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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.04.2023, RV/7103745/2022

Kein Eigenanspruch bei Unterbringung in einer teilweise spendenfinanzierten Wohngemeinschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde des ***1*** ***2***, ***3***, ***4***, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 12, 23, 1230 Wien, Rößlergasse 15, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom , Ordnungsbegriff ***5***, womit der Antrag vom auf Familienbeihilfe für den im Oktober 2006 geborenen Beschwerdeführer ab November 2021 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheids bleibt unverändert.

II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Antrag

Mit Schreiben vom , eingelangt , stellte der im Oktober 2006 geborene Beschwerdeführer (Bf) ***1*** ***2***, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 12, 23, Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ab . Der Bf sei syrischer Staatsbürger, männlich, habe in Österreich Asyl und wohne in der Wohngemeinschaft ***3***, ***4***. Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe habe die volle Obsorge. Mutter und Vater seien unbekannt.

Es wurde dazu näher ausgeführt wie folgt:

Nach Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 62/20s, 6 Ob 50/20a und 8 Ob 99/12k und des Bundesfinanzgerichtes RV/7100110/2021 fällt die - auch rückwirkende - Antragstellung auf Zuerkennung der Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG in den Obsorgebereich der Pflege und Erziehung.

Das antragstellende Kind befindet sich seit in einer sozialpädagogischen Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung. Der Stadt Wien entstehen dadurch Kosten von mindestens EUR 80,- täglich.

Das antragstellende Kind hat folgendes Einkommen: keines

Von den Eltern des Kindes langen seit Antragsbegehren keine übergegangene Unterhalts- bzw. Kostenersatzbeträge ein, da die Eltern nicht bekannt sind.

Beigefügt waren Unterlagen wie folgt:

Vereinbarung über die Unterbringung des Kindes

Vereinbarung zwischen der Stadt Wien, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe - Wiener Kinder- und Jugendhilfe, und "Don Bosco" betreffend Unterbringung des Bf in der Einrichtung "WG ***8***", Wohngemeinschaft ***3***, ***4*** im Rahmen der Vollen Erziehung gemäß § 30 WrKJHG 2013 (Datum ist nicht ersichtlich):

1. Der Rechtsträger übernimmt die Betreuung des Minderjährigen und übt die Pflege und Erziehung gemäß dem von ihm vorgelegten und aufsichtsbehördlich genehmigten sozialpädagogischen Konzept und entsprechend den in den Fallverlaufskonferenzen festgelegten Zielvereinbarungen aus. Der Rechtsträger verpflichtet sich, jede Änderung des sozialpädagogischen Konzepts nach erfolgter Genehmigung durch den für die Einrichtung zuständigen öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeträger der Kinder- und Jugendhilfe zu übermitteln.

Die "Richtlinien für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Einzelvertrag" bilden die Grundlage für die Aufnahme und den Aufenthalt der Minderjährigen in der Einrichtung des Rechtsträgers.

2. Die Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet sich, für die Betreuung des Minderjährigen tägliche Pflegegebühren in der Höhe von Euro 95,- (keine USt) und ein Entgelt für die Platzsicherung bei Abwesenheit des Minderjährigen in der Höhe von täglich Euro 95,- (keine USt) zu bezahlen.

Grundsätzlich sind die Kosten für die jeweilige Vertragsdauer gültig, jedoch kann der vom Amt der jeweiligen Landesregierung festgesetzte Pflegegebührensatz mit der Kinder- und Jugendhilfe ab Gültigkeitsdatum abgerechnet werden.

in diesen täglichen Pflegegebührensätzen sind sämtliche Aufwendungen für den Minderjährigen enthalten.

Folgende Leistungen können gesondert mit der Kinder- und Jugendhilfe verrechnet werden:

• Taschengeld (€ 40,-/ Monat)

• Freizeitgeld (€ 10,- / Monat)

• Schulgeld (€ 200,- /Schuljahr)

• Bekleidung (€ 150,-/ Jahr)

• Bildungsbudget in der max. Höhe von € 726,- / UMF bis zur Volljährigkeit - wenn der Betrag in der GVS nicht ausgeschöpft wurde

• Dolmetschleistungen bei Psychotherapie, Erst-, Verlaufs- und Konfliktgesprächen (€ 30,- / h): nach Bedarf nur über vorheriges Ansuchen und Genehmigung durch die Regionsleitung

• Medizinische Heilbehelfe (z.B. Brillen, Zahnersatz, etc.): nur über vorheriges Ansuchen unter Beilegung eines Kostenvoranschlags und Genehmigung durch die Kinder- und Jugendhilfe - Gruppe Finanz

3. Dieses Übereinkommen tritt mit der Übernahme des Minderjährigen durch den Rechtsträger am in Kraft und wird befristet bis abgeschlossen.

