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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.04.2023, RV/7106308/2019

Bestandvertrag - Urkundenprinzip § 17 Abs. 5 GebG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Robert Morianz, Imbergstraße 22, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , ErfNr. ***1***, betreffend Bestandvertragsgebühr, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mietvertrag

Am wurde zwischen Frau ***Bf1*** als Vermieterin (und nunmehrige Beschwerdeführerin) und der ***2*** als Mieterin ein Mietvertrag betreffend des Gebäudes "***3***", ***4***, ***5*** zum Zwecke des Betriebes eines Gastronomie- und Beherbergungsbetriebes abgeschlossen.

Unter Pkt. IV des Vertrages wird ein monatlicher Bruttomietzins von € 24.000,00 vereinbart. Ebenso ist der Mieter zur Zahlung sämtlicher auf den Mietgegenstand entfallenden die Betriebskosten verpflichtet.

Die Vertragsparteien vereinbarten ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, welches ohne Angabe von Gründen mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten beidseits, jeweils zum Ende eines jeden Quartals, gekündigt werden kann.

In Pkt III des Mietvertrages wird zudem vereinbart:

"[…] Für die ersten 10 Jahre des Vertrages besteht ein Kündigungsverzicht; davon unberührt bleibt Punkt XIII dieses Vertrages".

In Pkt. XIII sind die Möglichkeiten der vorzeitigen Vertragsauflösung durch die Vermieterin genannt, nämlich:

  1. Erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstandes

  2. Änderung des Mietgegenstandes in baulicher Hinsicht oder des Verwendungszweckes ohne schriftliche Zustimmung der Vermieterin

  3. Weitergabe des Mietgegenstandes oder Rechte aus dem Mietvertrag ohne schriftliche Zustimmung der Vermieterin

  4. Gröbliche Verletzung der Instandhaltungspflichten

  5. Verzug mit Zahlungspflichten von zumindest 17 Tagen trotz Mahnung und Nachfristsetzung

In Pkt. XI. wird zur Untervermietung ausgeführt:

"Die gänzliche oder teilweise, entgeltliche oder unentgeltliche Unter- oder Weitervermietung oder sonstige Überlassung des Mietgegenstandes an Dritte über das Maß der Überlassung an Gäste im Rahmen eines Beherbergungsbetriebes hinaus, wie auch die gänzliche oder teilweise Abtretung oder Übertragung von Rechten aus diesem Vertrag an Dritte sind an die vorherige ausdrücklich schriftliche Zustimmung der Vermieterin gebunden."

Selbstberechnung

Mit Anmeldung über die Selbstberechnung der Gebühren für Bestandverträge vom wurde dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel wurde durch ***Bf1*** als Bestandgeberin der zwischen ihr und der ***2*** abgeschlossene Bestandvertrag mittels Geb1 angezeigt, welcher bei der belangten Behörde unter ErfNr. ***1*** erfasst wurde. Mit dieser wurde ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 936.000,00 gemäß § 33 TP 5 GebG 1957 die Summe von € 9.360,00 als Gebühren bekannt gegeben.

Auf Nachfrage der belangten Behörde wurde in der Folge per E-Mail der Mietvertrag vom übermittelt und bekannt gegeben, dass sich die Betriebskosten auf € 2.000,00 belaufen würden.

Gebührenbescheidvom

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde für den gegenständlichen Bestandvertrag gemäß § 201 BAO iVm § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG 1957 eine Gebühr ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 4.056.000,00 mit € 40.560,00 gegenüber der Beschwerdeführerin fest. Daraus ergab sich abzüglich des entrichteten Betrages aufgrund der Selbstberechnung eine Nachforderung in Höhe von € 31.200,00.

Das Finanzamt begründete dies wie folgt:

"Die Festsetzung erfolgte auf Grund einer unrichtigen Selbstberechnung.

Gemäß § 17 (1) GebG 1957 ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift maßgebend.

