zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 30.05.2023, RV/5100350/2023

Wirksamkeit eines Aussetzungsbescheides nach § 271 BAO nach Klärung der Rechtsfrage

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Schottenfeldgasse 2-4 Tür 23, Wien 1070, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit welchem die Aussetzung der Entscheidung gem. § 271 BAO betreffend die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom (Ausgleichszahlung) verfügt wurde, zu SVNr. ***SVNr***, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Bescheid vom (zugestellt am ) wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf.) vom auf Gewährung einer (nicht indexierten) Ausgleichszahlung für zwei Kinder mit Hinweis auf § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes sowie § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie die Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung (BGBl. II Nr. 318/2018) abgewiesen.

Das mit der dagegen gerichteten Beschwerde vom eingeleitete Beschwerdeverfahren wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom nach § 271 BAO ausgesetzt. Die Aussetzung des Verfahrens begründete die belangte Behörde damit, dass derzeit ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof betreffend die in Österreich vorgenommene Indexierung der Familienbeihilfe anhängig sei, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die genannte Beschwerde sei. Nach der Aktenlage würden der Aussetzung keine überwiegenden Interessen der Partei, die sich im Einzelfall aus einem besonders gelagerten Sachverhalt ergeben müssten, entgegenstehen. Nach der Entscheidung durch das Europäische Gericht würde das ausgesetzte Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Gegen den genannten Bescheid über die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens vom , zugestellt am , brachte der Bf. die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde vom ein und beantragte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den Senat. Wie den Medien zu entnehmen sei, sei die Indexierung der Familienbeihilfe einerseits vom Bundesfinanzgericht dem EuGH vorgelegt worden und sei andererseits Österreich von der Europäischen Union wegen Europarechtswidrigkeit geklagt worden. Diese Rechtswidrigkeit sei evident und offenkundig, da die zugrundeliegende EU-Verordnung (insb. Art. 67) unmittelbar anwendbar sei und ein Präzedenzfall aus dem Jahr 1971 bezüglich Frankreich vorliege, weshalb jede Verweigerung und Kürzung von Kindergeld unzulässig sei. Die von der belangten Behörde nunmehr vorgenommene Aussetzung der Entscheidung sei daher nicht zulässig.

Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom , Kommission gg. Österreich (ECLI:EU:C:2022:468), wurde die in Österreich vorgenommene Indexierung von Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträgen als unionsrechtswidrig erkannt (vgl. auch ).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde vom stattgegeben und wurde der angefochtene Bescheid vom zugleich aufgehoben. Die automatische Nachzahlung der Differenz zwischen indexierter und nicht indexierter Familienbeihilfe sei der Bescheidbegründung zufolge bereits am durchgeführt worden.

Mit als Beschwerdevorentscheidung zu wertendem Bescheid vom wurde die Beschwerde "vom " (wohl gemeint: Beschwerde vom , bei der belangten Behörde laut Eingangsstempel per Post eingelangt am ) zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Bescheid über die Aussetzung der Entscheidung über die Beschwerde vom seine Wirksamkeit verloren habe, da die Indexierung mittlerweile mit der Nachzahlung vom behoben wurde. Die Beschwerde sei daher wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen gewesen.

Mit als Vorlagenantrag zu wertender "Beschwerde" vom beantragte der Bf. die Entscheidung durch den Senat, die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, die Aufhebung des Bescheides vom und die Stattgabe der Beschwerde gegen den Bescheid vom (volle Differenzzahlung unter Außerachtlassung der Indexierungsbestimmungen).

Die Beschwerdesache wurde dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt. Im Vorlagebericht brachte die belangte Behörde vor:

"Der Zurückweisungsbescheid vom ist als Beschwerdevorentscheidung zu qualifizieren, da die falsche Bescheidbezeichnung als "Zurückweisungsbescheid" statt der gem § 262 Abs 1 BAO geforderten Bezeichnung als "Beschwerdevorentscheidung" grundsätzlich nicht der Qualität der Rechtsmittelerledigung als BVE schadet (vgl RV/2100322/2022). Weiters ist dadurch die Beschwerde vom als Vorlageantrag zu qualifizieren.

