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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.04.2023, RV/5100504/2022

Schlüssigkeit der Gutachten des Bundessozialamtes

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0086. Zurückweisung mit Beschluss v. .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ihren Sohn ***K***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***10***, mit dem für das Kind ***K*** (VNR ***1***) für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 gewährte erhöhte Familienbeihilfe (5.668,20 €) sowie Kinderabsetzbeträge (1.051,20 €) in Höhe von insgesamt 6.719,40 € zurückgefordert wurden, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die rückgeforderten Beträge am fällig waren.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

1.1. Beihilfenanträge

Der am ***11*** geborene Sohn der Beschwerdeführerin wohnte laut den im Zentralen Melderegister gespeicherten Daten bis bei seinen Eltern, im Zeitraum bis in ***2*** und seit in ***3***.

Am stellte er mittels Formblatt Beih 3 beim damals zuständig gewesenen Finanzamt Braunau Ried Schärding einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab "05/2017" (Eigenantrag). Als Behinderung wurde angegeben: "Autismus Spektrum-Störung (Asperger-Syndrom) Grad der Behinderung 70 % - OB ***12***".

Die Beschwerdeführerin (Kindesmutter) stellte am über FinanzOnline beim damals für sie zuständig gewesenen Finanzamt Gmunden Vöcklabruck einen Antrag auf rückwirkende Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ab August 2014 wegen "Erwerbsunfähigkeit wegen erheblicher Behinderung".

In einem ergänzend dazu am unterfertigten, am persönlich beim Finanzamt Gmunden Vöcklabruck eingebrachten Formblatt Beih 3 beantragte die Beschwerdeführerin auch die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung. Als Behinderung wurde angegeben: "Autismus Spektrum-Störung (Asperger-Syndrom) - ICD-10-Code: F84.5 Grad der Behinderung 70 % - OB ***12***".

1.2 Beihilfenverfahren des Kindes (Eigenantrag ab 5/2017)

Das Finanzamt Braunau Ried Schärding holte aufgrund des Eigenantrages des Sohnes der Beschwerdeführerin eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ein. Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wird nach der am durchgeführten Untersuchung festgestellt:

Anamnese:
Autismusstörung (Asperger-Syndrom)

Derzeitige Beschwerden:
Hr.
***K*** wuchs im Familienverband auf, er besuchte die Volksschule, das Gymnasium brach er in der 6. Klasse ab. Anschließend hat er eine Lehre als Maschinenmechaniker begonnen, auch diese hat er abgebrochen, einer weiteren beruflichen Tätigkeit ist er nicht nachgegangen.
Schon als Kind litt der Patient an einer juvenilen emotionalen Störung mit Leistungsstörung, bereits 1989/1990 machte er 3 Selbstmordversuche. Er litt schon als Kind unter Schlafstörungen. Von 1990 bis Frühling 2017 ist er in keiner psychiatrischen oder psychotherapeutischen Betreuung gewesen, er hat von Erspartem und von der finanziellen Unterstützung seiner Eltern gelebt.
Letztendlich wurde 2017 die Diagnose Autismus Spektrumsstörung (Asperger-Syndrom) und eine zwanghafte Persönlichkeitsakzentuierung diagnostiziert. Herr
***K*** gibt an, dass er sehr zurückgezogen lebt, er kann schlecht unter Leuten sein, fährt auch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Hr. ***K*** hat lange bei seinen Eltern gewohnt, zwischenzeitlich für 2 Jahre in einer teilbetreuten Wohneinrichtung, derzeit lebt er alleine in einer Wohnung, er versorgt sich selbstständig, er ist nicht besachwaltert, die Invaliditätspension wurde ihm anerkannt.

Sonstige Diagnosen: keine weiteren Grunderkrankungen

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
keine Dauermedikation

Sozialanamnese:
Patient lebt alleine in einer Wohnung.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Sachverständigengutachten Dr.
***4***, FÄ für Psychiatrie vom 06/2018: GdB von 50% bei Autismusstörung (Asperger-Syndrom)

Arztbrief ***21*** Linz vom : juvenile emotionale Störung mit Leistungsstörung, Z.n. SMV;

Arztbrief ***21*** Linz vom : neuerlicher Suizidversuch

Arztbrief ***21*** Linz von : juvenile emotionale Störung, Agrypnie;

Ergebnis der Beweisaufnahme zur Stellungskommission vom : Untauglichkeit aufgrund geringer Belastbarkeit;

Arztbrief ***5***, Abteilung für Psychiatrie vom : Exacerbation einer vordiagnostizierten schizoiden Persönlichkeitsstörung DD: Erkrankung aus dem autistischen Bereich bei psychosozialen Belastungsfaktoren, Vordiagnosen: juvenile emotionale Störung mit Leistungsstörung, Z.n. SMV 11/1989, neurotische Depression mit wiederholtem SMV 5/1990;

Leistungsbescheid BH ***13*** vom : Wohnen in einer teilbetreuten Wohneinrichtung genehmigt;

Bescheid Landesgericht ***14*** vom zum Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspernsion: dauerhafte Invalidität des Klägers ist gegeben;
Aus dem Urteil geht auch hervor, dass ab dem Jahr 2001 dem Kläger Arbeiten nur unter festgestellten Arbeitsplatzbedingungen möglich war. Die Krankheit lag laut Gerichtsgutachten schon vor dem erstmaligen Eintritt in die Pflichtversicherung am vor. Im Laufe der Zeit ergab sich eine Verschlechterung der bestehenden Krankheit, die sich vor allem in einem verstärkten sozialen Rückzug und fehlenden Außenkontakten äußert;

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: leicht reduziert
Größe: 174,00 cm Gewicht: 62,00 kg Blutdruck: 120/80

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Caput: FINAP frei, Pupillen rund, isocor, prompte direkte und indirekte LR, Sehen mit Sehbrille ausreichend, Hörvermögen ausreichend;
Collum: SD schluckverschieblich, keine Einflussstauung, keine tastbaren Lymphknoten
Cor: rein, rhythmisch, normofrequent
Pulmo: Vesikuläratmung, keine RG's
Abdomen: weich, kein Druckschmerz, keine tastbaren Resistenzen
OE und UE: Tonus, Trophik und grobe Muskelkraft unauffällig, Gelenke frei beweglich, keine Ödeme, keine Varizen.
WS: im Lot, kein wesentlicher Klopfschmerz;

Gesamtmobilität-Gangbild:Stand und Gang unauffällig.

Psycho(patho)logischer Status:
Patient zeitlich, örtlich und situativ orientiert, keine Einschränkungen des
Kurzzeitgedächtnisses und des planerischen Handelns, keine aggressiven oder depressivenVerhaltensauffälligkeiten, Ductus kohärent, etwas unruhig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB %
1
Persönlichkeits- bzw. Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen
Autismus Spektrumsstörung (Asperger-Syndrom), schizoide und zwanghafte Persönlichkeitsakzentuierung, soziale Kontakte eingeschränkt, Arbeitsfähigkeit nicht gegeben
50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Oben genannte Grunderkrankung ergibt einen GdB von 50%.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostiziertenGesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine weiteren Grunderkrankungen

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Erstgutachten

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 12/1989

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:laut vorliegenden Befunden

Herr ***K*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahreingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahreingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit,sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Laut vorliegenden Befunden bestand bereits 1989 eine emotionale Störung mit Leistungsstörungen
und 2maligem SMV. Herr ***K*** hat die Schule und eine Lehre abgebrochen, aus dem vorliegendemGerichtsurteil geht hervor, dass ab dem Jahr 2001 dem Kläger Arbeiten nur unter festgestelltenArbeitsplatzbedingungen möglich war, d.h. die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffenist It. Gerichtsurteil ab 2001 eingetreten und somit nicht vor dem 18. und 21. Lj. Im weiteren Verlaufkam es zu einer zunehmenden Verschlechterung der bestehenden Krankheit.

