Vorsteuerabzug bei gemischt genutzter Ferienwohnung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Marsoner + Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Andreas-Hofer-Straße 43, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Ein in Großbritannien wohnhaftes und ansässiges Ehepaar hat im Jahr 2010 ein Ferienappartement in einem österreichischen Skiort erworben, welches in weiterer Folge als solches vermietet, aber auch durch das Ehepaar fallweise genutzt wurde bzw. wird.
In der über Finanzonline am eingereichten Umsatzsteuererklärung wurden Vorsteuern geltend gemacht.
Mit Vorhalt der Abgabenbehörde wurde die steuerliche Vertretung ersucht, einen Nachweis über die private Nutzung der Wohnung im Jahr 2011 sowie weiters eine Betreibervereinbarung beizubringen.
In der Vorhaltsbeantwortung wurde dazu von der steuerlichen Vertretung ausgeführt, dass laut Rücksprache mit den Mandanten die Wohnung im Jahr 2011 insgesamt an 31 Tagen privat genutzt worden sei und es darüberhinaus keine Betreibervereinbarung geben würde, da die Wohnung in Eigenregie vermietet werde.
Im angefochtenen Bescheid wurden die geltend gemachten Vorsteuern sodann um 11,31 % gekürzt.
Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben und in der Beschwerdevorentscheidung die Kürzung der Vorsteuern auf 36,90 % erhöht, mit der Begründung, die Wohnung sei im Jahr 2011 an 53 Tagen (63,1 %) vermietet gewesen und an 31 Tagen (36,9 %) zu privaten Wohnzwecken verwendet worden.
In weiterer Folge wurde von der steuerlichen Vertretung ein Vorlageantrag eingebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Gemäß einer dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Aufstellung der steuerlichen Vertretung wurde das Appartement in den Jahren 2011 bis 2021 jeweils in unterschiedlichem Ausmaß vermietet und privat genutzt. Danach lag bei einer Durchschnittsbetrachtung der Verhältnisse der Tage der Eigennutzung zu den Tagen der Fremdnutzung durch Vermietung das Verhältnis in den Jahren 2011 bis 2021 im Durchschnitt bei 24 % zu 76 %. Diese Aufstellung wurde der Abgabenbehörde zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.
Die Abgabenbehörde äußerte sich in weiterer Folge dahingehend, dass gegen eine Vorsteuerkürzung im Jahr 2011 im Ausmaß von 24 % keine Bedenken bestehen würden, zumal das Ausmaß der Eigennutzung in den letzten Jahren ohnehin rückläufig sei.
2. Rechtliche Beurteilung
Nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 bzw. (ab ) Z 1a UStG 1994 kann der Unternehmer die in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leitungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Nach § 12 Abs. 2 UStG 1994 gilt eine Leistung als für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgt.
Der mit in Kraft getretene Art. 168a der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (kurz: MwStSyst-RL) in der Fassung der Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom sah einen definitiven Vorsteuerausschluss für den privat genutzten Teil eines gemischt genutzten Gebäudes vor.
Mit der Umsetzung der Richtlinie 2009/162/EU durch § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 ab dem darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit gemischt genutzten Gebäuden nur mehr jene Vorsteuer abgezogen werden, die auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt, womit sich ab diesem Zeitpunkt nach der MwStSyst-RL zwingend der Vorsteuerausschluss für alle nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteile ergibt (vgl. Schuchter/Kollmann in Melhardt/Tumpel, UStG, § 12 Rzen 211 ff, 241; Mayr, Teilweise privat genutzte Ferienwohnungen - Rechtslage 2004 bis 2010 und ab 2011, ÖStZ 2015/291; Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 12 Tzen 132 ff; siehe dazu auch ).
Die Privatnutzung von Gebäudeteilen durch den Vermieter unterliegt nicht der Umsatzsteuer (dh. es liegt kein Eigenverbrauch vor, § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994); für die Privatnutzung ist daher keine Umsatzsteuer zu entrichten. Andererseits darf der Vermieter im Ausmaß der Privatnutzung keine Vorsteuer abziehen (§ 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994).
Wenn sich später die Nutzungsverhältnisse ändern, kommt es zur Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994.Im Beschwerdefall ist maßgeblich, dass im Zusammenhang nur der Teil der Vorsteuer abgezogen werden darf, der auf die Verwendung der Wohnungseigentumseinheiten für unternehmerische Zwecke der Miteigentumsgemeinschaft entfällt.
Zum Ausmaß der tatsächlichen steuerpflichtigen Nutzung bei einer teilweise auch privat genutzten Ferienwohnung wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Im Hinblick auf die Vermietung eines (zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führenden) Ferienhauses mit zwei Ferienwohnungen führte der Verwaltungsgerichtshof (zum Werbungskostenabzug) aus wie folgt (vgl. ):
"Erfolgt - wie hier - zeitlich abwechselnd eine Verwendung der Wohnungen zur Vermietung einerseits und eine Selbstnutzung anderseits, so sind als Werbungskosten einerseits jene Kosten zu berücksichtigen, die ausschließlich durch die Vermietung veranlasst sind, während jene Kosten auszuschließen sind, die ausschließlich durch die Eigennutzung veranlasst sind. Jene Kosten hingegen, die in einem Veranlassungszusammenhang sowohl mit der Vermietung als auch mit der Eigennutzung stehen (,Fixkosten'), sind - soweit keine dieser beiden Veranlassungen völlig untergeordnet ist - als gemischt-veranlasst aufzuteilen (vgl. zu gemischt veranlassten Aufwendungen auch das Erkenntnis vom , 2010/15/0197, VwSlg. 8613/F, dort zu den Kosten der Hin- und Rückfahrt einer Reise).