Die Beschwerde gegen den Aussetzungsbescheid ist allerdings unzulässig, da der Bescheid seine Wirksamkeit durch die Beendigung jenes Verfahrens, bis zu dessen Beendigung die Aussetzung verfügt worden ist, verloren hat (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 271 Rz 23 iZm 90/13/0276, RS 1). Das vorangegangene Verfahren wurde durch die Beschwerdevorentscheidung vom fortgesetzt und abgeschlossen. Mit dieser Sachentscheidung wurde dem EuGH-Urteil entsprochen. Es wird daher beantragt, die Beschwerde gegen den Aussetzungsbescheid als unzulässig zurückzuweisen."

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist - soweit entscheidungsrelevant - unstrittig, ergibt sich aus dem Akteninhalt und stützt sich auf die Angaben des Bf. sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde.

Rechtslage

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO (Bundesabgabenordnung) ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO idF. BGBl. I Nr. 13/2014 kann der Senat ungeachtet eines Antrages (Abs. 1 Z 1) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260).

Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, obliegen allerdings nach § 272 Abs. 4 BAO idF. BGBl. I Nr. 117/2016 Zurückweisungen (§ 260) dem Berichterstatter.

§ 271 BAO idF BGBl. I Nr. 62/2019 lautet:

(1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen.

(2) Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gemäß Abs. 1 gegeben hat, ist das ausgesetzte Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

(3) Von der Abgabenbehörde erlassene Aussetzungsbescheide gemäß Abs. 1 verlieren ihre Wirksamkeit, sobald die Partei (§ 78) die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt.

Die Aussetzung der Entscheidung ist mit Bescheidbeschwerde beim Verwaltungsgericht bzw mit Revision beim VwGH oder mit VfGH-Beschwerde anfechtbar (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 271 Rz 23 mit Verweis auf ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 271 Anm 10; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 271 Rz 13; ). Der Bescheid verliert allerdings seine Wirksamkeit durch die Beendigung jenes Verfahrens, bis zu dessen Beendigung die Aussetzung verfügt worden ist (, , 2010/15/0094).

Gemäß § 271 Abs. 1 BAO erlassene Aussetzungsbescheide der Abgabenbehörde verlieren zudem ihre Wirksamkeit, sobald die Partei (§ 78) die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt (§ 271 Abs. 3 BAO). Der Antrag auf Fortsetzung ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Durch dieses Antragsrecht verliert die Möglichkeit, den Aussetzungsbescheid mit Bescheidbeschwerde anzufechten, an Bedeutung (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 271 Rz 21 mit Verweis auf Hörtnagl-Seidner, Formalentscheidungen, 51).

Da der Aussetzungsbescheid mit der Klärung der Frage der Rechtswidrigkeit der genannten Indexierungsbestimmungen durch das , seine Wirksamkeit verloren hat, kann gegen diesen Bescheid eine Bescheidbeschwerde nicht (mehr) erfolgreich geführt werden, da sie sich gegen einen nicht (mehr) wirksamen Bescheid richtet. Weiters wurde dem im zugrundliegenden Beschwerdeverfahren vorgetragenen Beschwerdebegehren bereits mit der Auszahlung der Differenz sowie der genannten Beschwerdevorentscheidung vom inhaltlich Rechnung getragen.

Insoweit ist damit allerdings die Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom , wonach der Bescheid über die Aussetzung der Entscheidung über die Beschwerde vom deswegen seine Wirksamkeit verloren habe, weil die Indexierung mittlerweile mit der Nachzahlung vom behoben wurde, unzutreffend.

Im Übrigen wird auf das zutreffende Vorbringen der belangten Behörde im Vorlagebericht verwiesen.

Die Beschwerde war daher mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO in Verbindung mit § 274 Abs. 5 BAO kann im Falle der Zurückweisung der Beschwerde gem. § 260 BAO von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Mit dem Vertreter des Beschwerdeführers wurde diesbezüglich ein Telefonat geführt. Dabei wurden keine Fragen aufgeworfen, für deren Klärung die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zweckdienlich wäre, zumal der zugrundeliegende Sachverhalt ohnehin unstrittig ist. Daher wird das Ermessen dahingehend geübt, dass von der mündlichen Verhandlung abgesehen wird.

Da zunächst seitens des Beschwerdeführers die Entscheidung durch den Senat beantragt worden war, wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 272 Abs. 4 BAO Beschwerdezurückweisungen dem Berichterstatter obliegen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision für unzulässig zu erklären war.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 271 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 271 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100350.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at