Dauerzustand

Da in dieser Bescheinigung der Eintritt der Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr festgestellt worden war, wies das Finanzamt Braunau Ried Schärding den Eigenantrag des Sohnes der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom ab.

Aufgrund einer dagegen eingebrachten Beschwerde vom , der 17 Beilagen angeschlossen waren, wurde vom Finanzamt neuerlich eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen angefordert. Im ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde wiederum der Eintritt der Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht bestätigt, und festgestellt:

Anamnese:
Beschwerde auf Vorgutachten wegen rückwirkender Anerkennung der andauernden Erwerbsunfähigkeit.
Vorgutachten Dr.
***6*** GDB 50 ab 12/1989 festgelegt. Andauernde Arbeitsunfähigkeit ist nicht vor 18. und nicht vor 21. Lebensjahr eingetreten.

Zuletzt Reha Aufenthalt in ***7*** im ***8*** im Jahr 2017, Betreuung in der ***9*** Wohngemeinschaft in ***2*** teilbetreut bis . Seither wohnt Herr ***K*** alleine in einer Wohnung in ***3***.

Diagnosen:
Juvenile emotionale Störung mit Leistungsstörung
Neurotische Depression mit z.n. SMV
Autismus Spektrum-Störung (Asperger Syndrom)
Schizoide und zwanghafte Persönlichkeitsakzentuierung
Vitamin D-Mangel
Nikotinabhängigkeit
Mutmaßlich toxisch degeneratives Handekzem bds.,

Derzeitige Beschwerden:
Aktuell ist Herr
***K*** wohnhaft in ***3***, wohnt alleine in einer Wohnung. Die Invaliditätspension ist rückwirkend ab Mai 2017 anerkannt worden. Laut eigenen Angaben wurde bereits auch bis Juni 2017 die erhöhte Familienbeihilfe bzw. die Familienbeihilfe vom Finanzamt Gmunden Vöcklabruck nachbezahlt, ein Bescheid dazu wird im Rahmen der Begutachtung vorgelegt.
Laut eigenen Angaben bestehe keine Änderung zum Vorgutachten, seit der Jugend bekanntes Problem mit mehreren Selbstmordversuchen, die Autismus Spektrum Störung (Asperger Syndrom) wurde erst sehr spät diagnostiziert.
Unter geringem Leistungsdruck sei alles stabil. Herr
***K*** wohnt alleine in einer Wohnung und kommt seit dem Auszug aus dem teilbetreuten Wohnen in ***2*** laut eigenen Angaben sehr gut zurecht.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Oleovit Tropfen
Keine laufende Therapie.

Sozialanamnese:
Bei Zustand nach teilbetreutem Wohnen ist Herr
***K*** nun wohnhaft in ***3***, er wohnt alleine in einer Wohnung. Die Invaliditätspension wurde ab Mai 2017 anerkannt.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Alle Unterlagen wurden eingesehen, relevante Auszüge davon werden folgend angeführt:

Arztbrief ***15*** Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom bei Autismus Spektrum-Störung (Asperger Syndrom)
Schizoide und zwanghafte Persönlichkeitsakzentuierung
Vitamin D-Mangel
Nikotinabhängigkeit (Fagerström: 5)
Mutmaßlich toxisch degeneratives Handekzem bds.;
Vordiagnosen: Juvenile, emotionale Störung mit Leistungsstörung, Z. n. SMV 11/1989 (LNK Linz); Neurotische Depression mit wiederholtem SMV (05/1990 LNK Linz);

Kurzarztbrief Klinik ***16*** vom bei Autismus-Spektrum-Störung (Asperger-Syndronm)
Schizoide- u. zwanghafte Persönlichkeitsakzentuierung
Vitamin-D-Mangel
Nikotinabhängigkeit
Mutmaßlich toxisch degen. Handekzem beidseits
Juvenile emotionale Störung mit Leistungsstörung,
Z. n. Selbstmordversuch (Nov. 1984)
Neurotische Depression mit wiederholtem SMV (Mai 1990)

Arztbrief Dr. ***D*** Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Linz vom bei Asperger-Syndrom (F 84.5 ICD 10)

Sachverständigengutachten BASB Landesstelle OÖ Frau Dr. ***17*** vom bei Schizoide Persönlichkeitsstörung - DD Asperger Syndrom
Entsprechend dem Schweregrad der Symptomatik mit Störung der sozialen Bereiche Familie, Gleichaltrige, Arbeit.
Keine Selbstverletzungen. Keine Suizidalität, keine Probleme mit dem Gesetz. In allen Aktivitäten des täglichen Lebens selbständig.

Sachverständigengutachten BASB Landesstelle OÖ Frau Dr. ***18*** vom bei Persönlichkeits- bzw. Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen Autismus Spektrumsstörung (Asperger-Syndrom), schizoide und zwanghafte Persönlichkeitsakzentuierung, soziale Kontakte eingeschränkt, Arbeitsfähigkeit nicht gegeben

Vorgelegt im Rahmen der Begutachtung Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe Finanzamt Gmunden Vöcklabruck ***K***, weiters erhalten sie den Kinderabsetzbetrag für ein Kind von August 2014 bis Juni 2017.

Versicherungsdatenauszug vom :
längstes Arbeitsverhältnis als Arbeiterlehrling - - Arbeiterlehrling
***19***
anschließend Arbeitslosengeldbezug, Arbeiter von 7/94-10/94 - ab diesem Zeitpunkt
keine Beschäftigung mehr;

Ausstellung BehindertenPass SMS vom :
Auf Grund Ihres Antrages vom wird Ihnen mitgeteilt, dass laut Ergebnis des
medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 70% festgestelltwurde.
Die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen liegen vor:
"Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter
Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung"
Der Behindertenpass wird unbefristet ausgestellt;

Stellungnahme der Administrative des Sozialministeriumservice Landesstelle OÖ vom:
Schizoide Persönlichkeitsstörung, Asperger Syndrom 70 v.H.
Die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher
Verkehrsmittel" ist gerechtfertigt.
Es ist keine Nachuntersuchung notwendig.
Dauerzustand;