Die Verlängerung des Übereinkommens kann einvernehmlich in schriftlicher Form erfolgen. Das Übereinkommen kann sowohl seitens der Kinder- und Jugendhilfe als auch seitens des Rechtsträgers unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt werden.

Das Übereinkommen endet mit sofortiger Wirkung, wenn das Pflegschaftsgericht oder die Obsorgebetrauten die Zustimmung für die Unterbringung entziehen.

Im Falle der Rückführung des Minderjährigen an die Kinder- und Jugendhilfe oder an die Obsorgebetrauten ist jedenfalls eine Fallverlaufskonferenz abzuhalten.

Obsorgebeschluss

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom wurde der Kinder- und Jugendhilfeträger Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, mit der Obsorge für den mj. ***2*** ***1***, geboren am ***6***, betraut. Das Geburtsdatum ergäbe sich aus einem aus Syrien eingeholten Zivilregisterauszug, das Kind habe bei seiner Erstbefragung keine genauen Kenntnisse seines Geburtsdatums gehabt.

Asylbescheid

Mit Bescheid vom wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Bf dem Antrag auf internationalen Schutz vom gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Bf kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Reisepass

Am wurde für den Bf vom BFA ein Reisepass ausgestellt.

Geburtsdatum

Es wurde auch ein syrisches Identitätsdokument und ein Schriftverkehr mit der ÖGK vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass das korrigierte Geburtsdatum nicht in die bereits vergebene Sozialversicherungsnummer des Bf übernommen werden könne.

Bescheid

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Familienbeihilfe von ab November 2021 mit folgender Begründung ab:

Ein Kind kann für sich selbst unter folgenden Voraussetzungen Familienbeihilfe beziehen:

• Das Kind wohnt nicht mehr bei einem Elternteil

• Kein Elternteil leistet überwiegend Unterhalt

• Das Kind ist nicht in einem Heim untergebracht

Diese Voraussetzungen treffen nicht zu (§ 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Da weder von Ihren Eltern noch von Ihnen selbst ein Kostenbeitrag für die Unterbringung geleistet wird, musste Ihr Antrag abgewiesen werden.

Beschwerde

Gegen den Bescheid vom wurde Beschwerde vom erhoben und zur Begründung ausgeführt:

Der mj. ***2*** ***1***, vertreten durch die Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung Bezirke12, 23, erhebt gegen den Abweisungsbescheid vom , eingelangt bei der Wiener Kinder undJugendhilfe Rechtsvertretung, Bezirke 12,23 am ,Beschwerde.

Der in Beschwerde gezogene Bescheid wird zur Gänze bekämpft.

Begründung:

Mit dem Abweisungsbescheid der oben genannten Behörde vom wurde der Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab abgewiesen.

Begründet wurde die Entscheidung damit, dass Familienbeihilfe nur vom Kind bezogen werden kann wenn es ° nicht mehr bei einem Elternteil wohnt, ° kein Elternteil überwiegend Unterhalt leistet und ° das Kind nicht in einem Heim untergebracht ist. Da dies nicht zutreffe, wurde der Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen.

Dazu ist wie folgt auszuführen:

Im gegenständlichen Fall fällt die Geltendmachung der Unterhaltspflicht der Eltern zur Gänze weg, da der Mj, als unbegleiteter Flüchtling nach Österreich eingereist ist. Seine Eltern sind unbekannten Aufenthaltes, die Obsorge wurde zur Gänze der Wiener Kinder und Jugendhilfe Rechtsvertretung, Bezirke 12,23 übertragen. Sämtliche Beilagen wurden zum Antrag beigelegt!

Das antragstellende Kind befindet sich seit in einer Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco in voller Erziehung. Diese ist eine spendenfinanzierte sozialpädagogische Einrichtung, wie aus der Beilage ersichtlich ist. Es werden auch entstehende Betreuungskosten großteils durch Spenden finanziert.