Ist - wie im vorliegenden Fall - eine Selbstnutzung (an sich) jederzeit möglich (also weder Vorbehalt der Eigennutzung noch Vorbehalt der Fremdnutzung für bestimmte Zeiträume), wird die Aufteilung dieser gemischt-veranlassten Aufwendungen nach dem Verhältnis der Tage der Eigennutzung zu den Tagen der Gesamtnutzung (Vermietung und Eigennutzung) zu erfolgen haben."
Dasselbe Schema gilt dem Grunde nach auch für die abziehbaren Vorsteuerbeträge, die auf einer unternehmerischen Verwendung basieren, im Verhältnis zu jenen Vorsteuern, die mit der unternehmensfremden Verwendung im Zusammenhang stehen (vgl. Arnoldi, "Privatnutzung der in Bestand gegebenen Ferienwohnung und Vorsteuerabzug", in ÖStZ 2017, 530 (533); vgl. auch ).
Das Recht zum Vorsteuerabzug entsteht mit dem Bezug der Leistung für das Unternehmen; das Ausmaß wird durch die Verwendung der Leistung bestimmt. Das für die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer entscheidende Kriterium liegt somit in der Verwendung der betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen für besteuerte Umsätze. Der abziehbare Anteil bei gemischter Nutzung ergibt sich grundsätzlich aus dem Verhältnis der Zeiträume der tatsächlichen unternehmerischen (steuerpflichtigen) und der privaten Nutzung.
Maßgeblich für den Vorsteuerabzug sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Leistungsbezugs (vgl. dazu auch Schuchter/Kollmann in Melhardt/Tumpel, UStG, § 12 Rz 19; Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 12 Tzen 102 ff).
Ob der Vorsteuerabzug zulässig ist, ist sohin für den Zeitraum zu beurteilen, in dem der Leistungsbezug erfolgte. In diesem Zeitraum wird die bezogene Leistung aber oftmals noch gar nicht oder in nicht repräsentativer Weise verwendet. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestimmt sich nach Ansicht des Finanzgerichtes in solchen Fällen danach, zur Ausführung welcher Umsätze der Unternehmer den erworbenen Gegenstand oder die an ihn erbrachte Leistung zu verwenden beabsichtigt. Dabei ist (zunächst) die im Zeitpunkt des Leistungsbezuges durch objektive Anhaltspunkte belegte Verwendungsabsicht bzw. die höchstwahrscheinliche Verwendung maßgeblich (siehe dazu zB Ruppe/Achatz, UStG 4, § 12 Tzen 246 ff; vgl. auch ; ).
Steht diese Relation zu Beginn der Nutzung der Immobilie noch nicht fest, so ist nach der in der Literatur vertretenen Auffassung auf das wahrscheinlichste künftige Verhältnis abzustellen, wenn ein Abstellen auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Anschaffung der Immobilie zu einem ungerechtfertigten Steuervorteil führen würde (vgl. Mayr, ÖStZ 2015, 2017 ff, Arnoldi, ÖStZ 217, 530 ff). Bei der Feststellung des "wahrscheinlichsten künftigen Verhältnisses" wird auf die Bestimmung des § 184 BAO zurückzugreifen sein.
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Bei der Schätzung handelt es sich um eine Form der Ermittlung des Sachverhaltes, sie kommt zur Anwendung, wenn die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht exakt ermittelt bzw. errechnet werden können (vgl. ). Ziel einer Schätzung ist die Ermittlung derjenigen Besteuerungsgrundlagen, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl. ). Jede Schätzung trägt einen Unsicherheitsfaktor in sich (vgl. ).
Im Hinblick auf das "wahrscheinlichste künftige Verhältnis" der unternehmerischen/privaten Nutzung der Ferienwohnung konnte das Bundesfinanzgericht die im Beschwerdeverfahren erzielte Einigung der Streitparteien zugrunde legen. Demnach ist unstrittig von einer künftigen unternehmerischen Nutzung von 76 % und einer privaten Nutzung (Privatanteil) von 24 % auszugehen. Die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Ferienwohnung im Streitjahr geltend gemachten Vorsteuern von 35.739,01 € (vgl. Beschwerdevorentscheidung) sind sohin mit 27.161,65 € anzuerkennen, die Vorsteuerkürzung beträgt 8.577,36 €.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die zu lösende Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von einer nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfrage ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 168a RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 RL 2009/162/EU, ABl. Nr. L 10 vom S. 14 § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a Abs. 1a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100093.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at