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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2023, RV/7400046/2022

Erlassung eines Kommunalsteuerbescheides für Jahre vor Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens nach Abschluss des Insolvenzverfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Choc & Axmann Rechtsanwaltspartnerschaft, Kalchberggasse 10/I, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Rechnungs und Abgabenwesen, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom betreffend Kommunalsteuer für 2018 und 2019, GZ. MA 6/ARL - 361962-2022, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden der Beschwerdeführerin Kommunalsteuer für die Jahre 2018 und 2019 vorgeschrieben.

In der Begründung wurde nach Wiedergabe der herangezogenen gesetzlichen Bestimmungen angeführt, die Beschwerdeführerin habe die Kommunalsteuer für die an die Dienstnehmer der in Wien gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährten Arbeitslöhne nicht vollständig, bzw. nicht erklärt, weshalb die Voraussetzungen für die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gegeben seien. Aufgrund der bei der Prüfung vorhandenen Unterlagen sei die Bemessungsgrundlage für den im Spruch des Bescheides angeführten Zeitraum mit 262.541,43 Euro ermittelt worden.

Die Bemessungsgrundlagen seien im Zuge einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) (bzw. ab Prüfung Lohnabgaben und Beiträge - PLB) durch Organe der Bundesfinanz oder eines Krankenversicherungsträgers erhoben worden.

Das von der Selbstbemessung der Beschwerdeführerin abweichende Prüfungsergebnis resultiere aus der Nachverrechnung auf Basis der Betriebssummenblätter.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde brachte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin vor, über das Vermögen der Beschwerdeführerin sei mit Beschluss des ***[BG]*** vom ***[Datum1]*** zu ***[GZ1]*** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden.

Die sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebende Zahlungsverpflichtung beziehe sich auf eine Forderung aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die belangte Behörde hätte die Möglichkeit gehabt, die Forderung im Schuldenregulierungsverfahren zur Anmeldung zu bringen.

Es sei notwendig, eine Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zu erheben, da ansonsten eine Judikatforderung nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens entstehen würde. Dies würde zum Entstehen einer Massenforderung führen.

Die Beschwerdeführerin schulde jedenfalls maximal den Quotenbetrag und nicht den gesamten, sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebenden Betrag.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen sowie des Verfahrensganges angeführt, dass für das Jahr 2018 am eine Jahreserklärung für die Kommunalsteuer in Höhe von 348,23 Euro (Bemessungsgrundlage: 11.572,33 Euro) abgegeben worden sei. Im Rahmen der Kommunalsteuerprüfung durch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sei anhand der vorgelegten Betriebssummenblätter eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 29.832,81 Euro festgestellt worden. Somit habe sich die Jahreserklärung für das Jahr 2018 als nicht richtig erwiesen.

Für das Jahr 2019 sei keine Kommunalsteuer-Jahreserklärung übermittelt worden, obwohl die Beschwerdeführerin dazu verpflichtet gewesen wäre.

Es sei weder nachvollziehbar, weshalb maximal der Quotenbetrag festgesetzt werden sollte, noch weshalb die Abgabenfestsetzung ersatzlos behoben werden sollte. Aus dem Bescheid gehe jedenfalls unmissverständlich hervor, dass offene Beträge gemäß den Bestimmungen der Insolvenzordnung an die Stadt Wien zu entrichten seien.

Die Lohnsumme der einzelnen Dienstverhältnisse sei in die Bemessungsgrundlage der Kommunalsteuer einzubeziehen gewesen.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wandte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin ein, es sei zwar grundsätzlich richtig, dass offene Beträge gemäß den Bestimmungen der Insolvenzordnung an die Stadt Wien zu entrichten seien. Diese Feststellung sei aber nicht hinreichend. Durch die Festsetzung der Steuer in bestimmter Höhe entstehe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neuer Exekutionstitel. Dies führe nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung dazu, dass die Schuld in voller Höhe (wie bescheidmäßig festgesetzt) zu entrichten wäre.

Den Bestimmungen der Insolvenzordnung zufolge sei ausschließlich das Insolvenzgericht befugt, darüber zu entscheiden, ob im Schuldenregulierungsverfahren nicht berücksichtigte Forderungen aus der Zeit vor Öffnung des Insolvenzverfahrens quotenmäßig zu bedienen seien oder nicht.

Aus diesem Grund müsste - wenn schon eine Entscheidung des Insolvenzgerichtes nicht angestrebt und kein Antrag nach § 197 IO gestellt werde - zumindest aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides hervorgehen, dass die festgestellte Forderung nach Maßgabe der Bestimmungen des § 197 IO geschuldet werde.