Der Unterhalt wird somit nicht zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand oder aus Mitteln der Kinder-und Jugendhilfe getragen, weswegen ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe besteht. Der Mj. hat daher Anspruch auf die Familienbeihilfe.

Der Beschwerdeführer stellt daher den Antrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Familienbeihilfe ab gewährt wird.

Beigefügt war ein Ausdruck aus der Website des Don Bosco Sozialwerks:

… Gemeinsam etwas bewegen

Es gibt viele Möglichkeiten, die Jugendlichen zu unterstützen. Denn Tatsache ist: Die Jugendlichen sind auf Hilfe angewiesen. Mit Ihrer Zeit-, Sach- oder Geldspende unterstützen Sie die jungen Menschen im Don Bosco Sozialwerk. Mit Ihrer Unterstützung geben Sie denJugendlichen die Chance auf eine Zukunft, in der sie ihre Hoffnungen und Träume verwirklichenkönnen. Sie können uns auf vier Ebenen helfen:

Geldspenden

Ohne Spenden können wir unsere Arbeit nicht aufrechterhalten. Jeder Euro, schafft uns Freiraum, unbürokratisch und individuell zu unterstützen. Alle Infos finden Sie hier.

Sachspenden

Das Don Bosco Sozialwerk ist ein lebendiger Organismus. Viele von uns benötigte Sachgüter haben Verschleißerscheinungen und ein "funktionales Ende". Falls Sie etwas spenden möchten, dann kontaktieren Sie uns bitte per Email …

Ermittlungsverfahren

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Bf um folgende Auskunft:

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 besteht kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und deren Unterhalt zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird.

Wird das Kind in einer zur Gänze oder teilweise spendenfinanzierte sozialpädagogischen Einrichtung untergebracht, ist folgende Prüfung vorzunehmen:

- Nachweis der Höhe des maximalen Tagsatzes, welchen das Land (Stadt Wien) für die Unterbringung eines Kindes generell finanziert, d.h. für die Unterbringung in einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung

- Nachweis die Höhe des Tagsatzes, welchen die Trägereinrichtung der öffentlichen Hand (Land-Stadt Wien) für das betroffene Kind (***1*** ***2***) verrechnet.

Die Kinder- und Jugendhilfe antwortete nach Fristverlängerung am für den Bf:

… der vereinbarte Tagsatz der Stadt Wien mit der WG Don Bosco beträgt wie im Übereinkommen (als Beilage beim FB-Antrag) ersichtlich für oben genanntes Kind EUR 95,-.

Sonstige entstandene Kosten der WG für das Kind werden nicht pro Kind mit der Stadt Wien abgerechnet sondern in gewissen Zeitabständen eine Gesamtrechnung aller in der jeweiligen WG wohnenden Kindern erstellt und an die Verrechnungsstelle der MA 11 geschickt.

Nach Rückfrage in der Verrechnungsstelle gibt es in dem Sinn keinen maximalen Tagsatz, dieser variiert sehr stark, je nach Unterbringung und Bedürfnis des Kindes wird ein relativ individueller Tagsatz mit der Unterkunft vereinbart.

Die schon mit dem Antrag vorgelegte Vereinbarung mit "Don Bosco" wurde neuerlich vorgelegt.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu aus:

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat und können somit für sich selbst Familienbeihilfe beziehen.

Ein Eigenanspruch eines Kindes auf Familienbeihilfe besteht somit dann, wenn:

a) keine Haushaltszugehörigkeit zu den Eltern besteht und keine überwiegende Kostentragung seitens der Eltern stattfindet;

b) die Unterhaltskostentragung nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder des Wohnbedarfes dienen, erfolgt

c) ein Beitrag zur Tragung der Unterhaltskosten des Kindes vorliegt.

