Wenn in drei SMS-Gutachten übereinstimmend die Einordnung unter Pos. Nr. 09.02.02 (Diabetes) mit GdB von (nur mehr) 40 % ab 03/2022 erfolgt, steht der FB-Erhöhungsbetrag ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff X1, betreffend Abweisung des Antrages auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für den Zeitraum ab März 2022 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensablauf:
1. Frau ***Bf1*** (= Beschwerdeführerin, Bf) bezieht für den Sohn A, geb. 06/1997, laufend die Familienbeihilfe (FB).
2. Im Zuge einer Überprüfung des FB-Anspruches im Februar 2022 wird angegeben, der Sohn ist Student der Rechtswissenschaften seit 10/2018 mit voraussichtlichem Abschluss im Februar 2023.
Laut beiliegendem Studienblatt ist der Sohn durchgehend seit Wintersemester 2018 bis Sommersemester 2022 an der Universität Ort1 zum Diplomstudium Rechtswissenschaften, Kz UK 101, gemeldet.
3. Im Akt erliegt weiters ein vom Sozialministeriumservice (SMS) am 26./ erstelltes ärztliches Sachverständigengutachten "mit Untersuchung" durch Dr.in B, Allgemeinmedizinerin, woraus hervorgeht:
" … Anamnese
Herr A kommt zur neuerlichen Untersuchung. Er leidet seit 2006 an Diabetes mellitus Typ I. Er ist auf eine funktionelle Insulintherapie mit Insulinpumpe und Insulinsensor eingestellt. Der letzte HbA1C-Wert betrug 5,6 %. Es treten nächtliche Hypos auf. Der Insulinsensor ist mit einer Alarmfunktion versehen und alarmiert fast jede Nacht. Die mitgebrachten ausgedruckten Blutzuckerprofile zeigen zu Mittag sehr hohe Werte. Die Nierenfunktion ist stabil. ….
…….
Zusammenfassung relevanter Befunde …:
- Allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten Dr. J. C :
Diabetes mellitus Typ I: GdB 50 %
Behindertenpass : GdB 50 % unbefristet
- es liegen keine aktuellen Befunde vor
……..
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Diabetes mellitus Typ I
Oberer Rahmensatz bei Erfordernis einer funktionellen Insulintherapie
Pos.Nr. GdB 40 %
Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.
…….
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Ohne Vorlage aktueller Befunde können allfällige Spätschäden nicht beurteilt werden. Der Grad der Behinderung wird gegenüber dem Vorgutachten um 1 Stufe herabgesetzt und erreicht nunmehr 40 %.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
ja
GdB liegt vor seit: 03/2022
GdB 50 liegt vor seit: 03/2018
GdB 40 liegt vor seit: 01/2018
GdB 50 liegt vor seit: 10/2006
…..
Herr A ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
aufgrund der unauffälligen geistigen Fähigkeiten ist das Erreichen einer Selbsterhaltungsfähigkeit zu erwarten
X Dauerzustand
Gutachten erstellt am von Dr.in B
Gutachten vidiert am von Dr. D"
4. Am hat die Bf mit Antrag Beih3 für den Sohn die Gewährung des Erhöhungs-betrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung, Diabetes mellitus Typ I, ab 02/2022 beantragt.
5. Der Antrag auf Gewährung des FB-Erhöhungsbetrages wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom , Ordnungsbegriff X1, für den Zeitraum ab März 2022 abgewiesen; dies mit der Begründung, lt. SV-Gutachten sei beim Sohn der GdB mit 40 % ab festgestellt worden. Nach dem Gesetz sei ein GdB von zumindest 50 % erforderlich. Die erhöhte FB sei bis Februar 2022 ausbezahlt worden.
6. Der anschließend am eingebrachte nochmalige Antrag der Bf auf Gewährung des FB-Erhöhungsbetrages für den Sohn, nunmehr ab 04/2022, wurde vom Finanzamt als rechtzeitig gegen den Abweisungsbescheid erhobene Beschwerde gewertet.
7. Das Finanzamt hat daraufhin beim Sozialministeriumservice ein weiteres Sachver-ständigengutachten angefordert, das am "mit Untersuchung" durch Dr.in E, Fachärztin für innere Medizin, mit ua. folgendem Inhalt erstellt wurde:
"… Anamnese:
Letztes FLAG Gutachten vom : GdB 40 vH wegen Diabetes mellitus
………
Sozialanamnese: arbeitet in einer Kanzlei, studiert, lebt mit Lebensgefährtin
Zusammenfassung relevanter Befunde …:
Labor vom : …..