Es werde damit beantragt, den angefochtenen Bescheid zumindest im dargestellten Sinne abzuändern.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht vom nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der bereits in der Beschwerdevorentscheidung angeführten Argumente die Abweisung der Beschwerde.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Entscheidung nach vorheriger Einholung der Zustimmung der Beschwerdeführerin gemäß § 271 Abs. 1 BAO bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur Zahl Ra 2020/13/0012 anhängigen Verfahrens (Amtsrevision zu ) ausgesetzt, da der Ausgang dieses Verfahrens hinsichtlich der Frage, ob die Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben gemäß § 201 BAO für mehrere Jahre in einem Bescheid erfolgen dürfe, bzw. ob ein derartiger Bescheid im Beschwerdeverfahren vom Bundesfinanzgericht ersatzlos aufzuheben sei, von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache ist.

Nach Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes am wird das Verfahren gemäß § 271 Abs. 2 BAO von Amts wegen fortgesetzt

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde gegenüber der Beschwerdeführerin Kommunalsteuer für die Jahre 2018 und 2019 festgesetzt. Die Festsetzung erfolgte, weil die Beschwerdeführerin für die genannten Jahre eine zu niedrige (2018) bzw. gar keine Kommunalsteuer-Erklärung abgegeben hat. Die als Bemessungsgrundlage herangezogene Lohnsumme der an die Bediensteten ausbezahlten Löhne wurde von der belangten Behörde zutreffend ermittelt.

Vom ***[BG]*** wurde mit Wirkung vom gegenüber der Beschwerdeführerin ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, welches nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens am mit Beschluss des ***[BG]*** vom aufgehoben wurde.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, sowie den Angaben in der Insolvenzdatei und ist auch nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 1 Kommunalsteuergesetz 1993 - KommStG 1993 - unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.

Dienstnehmer sind nach § 2 lit a KommStG 1993 Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen, freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

Bemessungsgrundlage ist gemäß § 5 Abs. 1 KommStG 1993 die Summe der Arbeitslöhne, die an die Dienstnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterliegen.

Arbeitslöhne sind gemäß § 5 Abs. 1 lit. a KommStG 1993 im Falle des § 2 lit. a KommStG 1993 Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 und an freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG.

Gemäß § 9 KommStG 1993 beträgt die Steuer 3% der Bemessungsgrundlage. Übersteigt bei einem Unternehmen die Bemessungsgrundlage im Kalendermonat nicht 1 460 Euro, wird von ihr 1 095 Euro abgezogen.

Gemäß § 11 Abs. 2 KommStG 1993 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

Gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 hat die Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid zu erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag der Abgabenbehörde bekannt gegeben wird oder sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Von der Erlassung eines solchen Abgabenbescheides kann abgesehen werden, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung binnen drei Monaten ab Einreichung der Abgabenerklärung berichtigt; erweist sich die Berichtigung als nicht richtig, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen.

Da die Beschwerdeführerin für das Jahr 2018 eine unrichtige und für das Jahr 2019 gar keine Kommunalsteuererklärung abgegeben hat, war die belangte Behörde berechtigt und verpflichtet, Kommunalsteuerbescheide für die betreffenden Jahre zu erlassen.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Recht bzw. die Pflicht der Abgabenbehörde, Abgabenansprüche im Abgabenfestsetzungsverfahren bescheidmäßig geltend zu machen, durch ein Insolvenzverfahren nicht berührt wird. Erst im Abgabeneinhebungsverfahren ist daher etwa dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Schuldner gemäß § 156 Abs. 1 IO durch einen rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan (früher: Ausgleich) von der Verbindlichkeit befreit wird, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist (vgl. ; , 89/13/0085; , 2001/17/0130; sowie , 2009/08/0011).

In diesem Sinne war die belangte Behörde berechtigt und verpflichtet, auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die Kommunalsteueransprüche im Abgabenfestsetzungsverfahren - unabhängig davon, ob und in welcher Höhe diese im Abgabeneinhebungsverfahren noch einbringlich gemacht werden können - bescheidmäßig geltend zu machen.

Die diesbezüglichen Bedenken des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin können nicht geteilt werden, da sich aufgrund des Umstandes, dass die Abgabenfestsetzung erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, an der rechtlichen Qualifizierung der Abgabenschuld als Insolvenzforderung nichts ändern kann.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Beurteilung der Rechtsfrage, ob nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens, Zeiträume vor Einleitung des Insolvenzverfahrens betreffende Abgabenbescheide noch erlassen werden dürfen, im Sinne der der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. bspw. ) erfolgte, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400046.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at