Bescheid Landesgericht Ried - Arbeits- und Sozialgericht:
Unbefristete Invaliditätspension besteht ab dem .
Der Kläger leide am Asperger-Syndrom sei aber jedenfalls in der Lage gewesen, zumindest
das Hälfteentgelt eines gesunden Versicherten zu erwerben, sodass keine originäreInvalidität vorliege.Aufgrund seiner Leidenszustände sei er aber jetzt nicht mehr in der Lage einerregelmäßigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Der Klägersei dauerhaft invalid.
Die Krankheit lag bereits zum Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in die Pflichtversicherung
am vor, dies aber noch in einem reduzierten Ausmaß. Zum damaligen Zeitpunktwar dem Kläger das Tragenbis 10 kg und Heben bis 15 kg dauernd möglich. Die Arbeiten konntenim Sitzen, Gehen und Stehen durchgeführt werden. Haltungswechsel waren nichterforderlich.
Es bestanden keine motorischen oder sonstigen Einschränkungen der Extremitäten. Die
Arbeiten waren vorwiegend in durchschnittlichen, zeitweise auch imüberdurchschnittlichen Arbeitstempo im Freien und in geschlossenen Räumen möglich.
Eine Einschränkung der Tages- und Wochenarbeitszeit bestand nicht, zusätzliche
Arbeitspausen waren nicht erforderlich. Ein öffentliches Verkehrsmittel konnte benütztwerden und es war dem Kläger auch möglich eine Wegstrecke von 500m in 20 Minutenzurückzulegen....Krankenstände waren im Ausmaß von circa 2 Wochen pro Jahrerforderlich, regelmäßige Kuraufenthalte nicht...
Im Lauf der Zeit ergab sich eine Verschlechterung der bestehenden Krankheit, die sich vor
allem in einem verstärkten sozialen Rückzug und fehlenden Außenkontakten äußert.
Ab dem Jahr 2001 war der Kläger nur mehr am Arbeitsmarkt einsetzbar, sofern ein
Arbeitsplatz vorhanden war, den der Kläger vorwiegend alleine betreuen konnte, keineKommunikation notwendig war, keine Mitarbeiter anwesend waren und ein gewissesVertrauensverhältnis zum Vorgesetzten bestand ...So geht der Sachverständige Dr. ***D*** in der GA-Erörterungnoch von einer gewissen Restarbeitsfähigkeit im Jahr 2001 aus, schließt eine solche für2002 aber aus.
… Von einer originären Invalidität § 255 Abs. 7 ASVG ist aufgrund des
Leistungskalküls desKlägers zum nicht auszugehen … Ab dem Jahr 2001 waren dem Kläger Arbeiten nur unter den festgestellten Arbeitsplatzbedingungen möglich … Aus diesen Gründen ist von einem Ausschluss vom Arbeitsmarkt bereits zu Beginn des Jahres2001 auszugehen und somit von einer Invalidität vor dem 27.Lebensjahr des Klägers ...Der Kläger wird zum Stichtag auf Basis des festgestelltenLeistungskalküls vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen...

Bescheid Militärkommando Oberösterreich Linz vom :
aufgrund - geringer Belastbarkeit - für UNTAUGLICH erklärt;

Arztbrief stat. Aufenthalt ***20*** Krankenhaus von 13.9. bis :
Diagnose: Juvenile emotionale Störung, Agrypnie
...
Unmittelbarer Anlass zur Aufnahme war die Suizidgefahr, die von seiten der Elterngesehen wurde, nachdem sie erfahren hatten, dass der Pat. schon 2 Suizidversuchegemacht hat und nachdem sie auch einen (nicht datierten) Abschiedsbrief gefundenhatten...Der Patient ist gegen eine Medikation, da er sich dadurch konzentrationsgestörtfühlt,---die weiteren Seiten aus dem vorliegenden Befund sind nicht lesbar

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
normal, eher schlank
Größe: 174,00 cm Gewicht: 64,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
von einer eingehenden Untersuchung wird aufgrund der Corona-Maßnahmen Abstand
genommen;
Grobmotorisch- Grobneurologisch bestehen im Bereich obere und Untere Extremitäten
keine Auffälligkeiten.

Gesamtmobilität-Gangbild:
Aufstehen aus sitzender und liegender Position ohne Fremdhilfe möglich
Gangbild: aufrecht, ohne Gehbehelf, sicher

Psycho(patho)logischer Status:
Orientierung: situativ, örtlich, zeitlich, zur eigenen Person ausreichend orientiert
Kurzzeitgedächtnis: unauffällig
Konzentrationsfähigkeit: nicht beeinträchtigt
Wahrnehmung: keine Wahrnehmungsstörungen
Stimmung: euthym
Antrieb: unauffällig
Denkstörung: keine formalen oder Inhaltlichen feststellbar
Soziale Interaktion: unauffällig, situativ angepasst, freundlich

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB %
1
Autismus Spektrumsstörung (Asperger-Syndrom), schizoide und zwanghafte Persönlichkeitsakzentuierung, soziale Kontakte eingeschränkt, Arbeitsfähigkeit nicht gegeben laut Ausstellung Behindertenpass und Stellungnahme der Administrative des Sozialministeriumservice Landesstelle OÖ vom :
Schizoide Persönlichkeitsstörung, Asperger Syndrom 70 v.H., Es ist keine Nachuntersuchung notwendig.

Dauerzustand;
70

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 70%.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostiziertenGesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Juvenile emotionale Störung mit Leistungsstörung, Neurotische Depression mit z.n. SMV-unter Leiden
Nr. 1 mitberücksichtigt,Vitamin D-Mangel, Nikotinabhängigkeit, mutmaßlich toxisch degeneratives Handekzem bds. - abgeheilt;

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung von 50% auf 70% im Vergleich zum FLAG-Vorgutachten aufgrund der nun vorliegenden Unterlagen zur Ausstellung eines Behindertenpasses
vom bei Schizoider Persönlichkeitsstörung, Asperger Syndrom als Dauerzustand.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 10/2018
GdB 50 liegt vor seit: 09/1989

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
rückwirkende Anerkennung GdB 70% seit Ausstellung Behindertenpass vom ;
rückwirkende Anerkennung GdB 50% laut vorliegendem Arztbrief ***21***-Krankenhaus beijuveniler emotionaler Störung, Agrypnie mit erstmaligem stationärem Krankenhausaufenthalt von13.9. bis ;

Herr ***K*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:JA

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahreingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahreingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit,sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
letztes bestehendes länger andauerndes durchgehendes Arbeitsverhältnis - als Arbeiterlehrling von
- als Arbeiterlehrling bei der Firma ***19***;
So geht der Sachverständige Dr.
***D*** in der GA-Erörterungnoch von einer gewissen Restarbeitsfähigkeit im Jahr 2001 aus, schließt eine solche für 2002 aberaus;
laut Beschluss - Arbeits-Sozialgericht Ried i.l.:
Von einer originären Invalidität § 255 Abs. 7 ASVG ist aufgrund des Leistungskalküls des Klägers zum nicht auszugehen … Ab dem Jahr 2001 waren dem Kläger Arbeiten nur unter den festgestellten Arbeitsplatzbedingungen möglich ...Aus diesen Gründen ist von einem Ausschluss vom Arbeitsmarkt bereits zu Beginn des Jahres 2001 auszugehen und somit von einerInvalidität vor dem 27.Lebensjahr des Klägers
Unbefristete Invaliditätspension besteht ab dem .

Dauerzustand

Das Finanzamt Braunau Ried Schärding wies angesichts dieses neuerlichen Gutachtens mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde des Sohnes der Beschwerdeführerin vom als unbegründet ab. Mit Eingabe vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt (Vorlageantrag). Dieses Beschwerdeverfahren ist beim Bundesfinanzgericht zur GZ. RV/5101054/2020 noch anhängig.

1.3 Beihilfenverfahren der Beschwerdeführerin

Im Beihilfenverfahren der Kindesmutter wurde dagegen irrtümlich (laut Vorlagebericht des Finanzamtes vom ) vom Finanzamt Gmunden Vöcklabruck die erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum 8/2014 bis 6/2017 (Ende der Zugehörigkeit des Sohnes zum Haushalt der Kindesmutter) an die Beschwerdeführerin ausbezahlt - offenkundig deshalb, weil im ärztlichen Sachverständigengutachten vom ein Grad der Behinderung von 50 % festgestellt worden war (obwohl im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 der Grad der Behinderung ohne Bedeutung ist) und auf den Zeitpunkt des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht Bedacht genommen wurde.

