Rückforderung von Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe zu Recht erkannt:
I.
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der Rückforderungsbetrag an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag betreffend ***1*** für den Zeitraum März 2019 bis September 2019 beträgt:
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Familienbeihilfe (FB) | € 1.155,70 |
Kinderabsetzbetrag (KG) | € 408,80 |
Summe | € 1.564,50 |
Hinsichtlich der Monate Oktober 2019 bis September 2020 erfolgt keine Rückforderung der Familienbeihilfe bzw. des Kinderabsetzbetrages.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf) gemäß § 26 Abs.1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) iVm § 33 Abs.3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) aufgefordert, die für ihre Tochter ***1*** bezogene Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2019 bis September 2020 und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum März 2019 bis September 2020 zurückzuzahlen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ***1*** nach dem 3. Semester ihr Studium gewechselt habe.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass ***1*** im Februar 2019 die Aufnahmsprüfung für das Studium Bewegung und Sport bestanden habe und daher vom Studium Bachelor Lehramt UF Deutsch/UF Psychologie (Beginn WS 2017/2018) zum Studium Lehramt UF Bewegung und Sport/UF Deutsch (Beginn SS 2019) gewechselt habe. ***1*** habe die Studienrichtung nach Bestehen der Aufnahmsprüfung zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Wechsel eines Unterrichtsfaches einen Studienwechsel in Bezug auf die Familienbeihilfe bedeute. Bei einem Studienwechsel nach dem dritten inskribierten Semester bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe erst dann, wenn die Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt hat.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Der Bf führte im Wesentlichen aus, dass ***1*** ihr "Wunschstudium" zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen habe, da sie die Aufnahmsprüfung für das UF Bewegung und Sport erst im dritten Anlauf vollständig geschafft habe.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter der Bf, ***1***, geb. am ***2***, studierte im Wintersemester 2017/2018 das Lehramtsstudium UF Deutsch/UF Psychologie. Im Februar 2018 trat ***1*** bei der Aufnahmsprüfung für das UF Bewegung und Sport an, hat die Aufnahmsprüfung aber nicht bestanden und setzte ihr Studium UF Deutsch/UF Psychologie im Sommersemester 2018 fort. Im September 2018 trat ***1*** erneut bei der Aufnahmsprüfung zum UF Bewegung und Sport an, bestand die Prüfung wieder nicht und setzte ihr Studium UF Deutsch/UF Psychologie auch im Wintersemester 2018/2019 fort. Im Februar 2019 bestand ***1*** die Aufnahmsprüfung für das UF Bewegung und Sport erfolgreich und studierte ab dem Sommersemester 2019 Lehramt UF Bewegung und Sport/UF Deutsch. Dabei wurden Prüfungen im Ausmaß von 30,5 ECTS aus dem früheren Lehramtsstudium anerkannt.
Die Bf bezog im Zeitraum März 2019 bis September 2020 für ***1*** die Familienbeihilfe in Höhe von € 165,10 monatlich zuzüglich der Einmalzahlung von € 360,00 im September 2020 und dem Kinderabsetzbetrag von € 58,40 monatlich.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)
Gemäß § 2 Abs. 1 lit.b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Gemäß § 17 Abs.1 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) liegt ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn der Studierende 1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder 2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder 3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
Gemäß Abs.3 leg. cit. ist ein Studienwechsel im Sinne des Abs.1 Z.2 nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs.1 Z.2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechseltem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten, dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.
Gegenstand der Beschwerde ist die Gewährung der Familienbeihilfe von März 2019 bis September 2020. Die Tochter der Bf. begann im Oktober 2017 mit dem Studium Lehramt UF Deutsch/UF Psychologie an der Universität ***3***, im Sommersemester 2019 begann sie mit dem Studium Lehramt UF Bewegung und Sport/UF Deutsch.
Bei einem Studienwechsel gelten gemäß § 2 Abs.1 lit.b FLAG die in § 17 StudFG angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.
Der Begriff Studienwechsel bedeutet den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den vorangegangenen Semestern betrieben wurde, Wenn ein Studierender das begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes in den Geltungsbereich des StudFG fallenden Studiums beginnt, liegt jedenfalls ein Studienwechsel vor (zB ). Bei kombinationspflichtigen Studien ist auch die Änderung nur einer der beiden Studienrichtungen, zB bei Lehramtsstudien der Wechsel eines Unterrichtsfaches, ein Studienwechsel im Sinne des § 17 StudFG ().
Der Wechsel des Studiums von ***1*** nach dem dritten inskribierten Semester führt gemäß § 17 Abs.1 und 3 StudFG grundsätzlich zum Verlust des Anspruches auf die Gewährung der Familienbeihilfe bis sie ebenso lange das Studium Lehramt UF Bewegung und Sport/UF Deutsch studiert, wie zuvor das Studium Lehramt UF Deutsch/UF Psychologie. Anerkannte Prüfungen aus dem Studium Lehramt UF Deutsch/UF Psychologie verkürzen diese Wartezeiten, dabei ist auf ganze Semester aufzurunden. Die Anrechnung von 30,5 ECTS im neuen Studium verkürzt die Wartezeit daher um 2 Semester. Die Bf hatte daher ab Oktober 2019 wieder Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre Tochter ***1***.
Berechnung des Rückforderungsbetrages:
FB: § 8 Abs.2 Z.3 lit.d FLAG: € 165,10 x 7 = € 1.155,70
KG: § § 33 Abs.3 EStG: € 58,40 x 7 = € 408,80
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 17 Abs. 1 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 § 17 Abs. 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100645.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at