Augenbefund vom : Astigmatismus
es liegen keine fachärztlichen Befunde vor, Reha Aufenthalte oder Diabetesschulungen sind nicht dokumentiert
..….
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 insulinpflichtiger Diabetes mellitus
oberer Rahmensatz, da mittels Insulinpumpe versorgt
Pos.Nr. GdB 40 %
Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.
…….
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
ja
GdB liegt vor seit: 03/2022
GdB 50 liegt vor seit: 03/2018
GdB 40 liegt vor seit: 01/2018
GdB 50 liegt vor seit: 10/2006
…..
Herr A ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Es besteht aus internistischer Sicht eine ausreichende körperliche Leistungsfähigkeit
X Dauerzustand …."
8. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom (nachweislich zugestellt am ) hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung ua. der Bestimmungen nach § 8 Abs. 5 und Abs. 6 FLAG 1967 wird in der Begründung ausgeführt:
"Da durch das erneute ärztliche Sachverständigengutachten () vom Sozialministeriumservice unverändert ein Grad der Behinderung von 40 % ab März 2022 und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt wurde, wird Ihre Beschwerde abgewiesen."
9. Im dagegen erhobenen Vorlageantrag wird eingewendet, das SMS-Gutachten v. (SV Dr.in B) leide an mehreren Mängeln. Nach eingehender Darstellung der gesundheitlichen Probleme des Sohnes aufgrund des Diabetes Mellitus (Unterzuckerung, Schwächeanfälle, Konzentrationsschwäche etc.) wird vorgebracht, die Gutachterin habe diese Umstände bei Einschätzung des GdB nicht berücksichtigt. Wie von ihr aufgetragen, sei eine Stellungnahme des behandelnden Arztes per E-Mail v. an das Sozialministerium-service übermittelt, jedoch im Gutachten nicht darauf eingegangen worden; dazu wurde der betreffende E-Mail-Verkehr mit dem SMS sowie die Stellungnahme des Univ.-Prof. Dr. F, Klinik Ort2, v. vorgelegt.
Die Anlage zur Einschätzungsverordnung hins. der Rahmensätze unter Punkt 09.02. sei nicht hinreichend beachtet worden. Zusammengefasst sei festzuhalten, dass der Sohn mehrmals täglich Insulinapplikationen durchzuführen und mittags mit starken Anstiegen zu kämpfen habe und unter nächtlichen Hypoglykämien leide. Aufgrund dieser Leiden sei er anstelle unter (bei gutem Allgemeinzustand und stabilem Stoffwechsel, Rahmensatz bis 40 %) vielmehr unter mit höherem GdB einzuordnen. Aufgrund der Krankheit mit schlechtem Schlaf, Müdigkeit und mangelnder Konzentration sei der Sohn auch an einem raschen Studienfortschritt gehindert.
Mangels Übermittlung der elektronischen Akteneinsicht könne auf das weitere, der BVE zugrunde gelegte SMS-Gutachten (v. ) nicht eingegangen werden.
10. Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht (BFG) mit Vorlagebericht des Finanzamtes v. zur Entscheidung vorgelegt. Der dortigen Sachverhaltsdarstellung ist ua. noch zu entnehmen, dass sämtliche Sachverständigengutachten der Bf "zwischenzeitig per Nachdruck zugesandt" wurden.
11. Das BFG hat mit Schreiben vom - samt Übermittlung der SMS-Vorgutachten v. und sowie des Vorlageantrages der Bf v. samt dem Befund/der Stellungnahme des Dr. F v. - beim Sozialministeriumservice ergänzend ein nochmaliges Gutachten wie folgt angefordert:
" … In og. Beschwerdesache ist der Anspruch der Beschwerdeführerin (Bf) ***Bf1*** auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für den Sohn A, geb. .6.1997, wg. erheblicher Behinderung, konkret wg. "Diabetes Mellitus Typ I", iSd § 8 Abs. 5 f. FLAG 1967 idgF "ab März 2022" strittig.
Wesentlichste Voraussetzung wäre, dass beim Sohn ein GdB von zumindest 50 % (wie vormals seit 03/2018) vorläge.
