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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.05.2023, RV/3100189/2023

Zurückweisung Vorlageantrag als verspätet: Die Beschwerdevorentscheidung gilt mit Einstellung in die Databox als zugestellt

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff Nr1, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 10/2019 bis 08/2020 und 04/2021 bis 09/2021 beschlossen:

Der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht
(= Vorlageantrag) vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit b in Verbindung mit
§ 264 Abs. 4 lit e Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., als verspätet zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4
iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahren:

Das Finanzamt hatte mit Bescheid vom , Ordnungsbegriff Nr1, vom Beschwerdeführer (Bf) ***Bf1*** die für die Tochter A bezogenen Beträge an Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) für die Zeiträume Oktober 2019 - August 2020 und April 2021 - September 2021 in Höhe von gesamt € 3.799,50 zurückgefordert, da lt. Begründung der Schulbesuch an der HAK Ort1 nicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen und damit keine ernsthaft und zielstrebig betriebene Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., vorgelegen habe.

Dagegen hat der Bf rechtzeitig Beschwerde erhoben und ausführlich zum ernsthaften Bestreben der Tochter zum erfolgreichen Schulbesuch samt Abschluss ausgeführt; die Beschwerde ist mit datiert und beim Finanzamt am eingelangt.

In der Folge hat das Finanzamt der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom teilweise stattgegeben, da im Zeitraum April 2021 von einer vollen zeitlichen Inanspruchnahme der Tochter hinsichtlich des Schulbesuches auszugehen sei; im Übrigen erfolgte eine Abweisung der Beschwerde.
Die elektronische Signatur der BVE datiert mit , 04:28:52 Uhr.

Vom Bf wurde am der "Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht" (= Vorlageantrag) eingebracht und ua. die Ablegung der Reifeprüfung durch die Tochter am (samt beil. Zeugnis) eingewendet. Laut im Akt erliegenden Briefumschlag wurde der mit datierte Vorlageantrag vom Bf am zur Post gegeben (= Postaufgabestempel).

II. Sachverhalt:

Laut vorliegenden Auszügen aus dem elektronischen Akt des Bf, Steuernummer Nr2, ist hinsichtlich seiner FinanzOnline/FON-Anmeldung ersichtlich, dass er am erstmals Zugangskennungen für FinanzOnline beantragt und erhalten hat. Danach hat er am eine sogenannte Rücksetzung beantragt. Rücksetzung bedeutet, dass ein neuer PIN-Code beim Finanzamt beantragt wurde, zB wenn der alte PIN-Code vergessen wurde.
Der Bf hatte offensichtlich bei der erstmaligen Beantragung von FinanzOnline im November 2015 der elektronischen Zustellung zugestimmt und dies auch in den folgenden Jahren nicht geändert. Das ist auch daran ersichtlich, dass sämtliche Bescheide und Vorhalte im Familien-beihilfenverfahren und auch im Einkommensteuerverfahren (Veranlagung 2014 bis 2021) elektronisch in die Databox zugestellt wurden.

Zur Zustellung der Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom :
Die BVE wurde laut elektronischem Akt am via FON versendet. Auf dem Zeitstempel der elektronischen Signatur (Amtssignatur) steht "2022-05-20T 04:28:52+2:00", was so viel bedeutet, dass die Erledigung am , 06:28:52 Ortszeit, erstellt wurde (zur koordinierten Weltzeit/UTC sind zwei Stunden hinzuzuzählen, um auf die Mitteleuropäische Sommerzeit zu gelangen). In der Regel dauert das Einstellen der behördlichen Erledigung in die Databox rund eine Stunde, sodass kein Datumssprung auf den nächsten Tag anzunehmen ist.

Fest steht, dass der mit datierte Vorlageantrag vom Bf lt. Poststempel am selben Tag zur Post gegeben wurde.

