TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.03.2023, RV/1200022/2020

Abgabe einer Zollanmeldung im Verfahren 42

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Walter Summersberger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hirsch Dr. Wolfgang Leissing Dr. Ursula, Rathausstraße 33, 6900 Bregenz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom betreffend Erstattung/Erlass von Einfuhrabgaben zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zahl: vvvv/01/2010 wurden die EUSt und eine Abgabenerhöhung für 9 CRN vorgeschrieben. Begründet wurde der Abgabenbescheid wie folgt: "Mit Fax vom wurden Sie aufgefordert, bis Unterlagen zu einer Reihe von Abfertigungen von Überführungen in den freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung vorzulegen. Diese Frist verstrich erfolglos. Gem Art. 6 (3) UStG hat der Anmelder das Vorliegen der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung nachzuweisen. Da der Nachweis nicht erbracht wurde, wurde die Steuerfreiheit zu Unrecht gewährt, eine erste Tranche der EUSt war daher vorzuschreiben. Zudem bestehe der begründete Verdacht, dass der Empfänger ein missing trader ist, somit ein Steuerbetrug vorliegt."

Mit BVE vom , vvvv/04/2010 wurde der Berufung teilweise stattgegeben, im Übrigen aber, sofern es sich um den Empfänger E mit Sitz in Italien handelt, wurde das Rechtsmittel als unbegründet abgewiesen, weil der Empfänger ein "missing trader" sei"…nicht auffindbar ist… kein Unternehmer im Sinne des UStG und einschlägiger Rechtsprechung (BGH vom , Az: 5 StR 550/97) und somit ist auch die Voraussetzung des Art 6 (3) iVm Art 7 (1) Z2 a) nicht erfüllt.".

In der Folge wurde das Verfahren (verkürzt dargestellt) eingestellt, da die Beschwerde (Vorlageantrag) mit Schreiben vom zurückgezogen wurde; s dazu im Einzelnen […]; .

In der Folge beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom Erstattung/Erlass gem Art 236 und 239 ZK zu den im Bescheid ZI vvvv/01/2010 genannten Anmeldungen. Mit Bescheid vom wurde der Antrag nach Art 239 ZK als nicht fristgerecht zurückgewiesen und mitgeteilt, dass über die Anträge nach Art 236 ZK gesondert entschieden werde. Die Berufung gegen die Zurückweisung wurde als unbegründet abgewiesen (, vvvv/55/2010). Mit Mail vom an das Zollamt erinnerte die Antragstellerin daran, dass der Antrag vom auf Erstattung/Erlass gem Art 236 noch unerledigt sei.

Mit Mail vom übermittelte die Antragstellerin eine Stellungnahme zum , Federal Express, und betonte, dass die Gegenstände nur zoll-, nicht aber steuerlich eingeführt wurden.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Erstattung nach Art 236 ZK abgewiesen. Ausgeführt wurde, dass das Urteil des EuGH in der Rs C- 26/18 nicht greife und weiter: "So hatte der EuGH bereits mit Urteil vom , C-439/04 und C-440/04, Kittel und Recoita, Rn 53f, die Rechtsmeinung des BGH bestätigt und ausgesprochen: "Dagegen sind die objektiven Kriterien, auf denen der Begriff der Lieferung von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen, nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht.... Eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist nicht erlaubt." Auch können die Rechte auf Vorsteuerabzug, Mehrwertsteuerbefreiung oder -erstattung ungeachtet der Tatsache versagt werden, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen wurde, in dem diese Rechte beansprucht werden (, Italmoda)."