Im Punkt III. des Vertrages wird über die Dauer des Mietverhältnisses abgesprochen und folgendes vereinbart:

Das Mietverhältnis beginnt am und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Das Mietverhältnis kann ohne Angaben von Gründen mit einer Kündigungsfrist von 6 Monate beidseitig, jeweils zum Ende eines jeden Quartals, gekündigt werden. Die Kündigung hat in schriftlicher Form und eingeschrieben zu erfolgen. Für die ersten 10 Jahre des Vertrages besteht ein Kündigungsverzicht; davon unberührt bleibt Punkt XIII. dieses Vertrages.

Ein beidseitig ausgesprochener Kündigungsverzicht auf eine bestimmte Dauer bewirkt ein Vertragsverhältnis auf die ausgesprochene Dauer dieses beidseitigen Verzichtes, in ihrem Fall also auf 10 Jahre, daran anschließend besteht der Mietvertrag auf unbestimmte Dauer.

Es wurde somit zwischen den Vertragsparteien ein Vertrag auf bestimmte Zeit - 10 Jahre mit anschließender unbestimmter Vertragsdauer geschlossen.

Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage war somit das 156fache Monatsentgelt heranzuziehen.

Aufgrund ihrer durchgeführten Selbstberechnung waren die Betriebskosten (Punkt IV. des Vertrages), die ebenfalls der Mieter zu entrichten hat, mit monatlich 2.000,00€ anzunehmen.

Ermittlung der Bemessungsgrundlage (Beträge in Euro):

Monatliches Bruttomietentgelt inkl. USt 24.000,00,

monatliche Betriebskosten 2.000,00 = 26.000,00 X 156 (Dauer-Monate)

= 4.056.000,00 Bemessungsgrundlage"

Beschwerde

Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung (gemeint wohl: Beschwerde), welche sich gegen die Höhe der festgesetzten Gebühr richtete und beantragte die ersatzlose Aufhebung des Gebührenbescheides bzw. in eventu die Festsetzung der Gebühr mit € 9.360,00

Begründend führte die Beschwerdeführerin aus:

"1.) Gegenstand des bekämpften Gebührenbescheides ist der zwischen der Berufungswerberin (= Vermieterin) und der Vertragspartnerin (= Mieterin) mit abgeschlossene Mietvertrag, betreffend die EZ ***6***, GB ***7*** (KG ***8***).

Erst durch die Gebührenvorschreibung vom ist uns aufgefallen, dass uns zu Punkt III. (Dauer des Mietverhältnisses) ein Irrtum unterlaufen ist. Dies war leider dem Umstand geschuldet, dass wir zur Erstellung des Mietvertrages keine fachmännische Hilfe in Anspruch genommen und diesen in Eigenregie erstellt haben.

a.) Konkret wird zu Pkt. III, letzter Satz (unrichtig) festgehalten:

... "Für die ersten 10 Jahre des Vertrages besteht ein Kündigungsverzicht; davon unberührt bleibt Punkt XIII. des Vertrages"...

b.) Tatsächlich sollte der Passus (richtig) lauten:

... "Für die ersten 10 Jahre des Vertrages besteht ein Kündigungsverzicht der Vermieterin: davon unberührt bleibt Punkt XIII. des Vertrages"...

Einerseits ist es wohl glaubhaft, dass eine Mieterin keinen Kündigungsverzicht für die Dauer von 10 Jahren abgibt, da es hiefür keine Gründe geben kann. Dass hingegen die Vermieterin einen Kündigungsverzicht abgibt, entspricht den üblichen Gepflogenheiten im Geschäftsleben (Mietrecht). Eigentlich ist uns nur passiert, dass wir nach dem Wort Kündigungsverzicht das Wort "der Vermieterin" vergessen haben.

Dass sich der Kündigungsverzicht nur auf die Vermieterin bezieht, ergibt sich zudem aus dem sonstigen Vertragskonnex bzw. auch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Insbesondere halten wir zu Punkt XIII. (vorzeitige Vertragsauflösung) wie folgt fest:

... "Unbeschadet der eingegangenen Vertragsdauer und der diesbezüglich gesetzlichen Auflösungsgründe ist die Vermieterin berechtigt, das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn"...