Zu den beim Sozialministeriumservice (SMS) bisher vom FAÖ angeforderten Bescheinigungen (werden vom FAÖ gesondert übermittelt):
a) Gestützt auf das SV-Gutachten Dr. C v. ("Diabetes mellitus GdB 50 %) und den Behindertenpass v. ("GdB 50 % unbefristet") als relevante Befunde erfolgte durch Dr.in B im SMS-Gutachten v. die Einordnung der Krankheit unter Pos.Nr. mit einem GdB von (nur mehr) 40 %.
Eine diesbezüglich nähere Begründung zum GdB ist nicht erfolgt.
Unter "Stellungnahme zu Vorgutachten" - wonach also seit 03/2018 ein GdB von 50 % vorgelegen war (siehe relevante Befunde) - wird lediglich angeführt:
" … Der Grad der Behinderung wird gegenüber dem Vorgutachten um 1 Stufe herabgesetzt und erreicht nunmehr 40 %".
(Daneben wird von der (unbestrittenen) Erwerbsfähigkeit des Sohnes ausgegangen)
b) Nach Abweisung des Antrages auf den Erhöhungsbetrag, erhobener Beschwerde und nochmaliger Anforderung wurde in dem 2. SMS-Gutachten v. durch SV Dr.in E - unter Berücksichtigung eines Labor- und eines Augenbefundes sowie unter Verweis darauf, dass "keine fachärztlichen Befunde" vorlägen - wiederum ein GdB von 40 % festgestellt.
Konkret wurde ohne jegliche nähere Begründung und auch ohne Stellungnahme zum Vorgutachten dieses zur Gänze bestätigt.
Im Vorlageantrag v. wird seitens der Bf nach ausführlicher Beschreibung der Beschwerden und unter Verweis auf die Einschätzungsverordnung die von beiden Sachverständigen vorgenommene Einordnung unter Pos.Nr. stark angezweifelt. Dazu wurde ein Schreiben bzw. Befund des behandelnden Arztes/Klinik Ort2, Dr. F, v. vorgelegt.
Beide Unterlagen werden dem Sozialministeriumservice vom FAÖ gesondert übermittelt.
Im Hinblick darauf, insbesondere auf den bislang unberücksichtigten Bericht des behandelnden Arztes v. , sind nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes/BFG die bisherigen Gutachten unvollständig und bedarf es eines weiteren ergänzenden SMS-Gutachtens, wobei insbesondere auch eine - bisher fehlende - nähere Begründung zum GdB und zur Einordnung unter welche Pos. Nr. der EVO erbeten wird. …."
12. In Entsprechung obiger Anforderung wurde vom SMS ein neuerliches Gutachten (mit Untersuchung am ) am 4./ erstellt wie folgt:
"Anamnese:
Vorgutachten vom
insulinpflichtiger Diabetes mellitus - GdB 40 %
Derzeitige Beschwerden:
Herr A leidet seit 2006 an Diabetes mellitus Typ I. Er ist auf eine funktionelle Insulintherapie mit Sensor und Insulinpumpe eingestellt. HbA1c von 5,7%. Mit der Pumpe ist er nun deutlich besser eingestellt.
geändert hat sich seit der letzten Untersuchung nichts. Aber der Alltag ist sehr anstrengend - sie waren letztens in Paris auf Urlaub. Dies war schwierig, da er den Sightseeingsurlaub nach dem Bedarf seiner Essenspausen und Erholungsphasen planen musste. Teilweise reichen 10-15min spazieren gehen, dass sein Blutzucker abfällt und er etwas essen muss. Jede Mahlzeit und jeder psychische Stress oder körperliche Anstrengung hat einen Einfluß auf seinen Blutzuckerspiegel. Der Gedanke an die notwendigen Journaldienste in der Anwaltskanzlei stressen ihn - er denkt nicht, dass er dies kann/es schwierig wird. Er hat vor allem einen höheren Zeitaufwand und wenn sein Blutzucker mal erhöht ist, dauert es relativ lange bis er sich wieder normalisiert.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Insulinpumpentherapie mit Insulin Lyumjew, Insulinsensor - seit 2019 Sensor
Sozialanamnese:
Jusstudent - wird im Herbst fertig, arbeitet in einer Kanzlei, lebt mit Lebensgefährtin zusammen
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
- Klinik Ort2 - 6.Med Abteilung
.. konsequent ambitionierten Insulinpumpentherapie... es kommt jedoch zu nächtlichen Hypoglykämien, auf Grund der Alarmmeldungen des rtCGM Dexcom G6 selbst behandelt. Dadurch leide er an Müdigkeit während des Tages. Ebenfalls steigt der Blutzucker regelhaft nach dem Mittagessen stark an, hier kommt es deshalb, je nach gegebener Insulinmenge, mitunter zu einem erhöhten Hypoglykämierisiko. Die Serumkreatininwerte liegen im oberen Grenzbereich, eine diabetische Retinopathie ist mir nicht bekannt
Dr. F
Untersuchungsbefund: Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: gut
Größe: 181,oo cm Gewicht: 102,00 kg
…..