Dagegen wurde Beschwerde erhoben und ausgeführt (auszugsweise):

"Die Beschwerdeführerin hat die von der Anmeldung umfassten Waren im freien Verkehr eingeführt und mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung nach Italien transportiert. Für sämtliche Transporte hat die Beschwerdeführerin die unterschriebenen CMR-Frachtbriefe bzw. Empfangsbestätigungen vorgelegt. Damit hat die Beschwerdeführerin nachgewiesen, dass die Gegenstände im Anschluss an die Einfuhr innergemeinschaftlich weitergeleitet worden sind. Die Beschwerdeführerin hat für die Empfänger der Waren vor der Durchführung der Verzollung Bestätigungen der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, Abfragestufe 2 eingeholt.

Die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer erfolgte letztlich aus dem Grund, dass nach Ansicht des Zollamtes der begründete Verdacht bestanden habe, dass der Empfänger ein missing trader sei. Ob dieser Verdacht begründet war und der Empfänger tatsächlich ein missing trader war, konnte die Berufungswerberin nicht feststellen. Auch lässt sich dem Akt nicht entnehmen, ob der Empfänger tatsächlich ein missing trader war. In der Berufungsvorentscheidung vom , ZL: vvvv/04/2010 wird diesbezüglich vom Zollamt lediglich ausgeführt, dass die italienischen Behörden in Beantwortung des Amtshilfeersuchens mitgeteilt hätten, dass dieser Empfänger "nicht auffindbar" gewesen sei. Wann diese Beantwortung erfolgte ist unklar. Auch ist nicht bekannt, auf welchen Zeitpunkt sich die Erhebungen der italienischen Behörden bezogen haben, bzw. ob der Empfänger zum Zeitpunkt der Lieferungen noch existent war. Unstrittig ist aber, dass zum Zeitpunkt der Verzollung für diesen Empfänger eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Vorgelegen ist.

Ob bei den gegenständlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen eine Steuerhinterziehung stattgefunden hat, ist nicht erwiesen. Jedenfalls steht aber fest, dass die Beschwerdeführerin selbst keine Steuerhinterziehung begangen hat und sie weder gewusst hat, noch hätte wissen müssen, dass die von ihr bewirkte Lieferung mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft gewesen ist. Ein derartiger Vorwurf wurde seitens des Zollamtes bisher auch nicht erhoben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass ein steuerpflichtiger Importeur oder Lieferer, der eine Befreiung von der Umsatzsteuer auf der Grundlage einer Genehmigung in Anspruch genommen hat, die von den zuständigen Zollbehörden nach einer Vorprüfung aufgrund der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Nachweise erteilt worden ist, nicht zur nachträglichen Entrichtung der Mehrwertsteuer verpflichtet ist, wenn sich bei einer späteren Prüfung herausstellt, dass die materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfüllt waren, es sei denn, anhand objektiver Umstände wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass die auf die fraglichen Einfuhren folgenden Lieferungen mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft waren, und dass er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um dies zu verhindern (, JeJovnik; Vetsch).

Selbst wenn also die Empfängerin tatsächlich ein missing trader wäre, hätte dies nicht zur Folge, dass der Beschwerdeführerin die Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer zu versagen wäre.

Aus den zitierten Entscheidungen des EuGHs und auch aus dem Urteil vom , C-26/18, Federal Express Corporation, das entgegen der Ansicht des Zollamtes auf den vorliegenden Sachverhalt sehr wohl anzuwenden und auch nicht fragwürdig ist, ergibt sich, dass die Einfuhrumsatzsteuer für die verfahrensgegenständlichen Anmeldungen zu Unrecht nachträglich buchmäßig erfasst wurden.

Die Mehrwertsteuer ist eine Verbrauchssteuer, die nur auf Waren und Dienstleistungen Anwendung findet, die in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangen und einem Verbrauch zugeführt werden können (, Federal Express Corporation, Rn.34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Mehrwertsteuer fällt dort an, wo der Gegenstand verbraucht wird. So hat der EuGH auch zur Einfuhrmehrwertsteuer ausgesprochen, dass diese in dem Land entsteht, in welchem der Gegenstand verbraucht wird. (, Federal Express Corporation; , Vetsch). Die Beschwerdeführerin hat die Waren nach Italien transportiert. Dort sind sie vermutlich auch verbraucht worden. Ein Verbrauch in Österreich ist jedenfalls nicht erwiesen, sodass in Österreich auch keine Einfuhrumsatzsteuer angefallen ist."

