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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.05.2023, RV/5100322/2023

§ 295a BAO iVm der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***StB***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Einkommensteuer 2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Einkommensteuer 2019 mit 17.177,00 € festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

In der elektronisch am eingereichten Einkommensteuererklärung 2019 wurde eine COVID-19-Rücklage in Höhe von 15.727,35 € geltend gemacht (30 % der erklärten betrieblichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 25.886,07 € sowie aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.538,44 €).

Am führte das Finanzamt eine erklärungsgemäße Veranlagung durch und setzte die Einkommensteuer 2019 mit 13.337,00 € fest.

Am erging aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes vom zu Steuernummer ***1*** ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid 2019, in dem die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft marginal erhöht wurden und wodurch sich die festgesetzte Einkommensteuer 2019 auf 13.351,00 € erhöhte.

Am wurde die Einkommensteuererklärung 2020 eingereicht, in der ein Verlust aus den betrieblichen Einkünften in Höhe von 6.641,32 € erklärt wurde. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden mit einem Verlust in Höhe von 35.298,37 €, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Gewinn von 28.657,05 € erklärt. Neben diesen betrieblichen Einkünften erklärte der Beschwerdeführer auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Vermietung und Verpachtung, die insgesamt zu einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte führten. In der Einkommensteuererklärung wurde in der Kz 157 eine Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage aus dem Vorjahr in Höhe von 15.727,35 € erklärt.

Das Finanzamt erließ am einen gemäß § 295a BAO geänderten Bescheid betreffend Einkommensteuer 2019 und setzte diese mit 20.343,00 € fest. In diesem Bescheid wurde die geltend gemacht COVID-19-Rücklage zur Gänze gestrichen. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass aufgrund der in der Steuererklärung 2020 angeführten positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb eine COVID-19-Rücklage 2019 nicht möglich sei.

Am wurde der Beschwerdeführer zur Einkommensteuer 2020 veranlagt. Dabei wurden die erklärten Einkünfte der Besteuerung mit der Maßgabe zugrunde gelegt, dass die erklärte Hinzurechnung der im Vorjahr gebildeten Covie-19-Rücklage zur Gänze gestrichen wurde.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom richtet sich die elektronisch eingebrachte Beschwerde vom . Die Bildung der COVID-19-Rücklage setze voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gelte der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988) aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden. Nachdem der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 EUR -6.641,32 betrage, sei die Bildung der COVID-19 Rücklage für das Kalenderjahr 2019 möglich.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass der Verlust 2020 (aus den betrieblichen Einkünften) mit den anderen Einkünften 2020 (aus nichtselbständiger Arbeit sowie Vermietung und Verpachtung) verrechnet worden sei.

Dagegen richtet sich der elektronisch eingebrachte Vorlageantrag vom . Da bei der Veranlagung 2020 der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte negativ wäre, sei eine COVID-19-Rücklage im Kalenderjahr zu berücksichtigen.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte für die Einkommensteuer 2019 die Berücksichtigung einer COVID-19-Rücklage in Höhe von 6.641,32 €.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

In der Einkommensteuererklärung 2019 wurde eine COVID-19-Rücklage von 15.727,35 € geltend gemacht (30 % der erklärten betrieblichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 25.886,07 € sowie aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.538,44 €, insgesamt somit 52.424,51 €).

Für das Jahr 2020 wurden Verluste aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 35.298,37 € und ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 28.657,05 € erklärt. Insgesamt ergab sich damit ein Verlust aus den betrieblichen Einkünften in Höhe von 6.641,32 €.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den eingereichten Einkommensteuererklärungen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Rechtslage

§ 124b Z 355 EStG 1988 bestimmt:

a) Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden, können im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen werden (Verlustrücktrag). Soweit ein Abzug im Rahmen der Veranlagung 2019 nicht möglich ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Veranlagung 2018 erfolgen. Dabei gilt:

- Die Verluste müssen durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sein.

- Der Verlustrücktrag erfolgt auf Antrag. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.

- Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 nicht rückgetragen werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 in Folgejahren abgezogen werden (Verlustabzug).

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen. Dabei sind auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.

b) Endet im Kalenderjahr 2020 ein abweichendes Wirtschaftsjahr, besteht das Wahlrecht, den Verlust aus der Veranlagung 2020 oder aus der Veranlagung 2021 rückzutragen. Wird der Verlust aus der Veranlagung 2021 rückgetragen, beziehen sich die Regelungen der lit. a auf die Kalenderjahre 2021, 2020 und 2019.

In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Verlustberücksichtigung 2019 und 2018 (COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung), BGBl II 405/2020, im Folgenden kurz: VO, wird auszugsweise bestimmt:

1. Abschnitt
COVID-19-Rücklage

§ 1. (1) Zur Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor Durchführung der Veranlagung 2020 können voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) berücksichtigt werden. Dabei gilt:

1. Die Bildung der COVID-19-Rücklage setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gilt der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988) aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden.

2. Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019. Sie lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.

3. Für die Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage gilt:

a) Sie beträgt ohne weiteren Nachweis bis zu 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen oder nur in Höhe der Mindeststeuer gemäß § 24a KStG 1988 festgesetzt wurden.

(2) Der Abzug und die Hinzurechnung (§ 2) der COVID-19-Rücklage hat beim selben Steuerpflichtigen zu erfolgen. Bei Gesellschaften, deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wird die COVID-19-Rücklage nicht im Rahmen des Feststellungsverfahrens (§ 188 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 1961/194), sondern im Rahmen der Veranlagung der Mitunternehmer berücksichtigt.

§ 2. Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Dieser lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.

§ 4. Die Bildung einer COVID-19-Rücklage erfolgt auf Antrag. Der Antrag kann ab unter Verwendung des dafür vorgesehenen amtlichen Formulars gestellt werden. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.

3. Abschnitt
Verlustrücktrag

§ 6. Die nach Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage verbleibenden Verluste des Jahres 2020 können nach Maßgabe der § 124b Z 355 EStG 1988 sowie § 26c Z 76 KStG 1988 in das Jahr 2019 rückgetragen werden. Die erfolgte Berücksichtigung der COVID-19-Rücklage bleibt dadurch unberührt.

§ 7. Wird durch den bei der Veranlagung 2019 zu berücksichtigenden Verlustrücktrag aus dem Jahr 2020 der Höchstbetrag nicht ausgeschöpft, kann insoweit eine Berücksichtigung des Verlustrücktrages im Rahmen der Veranlagung 2018 beantragt werden. Dabei gilt:

1.Als Verlustrücktrag kann im Jahr 2018 höchstens ein Betrag von zwei Millionen Euro nach Maßgabe der § 124b Z 355 EStG 1988 sowie § 26c Z 76 KStG 1988 abgezogen werden.

2.Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 weder bei der Veranlagung 2019 noch bei der Veranlagung 2018 berücksichtigt werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 ab dem Veranlagungszeitraum 2021 abgezogen werden (Verlustabzug).

Wird bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr das Wahlrecht ausgeübt, den Verlust aus der Veranlagung 2021 rückzutragen (§ 124b Z 355 lit. b), sind die vorstehenden Bestimmungen, soweit sie das Jahr 2020, 2019 und 2018 betreffen, auf das Jahr 2021, 2020 und 2019 zu beziehen.

§ 8. Für die Übertragung des Verlustrücktrages auf einen anderen Steuerpflichtigen gelten die für den Verlustabzug bestehenden Grundsätze. Eine Übertragung des Verlustrücktrages im Rahmen von Umgründungen auf den Rechtsvorgänger ist nicht zulässig.

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Erwägungen

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Krise durch eine Ergebnisglättung steuerlich weiter abzufedern, wurde in § 124b Z 355 EStG 1988 zeitlich befristet die Möglichkeit eines Verlustrücktrags nach deutschem Vorbild vorgesehen. Ferner wurde der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen; dabei wären auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.

Aufgrund dieser Verordnungsermächtigung wurde die oben auszugsweise zitierte VO erlassen, die im ersten Abschnitt die Bildung einer COVID-19-Rücklage näher regelt und im dritten Abschnitt ausführende Regelungen zum Verlustrücktrag trifft.

Im beschwerdegegenständlichen Fall geht es nicht um einen allfälligen Verlustrücktrag, sondern ausschließlich um die Bildung einer COVID-19-Rücklage im Sinne des ersten Abschnittes der VO. Es kommt daher nicht - wie in der Beschwerdevorentscheidung vertreten - darauf an, ob die Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 ausgeglichen wurden (§ 124b Z 355 lit. a EStG 1988). Die Unrichtigkeit dieser Ansicht hat das Finanzamt aber bereits im Vorlagebericht eingeräumt.

Die in § 1 Abs. 1 der VO normierten Voraussetzungen für die Bildung der Rücklage für das Jahr 2019 lagen gegenständlich vor. Da keine Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt waren, konnte die Rücklage gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 der VO ohne weiteren Nachweis mit 30 % des Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, somit in Höhe von 15.727,35 € gebildet werden.

Gemäß § 2 der VO ist die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Ergibt sich in Folge der Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage ein positiver Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte, wurde die COVID-19-Rücklage zu hoch gebildet und es ist eine Korrektur vorzunehmen: im Jahr der Bildung der COVID-19-Rücklage ist diese dahingehend zu kürzen, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst. Die Korrektur ist im Wege des § 295a BAO vorzunehmen (EStR 2000, Rn 3920).