Wird der Unterhalt eines Kindes zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes dienen, besteht kein Anspruch auf die Familienbeihilfe, da nach dem Willen des Gesetzgebers in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist. Unter öffentliche Mittel sind sämtliche staatliche Unterstützungsleistungen zu verstehen, die dazu dienen, den Lebensunterhalt eines Kindes und seinen Wohnbedarf zu sichern. Dazu zählen insbesondere Mittel der bedarfsorientierten Mindestsicherung, Mittel der Grundversorgung, Mittel aufgrund welcher die öffentliche Hand für einen entsprechenden Krankenversicherungsschutz des Kindes im Rahmen der gesetzlichen Pflichtversicherung sorgt, aber auch zusätzliche Leistungen, die die Länder im Rahmen des Bezuges der Mindestsicherung zur Deckung der Wohnkosten gewähren (wie beispielsweise Wohnbeihilfe).

Im Umkehrschluss besteht bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe, sofern ein regelmäßiger Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten eines Kindes vorliegt, da in diesem Fall die Unterhaltskostentragung nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln erfolgt, die der Sicherung des Lebensunterhaltes oder desWohnbedarfs dienen. Dieser Beitrag kann durch das Kind selbst erfolgen oder durch seine unterhaltspflichtigen Eltern. Der Gesetzgeber nennt keine Mindestbeträge im Hinblick auf die Höhe dieses Beitrages. D.h. auch kleine, geringfügige Beträge reichen aus, um von einem regelmäßigen Beitrag zu den Unterhaltskosten auszugehen. Da die Unterhaltskosten eines Kindes laufend anfallen, sollten die Beiträge zwar nicht zwingend monatlich, jedoch in zumindest regelmäßig wiederkehrenden Abständen erfolgen.

In der Beschwerde bringen Sie vor, dass die Einrichtung (WG Don Bosco), wo Sie untergebracht sind, durch Spenden finanziert wird. Spenden an diese Wohngemeinschaft stellen aber keinen regelmäßigen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten von Ihnen dar. Der Mindestunterhalt von Ihnen wird somit ausschließlich durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt.

Daher ist Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom stellte der Bf durch die Kinder- und Jugendhilfe Vorlageantrag:

Der mj ***1*** ***2***, geb. ***6***, vertreten durch die Wiener Kinder und Jugendhilfe Rechtsvertretung Bezirke 12,23 stellt den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht wegen Abweisung der beantragten Familienbeihilfe.

Ihre Begründung

vom : gem. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 (a-c) und, dass ***2*** ist in einer spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht ist, wobei Spenden an diese Wohngemeinschaft keinen regelmäßigen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten darstellen würden. Der Mindestunterhalt wird somit ausschließlich durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt.

Dazu ist wie folgt auszuführen:

Im gegenständlichen Geschäftsfall fällt die Geltendmachung der Unterhaltspflicht der Eltern zur Gänze weg, da der Minderjährige als unbegleiteter minderjährige Flüchtling nach Österreich eingereist ist. Seine Eltern sind unbekannt, die Obsorge wurde zur Gänze dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen.

Nach § 6 Abs 5 FamLAG haben Kinder, deren Eltern keinen Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).

Weiters ist anzuführen, dass sich das antragstellende Kind im Rahmen der vollen Erziehung in einerEinrichtung bzw. Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco befindet Hierbei handelt es sich umeine spendenfinanzierte sozialpädagogische Einrichtung.

Die Gemeinschaft Don Bosco lukriert ihre Aufwendungen aus Spenden. Es werden daher auch die, durch die Betreuung der Minderjährigen entstehenden Kosten, auch durch diese Spenden abgedeckt. Hierbei ist es nicht relevant, dass Spendenleistungen ausschließlich an die Einrichtung, ohne Widmung für einen bestimmten Zweck, getätigt werden. Eine Widmung des Spendenbetrages für eine einzelne Person ist nicht notwendig.

Der Unterhalt wird nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs getragen.

Es steht dem Minderjährigen demnach hier ein Anspruch auf Familienbeihilfe zu.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien (Regionalstelle Rechtsvertretung Bezirke 12,23}, stellt daher denAntrag,den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Familienbeihilfe gewährt wird.

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:

Bezughabende Normen

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Am langte ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ein. Das beschwerdeführende Kind in Vertretung des Magistrats der Stadt Wien ist ein unbegleiteter Flüchtling und befindet sich seit in einer sozialpädagogischen Einrichtung (Don Bosco) im Rahmen der vollen Erziehung.

Der Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs 5 FLAG nicht vorlägen.