In der abweisenden BVE wird ausgeführt: "Eine Verpflichtung der Behörden, Untersuchungen anzustellen, um die Absicht des Steuerpflichtigen zu erforschen, wäre unvereinbar, sodass, abgesehen von Ausnahmefällen, auf die objektive Natur des Umsatzes abgestellt wird ( und C-440/04, Kittel und Recolta, Rn 42; in diesem Sinne ua: , Jezovnik, Rn 47; , Unite!, Rn 22).

Was die von der Bf angezweifelte Steuerhinterziehung betrifft, ist festzuhalten:

Die gegenständlichen Waren (Mobiltelefone) sind/waren häufig Mittel zur Begehung von Steuerbetrug (vgl zB ).

Die Frachtführerin war Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks (Bescheid vom , ***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). >

Weitere Empfänger der Lieferungen der Versenderin erwiesen sich als betrügerisch (vgl Bescheide vom , ZI vvvv/09/2010; , ZI vvvv/23/2010).

Lediglich im Fall einer Firma teilten die italienischen Behörden ausdrücklich mit, dass die betreffende Empfängerin ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei, fügten jedoch hinzu, dass sie Teil eines Netzwerks betrügerischer Firmen sei (BVE , ZI vvvv/08/2010; BVE vom , ZI vvvv/04/2010).

Die italienischen Behörden teilten aufgrund ihrer Nachforschungen nicht nur mit, dass die verfahrensgegenständliche Empfängerin an der angegebenen Adresse kein operatives Büro hatte, sondern auch, dass sie dort nie ein solches Büro oder einen Rechtssitz hatte. Weiters teilten sie mit, dass der Beginn der Geschäftstätigkeit lediglich über Email kommuniziert und keine Registrierung bei der Handelskammer durchgeführt wurde.

Die Nicht-Auffindbarkeit ist ein häufig zu beobachtendes Merkmal von Betrugsfirmen (vgl zB ).

Aus alldem nimmt es das Zollamt als erwiesen an, dass verfahrensgegenständliche Einfuhren in eine Steuerhinterziehung mündeten."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Art. 6 Abs. 3 UStG (Fassung BGBl I 71/2003) Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.

Art. 7 UStG (1)

Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gelten auch

1. das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes (Art. 3 Abs. 1 Z 1)

(3) Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, daß der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung dennoch als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. In Abholfällen hat der Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten.

Wie der Bf. im Laufe des Verfahrens mitgeteilt wurde, hat die Empfängerfirma über keinerlei Geschäftsstruktur verfügt, sie hat keine, dh nie Steuererklärungen abgegeben und ist auch sonst nicht in Erscheinung getreten (etwa durch Meldung bei der Handelskammer); sie war vielmehr "nicht auffindbar". Aus Sicht des BFG ist zunächst zweifelsfrei, dass der Empfänger ein "missing trader" ist.

Zunächst ist fest zu halten, dass der bloße Umstand, dass die Gegenstände einer Spedition übergeben worden sind, noch nicht ausreichend ist, eine Steuerfreiheit zu versagen: So führte der EuGH in der RS Enteco Baltic aus, dass die EUSt-Freiheit nicht mit der Begründung verweigert werden darf, dass diese Gegenstände nicht unmittelbar dem Erwerber übergeben wurden, sondern von Transportunternehmen und Steuerlagern, die dieser benannt hat, übernommen wurde, wenn dieser wenn die Befugnis, wie ein Eigentümer über diese Gegenstände zu verfügen, vom Importeur auf den Erwerber übertragen wurde; , Enteco Baltic, Rn 82 ff.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands nur dann anwendbar, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über diesen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Lieferer nachweist, dass der fragliche Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, und wenn der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. , EU:C:2007:548 Teleos u.a. , Rn. 42; , EU:C:2012:547, Mecsek-Gabona, Rn. 31; , EU:C:2014:2267, Traum, Rn. 24; , EU:C:2018:473, Enteco Baltic, Rn 66). Ein "missing trader" als Abnehmer im anderen EU-Staat kann grundsätzlich umsatzsteuerlich über einen Gegenstand verfügen, da er als Unternehmer am Wirtschaftsleben teilnimmt und damit umsatzsteuerrechtlich relevant ist.