III. Gesetzliche Grundlagen:

§ 97 Abs. 1 und Abs. 3 BAO lauten:

(1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;
b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

(3) An Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung kann deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunter-stützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, daß sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. In der Verordnung sind technische oder organisatorische Maßnahmen festzulegen, die gewährleisten, daß die Mitteilung in einer dem Stand der Technik entsprechenden sicheren und nachprüfbaren Weise erfolgt und den Erfordernissen des Datenschutzes genügt. Der Empfänger trägt die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der Erledigung. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß.

§ 5b Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006) lauten:

§ 5b. (1) Die Abgabenbehörden haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.

(2) Jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, hat in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung derErledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert.

(3) Teilnehmer, die Unternehmer im Sinne des § 3 Z 20 des Bundesstatistik-gesetzes 2000, BGBl. I Nr. 163/1999, sind und die wegen Überschreiten der Umsatzgrenze zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sind, haben an der elektronischen Zustellung über FinanzOnline teilzunehmen und können auf diese nicht verzichten. Andere Teilnehmer können in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihnen bei ihrem ersten nach dem erfolgenden Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten. Wenn sie nicht zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung verpflichtet sind, können die in § 2 Abs. 2 genannten Parteienvertreter den Verzicht für die Zustellungen in ihren eigenen Angelegenheiten und davon getrennt für die Zustellungen in den Angelegenheiten als Parteienvertreter erklären.

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

§ 108 BAO lautet:

(…) (2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

(3) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (…)

Gemäß § 245 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat und beginnt mit Zustellung in die Databox.

§ 260 Abs. 1 BAO lautet:

Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) (…)
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Nach § 264 Abs. 4 lit e BAO ist für Vorlageanträge § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) sinngemäß anzuwenden.

Nicht fristgerecht eingebrachte Vorlageanträge sind nach § 264 Abs. 5 BAO vom Verwaltungsgericht (mit Beschluss) zurückzuweisen.

IV. Erwägungen:

Gem. § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Nach herrschender Rechtsauffassung und den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung (Vgl. 270 BlgNR 23. GP 13) ist der Zeitpunkt, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat. Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen, Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an. Irrelevant ist auch das Datum einer etwaigen Information über die in die Databox erfolgte Zustellung. Der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox ist auch dann der Zustellzeitpunkt, wenn eine in § 5b Abs. 2 FOnV 2006 vorgesehene Information an der vom Teilnehmer angegebenen elektronischen Adresse unterblieben sein sollte. Diese Information hat also lediglich Service-Charakter (vgl. zu vor in Ritz, BAO 6 , Rz 4 zu § 98, unter Hinweis auf die umfangreiche Judikatur des UFS und des BFG sowie auf das Erkenntnis des ; vgl. zB ). Ein Teilnehmer in FinanzOnline kann jedoch auf die elektronische Form der Zustellung auch (jederzeit) verzichten (vgl. § 5b Abs. 3 FOnV 2006).

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der Bf nicht auf die elektronische Zustellung von Dokumenten verzichtet. Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde daher zu Recht elektronisch zugestellt. Die Beschwerdevorentscheidung wurde am in die Databox des Bf eingebracht/eingestellt und damit wirksam bekanntgegeben. Sie ist dadurch in den elektronischen Verfügungsbereich des Bf gelangt und gilt als am , einem Freitag, zugestellt.

Mit Datum hat somit der Lauf der gemäß § 264 Abs. 1 BAO einmonatigen Frist zur Stellung eines Vorlageantrages begonnen und hat zufolge § 108 Abs. 2 BAO am Montag (24:00 Uhr) geendet. Der erst am datierte und per Post eingebrachte Vorlageantrag war somit nicht rechtzeitig.

Der Vorlageantrag vom ist daher gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO iVm § 264 Abs. 4 und 5 BAO als nicht fristgerecht zurückzuweisen.

Die (teilweise stattgebende) Beschwerdevorentscheidung vom erwächst damit in Rechtskraft.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge der Zurückweisung bei nicht fristgerecht gestelltem Vorlageantrag ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 260 Abs. 1 lit b iVm § 264 Abs. 4 und 5 BAO). Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb eine ordentliche Revision nicht zuzulassen ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 Abs. 1 und 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5b Abs. 1, 2 und 3 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100189.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at