In der Mitteilung vom wurde ausgeführt, dass für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017 erhöhte Familienbeihilfe sowie für den selben Zeitraum auch der Kinderabsetzbetrag gewährt werde. Ferner wurde am der Nachzahlungsbetrag von 12.963,50 € auf ein Bankkonto der Beschwerdeführerin angewiesen und dort (laut einem im Beschwerdeverfahren des Sohnes vorgelegten Kontoauszug) am gutgeschrieben.

1.4. Rückforderungsverfahren

Aufgrund einer Mitteilung des für das Beihilfenverfahren des Kindes zuständig gewesenen Finanzamtes Braunau Ried Schärding an das für die Beschwerdeführerin zuständig gewesene Finanzamt Gmunden Vöcklabruck wurde dieses bereits im Jahr 2020 auf die zu Unrecht an Letztgenannte gewährte Familienbeihilfe aufmerksam gemacht.

Erst mit Bescheid vom wurden von der Beschwerdeführerin die zu Unrecht für ihren Sohn für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 gewährten Beträge an erhöhter Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 6.719,40 € gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückgefordert. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Beim Kind der Beschwerdeführerin sei das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967). Lt. Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom sei bei ihrem Sohn keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bestätigt worden.

Auf der gleichzeitig ergangenen Buchungsmitteilung Nr. 1/2022 vom wird als Fälligkeitstermin der Nachforderungen der ausgewiesen. Der gesamte Rückforderungsbetrag von 6.719,40 € wurde mit einer per wirksamen Überweisung durch den Sohn der Beschwerdeführerin entrichtet.

Der Rückforderungsbescheid wurde laut RSb-Rückschein am durch Hinterlegung bei der Post-Geschäftsstelle ***22*** zugestellt (Beginn der Abholfrist: ) und eine Verständigung zur Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Die Sendung wurde nicht behoben und an das Finanzamt Österreich (Dienststelle 53) retourniert.

Da das Finanzamt von einer Rückforderung der gesamten zu Unrecht für den Zeitraum ab 8/2014 ausbezahlten Familienbeihilfe absah und den Rückforderungszeitraum (aufgrund unzutreffender Erwägungen zur Verjährung - siehe dazu unten Punkt 3.1.5) auf die Monate 1/2016 bis 6/2017 beschränkte, erging am an die Beschwerdeführerin überflüssigerweise automationsunterstützt eine inhaltlich grundlegend verfehlte Mitteilung über den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe. Darin wurde ausgeführt, dass "nach Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" diese für den Sohn der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 8/2014 bis 12/2015 gewährt werde. Beim Sohn sei für diesen Zeitraum eine "erhebliche Behinderung" festgestellt worden, weshalb die Beschwerdeführerin zusätzlich auch den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe erhalte. "Noch nicht ausbezahlte Ansprüche" würden auf ein näher bezeichnetes Bankkonto der Beschwerdeführerin überwiesen.

In einer über FinanzOnline von der Beschwerdeführerin am eingebrachten Eingabe wies diese im Wesentlichen darauf hin, dass sie über die Mitteilung vom irritiert sei. Seit der Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom habe sich weder die Sach- noch die Rechtslage geändert. Sie habe auch keinen erneuten Antrag auf Familienbeihilfe gestellt. Warum ihr nun dennoch eine erneute Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe, diesmal allerdings nur für einen kürzeren Zeitraum zugesendet werde, sei für sie nicht nachvollziehbar. Für die Rückforderung bereits ausbezahlter Familienbeihilfe müsse ein Bescheid erlassen werden. Da ihr ein solcher nicht vorliege, gehe sie von einem Versehen aus. Sie ersuche, den mittels Buchungsmitteilung vom ausgewiesenen Rückstand iHv € 6.719,40 zu annullieren. Andernfalls beantrage sie hiermit Akteneinsicht in den gesamten Verwaltungsvorgang.

Am veranlasste das Finanzamt die Zustellung einer Zweitschrift des Rückforderungsbescheides vom an die Beschwerdeführerin.

Am brachte die Beschwerdeführerin über FinanzOnline eine Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom ein, und legte gleichzeitig eine Vollmacht vom vor, derzufolge sie ihren Sohn bevollmächtige, sie in der Angelegenheit der erhöhten Familienbeihilfe für diesen zu vertreten und auch Zustellungen in dieser Angelegenheit zu empfangen (Zustellvollmacht).

In der weitwendig ausgeführten Beschwerde wurde im Wesentlich der bisherige Verfahrensgang geschildert und auf das Verfahren betreffend den Eigenanspruch des Sohnes Bezug genommen. Der Rückforderungsbescheid vom sei nach Intervention ihres Sohnes erneut vom Finanzamt versendet und am zugestellt worden; sie sei allerdings bis im Krankenhaus gewesen. Aufgrund der verspäteten Zustellung sei der in der erhaltenen Buchungsmitteilung ausgewiesene Fälligkeitstermin der Rückforderung () rechtswidrig. Die Bescheinigung vom sei ihr bisher nicht zur Kenntnis gebracht und damit das Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Beide Gutachten (vom und ) würden übereinstimmend die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit ihres Sohnes bestätigen, aber den Eintritt derselben vor Vollendung des 18. bzw. 21. Lebensjahres verneinen. Das erste Gutachten bescheinige einen Grad der Behinderung von 50 % seit 12/1989, während das zweite Gutachten im Widerspruch dazu von 9/1989 bis 9/2018 einen Grad der Behinderung von 50 % und seit 10/2018 einen Grad der Behinderung von 70 % bescheinige und das mit der Ausstellung des Behindertenpasses ihres Sohnes begründe, der jedoch einen Grad der Behinderung von 70 % mit unbefristeter Gültigkeit ab ausweise. Offensichtlich habe das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck im Jahr 2020 richtigerweise erkannt, dass es bei unverändertem Grad der Behinderung von 50 % seit 1989 und bescheinigter dauerhafter Erwerbsunfähigkeit unschlüssig ist, den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 18. bzw. 21. Lebensjahres zu verneinen. Das als Beweismittel unbrauchbare Gutachten vom ändere daran nichts. Da sich ihr Sohn bereits in seinem Beschwerdeverfahren ausführlich mit diesen Gutachten auseinandergesetzt habe, werde auf dessen Ausführungen verwiesen. Über den Eigenanspruch ihres Sohnes habe das Bundesfinanzgericht noch nicht entschieden. In diesem Punkt sei ihr Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe für ihren Sohn untrennbar mit seinem Eigenanspruch verbunden. Deshalb könne von einem objektiv zu Unrecht erfolgten Beihilfenbezug keine Rede sein, zumal das Finanzamt Österreich (Dienststelle 53) seinen Rückforderungsbescheid auch noch auf dieselbe Bescheinigung stütze, die das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck ohne Prüfung der Beweiskraft dem Bundesfinanzgericht als Beweismittel vorgelegt habe. Zudem würden sich mit den Monaten Mai und Juni 2017 die Zeiträume der Rückforderung und der beim Bundesfinanzgericht anhängigen Beschwerde ihres Sohnes überscheiden. Die Beschwerdeführerin beantrage daher

1. gemäß § 90 BAO Akteneinsicht in den gesamten Verwaltungsvorgang, der zunächst zur Gewährung von Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag für den Zeitraum 08/2014 bis 06/2017 und schließlich am zur Rückforderung geführt habe,

2. die Erstattung des rechtswidrig mit fällig gestellten Rückstandes laut Buchungsmitteilung Nr. 1/2022 vom iHv € 6.719,40,