Die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung ist jedenfalls zu versagen, - wenn sich der Steuerpflichtige an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, die das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet hat, und in dem er somit nicht im guten Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich zu vergewissern, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt oder - wenn die Nichtbeachtung formeller Erfordernisse den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt worden sind (vgl. , EU:C:2017:106, Euro Tyre, Rn 39f mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung; , EU:C:2018:473, Enteco Baltic, Rn 59). Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom in den verbundenen Rechtssachen C-131/13, C-163/13 und C-164/13, Schoenimport Italmoda Mariano Previti vof und Turbu.com BV und Turbu.com Mobile Phone's BV, ECLI:EU:C:2014:2455, unter Hinweis auf seine Rechtsprechung ausgeführt, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird (Rz 42), der Gerichtshof schon wiederholt entschieden habe, dass eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt sei (Rz 43) und dass sich aus seiner Rechtsprechung ergebe, dass bei einem Missbrauch oder Betrug grundsätzlich auch für das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung diese Folge habe (Rz 45). Dies gelte nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begehe, sondern auch, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem betreffenden Umsatz an einem Umsatz beteilige, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorübergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangenen Steuerhinterziehung einbezogen war (Rz 50). Schließlich stellte der Gerichtshof auch klar, dass die Rechte ungeachtet der Tatsache versagt werden können, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat als dem begangen worden ist, indem diese Rechte beansprucht werden (Rz 69). Die Ermittlungen brachten zu Tage, dass der Warenempfänger betrügerisch gehandelt bzw. an Steuerhinterziehungen beteiligt war (Missing Trader) war, keine Buchhaltung geführt und Mehrwertsteuer hinterzogen hat.

Dass E als Abnehmer kein Missing Trader ist, wurde im Verfahren von der Bf. nicht behauptet, sondern nur darauf verwiesen, dass er über eine aufrechte UID-Nr verfügte. Das BFG hat (unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des EuGH) betont, dass die Steuerfreiheit der im Anschluss an die jeweiligen Einfuhren behaupteten innergemeinschaftlichen Verbringungen zu versagen wäre, wenn diese Steuerfreiheit in missbräuchlicher oder betrügerischer Weise geltend gemacht wurde, wenn ein "missing trader" beteiligt sei; s dazu mwN zu Feststellungen der Behörden in Italien, dass die von der Bf. indirekt vertretenen Unternehmen als "missing trader" in Umsatzsteuerbetrügereien verwickelt sind; ähnlich auch ; bestätigt durch .

In Anbetracht dieser Ermittlungsergebnisse widerspricht es nicht den logischen Denkgesetzen, dass die Zollbehörde in den hier gegenständlichen Fällen eine der Steuerbefreiung entgegenstehende missbräuchliche oder betrügerische Vorgangsweise angenommen hat.

Tatsächlich kann aber ein Unternehmen als Empfänger, das sich nicht an der angegebenen Adresse befindet, keine Ansprechpartner hat, kein geeigneter Empfänger sein, um eine Steuerfreiheit zu garantieren. Dass die Zollverwaltung die Steuerbefreiung versagte, weil nach den Erkenntnissen der ausländischen Steuerbehörden der Empfänger ein Scheinunternehmen gewesen sei, die ihren steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen ist, entspricht den Ermittlungsergebnissen; die Steuerschuld bleibt bestehen.