Hätte auch die Mieterin einen Kündigungsverzicht abgeben wollen, wären zu diesem Vertragspunkt auch vorzeitige Auflösungsgründe für die Mieterin geregelt worden. Da jedoch immer nur ein Verzicht der Vermieterin vereinbart war, wird in Pkt. XIII nur die Vermieterin erwähnt.

Damit ist wohl hinlänglich nachgewiesen, dass der für 10 Jahre vereinbarte Kündigungsverzicht nur seitens der Vermieterin abgegeben bzw. vereinbart wurde und uns bei der Vertragsdiktion - falsa demonstratio non nocet - ein sinnstörender Fehler unterlaufen ist.

Beweis: Mietvertrag vom

PV, ***Bf1***, ***15***, ***5***

PV, ***9***, ***10***

Zeuge, ***11***, ***10***

Zeuge, ***12***, ***13***

wBv

2.) In rechtlicher Hinsicht wäre auszuführen, dass der uns unterlaufene Irrtum wesentlich ist, weshalb wir die Vertragsaufhebung "ex tunc" vorgenommen haben. Unser gemeinsamer Irrtum hat natürlich auch Auswirkungen auf die Gebühren, da bei einem einseitigen Kündigungsverzicht ein Vertrag auf unbestimmte Zeit vorliegt und die Gebührenvorschreibung auf Basis von drei Jahren (Jahrespacht) zu berechnen ist.

Unser ausgewiesener Vertreter wurde daher mit einer Neufassung des (aufgehobenen) Mietvertrages beauftragt und werden wir diesen nach Fertigung umgehend der Behörde nachreichen.

Da somit die Rechtsgrundlage (Mietvertrag vom ) für die Geschäftsgebühr weggefallen ist und ein wesentlicher Irrtum zu einer Vertragsaufhebung "ex tunc" berechtigt, fehlt es der vorgeschriebenen Gebühr an der Rechtsgrundlage, weshalb der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufzuheben ist.

Da wir jedoch ohnehin einen neuen Mietvertrag abschließen werden, wäre es aus unserer Sicht durchaus zulässig und wahrscheinlich auch sinnvoller, den bekämpften Bescheid im Sinne unseres eventualiter erhobenen Abänderungsantrages (s. Pkt.III) abzuändern und die Gebühr auf Basis eines Vertrages auf unbestimmte Dauer vorzuschreiben.

Anzumerken wäre auch noch, dass die Gebühren - auch wenn die Vertragsparteien grundsätzlich solidarisch haften - zuerst an den tatsächlichen Gebührenschuldner, somit der Mieterin, vorgeschrieben hätten werden müssen und nicht gleich direkt der Berufungswerberin (= Vermieterin).

Diesen Verfahrensmangel erheben wir ebenfalls zu unserer Berufungsausführung, da dies zwangsläufig die Aufhebung des bekämpften Bescheides zur Folge haben muss.

Gleichzeitig stellen wir - da ohnehin ein neuer Mietvertrag zwischen denselben Verfahrensparteien abgeschlossen wir - einen Abänderungsantrag. welcher der Behörde einen Ermessensspielraum einräumt. Unter den gegebenen Umständen ist jedenfalls von einem "minderen Grad des Versehens" auszugehen, weshalb die Abänderung im Sinne des Ermessensspielraumes auch geboten erscheint.

Zur Vermeidung von Wiederholungen erheben wir unser Berufungsvorbringen auch vollinhaltlich zu unserem Vorbringen betreffend den Abänderungsantrag.

Es ist zwei (unvertretenen) Verfahrensparteien bei der Diktion ihres (selbst verfassten) Mietvertrages ein sinnstörender, jedoch mit schwerwiegenden (zivil- und gebührenrechtlichen) Konsequenzen, Fehler unterlaufen, welcher erst durch die Nachforderung der Gebühren aufgefallen ist.