3. den Rückforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben und ihren Anträgen auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag im gesetzlichen Ausmaß stattzugeben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt diese Beschwerde vom als unbegründet ab, da in beiden vorliegenden ärztlichen Gutachten des Bundessozialamtes der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht bescheinigt worden sei. Das Gutachten vom wurde dazu auszugsweise wörtlich zitiert. Der Rückforderungsbescheid sei am durch Hinterlegung zugestellt worden.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag der Beschwerdeführerin vom . Der angefochtene Rückforderungsbescheid sei erst am zugestellt worden. Da sie von bis (laut angeschlossenem Entlassungsbrief) stationär im Krankenhaus gewesen sei, wäre eine wirksame Zustellung des Bescheides am ausgeschlossen. In beiden Gutachten des Bundessozialamtes würde festgestellt, dass bei ihrem Sohn eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege. Wann diese Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, würden beide Gutachten nicht beantworten, aber behaupten, dass dies erst nach dem 18. bzw. 21. Lebensjahr der Fall gewesen sei. Da es sich beim Asperger-Syndrom um kein plötzliches Ereignis handle, könne wegen fehlender Begründung nicht nachvollzogen werden, warum vor dem Jahreswechsel 2000/2001 noch keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bestanden haben soll. Beim Asperger-Syndrom gäbe es keine schwankenden Verläufe mit plötzlichen Krankheitsschüben. Es handle sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die ausnahmslos im frühen Kindesalter auftrete bzw. angeboren sei. Bei Erwachsenen verlaufe das Asperger-Syndrom stetig ohne gravierende Veränderungen. Die vorliegenden Gutachten des Bundessozialamtes seien unvollständig, da der psychologische Befund der Einzeluntersuchung beim MilKdo OÖ 1992 und das ärztliche Gesamtgutachten Dr. ***23*** aus 2017 bei der Erstellung der Gutachten noch nicht zur Verfügung gestanden wären. Ferner sei im zweiten Gutachten auch anführt worden, dass von den vorliegenden Befunden vom ***21***-KH 1989/90 sei nur eine Seite lesbar sei. Die wiederholt beantragte Akteneinsicht bisher nicht gewährt worden und und auch das Recht auf Parteiengehör vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung sei nicht gewahrt worden. Vom Bundesfinanzgericht sei im Erkenntnis vom , RV/7102850/2021, in einem vergleichbaren Fall entgegen drei anderslautender SMS-Gutachten der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bejaht worden. Aus den vom Bundesfinanzgericht zitierten wissenschaftlichen Studien zum Asperger-Syndrom gehe hervor, dass die Krankheitsverläufe beim Asperger-Syndrom chronisch seien und im Erwachsenalter eher leichter als schwerer würden. Die Mehrzahl der Patienten schließe die Berufsausbildung erfolgreich ab und rund ein Viertel der Patienten gehe einer regelmäßigen und dem Ausbildungsniveau entsprechenden Berufstätigkeit nach. Wenn die Krankheitsverläufe im Erwachsenenalter typischerweise eher leichter als schwerer würden, spreche schon dieser Umstand dafür, dass die ab dem Jahr 2013 bescheinigte Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten sei. Im Gegensatz zu anderen Asperger-Patienten sei von der in diesem Verfahren beschwerdeführenden Partei die Berufsausbildung nicht abgeschlossen worden. Ein Ausbildungsversuch an einer Höheren Schule sei ebenso abgebrochen worden wie ein Ausbildungsversuch in Form einer Lehre. Im Alter von 19 und 20 Jahren habe es nur einige kurze Arbeitsversuche in Form von Praktika und Kursen des Arbeitsmarktservice gegeben. Die Parallelen zur Biographie ihres Sohnes seien hier schon sehr auffällig. Auch wenn das Bundesfinanzgericht immer Einzelfallentscheidungen treffe, sei es doch um eine einheitliche Rechtsprechung bei ähnlichen Fällen bemüht.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die verfahrensgegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

In einer dazu von der Beschwerdeführerin abgegebenen Stellungnahme vom wurde zur Zustellung des Rückforderungsbescheides angegeben, dass keine Verständigung über die am erfolgte Hinterlegung vorgefunden worden sei. Aufgrund der Abwesenheit der Beschwerdeführerin von der Abgabestelle (bis ) könne die Zustellung nach § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG nicht vor dem wirksam geworden sein. Tatsächlich sei der Bescheid aber erst am zugestellt worden. Selbst wenn man wie das Finanzamt von einer wirksamen Zustellung am ausgehe, sei die Festsetzung der Rückforderung mit Fälligkeit am rechtswidrig, da die Monatsfrist ab Bekanntgabe des Bescheides nicht gewahrt werde. Sodann wird weitwendig die - für das gegenständliche Verfahren keine Relevanz besitzende - Einschätzung des Grades der Behinderung in den beiden Gutachten bemängelt und neuerlich darauf hingewiesen, dass bei den Gutachtenerstellungen nicht vorliegende Unterlagen (ärztliches Gesamtgutachten Dr. ***23*** 2017, Psych. Befund der Einzeluntersuchung MilKdo OÖ 1992) ebenso unbeachtet geblieben wären wie die Ausführungen, dass ihr Sohn die Selbsterhaltungsfähigkeit behinderungsbedingt überhaupt nie erlangt hätte. Schließlich wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie bereits am bei ihrem Anbringen über FinanzOnline und dann erneut in der Beschwerde Akteneinsicht in den gesamten Verwaltungsvorgang, der im Jahr 2020 zunächst zur Gewährung und dann zur Rückforderung der erhöhten Familienbeihilfe führte, beantragt hätte. Bisher habe sie jedoch immer noch keine Akteneinsicht erhalten. Deshalb beantrage sie hiermit nochmals Akteneinsicht und weise darauf hin, dass sie es für wesentlich halte, vor Abschluss des Verfahrens auch tatsächlich Akteneinsicht in den gesamten Verwaltungsvorgang zu erhalten.

2. Beweiswürdigung

Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (z.B. ; und 2009/16/0310, mwN).

Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen ().

Beide Gutachten des Bundessozialamtes stützen sich bei der Begründung zur im gegenständlichen Fall allein entscheidenden Frage, wann die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, auf das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom , in welchem dem Sohn der Beschwerdeführerin ab der Anspruch auf unbefristete Invaliditätspension zuerkannt wurde. In diesem Verfahren wurde von Dr. ***D***, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, als gerichtlich zertifiziertem Sachverständigen am ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten und am über Auftrag des Gerichtes ein Ergänzungsgutachten erstellt. In der Tagsatzung am wurden diese Gutachten mit dem Sachverständigen erörtert.

Im Gutachten vom wurde unter Punkt 12 die Klagsbegründung des Sohnes der Beschwerdeführerin, der das 21. Lebensjahr am ***24***.1995 vollendet hat, wie folgt zitiert: "Ich bin im 44. Lebensjahr und leide laut den aktuellen ärztlichen Befunden an einem Asperger Syndrom. Ich besuchte bis Juli 1990 die 6. Klasse des Gymnasiums in ***13***. Im Juli und August 1990 war ich ungefähr vier Wochen als Ferialarbeiter in einer Kleiderfabrik beschäftigt. Im Zeitraum von Oktober 1990 bis März 1993 habe ich insgesamt 30 Monate eine Lehre zum Büromaschinenmechaniker gemacht. Ich brach die Lehre dann ab. In der Zeit von Juli bis Oktober 1994 war ich Arbeiter in einer Seifenfabrik in ***25*** beschäftigt. Wegen eines Personalüberstandes wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Ich war während der angeführten Beschäftigungsverhältnis Vollzeit beschäftigt und wurde kollektivvertraglich entlohnt. Ich war daher jedenfalls in der Lage, zumindest das Hälfteentgelt eines gesunden Versicherten zu erwerben, sodass keine originäre Invalidität vorliegt. Aufgrund meiner Leidenszustände bin ich jetzt nicht mehr in der Lage, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Da eine Besserung meines Gesundheitszustandes nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, bin ich dauerhaft invalid."