Auch hinsichtlich der Transportpapiere, dh des Nachweises einer ig Lieferung (Ablieferung) kann kein anderes Ergebnis überzeugen. Es gelingt nicht, die entsprechende (lückenlose) Verbindung zur Einfuhr herzustellen und das Gelangen nach Italien nachzuweisen, wie hier differenzierend dargestellt werden kann:

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***2*** wurden 1.800 Mobiltelefone (Wert: € 274,500.00, Rohmasse: 1.210 kg, Eigenmasse: 1.100 kg) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in der Schweiz; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom ). Laut CMR: 2000707044 war Empfänger nicht die E, sondern die F in Italien. Es wurde zwar im Feld 24 ein Empfang bestätigt, allerdings nur mit Namenszeichen einer unbekannten Person und ohne Unterschrift und Stempel des Empfängers wie es vorgesehen wäre (Datum ). Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***3*** wurden 1.100 Mobiltelefone (Wert: € 146.450,00, Rohmasse: 764.000 kg, Eigenmasse: 720.000 kg) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in der Schweiz; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom ). Laut CMR 10007080O1 war Empfänger nicht die E, sondern eine TC in Italien. Im Feld 24 ist der Stempel der TC angebracht; eine Unterschrift dürfte vorhanden sein, ist aber kaum sichtbar; unbekannt ist wer unterschrieben hat (Datum: ). Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist sohin untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***4*** wurden 1800 Mobiltelefone (Wert: € 223.400 Rohmasse: 1,365.000 kg, Eigenmasse: 1,270.000 kg) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in CH; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom ). Laut CMR 2000708008 war Empfänger von 1800 Mobiltelefonen mit einem Bruttogewicht von 1,365,00 nicht die E, sondern eine TC in Italien. Im Feld 24 ist der Stempel der TC angebracht; eine Unterschrift ist vorhanden sein, aber kaum sichtbar; unbekannt ist wer unterschrieben hat (Datum: ). Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***5*** wurden 300 Stück "Sendegeräte mit eingebautem Empfangsgerät" (Wert: € 133.500, Rohmasse: 133,500.00; Eigenmasse: 200.00) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in CH; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom ). Laut CMR 2000708029 war Empfänger der 300 Stück Mobiltelefone mit einem Gewicht von 218,00 kg nicht die E, sondern ein Unternehmen Names "***10***". Der Frachtbrief beinhaltet den handschriftlichen Vermerk: "Bitte an ***VN*** weiterleiten" und ist im Feld 24 mit Stempel eines Unternehmens namens "***11***" versehen (sowie mit Unterschrift): Unbekannt ist, wer unterschrieben hat (Datum ). Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist sohin untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***6*** wurden 800 Stück "Sendegeräte mit eingebautem Empfangsgerät" (Wert: € 200,000.00 133.500, Rohmasse: 410.500; Eigenmasse: 410.500) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in CH; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom ). Laut CMR 2000708032 war Empfänger der 800 Stück mit der Bezeichnung "U 700" mit einem Gewicht von 410,5 nicht die E, sondern ein Unternehmen Names "***10***". Der Frachtbrief ist im Feld 24 leer. Allerdings ist einem ergänzenden Blatt bestätigt, dass die Gegenstände eingelagert worden sind (Unterschriftsleistender unbekannt).). Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***7*** wurden 1.750 Stück Handys (Wert: € 276,850.00, Rohmasse: 1,144.000; Eigenmasse: 1,100.000) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in CH; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom 25.69.2007). Laut CMR 2000709022 war Empfänger der 1.750,00 Stück mit der Bezeichnung "Electricals" nicht die E, sondern ein Unternehmen Names "***10***". Der Frachtbrief ist im Feld 24 unleserlich und ohne Namenswiederholung unterzeichnet. Ein Stempel ist nicht angebracht; es ist handschriftlich der Vermerk "***11***" angebracht worden. Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***8*** wurden 386 Stück Handys (Wert: € 386.000, Rohmasse: 1,799.000; Eigenmasse: 1,700.000) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in CH; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom ). Laut CMR 2000710012 war Empfänger der (hier aber: 1000 Stück!!) Stück mit der Bezeichnung "Electricals" nicht die E, sondern ein Unternehmen Names "***10***". Der Frachtbrief ist im Feld 24 unleserlich und ohne Namenswiederholung durch eine "***12***" unterzeichnet (ohne Datum). Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Anmeldung vom :