Tatsächlich hätte zu Pkt.III nach dem Wort Kündigungsverzicht ..."der Vermieterin"... eingefügt gehört. Dieser Fehler ist unter den gegebenen Umständen auch berichtigungsfähig, was wir inzwischen - durch die Neufassung des Mietvertrages (dieser wird umgehend nachgereicht) - veranlasst haben.

Beweis: Neufassung des Mietvertrages

wie bisher, wBv

Aus all diesen Erwägungen stellen wir nachstehende

ANTRÄGE:

Den bekämpften Bescheid mangels der Voraussetzungen für eine Gebührenvorschreibung in Höhe von € 40.560,00 ersatzlos aufzuheben;

in eventu:

2.) Den bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Geschäftsgebühr auf Basis eines unbestimmten Mietvertragsdauer mit € 9.360,00 festgelegt und von einer Nachforderung in Höhe von € 31.200,00 abgesehen wird."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde führte begründend aus:

"Gemäß § 17 Abs. 1 ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift maßgebend.

Im Punkt III. des gegenständlichen Vertrages wurde von den Vertragsparteien vereinbart, dass das Mietverhältnis am beginnt und auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird. Das Mietverhältnis kann ohne Angaben von Gründen mit einer Kündigungsfrist von 6 Monate beidseitig, jeweils zum Ende eines jeden Quartals, gekündigt werden. Die Kündigung hat in schriftlicher Form und eingeschrieben zu erfolgen. Für die ersten 10 Jahre des Vertrages besteht ein Kündigungsverzicht, davon unberührt bleibt Punkt XIII. dieses Vertrages.

Aufgrund der vorgenommenen schriftlichen Vertragsgestaltung ergibt sich eine Vertragsdauer von zunächst bestimmter Dauer (10 Jahre) mit anschließender unbestimmter Vertragsdauer (3 Jahre).

Punkt XIII. des Vertrages bleibt von der vertraglich festgelegten Dauer unberührt, da es eine vorzeitige Auflösung des Vertrages durch den Bestandgeber nur bei Zuwiderhandeln des Bestandnehmers ermöglicht.

Für den in ihrer Beschwerde angeführten "Irrtum" lässt das Gebührengesetz keinen Spielraum, ebenso für die erwähnte Aufhebung des Vertrages und mit anschließender Neufassung.

§ 17 Abs. 5 GebG führt u.a. aus, das die Aufhebung des Rechtsgeschäftes die einmal entstandene Gebührenschuld nicht aufhebt."

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht gestellt.

Vorlagebericht

Die Beschwerde wurde mittels Vorlagebericht am - eine Kopie davon erging an die Beschwerdeführerin - dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und in der Stellungnahme auf die in der Beschwerdevorentscheidung vertretene Rechtsansicht verwiesen.

Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes

Das BFG ersuchte die belangte Behörde um Mitteilung, ob ihr - wie von der Bf. in ihrer Beschwerde angekündigt - ein neuer Mietvertrag vorgelegt wurde. Diese teilte mit, dass ihr kein neuer Mietvertrag bekannt gegeben worden sei.

Mit wurde die Bf. um Bekanntgabe ersucht, ob es zu einer Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Mietvertrages gekommen sei, bzw. ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wurde und allenfalls um Übermittlung eines solchen.

Mit Eingabe per E-Mail vom übersandte die Bf. eine Kopie des "geänderten Mietvertrages" sowie eine "Äußerung". In dieser führte die Bf aus:

"Wie wir bereits anlässlich unserer Beschwerde vom vorgetragen haben, ist uns erst durch die Gebührenvorschreibung vom aufgefallen, dass sich aufgrund eines Irrtums leider ein Fehler zu Pkt. III. (Dauer des Mietverhältnisses) eingeschlichen hat.

Ein Kündigungsverzicht der Mieterin war nie angedacht und gibt es dafür auch keinen nachvollziehbaren Grund. Kein Mieter würde einen Kündigungsverzicht für 10 Jahre abgegeben.

Bei der Vertragserstellung am , welche ohne fachmännische Hilfe erfolgte, wurde übersehen, dass nach dem Wort Kündigungsverzicht "der Vermieterin" eingefügt gehört.