Psycho(patho)logischer Status:
allseits orientiert, Gedankengang geordnet, nachvollziehbar, erreicht das Ziel, Stimmung ausgeglichen, Antrieb im Normbereich, Affekt stabil, gute Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen
Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit gut, Sprache unauffällig, kann sich gut ausdrücken
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage
oberer Rahmensatz bei Insulin-Sensor Pumpe, damit guter
Allgemeinzustand, HbA1C 5,7%, keine Folgeschäden
Pos. Nr. GdB 40 %
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: einziges Leiden
Herr A ist in die Therapie und Pathophysiologie seiner Erkrankung gut eingelesen und erreicht damit eine stabile Stoffwechsellage mit derzeit ohne Folgeschäden. Die beschriebenen Alltagsprobleme entsprechen dem normalen Krankheitsverlauf und werden bei der Beurteilung mit dem oberen Rahmensatz eingeschätzt. Die Einschätzung bei Diabetes mellitus erfolgt ab dem 18. Lebensjahr wie bei einem Erwachsenen.
……
Stellungnahme zu Vorgutachten: keine Änderung
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
ja
GdB liegt vor seit: 03/2022
Herr A ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Aus internistischer Sicht besteht eine ausreichende körperliche Leistungsfähigkeit.
X Dauerzustand
Gutachten erstellt am von Dr.in G (Anm.: Allgemeinmedizinerin)
Gutachten vidiert am von Dr. D".
13. Das BFG hat daneben noch Einsicht genommen in den Einkommensteuerbescheid 2021 des Sohnes A, wonach dieser im Jahr 2021 ein Einkommen in Höhe von € 5.164,12 erzielt hat.
II. Sachverhalt:
Der Sohn der Bf, A geb. 06/1997, hat im Juni 2015 das 18. Lebensjahr, im Juni 2021 das 24. Lebensjahr und im Juni 2022 das 25. Lebensjahr vollendet.
Er betreibt seit dem Wintersemester 2018 bis zumindest inklusive Sommersemester 2022 das Studium der Rechtswissenschaften (lt. Studienblatt) und arbeitet daneben in einer Anwaltskanzlei (siehe lt. "Sozialanamnesen" der SMS-Gutachten), aus welcher Tätigkeit er im Jahr 2021 ein Einkommen in Höhe von rund € 5.200 erzielte (lt. ESt-Bescheid 2021).
Aufgrund des von der Bf beantragten FB-Erhöhungsbetrages für den Sohn wegen erheblicher Behinderung (Diabetes mellitus Typ I) wurden bisher mehrere ärztliche Sachverständigen-gutachten vom Sozialministeriumservice, jeweils mit Untersuchung, erstellt.
Wie aus dem Gutachten vom 26./ hervorgeht, wurde ab 03/2018 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 % und wird ab 03/2022 ein GdB von 40 % bescheinigt. Die dortige Einstufung in Pos. Nr. der Anlage zur EVO unter Anwendung des oberen Rahmensatzes (40 %), unter Verweis ua. auf die Versorgung mittels Insulin-Pumpe, wurde jeweils in den Folgegutachten vom und vom 4./5.2023 bestätigt. Zudem wird in allen Gutachten übereinstimmend eine Erwerbsunfähigkeit ("voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen") verneint.
Die in dem zwecks Ergänzung vom BFG angeforderten Letztgutachten vom 4./ ohne Änderung zu den Vorgutachten getroffenen Feststellungen erfolgten nunmehr unter Berücksichtigung der von Seiten der Bf nachgereichten Stellungnahme des behandelnden Arztes des Sohnes, Dr. F/Klinik Ort2, vom als "relevanter Befund".