Dagegen wurde Beschwerde erhoben und begründend ausgeführt, dass sich das Kind in der Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco in voller Erziehung befinde und diese eine spendenfinanzierte sozialpädagogische Einrichtung sei. Es werden auch entstehende Betreuungskosten großteils durch Spenden finanziert. Der Unterhalt wird somit nicht zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand oder aus Mitteln der Kinder-und Jugendhilfe getragen, weswegen ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe bestehe.

In der Vorhaltsbeantwortung wurde angegeben, dass der vereinbarte Tagsatz der Stadt Wien mit der WG Don Bosco für das Kind EUR 95,- beträgt. Sonstige entstandene Kosten der WG für das Kind werden nicht pro Kind mit der Stadt Wien abgerechnet sondern in gewissen Zeitabständen eine Gesamtrechnung aller in der jeweiligen WG wohnenden Kindern erstellt und an die Verrechnungsstelle der MA11 geschickt. Nach Rückfrage in der Verrechnungsstelle gebe es in dem Sinn keinen maximalen Tagsatz, dieser variiere sehr stark.

Die Beschwerde wurde mit der Begründung abgewiesen, dass Spenden an diese Wohngemeinschaft keinen regelmäßigen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten des Bf. darstellen. Der Mindestunterhalt werde somit ausschließlich durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt.

Dagegen richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag.

Beweismittel:

laut Aktenkonvolut

Stellungnahme:

Es wird auf die Begründung der BVE sowie die Stellungnahme des Bereichs Private verwiesen.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass hinsichtlich einer ähnlichen Fragestellung eine Revision beim VwGH zur Zahl Ro 2020/16/0048 anhängig ist.

Unterschied zu diesem Fall jedoch ist, dass hier nicht bekanntgegeben und mit geeigneten Unterlagen dokumentiert wurde, wie hoch die monatlichen Unterhaltskosten für den Bf. tatsächlich sind und in welchem Ausmaß die Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco zu der Unterbringung bzw. zu den Unterhaltskosten (z.B. Bekleidung, Essen, Hygienemittel etc.) für den Bf. monatlich beiträgt und welcher Beitrag davon konkreten Spenden zugeordnet werden kann. Dieser Fall unterscheidet sich gerade diesbezüglich, dass dort die Höhe der Unterhaltskosten des Minderjährigen und der Beitrag der öffentlichen Hand bzw. der Spenden dazu genau bekannt gegeben wurden.

Das Finanzamt beantragt daher, die Beschwerde abzuweisen.

Die angesprochene "Stellungnahme des Bereichs Private" lautet:

§ 6 Abs. 5 FLAG besagt, dass Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Nach den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) sollte durch die Novellierung des Abs. 5 sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (zB. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches gilt, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend, jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 6 Rz 20).

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht hingegen dann, wenn der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen wird, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.

Nach Ansicht BKA müssen die Mittel, die nicht aus öffentlicher Hand stammen, direkt dem Kind zukommen und daher diesem unmittelbar zurechenbar sein, wie aus dem in den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) angeführten Beispiel erkennbar.

Das ist bei Spenden an eine Einrichtung jedoch nicht der Fall, da diese allgemein der Einrichtung zukommen und nicht direkt dem Kind zurechenbar sind. Der Gesetzeszweck des § 6 Abs. 5 FLAG stellt nach Ansicht der Fachabteilung darauf ab, die Lasten der Unterhaltstragung, die beispielsweise durch ein erhaltenes Pflegegeld teilweise abgegolten werden, auszugleichen, indem dem Kind ein Anspruch auf Familienbeihilfe eingeräumt wird.

Folglich wurde auch gegen das beigefügte BFG-Erkenntnis, RV/7103076/2020 eine ordentliche Revision eingebracht.