Nach der Gebührenvorschreibung haben wir umgehend reagiert und mit Vertragsanpassung vom (s. Anlage) zu Pkt. III. festgehalten, dass die Vermieterin für die 10 Jahre einen Kündigungsverzicht erklärt.

Dass der Vertrag nur von den Parteien selbst erstellt wurde, zeigt sich bereits daran, dass sich schon bei der Überschrift des Vertrages ein Fehler (Mietvertag - richtig: Mietvertrag) eingeschlichen hat."

Aus dem vorgelegten geänderten Mietvertrag wurde bei Pkt. III. das Wort "Kündigungsverzicht" mit gelbem Marker hervorgehoben und ein * angefügt. Handschriftlich wurde darunter vermerkt "* der Vermieterin" sowie "Zusatz ", sowie unterzeichnet von der Bf. und ***14***.

Am Ende des Vertrages nach den Unterschriften findet sich der handschriftliche Vermerk: ": Zusatz: Kündigungsverzicht "der Vermieterin" Seite 2/7 iii) letzter Satz"; unterfertigt ist dieser von ***Bf1*** und ***9***.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am schlossen die Bf. als Vermieterin und die ***2*** als Mieterin einen Mietvertrag über einen näher bezeichneten Gebäudekomplex (***3***) an der Adresse ***4***, ***5*** ab.

Über den Mietvertrag wurde eine von beiden Vertragsparteien unterzeichnete Urkunde errichtet.

Unter Pkt. III. des Mietvertrages wird zur Dauer des Mietverhältnisses wörtlich ausgeführt:

"Das Mietverhältnis beginnt am und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Das Mietverhältnis kann ohne Angaben von Gründen mit einer Kündigungsfrist von 6 Monate beidseitig, jeweils zum Ende eines jeden Quartals, gekündigt werden. Die Kündigung hat in schriftlicher Form und eingeschrieben zu erfolgen. Für die ersten 10 Jahre des Vertrages besteht ein Kündigungsverzicht; davon unberührt bleibt Punkt XIII. dieses Vertrages."

In Pkt. XIII wird zur vorzeitigen Vertragsauflösung vereinbart:

"Unbeschadet der eingegangenen Vertragsdauer und der diesbezüglich gesetzlichen Auflösungsgründe ist die Vermieterin berechtigt, das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn der Mieter

a) vom Mietgegenstand erheblich nachteilig Gebrauch macht,

b) den Mietgegenstand insbesondere in baulicher Hinsicht oder den Verwendungszweck desselben ohne schriftliche Zustimmung der Vermieterin ändert,

c) den Mietgegenstand oder Rechte aus diesem Mietvertrag ohne schriftliche Zustimmung der Vermieterin an Dritte, in welcher Form und in welchem Umfang auch immer, weitergibt,

d) die ihn gemäß diesem Vertrag treffenden lnstandhaltungspflichten gröblich verletzt, oder schließlich

e) mit Zahlungspflichten aus diesem Vertrag trotz Mahnung und einer Nachfristsetzung von zumindest 17 Tagen in Verzug gerät."

Unter Pkt. XV. Allgemeine Bedingungen, wird - auszugsweise - vereinbart:

"1. Sämtliche mit der Errichtung und Anzeige dieses Vertrages beim zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern verbundenen Kosten, insbesondere die Kosten der Vertragserrichtung, Steuern, Abgaben und Gebühren, insbesondere Recntsgeschäftsgebühren- in Höhe von voraussichtlich € 9.360,00 trägt der Mieter. Den Mieter trifft auch die Verpflichtung, den gegenständlichen Vertrag fristgerecht beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern zur Anzeige zu bringen.

2. […]

3. Änderungen oder Ergänzungen des gegenständlichen Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform; dies gilt auch für ein Abgehen von diesem Formerfordernis.

Festgehalten wird, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine schriftlichen oder mündlichen Vereinbarungen und Nebenabreden über das gegenständliche Mietverhältnis bestehen bzw. vereinbaren die Vertragsparteien, dass solche beim Mietvertragsabschluss ihre Gültigkeit verlieren.