Dies mit dem Ergebnis, dass die (Eigen)Behandlung der Krankheit aufgrund Insulintherapie mit Sensor und Insulinpumpe gut eingestellt und der Sohn bei stabiler Stoffwechsellage in einem guten Allgemeinzustand ohne (derzeitige) Folgeschäden ist. Die beschriebenen gesundheitlichen Probleme im Alltag (siehe ua. ausführlich im Vorlageantrag sowie unter dem Pkt. "Derzeitige Beschwerden" im SMS-Gutachten v. 4./) entsprechen laut Gutachterin "dem normalen Krankheitsverlauf" und wurden bei Einstufung des GdB mit eingeschätzt.
III. Beweiswürdigung:
Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den im Einzelnen obangeführten Unterlagen und den eingangs dargestellten insgesamt drei SMS-Sachverständigengutachten.
IV. Rechtslage:
1.) Gesetzliche Bestimmungen:
FB-Grundbetrag:
Gemäß § 2 Abs. 1Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe
….
lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die
für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet
werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich
ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.
Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen,
wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein
Semester oder die vorgesehene ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr
überschreiten. …..
…..
lit h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten
Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die
Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit b zweiter bis letzter Satz sind
nicht anzuwenden.
FB-Erhöhungsbetrag:
Nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 idF BGBl I 2022/226 (in Geltung ab ) gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktions-beeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung mussmindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 idgF ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Die Einschätzungsverordnung (EVO) idF BGBl II 2012/251 lautet auszugsweise:
"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. …
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. …
…..
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. …"
In der Anlage zur EVO wird unter Abschnitt "09 Endokrines System" unter Pos. Nr. "09.02. Diabetes mellitus" festgeschrieben:
"Eine Unterscheidung in insulinpflichtigen und nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus ist wegen der unterschiedlichen Handhabung notwendig. Die Insulinapplikation beeinträchtigt den Tagesablauf (insbesondere im Erwerbsleben) mehr als eine orale Einstellung mit Antidiabetika.
Pos. Nr.
Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus GdB 10 - 30 %
Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage 30 - 40 %
30 %: Bei geringer zweimaliger Insulindosis und gutem Allgemeinzustand
40 %: - Bei höherer zweimaliger Insulindosis und gutem Allgemeinzustand
- Bei funktioneller Diabeteseinstellung (Basis-Bolus-Therapie), gutem
Allgemeinzustand und stabiler Stoffwechsellage
Insulinpflichtiger Diabetes Mellitus
bis zum vollendeten 18. Lebensjahr GdB 50 %
Insulinpflichtiger Diabetes Mellitus
bei instabiler Stoffwechsellage 50 - 60 %
…….."
zur Einkommensgrenze:
Nach § 5 Abs. 1 FLAG 1967 idgF. führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von € 15.000 (bis : bis zu € 10.000) in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe; ein diesen Betrag übersteigendes Einkommen verringert die Familienbeihilfe im Umfang des übersteigenden Betrages.
2.) Bescheinigung; Judikatur:
Zum Nachweis obgenannter Voraussetzungen ist eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice iSd § 8 Abs. 6 FLAG zwingend erforderlich.
Die Abgabenbehörden sowie der UFS, nunmehr das Bundesfinanzgericht, sind an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes, nunmehr Sozialministeriumservice/SMS, erstellten Gutachten gebunden (vgl. ; ; u.a.).
Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig und vollständig anzusehen sind (vgl. ; und 2009/16/0310; , mwN).
Das BFG hat die Beweiskraft - insbesondere Nachvollziehbarkeit bzw. Schlüssigkeit - der Gutachten zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen ().
Der Sachverständige hat sich bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes jener Hilfsmittel zu bedienen, die seine Wissenschaft entwickelt hat, um ein verlässliches Gutachten abzugeben. Die vom Sachverständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode hängt ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten ab (s. ).
V. Erwägungen:
In gegenständlichem Beschwerdefall wurden im Zuge des Verfahrens seitens der Fachärztinnen des Sozialministeriumservice zunächst zwei Sachverständigengutachten (samt Vidierung und sohin Zustimmung durch den leitenden Arzt) sowie - auf Veranlassung durch das BFG zur nochmaligen Überprüfung und Vervollständigung - ein ergänzendes und abschließendes Gutachten erstellt.