Diese Ansicht wird jedoch nicht bei Einrichtungen des SOS-Kinderdorfes vertreten, dazu wurde von Frau Mag. ***9*** ***10*** folgendes geäußert:

"Betreffend Einrichtungen des SOS-Kinderdorfes wurde festgestellt, dass im Falle einer Fremdunterbringung eines Kindes in einer Einrichtung des SOS Kinderdorfs, nicht der maximale Höchstbetrag des Tagessatzes für die Unterbringung der öffentlichen Hand verrechnet wird. Ein Teil der Kosten (25%) der Unterbringung eines Kindes in einer Einrichtung des SOS Kinderdorfs wird von Spendenmitteln getragen, sodass die anfallenden Kosten der Fremdunterbringung nicht zur Gänze, sondern nur zum Teil von der öffentlichen Hand getragen werden. Wie aus einer Stellungnahme des Leiters des SOS Kinderdorfs hervorgeht, wird für jedes Kind, welches in einer SOS Kinderdorf-Einrichtung untergebracht ist, seitens der öffentlichen Hand nicht der maximal mögliche höchste Tagessatz finanziert, sondern ein reduzierter Tagessatz. Die Differenz wird durch Spendengelder finanziert. Daraus ergibt sich die rechtliche Beurteilung der Fachabteilung, dass der Unterhalt eines Kindes, das in einer Einrichtung des SOS Kinderdorfs untergebracht ist, nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe getragen wird. Dies hat zur Folge, dass ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe bei Kindern, die in dieser Trägereinrichtung untergebracht sind, besteht.

Wird ein Kind in einer Einrichtung eines anderen Trägers untergebracht, ist jedenfalls eine entsprechende Prüfung vorzunehmen.

Dabei ist einerseits die Höhe des maximalen Tagsatzes zur ermitteln, welches das Land für die Unterbringung eines Kindes generell finanziert, d.h. für die Unterbringung in einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung. Andererseits ist die Höhe des Tagsatzes zu ermitteln, welcher die Trägereinrichtung der öffentlichen Hand (Land) für das betroffene Kind verrechnet. Sollte sich im Zuge einer Gegenüberstellung dieser Beträge ein ähnliches Verhältnis wie bei dem SOS Kinderdorfergeben, wäre eine analoge rechtliche Beurteilung wie in den SOS-Kinderdorf-Fällen möglich. Eine entsprechende eingehende Überprüfung, wie bei SOS-Kinderdorfeinrichtungen ist jedoch unerlässlich.

Es entspricht jedenfalls nicht der Rechtsansicht der Fachabteilung, einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe für jedes Kind zu bejahen, welches im Auftrag der öffentlichen Hand in einer drittmittelfinanzierten, d.h. spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht ist."

Siehe dazu auch den NL-FBH, Ausgabe November 2021 bzw. das WIN-FBH Frühjahr Protokoll vom .

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der im Oktober 2006 geborene Bf ***1*** ***2*** ist syrischer Staatsbürger. Laut Bescheid vom des BFA kommt dem Bf kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zu, der Bf hat den Status eines Asylberechtigten. Die Eltern des Bf leisten ihm keinen Unterhalt. Der nunmehr siebzehnjährige Bf hat keine eigenen Einkünfte. Der Bf ist seit November 2021 in einer Wohngemeinschaft des Don Bosco Sozialwerks untergebracht. Der Unterhalt wird aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe finanziert, wobei ein Teil des tatsächlichen Unterhalts aus Spenden, das Don Bosco Sozialwerk erhält, finanziert wird. Das Don Bosco Sozialwerk erhält einen Tagsatz von € 95 für den Bf, wobei darüber hinausgehende Kosten in einer Gesamtrechnung für alle Kinder der Wohngemeinschaft mit dem Magistrat in gewissen Zeitabständen verrechnet werden. Es gibt keinen maximalen Tagsatz, sondern es wird ein den Bedürfnissen des Kindes entsprechender "relativ individueller Tagsatz" vereinbart.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und sind unstrittig.

Rechtsgrundlagen

§ 3 FLAG 1967 lautet:

§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.

(6) Personen, denen aufgrund der Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene (Vertriebenen-VO), BGBl. II Nr. 92/2022, gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen ein solches vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt.

(7) Personen, denen aufgrund der Vertriebenen-VO gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben zumindest für die Zeit des bewaffneten Konflikts in der Ukraine den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach § 2 Abs. 8 im Bundesgebiet.

§ 6 FLAG 1967 lautet:

§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a)sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b)ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c)für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a)das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder

b)das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran, wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, oder

c)das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder

d)wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, oder

(Anm.: lit. e aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

f)In dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

g)erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

h)sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

i)das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa)bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc)die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

j)das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

k)das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am

aa)Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb)Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc)Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd)Europäischen Solidaritätskorps nach der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014.