4. […]

5. Soweit eine Bestimmung des gegenständlichen Mietvertrages nicht rechtswirksam sein oder ungültig werden sollte, so wird hiervon der Bestand und die Gültigkeit der übrigen vertraglichen Bestimmungen nicht berührt und verpflichten sich beide Vertragsparteien für diesen Fall eine neue Regelung zu vereinbaren, die der rechtswirksamen Regelung wirtschaftlich am nächsten kommt.

6. Dieses Vertragsverhältnis geht beiderseits auf Gesamtrechtsnachfolge über."

Unter Pkt. IV des Vertrages wird ein monatlicher Bruttomietzins von € 24.000,00 vereinbart. Ebenso ist der Mieter zur Zahlung sämtlicher auf den Mietgegenstand entfallenden die Betriebskosten verpflichtet. Die Höhe der Betriebskosten belief sich auf € 2.000.00.

Seitens der Bf. wurde in der Selbstberechnung die Gebühr anhand einer Bemessungsgrundlage von € 936.000,00 (€ 24.000,00 + € 2.000 x 36 Monate) berechnet und der belangten Behörde bekannt gegeben.

Die belangte Behörde setzte die Gebühr anhand einer Bemessungsgrundlage von € 4.056.00,00 (€ 24.000,00 + € 2.000,00 x 156 Monate) fest, woraus sich nach Abzug des selbstberechneten Betrages eine Nachforderung in Höhe von € 31.200,00 ergab.

Die Selbstberechnung erfolgte durch die Bf. (mittels Geb1), der Gebührenbescheid der belangten Behörde erging an die Bf.

Eine Nachfrage bei der belangten Behörde ergab, dass dieser keine - wie von der Bf. in ihrer Beschwerde angeführte - "Neufassung des (aufgehobenen) Mietvertrages" vorgelegt wurde.

Dem Bundesfinanzgericht wurde nach Vorhalt eine Kopie des ursprünglichen Mietvertrages mit den handschriftlichen Ergänzungen/Änderungen (": Zusatz: Kündigungsverzicht "der Vermieterin" Seite 2/7 iii) letzter Satz") der Vertragsparteien vorgelegt. Der ursprüngliche Mietvertrag wurde nicht aufgehoben, es wurde auch kein neuer Mietvertrag abgeschlossen.

2. Beweiswürdigung

Vom BFG wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ErfNr. ***1***.

Die Feststellungen zum Vertragsinhalt ergeben sich aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Mietvertrag. Im Übrigen gründen sich die Sachverhaltsdarstellungen auf den Ausführungen der Bf. in ihrer Beschwerde und ihrem sonstigen Vorbringen, insbesondere auch dem mit einem Zusatz ergänzten Mietvertrag.

Hinsichtlich der von der Bf. in ihrer Beschwerde vorgenommenen Ausführung, "es sei eine Vertragsaufhebung ex tunc vorgenommen und der Vertreter sei mit der Neufassung des (aufgehobenen) Mietvertrages beauftragt worden, welcher nach Fertigung umgehend der Behörde nachgereicht werde", ist auszuführen, dass der belangten Behörde kein neuer Vertrag oder die (schriftliche) Aufhebung des gegenständlichen Vertrages bekannt gegeben wurde. Ebensowenig wurde dieser eine Ergänzung zum Mietvertrag vom vorgelegt.

In Pkt. XV. 3. des Mietvertrags wird ausdrücklich betont wird, dass Änderungen und Ergänzungen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürfen. Weiters wird in Pkt XV.5. vereinbart wird, dass eine rechtsunwirksame oder ungültig gewordene Bestimmung des Mietvertrages die Gültigkeit der übrigen vertraglichen Bestimmungen nicht berührt, sich die Vertragsparteien aber verpflichten für diesen Fall eine neue Regelung zu vereinbaren.