Der Sohn der Beschwerdeführerin bestätigte damit selbst seine grundsätzliche Erwerbsfähigkeit jedenfalls bis Oktober 1994 (rund ein halbes Jahr vor Vollendung seines 21. Lebensjahres). Gegenteilige Feststellungen wurden auch vom Sachverständigen nicht getroffen. Im Gutachten vom wurde in der psychiatrischen Diagnose das Asperger-Syndrom festgestellt. Die vorhandene Entwicklungsstörung im Sinne dieses Syndroms bewirke, dass der Betroffene sich sozial und emotional völlig zurückziehe. Insofern sei es schwer, Menschen mit derartigen Verhaltensstörungen in das Berufsleben einzugliedern, sodass eine Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt kaum umsetzbar sein werde und der Sohn der Beschwerdeführerin "maximal geeignet für eine Heimtätigkeit" wäre. Im erhobenen Leistungskalkül unter Punkt 10 wird festgestellt, dass der "gegenwärtige Zustand" seit Antragstellung (lt. Urteil: ) bestehe.

Im Ergänzungsgutachten vom nahm der Sachverständige zu den Fragen des Gerichts Stellung, welches Leistungskalkül zum Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in die Pflichtversicherung am bestand und welches zum , und ob sich zwischen den beiden Zeitpunkten eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und damit auch des Leistungskalküles ergeben hätte. Der Gutachter führte dazu aus, dass bereits im Jahr 1990 die Krankheit vorgelegen wäre, aber noch in einem reduzierten Ausmaß. Die typischen Symptome der Erkrankung wären bereits damals erstmals aufgetreten und hätten sich auch in gewissen Alltagssituationen bemerkbar gemacht, z.B. beim Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln. Dem Betroffenen sei es aber trotzdem noch über zwei Jahre regelmäßig möglich gewesen, zur Arbeit zu kommen. Auch über ein Jahr später sei noch eine Arbeit in einem Produktionsbetrieb aufgenommen worden. Laut Leistungskalkül zum Stichtag hätten daher keine besonderen psychischen Anforderungen (Punkt 4) oder sonstigen Einschränkungen (Punkt 6) hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin bestanden. Zwischen den beiden Zeitpunkten 1990 und 2017 habe sich allerdings eine Verschlechterung der bestehenden Krankheit (Asperger Syndrom) ergeben, die sich vor allem in einem verstärkten sozialen Rückzug und fehlenden Außenkontakten äußere.

In der Tagsatzung am wurde mit dem Gutachter die Frage erörtert, ob die Arbeitsunfähigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin vor dem ***24***.2001 (Vollendung des 27. Lebensjahres) eingetreten war. Der Sachverständige sei noch von einer Restarbeitsfähigkeit des Klägers im Jahr 2001 ausgegangen. Dies habe jedoch lediglich eine Annahme des Sachverständigen dargestellt und sei durch keine Untersuchungsbefunde belegt. Der Sachverständige habe seine Ausführungen daher dahingehend eingeschränkt, dass eine Arbeitsfähigkeit im Jahr 2001 besondere Arbeitsplatzbedingungen vorausgesetzt hätte. Das Gericht stellte daher in seiner rechtlichen Beurteilung fest, dass dem Kläger ab dem Jahr 2001 Arbeiten nur unter den festgestellten Arbeitsplatzbedingungen möglich gewesen wären. Diese seien aber derart einschränkend, dass in diesem Fall ein besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitskollegen nötig gewesen sei. Die Notwendigkeit eines gewissen Vertrauensverhältnisses zum Vorgesetzten setze zwingend voraus, dass der Kläger bereits bei Aufnahme der Arbeit seinen Vorgesetzten kenne, sodass bereits diese Voraussetzung die Anzahl der möglichen Arbeitsplätze massiv begrenze. Aus diesen Gründen sei von einem Ausschluss vom Arbeitsmarkt bereits zu Beginn des Jahres 2001 auszugehen.

Das Bundessozialamt hat sich den Ausführungen des Gutachters Dr. ***D*** und den darauf fußenden Feststellungen des Landesgerichtes Ried im Innkreis angeschlossen und den Beginn der Erwerbsunfähigkeit mit Beginn des Jahres 2001 angenommen. Entgegen den Ausführungen im verfahrensgegenständlichen Vorlageantrag stellen beide vom Bundessozialamt erstellten Gutachten auch ausdrücklich fest, dass die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab dem Jahr 2001 eingetreten sei. Zwar weist der Sohn der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag durchaus zutreffend darauf hin, dass es sich beim Asperger Syndrom um kein plötzliches Ereignis wie einen Unfall handelt, sondern es sich um eine Entwicklungsstörung handelt, die bereits im Kindesalter beginnt bzw. angeboren ist. Das bedeutet aber keineswegs, dass auch bei einer seit Kindheit am Asperger Syndrom leidenden Person damit gleichsam automatisch in jedem Fall auch eine schon vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegen würde. Die im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102850/2021, angestellte typisierende Betrachtungsweise ist damit verfehlt. Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass es sich dabei um eine Einzelfallentscheidung gehandelt hat, aus der kein Anspruch auf eine gleichartige Beurteilung des gegenständlichen Beschwerdefalles abgeleitet werden kann.