In allen Gutachten, insbesondere auch im ergänzenden Gutachten v. 4./ unter nunmehriger Berücksichtigung der nachgereichten Stellungnahme des behandelnden Arztes als (weiterer) relevanter Befund - wie im Vorlageantrag moniert - erfolgte die übereinstimmende Einordnung unter Pos. Nr. der maßgebenden Anlage zur EVO deshalb, da laut medizinischer Expertise beim Sohn der Bf ein insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage und bei gutem Allgemeinzustand gegeben ist. Dies insbesondere, weil er aufgrund der Insulintherapie in Form von Sensor und Insulinpumpe in seiner Behandlung gut eingestellt ist. Bei einem diesbezüglich (Pos. Nr.) vorgegebenen Rahmensatz von
30 - 40 % wurde jeweils gleichlautend (ohnehin) eine Einstufung mit dem höheren GdB von 40 % gewählt; dies ua. unter Bedachtnahme auf die vom Sohn beschriebenen Probleme im Alltag aufgrund des Diabetes, die im Übrigen zufolge der Begründung der Sachverständigen (siehe im Letztgutachten) "dem normalen Krankheitsverlauf" entsprechen.
Insofern handelt es sich - entgegen dem Vorbringen im Vorlageantrag - nicht um "bisher nicht hinreichend beachtete Leiden", die etwa zu einer Einordnung unter Pos. Nr. der Anlage zur EVO führen müssten. Es kann des Weiteren auch nicht davon gesprochen werden, dass diese Umstände im Rahmen der Begutachtung bzw. bei Einschätzung des GdB nicht berücksichtigt worden seien, wenn darauf bezogen eine Anwendung des höheren Rahmensatzes erfolgte. Da zudem - wie bereits dargelegt - die Stellungnahme des Dr. F nunmehr in die Begutachtung miteinbezogen wurde, die Gutachterin aber dennoch in Bestätigung der Vorgutachten zum selben Ergebnis gelangt ist, kann nach dem Vorgesagten insgesamt nicht davon gesprochen werden, dass den Gutachten mehrere Mängel anhaften würden bzw. ist jedenfalls davon auszugehen, dass diese allfälligen Mängel mittlerweile behoben sind.
Daneben gilt festzuhalten, dass das Zweitgutachten v. der Bf zur Kenntnis gebracht wurde (siehe im Vorlagebericht des Finanzamtes: "wurde mit Nachdruck zugesandt"); das neue SMS-Gutachten v. 4./ wird in der Beilage an die Bf übermittelt.
Nach oben dargelegter VwGH-Judikatur hat sich die Tätigkeit der Behörden und des BFG im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig und vollständig anzusehen sind und ist erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen.
Gegenständlich wurden unter Berücksichtigung vorliegender relevanter Befunde zunächst zwei Sachverständigengutachten erstellt. Zwecks Vervollständigung wurde nach Anforderung durch das BFG nochmals ein, unter Berücksichtigung der nachgereichten Stellungnahme des Dr. F, ausführlich ergänzendes Gutachten erstellt. In sämtlichen Gutachten wurde übereinstimmend eine Einordnung des Diabetes unter Pos. Nr. der maßgebenden Anlage zur EVO sowie ein GdB im Ausmaß von 40 % ab März 2022 festgestellt.
Eine Unschlüssigkeit der Gutachten in Form etwaig daraus hervorgehender Widersprüche ist für das BFG insofern nicht erkennbar.
VI. Ergebnis:
Wie oben ausgeführt, ist das Bundesfinanzgericht an die Feststellungen der im Wege des Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden.
Wenn zufolge dieser Begutachtung nach nochmaliger Überprüfung mehrfach festgestellt wurde, dass der GdB ab März 2022 (nur mehr) 40 % beträgt, dann liegt beim Sohn der Bf das in § 8 Abs. 5 FLAG bestimmte Kriterium für eine "erhebliche Behinderung", das ist ein relevanter GdB von zumindest 50 %, ab dem März 2022 nicht mehr vor.
Daneben wurde beim Sohn die gegebene Erwerbsfähigkeit bescheinigt; dies blieb zur Gänze unbestritten.
In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte daher der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Voraussetzungen, unter welchen der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zusteht, ergeben sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen.
Der Gesamtgrad der Behinderung sowie der Zeitpunkt, ab wann dieser vorliegt, ist seitens des Sozialministeriumservice festzustellen; das BFG ist an die diesbezüglich erstellten ärztlichen Gutachten grundsätzlich gebunden. Eine allfällige "Unschlüssigkeit" der Gutachten ist gegenständlich für das BFG nicht erkennbar. Da es sich dabei um eine Tatfrage handelt, liegt gegenständlich keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Beilage an die Beschwerdeführerin: 1 Sachverständigengutachten des
Sozialministeriumservice v. 4.5./
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100627.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at