Jedoch wurde dem Bundesfinanzgericht nach Vorhalt eine Kopie des ursprünglichen Vertrages, welcher mittels handschriftlichen Zusatzes datiert mit durch die Vertragsparteien abgeändert wurde, vorgelegt. Die übrigen Inhalte des Mietvertrages sowie die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien blieben unbestritten unverändert aufrecht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage

§ 15 Abs. 1 GebG 1957 lautet:

Rechtsgeschäfte sind nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, daß in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.

§ 16 GebG 1957 lautet auszugsweise:

(1) Die Gebührenschuld entsteht, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird,

1. bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften,

a) wenn die Urkunde von den Vertragsteilen unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Unterzeichnung;

b) wenn die Urkunde von einem Vertragsteil unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den anderen Vertragsteil oder an dessen Vertreter oder an einen Dritten;

2. bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften,

a) wenn die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkte der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den Berechtigten oder dessen Vertreter;

b) wenn die Urkunde auch von dem Berechtigten unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Unterzeichnung.

§ 17 GebG 1957 lautet:

(1) Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

(2) Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

(3) Der Umstand, daß die Urkunde nicht in der zu ihrer Beweiskraft erforderlichen Förmlichkeit errichtet wurde, ist für die Gebührenpflicht ohne Belang.

(4) Auf die Entstehung der Gebührenschuld ist es ohne Einfluß, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder von der Genehmigung eines der Beteiligten abhängt.

(5) Die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf.

In § 33 GebG 1957 werden in den einzeln angeführten Tarifposten die Gebühren für Rechtsgeschäfte angeführt

Tarifpost 5 lautet

"Bestandverträge

(1) Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert

1. im allgemeinen ............................................................................................. 1 v.H.;

2. beim Jagdpachtvertrag ................................................................................. 2 v.H.

(2) Einmalige oder wiederkehrende Leistungen, die für die Überlassung des Gebrauches vereinbart werden, zählen auch dann zum Wert, wenn sie unter vertraglich bestimmten Voraussetzungen auf andere Leistungen angerechnet werden können.

(3) Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht. Abweichend vom ersten Satz sind bei Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind) die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen."

Rechtliche Erwägungen

Zur Wirksamkeit des Vertrages und dem Urkundenprinzip

Gemäß § 15 Abs. 1 GebG sind Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wurde, wobei die Gebührenschuld gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG 1957 im Zeitpunkt der Unterzeichnung entsteht, wenn die Urkunde - wie hier - von allen Vertragsteilen unterfertigt wird. Da das GebG 1957 den Begriff des Rechtsgeschäfts nicht definiert, sondern diesbezüglich an das Zivilrecht anknüpft, richtet sich die Frage, ob ein Rechtsgeschäft vorliegt, nach zivilrechtlichen Kriterien. Grundvoraussetzung der Gebührenpflicht eines vom Tarifpostsystem des GebG erfassten Rechtsgeschäfts ist daher, dass das beurkundete Rechtsgeschäft überhaupt gültig zustande gekommen ist. Ein zivilrechtlich nicht gültig zustande gekommenes Rechtsgeschäft löst auch dann keine Gebührenpflicht aus, wenn es beurkundet wurde (; Allram in Bergmann/Pinetz, GebG, 2. Aufl. [2020], § 15, Rz 12, m.w.N.), wobei die Frage des gültigen Zustandekommens ausschließlich zivilrechtlich und nicht in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu lösen ist (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 3, 16 zu § 15 und die dort zitierte VwGH- Rechtsprechung).

Dass der Mietvertrag nie wirksam zustande gekommen sei, wird von der Bf. nicht behauptet, sondern nur, dass bei der Vertragsdiktion hinsichtlich des Kündigungsverzichtes ein "sinnstörender Fehler" dahingehend unterlaufen sei, dass in Pkt. III. des Mietvertrages im Satz "Für die ersten 10 Jahre des Vertrages besteht ein Kündigungsverzicht" nach dem Wort "Kündigungsverzicht" die Worte "der Vermieterin" vergessen worden seien. Dies sei ein wesentlicher Irrtum, welcher zur Vertragsaufhebung "ex tunc" berechtige und es daher der vorgeschriebenen Gebühr an der Rechtsgrundlage fehle.