Mit Anmeldung vom , ***9*** wurden 1.705 Stück Handys (Wert: € 339.095,00, Rohmasse: 1,551.000; Eigenmasse: 1,500.000) in das Verfahren 42 überführt (Verkäufer: TA in CH; Empfänger: E, Italien; Kaufvertrag vom ). Laut CMR 2000710009 war Empfänger der (hier aber nur: 705,00 Stück!!) mit der Bezeichnung "Electricals" nicht die E, sondern ein Unternehmen Names "***10***". Der Frachtbrief ist im Feld 24 unleserlich und ohne Namenswiederholung durch eine "***12***" unterzeichnet (ohne Datum). Überdies wurde der Transport durch die LS organisiert und durchgeführt; ein Unternehmen, das - wie das Zollamt ausführte - Teil eines betrügerischen Firmennetzwerks war (Bescheid vom ,***1***/2011; BVE vom , ZI vvvv/10 und 24/2010; ). Der Nachweis ist untauglich, eine Steuerfreiheit zu belegen.

Ergänzende Würdigung:

Die behauptete Gutgläubigkeit der Bf. ist in einem Verfahren auf Erlass oder Erstattung der EUSt nach Art. 239 ZK in Verbindung mit § 83 ZollR-DG zu prüfen, welches zum Erlöschen der Steuerschuld auch nur gegenüber einem Gesamtschuldner führen kann (vgl. ; , Ra 2016/16/0052). Ebenso ist in einem solchen Verfahren zu prüfen, inwieweit sich der Spediteur aus der Gesamtschuldnerschaft im Hinblick auf einen möglichen Vertrauensschutz sowie der Judikatur des EuGH zum "wusste oder hätte wissen müssen" befreien kann.

Soweit die Bf. darauf verweist, dass sie Stufe 2 Abfragen getätigt habe und deswegen Vertrauensschutz zu gewähren sei ist fest zu halten, dass dies Einwendungen sind, die im Verfahren nach Art 239 ZK vorzubringen wären; im Verfahren nach Art 236 ZK kommt es nur darauf an, ob ex lege eine Steuerfreiheit zu gewähren sei oder nicht. Soweit die Bf darauf verweist, dass die Gegenstände in Italien verbraucht wurden und deswegen die EUSt in Italien entstanden sei ist fest zu halten, dass gerade das Gelangen nach Italien eben nicht erwiesen ist, weil auch die entsprechenden Nachweise mangelhaft sind. Überdies ist nach st. Rsp der Eingang in den Wirtschaftskreislauf mit der Überlassung in den freien Verkehr (oder auch der vorschriftswidrigen Verbringung) verwirklicht. Gerade in der Rs FedEx, auf die die Bf. verweist, hat der Beteiligte in Griechenland eine Zollanmeldung abgegeben und dadurch die Waren steuerlich in Griechenland den Wirtschaftskreislauf überführt; s. Schlussantrag des GA Sanchesz-Bordona in der Rs C-26/18 Rz 25. Dieser Einwand geht sohin ins Leere. Der Beschwerde war der Erfolg zu versagen.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Judikatur zum Verfahren 42 ist in der langjährigen Rechtsprechung des VwGH ausreichend geschärft, wie der Begründung des Erkenntnisses zu entnehmen ist.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
CMR, Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, BGBl. Nr. 138/1961
§ 83 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Verweise
ZK, Zollkodex Art. 236
ZK, Zollkodex Art. 239


















ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1200022.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at