuer für das diesbezügliche Veranlagungsjahr mit Null oder einem zu niedrigen Betrag anstrebt, indem sie beispielsweise die Einreichung der Steuererklärung unterlässt oder in dieser einen zu niedrigen Steuerbetrag deklariert, in der Hoffnung, das Finanzamt würde ihren Angaben Glauben schenken (§ 33 Abs. 3 lit. a FinStrG, erste Alternative).

Der Beschuldigte hat für die verfahrensgegenständlichen Jahre 2018 und 2019 sowohl keine Umsatzsteuervoranmeldungen als auch keine Jahressteuererklärungen (weder über FinanzOnline noch in Papierform) eingereicht, sodass als Erklärungsfrist gemäß § 134 Abs. 1 BAO für die Umsatzsteuerjahreserklärungen der 30. April des Folgejahres heranzuziehen war, da der Beschuldigte kein Teilnehmer in FinanzOnline ist. Im Übrigen wurde der Beschuldigte wiederholt (seit Jahren) mit Erinnerungsschreiben darauf hingewiesen, dass er offensichtlich übersehen hätte, Jahressteuererklärungen fristgerecht einzureichen.

Eine Strafbarkeit wegen einer derartigen zumindest versuchten Hinterziehung an Jahresumsatzsteuer nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG konsumiert eine solche wegen Hinterziehungen an Umsatzsteuervorauszahlungen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG (siehe dazu im Detail zuletzt ), soweit der Betrag an verkürzter Umsatzsteuervorauszahlung in der zu verkürzen versuchten Jahresumsatzsteuer beinhaltet ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG dann ausgeschlossen, wenn eine Strafbarkeit infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht, weil in einem solchen Fall die Tathandlung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als eine - durch die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG - nachbestrafte Vortat zu betrachten ist (vgl. etwa vgl. ; , , oder ). Solcherart kommt der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (nunmehr dem Bundesfinanzgericht) in Ansehung dieser beiden Finanzvergehen keine Befugnis zur Auswechslung der "Sache" iSd § 161 Abs. 1 FinStrG zu (vgl. ; ).

Dem gesamten Strafakt sind keine Hinweise oder Aussagen zu entnehmen, weshalb die monatlichen Umsatzsteuerverkürzungen nicht als versuchte Hinterziehung der Jahresumsatzsteuer gewertet werden sollten.

Die Frist zur Einreichung der Jahresumsatzsteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 war zum Zeitpunkt des Beginnes der Betriebsprüfung bereits abgelaufen, sodass zwar im Rahmen der Betriebsprüfung die Umsatzsteuervorauszahlungen der einzelnen Monate mit Bescheid festgesetzt wurden, allerdings hat der Beschuldigte bis dahin auch keine Erklärungen zur Jahresumsatzsteuer 2018 und 2019 erstellt oder eingereicht, aus denen irgendwelche Umsatzsteuerbeträge offengelegt worden wären.

Der Abgabepflichtige hat gemäß § 119 BAO die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen.

Unterlässt der Abgabepflichtige eine Offenlegung von für das Abgabenverfahren bedeutsamen Umständen, zu der er aus eigener Initiative durch das Gesetz verpflichtet ist, verletzt er zweifellos die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht.

Tatzeitpunkt einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG ist bei zu veranlagenden Abgaben der Zeitpunkt der Abgabe bzw. Einreichung der unrichtigen Jahreserklärung, bei Unterlassung einer Einreichung einer Erklärung der gesetzlich vorgesehene Endzeitpunkt ( [R 33(1)/6]; Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinStrG, Band 1, 5. Aufl. (2018), § 33, I. Kommentar zu § 33 [Rz 36a]).

Dieser Verpflichtung ist der Beschuldigte nicht nachgekommen, obwohl bereits in einer Vorprüfung über die Jahre 2007 bis 2010 festgestellt wurde, dass er keine Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen eingereicht hatte. Zumindest zwei Mal pro Veranlagungsjahr ergingen Aufforderungen zur Abgabe der jeweiligen Erklärungen.

Schließlich wurde der Beschuldigte bereits mit Erkenntnis vom wegen versuchter Abgabenhinterziehung gemäß §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG unter anderem für Umsatz- und Einkommensteuer 2007 bis 2010 zu einer Geldstrafe von € 15.000,00 verurteilt.

Da diese Strafe bereits mit getilgt wurde, gilt der Beschuldigte zwar finanzstrafrechtlich als unbescholten, aber das Wissen um die Abgabenhinterziehungen hat den Beschuldigten nicht davon abgehalten, weiterhin seine abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wider besseren Wissens zu verleugnen, entsprechende Verkürzungen in Kauf zu nehmen und sich damit abzufinden.

Zusammengefasst steht somit fest, dass der Beschuldigte innerhalb der gesetzlichen Frist eine Erklärung zur Jahresumsatzsteuer 2018 und 2019 nicht eingereicht hat, somit daraus auch ein Verdacht einer versuchten Abgabenhinterziehung gemäß §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG an Jahresumsatzsteuer 2018 und 2019 ableitbar ist.

Da objektiv eine versuchte Abgabenhinterziehung gemäß §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG anstelle einer Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für Umsatzsteuer der Jahre 2018 von € 8.598,86 und 2019 in Höhe von € 2.153,42 zu verfolgen gewesen wäre, war der Beschwerde stattzugeben und das Finanzstrafverfahren gemäß §§ 136, 157, 82 Abs. 3 lit. c FinStrG insoweit einzustellen.

Weitere Vorgangsweise:

Es bestehen keine Bedenken, das beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde bisher anhängige Finanzstrafverfahren wegen des Verdachts der versuchten Abgabenhinterziehung von Umsatzsteuer der Jahre 2018 von € 8.598,86 und 2019 in Höhe von € 2.153,42 gemäß §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG weiterzuführen. Angesichts dieser Ausführungen erscheint eine weitere Einleitung eines Finanzstrafverfahrens entbehrlich.

Allein die Tatsache, dass der Beschuldigte zu Beginn der Betriebsprüfung überhaupt keine Unterlagen vorgelegt hat, keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht hat, wurden die monatlichen Umsatzsteuervorauszahlungen im Rahmen der Betriebsprüfung anhand der nachgereichten Unterlagen festgesetzt. Damit ist die Aussage des Beschuldigten, er selbst hätte keine Umsatzsteuervoranmeldungen erstellt, wohl bestätigt. Damit ist aber auch die Nichtbeachtung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht des Beschuldigten belegt, der - laut eigener Aussage - aufgrund seiner Depression an der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten gehindert gewesen sein will und zu den gesetzlichen Terminen auch keine Jahressteuererklärungen eingereicht hat.

Zur vom Beschuldigten behaupteten Depression ist festzuhalten, dass laut Strafakt der Beschuldigte in den betreffenden Monaten seine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Wer jedoch seinen Beruf nach wie vor ausübt, bei dem kann keine Rede davon sein, dass die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit völlig ausgeschlossen ist (vgl. ).

Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen war daher obsolet.

Mündliche Verhandlung

§ 160 Abs. 1 FinStrG: Über Beschwerden ist nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs. 4 vorzugehen.

Im Rahmen der Vorbereitung zu der bereits für anberaumten mündlichen Verhandlung hat sich ergeben, dass gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte, da der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben war. Dem Beschuldigten kann somit angesichts seiner aktenkundigen psychischen Beeinträchtigungen diese Verhandlung erspart werden.

[...]

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die hier zu lösenden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind in der höchstgerichtlichen Judikatur eindeutig geregelt, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Eber in ZWF 2024, 42
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7300032.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at