(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 15.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 15.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 15.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a)das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b)Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c)Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse,

d)Ausgleichszulagen und Ergänzungszulagen, die aufgrund sozialversicherungs- oder pensionsrechtlicher Vorschriften gewährt werden.

e)Pauschalentschädigungen gemäß § 36 Abs. 1 des Heeresgebührengesetzes 2001, die für den außerordentlichen Zivildienst gemäß § 34b in Verbindung mit § 21 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 oder den Einsatzpräsenzdienst gemäß § 19 Abs. 1 Z 5 des Wehrgesetzes 2001 gewährt werden.

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

(7) Die Anspruchsdauer nach Abs. 2 lit. a bis c und lit. f bis i verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

a)für volljährige Vollwaisen, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise,

b)für volljährige Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise,

c)für volljährige Vollwaisen, die eine Berufsausbildung beginnen oder fortsetzen möchten (Abs. 1 lit. c bis f), über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung der Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist,

d)für volljährige Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen möchten (Abs. 1 lit. c bis f), abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein Semester oder um ein Ausbildungsjahr, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung des Studiums infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist.

§ 3 Abs. 3 FLAG 1967

Gemäß § 3 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe. Der Bf hält sich nicht nach §§ 8, 9 NAG oder § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich auf, es kommt ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 FLAG 1967 und § 3 Abs. 2 FLAG 1967 nicht in Betracht. Dem Bf wurde Asyl gewährt. Daher stünde dem Bf gemäß § 3 Abs. 3 FLAG 1967 grundsätzlich Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 zu.

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 6 Abs. 5 FLAG 1967 mit Erkenntnis die Auffassung vertreten:

"… Zur Frage, inwieweit ein Beitrag zu den Unterhaltskosten Auswirkungen auf den Eigenanspruch der Kinder haben kann, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass eine gänzliche Unterhaltstragung durch die öffentliche Hand nicht mehr gegeben ist, wenn das Kind selbst zum eigenen Unterhalt beiträgt (vgl. etwa 2001/15/0075, mwN, zu einem Kind, das Pflegegeld und eine Waisenpension bezogen hatte).

Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass mit der Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG (mit BGBl. I Nr. 77/2018) eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beabsichtigt worden wäre. Nicht nur, dass nach den Gesetzesmaterialien lediglich eine "gesetzliche Präzisierung" - und nicht etwa eine Neuregelung - vorgenommen werden sollte, bewegen sich die darin getätigten weiteren Ausführungen auf dem Boden der dargelegten bisherigen Rechtsprechung (vgl. nochmals zur Voraussetzung der gänzlichen Kostentragung durch die Öffentliche Hand 2002/15/0181).

Nach dem Gesagten ist daher auch nicht erkennbar, dass aufgrund der Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG in einer Konstellation wie im vorliegenden Revisionsfall - vor dem Hintergrund einer (zumindest vorläufigen) gänzlichen Kostentragungsverpflichtung der öffentlichen Hand aufgrund der übertragenen Obsorge (vgl. vorliegend §§ 30, 32, 35 und 36 Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013, LGB1. Nr. 51/2013) - der Unterhalt des Kindes nicht mehr als "zur Gänze" durch die öffentliche Hand getragen anzusehen sein soll, wenn Dritte - somit weder das Kind selbst, noch dessen Eltern - Kostenbeiträge zum Unterhalt des Kindes leisten. …"

Auch bei teilweise spendenfinanzierter Unterbringung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht festgestellt werden, dass der Unterhalt des Kindes nicht zur Gänze durch die Kinder- und Jugendhilfe finanziert wird, auch wenn tatsächlich ein Teil des Unterhalts nicht von der Öffentlichen Hand getragen wird. Eigene Einkünfte, wie beispielsweise als Lehrling, erzielt der Bf nach der Aktenlage nicht. Es fehlt daher an einem Anspruch nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967.

Keine Rechtswidrigkeit des Spruchs des angefochtenen Bescheids

Da der Spruch des angefochtenen Bescheids nicht mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet ist, ist die Beschwerde daher gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Revisionsnichtzulassung

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, da hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 bei teilweise spendenfinanzierter Unterbringung mittlerweile eine Entscheidung des VwGH vorliegt ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103745.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at