§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 stellt darauf ab, dass das Kind auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. , zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967). Nach den Feststellungen des Gerichtsgutachters hat sich zwischen den beiden Zeitpunkten 1990 und 2017 eine Verschlechterung der bestehenden Krankheit (Asperger Syndrom) ergeben, die sich vor allem in einem verstärkten sozialen Rückzug und fehlenden Außenkontakten äußerte und die zur Erwerbsunfähigkeit führte, da Arbeiten nur mehr unter den festgestellten Arbeitsplatzbedingungen möglich gewesen wären, die aber derart einschränkend gewesen wären, dass letztlich von einem Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen gewesen sei. Bei einer über Jahre andauernden Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann naturgemäß angesichts des Fehlens ärztlicher Befunde kein bestimmter Einzeltag (hier etwa der ) fixiert werden, ab dem die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit anzunehmen wäre. Es kann vom ärztlichen Sachverständigen aufgrund seines Fachwissens nur die Aussage getroffen werden, ab welchem Zeitpunkt mit ausreichender Sicherheit von einem Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt und damit von der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, auszugehen ist. Unter diesem Gesichtspunkt erweisen sich die Feststellungen des Gerichtssachverständigen und die darauf aufbauenden Feststellungen in den ärztlichen Gutachten des Bundessozialamtes durchaus als schlüssig. Dies umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass nach den schlüssigen Feststellungen des Gerichtsgutachters im Oktober 1994 (rund ein halbes Jahr vor Vollendung des 21. Lebensjahres) jedenfalls noch von einer Erwerbsfähigkeit auszugehen war. Die Ansicht des Sohnes der Beschwerdeführerin in seiner im eigenen Beschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahme vom , wonach zwischen einer Erwerbsunfähigkeit im Sinne einer Selbsterhaltungsunfähigkeit iSd FLAG und einer Erwerbsunfähigkeit im Sinne von Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden wäre, teilt das Bundesfinanzgericht nicht. Eine vorliegende Arbeitsunfähigkeit führt vielmehr regelmäßig zu einer Erwerbsunfähigkeit, die Ursache für die Unfähigkeit ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Sohn der Beschwerdeführerin hat selbst zutreffend darauf hingewiesen, dass kein plötzliches Ereignis vorlag, welches gleichsam von einem Tag auf den anderen die Erwerbsunfähigkeit bewirkt hätte. Bei dieser Sachlage ist es nicht unschlüssig, wenn sämtliche ärztlichen Gutachter davon ausgingen, dass der Sohn der Beschwerdeführerin am ***24***.1995 (Vollendung des 21. Lebensjahres) noch nicht dauernd erwerbsunfähig war, sondern die Erwerbsunfähigkeit aufgrund des sich über Jahre verstärkenden sozialen Rückzuges erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt eintrat. Laut Leistungskalkül zum Stichtag bestanden keine besonderen psychischen Anforderungen oder sonstigen Einschränkungen hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Sohnes der Beschwerdeführerin. Die Erwerbsfähigkeit nahm der Gerichtssachverständige aufgrund der ausgeübten Erwerbstätigkeiten schlüssig auch im Oktober 1994 noch an. Anhaltspunkte dafür, dass es zu einem plötzlichen Ereignis gekommen wäre, das zu einem Verlust der Erwerbsfähigkeit zwischen Oktober 1994 und ***24*** 1995 geführt hätte, wurden weder vom Sohn der Beschwerdeführerin genannt, noch sind solche aktenkundig. Es ist bei dieser Sachlage nicht unschlüssig, wenn aufgrund der vom Gerichtssachverständigen festgestellten Verschlechterung der Krankheit zwischen 1990 und 2017, die sich vor allem in einem verstärkten sozialen Rückzug und fehlenden Außenkontakten geäußert hätte, ein Ausschluss vom Arbeitsmarkt erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres im Jahr 1995 festgestellt wurde.

Im Vorlageantrag wurde bemängelt, dass die vorliegenden Gutachten des Bundessozialamtes unvollständig seien, da der psychologische Befund der Einzeluntersuchung beim MilKdo OÖ 1992 und das ärztliche Gesamtgutachten Dr. ***23*** aus 2017 bei der Erstellung der Gutachten noch nicht zur Verfügung gestanden wären. Ferner sei im zweiten Gutachten auch anführt worden, dass von den vorliegenden Befunden vom ***21***-KH 1989/90 sei nur eine Seite lesbar sei.

Das ärztliche Gesamtgutachten der Dr. ***23*** wurde bereits bei der Erstellung des Gutachtens des Gerichtssachverständigen berücksichtigt (siehe Seite 6 seines Gutachtens vom ), auf welches sich die ärztlichen Gutachten des Bundessozialamtes stützen. Im psychologischen Befund, der anlässlich der Stellung des Sohnes der Beschwerdeführerin im Jahr 1992 von Dr. ***26*** erstellt worden war, wird lediglich festgestellt: "durchschnittlich begabt, labile, stark problembelastete Persönlichkeit mit geringer Frustrationstoleranz (2 x SMV, stat. ***21***KH)." Die dadurch begründete Untauglichkeit zum Wehrdienst war den untersuchenden Ärzten des Bundessozialamtes bekannt und wurde in beiden Gutachten festgestellt. Die insgesamt sechs Seiten umfassenden Arztbriefe des ***21***-Krankenkauses vom , und wurden bereits bei der Erstellung des ersten Gutachtens vom berücksichtigt, werden in diesem Gutachten einzeln angeführt und waren offenkundig lesbar, da die darin erstellten Diagnosen zitiert werden. Für das Bundesfinanzgericht bestand daher kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes einzuholen.

3. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

3.1. Zu Spruchpunkt I.

1) Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Für den Beginn der Beschwerdefrist ist der Tag maßgebend, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei schriftlichen Bescheiden beginnt die Frist daher in der Regel am Tag von dessen Zustellung.

Der Rückforderungsbescheid vom wurde laut RSb-Rückschein am durch Hinterlegung zugestellt. Beginn der Abholfrist war der . Da die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes von der Abgabestelle abwesend war und erst am an diese zurückkehrte, wurde die Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist, somit am , wirksam.

Die Zustellung ist vom Zusteller gemäß § 22 Abs. 1 ZustG auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde. Er macht Beweis über die Zustellung; ein Gegenbeweis ist möglich (Ritz, BAO7, § 17 ZustG Tz 22 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Ein solcher wurde von der Beschwerdeführerin mit dem bloßen Hinweis, an der für ihre Abgabestelle bestimmten Abgabeeinrichtung (Briefkasten) sei keine Verständigung über die erfolgte Hinterlegung vorgefunden worden, nicht erbracht. Die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Verständigung dem Empfänger nicht zugekommen ist (), beschädigt oder entfernt wurde (§ 17 Abs. 4 ZustG). Einer in solchen Fällen allenfalls in Betracht kommenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es im gegenständlichen Fall nicht, da die am über FinanzOnline eingebrachte Beschwerde ohnehin fristgerecht erhoben wurde.

Zur neuerlichen Zustellung des Rückforderungsbescheides am wird auf § 6 ZustG verwiesen: Ist ein Dokument zugestellt, so löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus.

2) Fälligkeitstermin der Nachforderung

Die Fälligkeit des Rückforderungsbetrages ist im Regelfall (wie auch im gegenständlichen Fall) der gesondert ergehenden Buchungsmitteilung zu entnehmen. Nach der Grundregel des § 210 Abs. 1 BAO werden Abgaben unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des Abgabenbescheides fällig. Verweist ein Bescheid hinsichtlich der Fälligkeit auf die Buchungsmitteilung, ist die dort enthaltene Fälligkeitsangabe Spruchbestandteil des Bescheides (Ritz, BAO7, § 210 Tz 2 mwN). Da im gegenständlichen Fall der Rückforderungsbescheid am zugestellt wurde, war der darin ausgewiesene Rückforderungsbetrag am fällig.

Diese im Spruch der gegenständlichen Entscheidung erfolgte Richtigstellung des Fälligkeitstermins hat allerdings keinerlei praktische Bedeutung (etwa für den Eintritt von Säumnisfolgen oder den Eintritt der Vollstreckbarkeit der Rückforderung), da der Rückforderungsbetrag vom Sohn der Beschwerdeführerin mit Wirksamkeit (dem auf der Buchungsmitteilung ausgewiesenen Fälligkeitstermin) zur Gänze entrichtet worden ist.

3) Akteneinsicht

Von der Beschwerdeführerin wurde mehrfach Akteneinsicht begehrt. Gemäß § 90 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten. Blinden oder hochgradig sehbehinderten Parteien, die nicht durch Vertreter (§§ 80 ff) vertreten sind, ist auf Verlangen der Inhalt von Akten und Aktenteilen durch Verlesung oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in sonst geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen.

Unter Akteneinsicht ist die "Einsichtnahme" sowie die "Abschriftnahme" durch die Partei zu verstehen (Ritz, BAO7, § 90 Tz 9 mwN). Die "Gestattung" der Einsicht in die Akten ist ein Realakt, der nicht einer besonderen (schriftlichen) Erledigung, etwa einer bescheidmäßigen Genehmigung bedarf. Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, der nicht abgewiesen wird, dann liegt es bei der Partei, diese Möglichkeit zu nützen. Die Initiative zur Akteneinsicht hat nicht von der Behörde (oder dem Verwaltungsgericht) auszugehen. Die Partei ist zur Akteneinsicht also nicht aufzufordern, ihr ist die Einsicht in die Akten lediglich zu gestatten ().

