Schätzung von Fahrtkosten aufgrund des Betriebsausgabenpauschales
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2016 bis 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden im Sinne der Beschwerdevorentscheidungen vom abgeändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Angefochten sind die Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2019.
Der Beschwerdeführer bezog in den beschwerdegegenständlichen Jahren neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Pension) Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus seiner Tätigkeit für die L GmbH. Aufgrund der Mitteilungen gemäß § 109a EStG wurde mangels Vorlage der Einkommensteuererklärungen 2016 bis 2019 sowie Nichtbeantwortung des Vorhaltes vom die Veranlagung auf Basis der übermittelten Beträge vorgenommen (Bescheide vom ).
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer am Beschwerde ("Einspruch") und führte im Wesentlichen begründend aus, er habe, da er bis auf das Existenzminimum gepfändet werde, trotz seines hohen Alters (geb. ****1945) bei der L GmbH arbeiten müssen; er habe nie mehr als 250 € pro Monat für 3 x 2,5 Std. pro Woche verdient und einen Anfahrtsweg von 12 km (pro Strecke) gehabt.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom gab das Finanzamt den gegenständlichen Beschwerden insofern statt, als es Betriebsausgabenpauschale (12 %) und Grundfreibetrag (13 %) gewinnmindernd berücksichtigte und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 2.546,46 € (2016), 2.330,79 € (2017), 2.076,60 € (2018) und 1.818,91 € (2019) ermittelte; auf die Bescheidbegründungen wird verwiesen.
Daraufhin brachte der Beschwerdeführer den als "Einspruch" bezeichneten Vorlageantrag am ein und verwies nochmals auf seinen Anfahrtsweg von insgesamt 24 km.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war vom bis bei der L GmbH beschäftigt und bezog nachstehende Entgelte:
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Jahr | Entgelt | Mitteilung § 109a EStG |
2016 | 3.326,09 € | |
2017 | 3.044,38 € | |
2018 | 2.712,37 € | |
2019 | 2.375,79 € |
Laut Angaben des Beschwerdeführers war er drei Mal wöchentlich 2,5 Stunden für das Unternehmen tätig. Der Anfahrtsweg betrug 12 km (eine Strecke).
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen über die berufliche Tätigkeit stützen sich hinsichtlich der Höhe der Einkünfte auf die Mitteilungen gemäß § 109a EStG bzw. der Höhe der angefallenen Aufwendungen auf die Ausführungen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer verweist in Beantwortung des Vorhaltes vom , in dem er um Vorlage eines Fahrtenbuches oder anderer Aufzeichnungen, die eine verlässliche Beurteilung ermöglichen, ersucht wird, wiederum lediglich auf drei Fahrten pro Woche von und zur Arbeitsstätte im Ausmaß von 24 km und führt wortwörtlich aus:
"Es ist alles lückenlos bei der Fa. L zu eruieren. Abzuziehen sind bloß 3 Wochen pro Jahr für Urlaub."
Grundsätzlich geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass tatsächlich berufliche Fahrten angefallen sind. Hingegen liegt ein Nachweis der Anzahl der betrieblich gefahrenen Kilometer nicht vor, sondern wurden die zurückgelegten Kilometer lediglich fiktiv dargelegt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 kann bei natürlichen Personen bei der Gewinnermittlung eines Betriebes für die ersten 175.000 Euro ein Gewinnfreibetrag von 13 % gewinnmindernd geltend gemacht werden.
Gemäß § 17 Abs. 1 2. Teilstrich EStG 1988 können bei den Einkünften aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22 oder des § 23 die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 mit einem Durchschnittssatz von 12 % ermittelt werden.
Gemäß § 138 Abs. 1 BAO haben auf Verlangen der Abgabenbehörde die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung (Abs. 1). Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden sind auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind (Abs. 2).
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind (Abs. 2).
Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen (Abs. 3).
Strittig ist, in welcher Höhe die Fahrten zwischen der Wohnung des Beschwerdeführers und der Betriebsstätte der L GmbH als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Grundsätzlich stellen Kosten für berufliche Fahrten mit einem Kraftfahrzeug im Bereich der betrieblichen Einkünfte (zu denen die gewerblichen Einkünfte gehören) Betriebsausgaben dar. Eine Berücksichtigung der Fahrtkosten in tatsächlicher Höhe ist aber an einen Nachweis, der eine verlässliche Beurteilung ermöglicht, gebunden. Als tauglicher Nachweis von Fahrtkosten ist die Vorlage eines Fahrtenbuches oder anderer überprüfbarer Aufzeichnungen mit einer entsprechenden Aufgliederung (nach Veranlagungsjahren getrennt), aus der die konkret absolvierten Fahrten (Datum, Ort, Zeit, Kilometerangaben, Fahrzeug) ersichtlich sind, vorgesehen.
Ein Fahrtenbuch bzw. andere geeignete Aufzeichnungen liegen nicht vor.
Da der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit in der L GmbH weder Einkommensteuererklärungen eingereicht bzw. im Rahmen des Vorhalteverfahrens Beweismittel über die Höhe der Betriebsausgaben vorgelegt hat, ist die Abgabenbehörde verpflichtet, die steuerlichen Bemessungsgrundlagen im Schätzungswege gemäß § 184 BAO zu ermitteln (Ritz, BAO6, § 184 Tz 8).
Liegt eine solche Schätzungsbefugnis vor, steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im Allgemeinen frei, doch muss das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt werden, müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein, und muss das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht, mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (zB ), wobei das Risiko einer gewissen Ungenauigkeit derjenige trägt, der zur Schätzung Anlass gibt.
Eine Schätzung kann durchaus auch im Rahmen der im § 17 EStG vorgesehenen Durchschnittssätze erfolgen, da Pauschalierungen von durchschnittlichen Erfahrungswerten ausgehen und der vereinfachten Ermittlung der Einkünfte dienen (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2019, § 17 Rz 1).
Es besteht daher kein Anlass von der vom Finanzamt in den Beschwerdevorentscheidungen durchgeführSchten Schätzung der Fahrtkosten Abstand zu nehmen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wird über die Schätzung von Fahrtkosten als Betriebsausgaben abgesprochen. Zu § 4 Abs. 4 EStG 1988 iVm § 184 BAO liegt eine einheitliche Rechtsprechung vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100945.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at