Dieser Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen hat sich das Bundesfinanzgericht in den Erkenntnissen und , bereits angeschlossen. Es könne dem Gesetzesgeber nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen. Die Kürzung dahingehend, dass sie nur den tatsächlichen negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2020 umfasst, ändere nichts an den in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekten und vermeide andererseits einen Anreiz für die Angabe einer zu hohen COVID-19-Rücklage.

Auch die Anwendbarkeit des § 295a BAO zur Korrektur der zu hoch gebildeten COVID-19-Rücklage hat das Bundesfinanzgericht in beiden Fällen bejaht.

§ 295a BAO ist dann anzuwenden, wenn abgabenrelevante Umstände rückwirkend erfasst werden müssen, weil sie den Sachverhalt, der einem Bescheid zugrunde gelegt wurde, ändern. Es kann somit ein ursprünglich richtiger Bescheid abgeändert werden. Dieser ursprüngliche Bescheid erging aufgrund eines richtig festgestellten Sachverhaltes, der durch ein Ereignis, das auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld zurückwirkt, geändert wird. Der zunächst rechtmäßige Bescheid wird durch den Eintritt des Ereignisses iSd § 295a BAO rechtwidrig ().

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt ( mit Hinweis auf ). § 295a BAO kann nur im Falle von sich nachträglich ereignenden Umständen ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Erledigungen sein ().

Nach Ritz, BAO7, § 295a Tz 3, muss sich die Rückwirkung von Ereignissen aus den Abgabenvorschriften ergeben. Welchen Ereignissen eine solche Rückwirkung zukommt, ist eine Frage des Inhaltes bzw. der Auslegung der (materiellrechtlichen) Abgabenvorschriften (Ritz, BAO7, § 295a, Tz 4). Anhand der materiellen Abgabengesetze ist zu prüfen, ob ein Anwendungsfall der § 295a BAO vorliegen kann.

Das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende nachträgliche Ereignis iSd § 295a BAO ist die Ermittlung und steuerliche Erklärung der betrieblichen Einkünfte des Jahres 2020. Der ermittelte und erklärte Verlust von 6.641,32 € ist tatsächlich wesentlich geringer als der zunächst im Zuge der Bildung der COVID-19-Rücklage angenommene "voraussichtliche" Verlust in Höhe von 15.727,35 €. Die zunächst nur angenommenen "voraussichtlichen" betrieblichen Verluste 2020 iSd § 1 Abs. 1 der VO werden durch die in weiterer Folge erst ermittelten und in der Einkommensteuererklärung 2020 ausgewiesenen tatsächlichen betrieblichen Verluste verdrängt. Durch die nachträgliche Ermittlung der tatsächlichen Verluste hat sich der Sachverhalt, der dem ursprünglichem Einkommensteuerbescheid 2019 zugrunde gelegt wurde (Höhe der betrieblichen Verluste 2020), geändert. Ferner ist auch in Anbetracht dessen, dass der Antrag auf einen Verlustrücktrag bei bereits erfolgter Veranlagung in § 124b Abs. 355 lit. a EStG 1988 als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO qualifiziert wurde, und auch ein Antrag im Sinne des § 4 der VO nach dieser Bestimmung als rückwirkendes Ereignis gilt, wenn das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt wurde, nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes analog davon auszugehen, dass bei einer überhöhten COVID-19-Rücklage eine Korrektur auf den im Folgejahr tatsächlich angefallenen Verlust mit dieser Verfahrensbestimmung zu erfolgen hat.

Die Abänderung gemäß § 295a BAO liegt im Ermessen. Es ist dabei der grundsätzliche Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu berücksichtigen. Die Abänderung könnte lediglich bei Geringfügigkeit der (insbesondere abgabenrechtlichen) Auswirkungen unterbleiben (Ritz, BAO7, § 295 Tz 38 ff; EStR 2000, Rn 3920). Im Hinblick auf das Ausmaß der erforderlichen Änderung (Reduktion der Rücklage von 15.727,35 € auf 6.641,32 €) und die steuerlichen Auswirkungen (festgesetzte Einkommensteuer laut ursprünglichem Einkommensteuerbescheid 2019 und Festsetzung laut gegenständlichem Erkenntnis) war die Abänderung unter Bedachtnahme auf den Vorrang der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtsbeständigkeit geboten. Besondere Billigkeitsgründe, welche der Abänderung im gegenständlichen Fall entgegenstünden, wurden nicht vorgebracht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer dieser anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. ). Das gilt gegenständlich auch zur Frage der Korrektur der für das Jahr 2019 gebildeten Rücklage. Das Bundesfinanzgericht hat bereits mehrfach ausgesprochen, es könne dem Gesetzesgeber nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen. Bei der Anwendung des § 295a BAO hat sich das Bundesfinanzgericht an der aufgezeigten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert. Bei der Ermessensübung läge eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre bzw. wenn eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauchs oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge (vgl. mit Hinweis auf , mwN).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 124b Z 355 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100322.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at