Es wäre daher an der Beschwerdeführerin bzw. ihrem als Vertreter bevollmächtigten Sohn gelegen gewesen, beim zuständig gewesenen Finanzamt Gmunden Vöcklabruck bzw. nunmehr zuständigen Finanzamt Österreich, Dienststelle Gmunden Vöcklabruck, vorzusprechen und dort Akteneinsicht in den (weitgehend elektronisch geführten) Beihilfenakt der Beschwerdeführerin zu nehmen und allenfalls Abschriften von Aktenteilen anzufertigen. Die Partei hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Behörde Abschriften (Ablichtungen) herstellt und der Partei zur Verfügung stellt, auch wenn die Herstellung solcher Abschriften zulässig und in der Regel - gerade bei elektronisch geführten Akten - auch zweckmäßig ist (vgl. Ritz, BAO7, § 90 Tz 10 mit Judikaturnachweisen). Gleiches gilt sinngemäß für den in der Stellungnahme vom wiederholten Antrag auf Akteneinsicht.

4) Parteiengehör

In der verfahrensgegenständlichen Beschwerde wurde bemängelt, dass der Beschwerdeführerin die Bescheinigung vom bisher nicht zur Kenntnis gebracht und damit das Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Auch im Vorlageantrag wurde darauf hingewiesen, dass das Recht auf Parteiengehör vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung nicht gewahrt worden sei.

Das Parteiengehör besteht vor allem darin, der Partei Gelegenheit zu geben zur Äußerung zu behördlichen Sachverhaltsannahmen sowie zur Kenntnisnahme der Ergebnisse des Beweisverfahrens und zur Stellungnahme hierzu (Ritz, BAO7, § 115 Tz 14 mit Judikaturnachweisen). Das Parteiengehör ist in einer förmlichen Weise zu gewähren, damit der Partei dieser Verfahrensschritt deutlich bewusst wird. Dies kann vor allem schriftlich in Form eines Vorhaltes erfolgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt die Beschwerdevorentscheidung als Vorhalt (z.B. ).

In der verfahrensgegenständlichen Beschwerdevorentscheidung wurden auf das ärztliche Gutachten des Bundessozialamtes vom verwiesen und dieses in den für den Beschwerdefall maßgeblichen Passagen wörtlich wiedergegeben. Dem als Vertreter der Beschwerdeführerin bevollmächtigten Sohn wurde im Verfahren betreffend seinen Eigenantrag eine Ausfertigung dieses Gutachten auch zur Kenntnis gebracht. Die Kenntnis des Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (vgl. ).

5) Rückforderung der Familienbeihilfe; Verjährung

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Anspruch auf Familienbeihilfe hat dabei gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 stellt allein auf die vor einem bestimmten Zeitpunkt eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit des Kindes ab, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Grad der Behinderung ist dabei ohne jede Bedeutung, da selbst bei einer Behinderung von 100 % es nicht ausgeschlossen ist, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8 Tz 19 mit Judikaturnachweisen). Es war daher weder auf das im gegenständlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin, noch auf das von ihrem Sohn in dessen Beschwerdeverfahren erstattete Vorbringen zur Frage der richtigen Einschätzung des Grades der Behinderung durch das Bundessozialamt näher einzugehen.

§ 8 FLAG 1967 bestimmt auszugsweise:

(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich

2. ab

d) 162 € für jeder Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet;

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, ab um 152,90 €.

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Kosten für dieses ärztliche Sachverständigengutachten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen. Das ärztliche Sachverständigengutachten ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) gegen Ersatz der Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen an die antragstellende Person zu übermitteln, eine Übermittlung des gesamten ärztlichen Sachverständigengutachtens an das Finanzamt Österreich hat nicht zu erfolgen. Der Nachweis des Grades der Behinderung in Form der Bescheinigung entfällt, sofern der Grad der Behinderung durch Übermittlung der anspruchsrelevanten Daten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) aufgrund des Verfahrens nach § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, zur Ausstellung eines Behindertenpasses, nachgewiesen wird.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (§ 26 Abs. 1 FLAG 1967).

Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden (§ 33 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988).

Da sich die vorliegenden ärztlichen Gutachten, in denen der Eintritt der dauernden Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres verneint wurde, als schlüssig erweisen (siehe oben die Ausführungen zur Beweiswürdigung), waren sie der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

Damit fehlen im gegenständlichen Fall die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 für die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe und hat damit die Beschwerdeführerin die an sie für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017 ausbezahlten Beträge an erhöhter Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von 12.963,50 € zu Unrecht bezogen.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Beihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Allenfalls im Bereich der Strafbarkeit nach § 29 (oder nach § 146 StGB) relevante subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Beihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Beihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Ebenso ist nicht von Bedeutung, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ebenso, ob er diese im guten Glauben entgegengenommen hat. Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ist auch keine Ermessensentscheidung. Billigkeitsüberlegungen sind im Rückforderungsverfahren daher nicht anzustellen. Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Tz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Die Beschwerdeführerin ist daher zur Rückzahlung der gesamten zu Unrecht bezogenen (erhöhten) Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen verpflichtet. Zwar unterliegt auch das Rechts des Abgabengläubigers, den Rückzahlungsanspruch geltend zu machen, der Verjährung. Im gegenständlichen Fall ist aber noch keine (auch keine teilweise) Verjährung dieses Rechtes eingetreten:

Gemäß § 207 Abs. 4 BAO verjährt das Recht, die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, in fünf Jahren. Nach § 208 Abs. 1 lit. c BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 4 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet wurden.

Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung kommt es somit nicht auf das Jahr an, für das die rückzufordernden Beihilfen geleistet worden sind (hier: 2014 bis 2017), sondern auf das Jahr, in dem die rückzufordernden Beihilfen geleistet wurden (hier: 2020; siehe dazu auch Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Tz 40 mit Hinweis auf ).

Da im gegenständlichen Fall die rückzufordernden Beihilfen in Höhe von insgesamt 12.963,50 € erst im Jahr 2020 geleistet wurden (Mitteilung vom , Anweisung auf das Bankkonto der Beschwerdeführerin am selben Tag, Gutschrift am Bankkonto am ), endet die fünfjährige Verjährungsfrist zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches am . Es ist daher die Verjährungsfrist auch zur Rückforderung der zu Unrecht für den Zeitraum August 2014 bis Dezember 2015 erst im Jahr 2020 geleisteten Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbeträgen) noch nicht abgelaufen.

Damit ging das Finanzamt zu Unrecht davon aus, dass ein Teil des Rückforderungsanspruches bereits verjährt wäre, weshalb bisher nur die für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 geleisteten Beihilfen zurückgefordert wurden. Die in diesem Zusammenhang automationsunterstützt ergangene, inhaltlich unzutreffende Mitteilung vom , der keine Bescheidqualität zukommt (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 12 Tz 5 mwN; vgl. auch , Rn 36), steht der Erlassung eines Rückforderungsbescheides für den Zeitraum August 2014 bis Dezember 2015 nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (). Eine im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung wirft daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. mwN). Die Prüfung der Schlüssigkeit eines Gutachtens des Sozialministeriumservice ist nichts anderes als eine Würdigung dieses Beweises. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ( mit Hinweis auf ). Der Prüfung der Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice im konkreten Fall kommt keine über den Einzelfall hinausgehende und damit keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100504.2022

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