Als wesentlicher Grundsatz des Gebührenrechts ist im § 17 Abs 1 GebG bestimmt, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist (vgl zB , , 0182, , , , , , 0072, , , , , , , , ).

Das Rechtsgeschäft unterliegt also so der Gebühr, wie es beurkundet ist. Der Gebührenfestsetzung können damit andere als die in der Urkunde festgehaltenen Umstände nicht zu Grunde gelegt werden, mögen auch die anderen Umstände den tatsächlichen Vereinbarungen entsprechen. Dies ist auch unter dem Aspekt zu sehen, dass eine Urkunde auch nur Beweis über das schafft, was in ihr beurkundet ist (vgl , ).

Das Pro-fisco-Prinzip des Gebührenrechts findet seinen Ausdruck primär in § 17 GebG, der zunächst (in Abs 1) anordnet, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgeblich ist, und in Abs 2 für den Fall eines undeutlichen Urkundeninhaltes die Vermutung aufstellt, dass bis zum Beweis des Gegenteiles (den offenbar der Gebührenpflichtige zu erbringen hat) der Tatbestand verwirklicht ist, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

Aus den Bestimmungen des § 17 Abs 1 und 2 GebG folgt also, dass ein zustande gekommenes Rechtsgeschäft bei eindeutigem Urkundeninhalt diesem Urkundeninhalt entsprechend zur Gebührenbemessung heranzuziehen ist (vgl , und ).

Erfüllt ein Schriftstück die Voraussetzungen einer Urkunde über ein Rechtsgeschäft und enthält es alle für die Gebührenbemessung bedeutsamen Umstände, so richtet sich die Gebührenpflicht ausschließlich nach dem Urkundeninhalt (vgl , ).

Ein in einer Urkunde niedergelegtes Rechtsgeschäft unterliegt nur dann nicht der Gebühr, wenn es tatsächlich nicht zustande gekommen ist, was die Partei, die den gültigen Abschluss des Rechtsgeschäftes bestreitet, zu beweisen hat (). (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren zu § 17 GebG,Rz 1ff)

Im § 17 Abs 5 GebG 1957 ist angeordnet, dass die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung die entstandene Gebührenschuld nicht aufhebt (vgl 512/73, ). Die entstandene Gebührenschuld kann also durch nachträgliche Ereignisse grundsätzlich nicht mehr beseitigt werden. (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren zu § 17 GebG, Rz 36)

Jedenfalls von § 17 Abs. 5 GebG umfasst und damit ohne Folgen für die entstandene Gebührenpflicht ist die zwischen den Parteien nachträglich vereinbarte Änderung oder Aufhebung eines gebührenpflichtigen Rechtsgeschäfts. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Aufhebung des Rechtsgeschäfts mit Wirkung ex nunc oder ex tunc erfolgt. Folglich ist die nachträgliche gemeinsame Feststellung der Parteien, einen Vertrag ex nunc oder ex tunc nicht gültig ansehen zu wollen, als eine für die Gebührenschuld unmaßgebliche Stornierung zu betrachten. (Allram in Bergmann/Pinetz, GebG. 2. Aufl., Rz 186ff zu § 17)

Wurzelmängel, die zur Vertragsaufhebung ex tunc führen, sind Irrtum (§ 871 ABGB), Arglist und Zwang (§ 870 ABGB), laesio enormis (§ 934 ABGB) sowie das (ursprüngliche) Fehlen der Geschäftsgrundlage.

Im Fall eines Irrtums liegt eine relative Nichtigkeit und damit einer bloßen Anfechtbarkeit eines zunächst gültig zustande gekommenen Rechtsgeschäfts vor. Angesichts dessen ist zunächst das für die Gebührenpflicht zentrale Erfordernis eines gültigen Rechtsgeschäfts erfüllt. Die bloße Möglichkeit der späteren erfolgreichen Anfechtung und der allfälligen Aufhebung des Vertrages ex tunc steht dem Entstehen der Gebührenschuld somit nicht entgegen.

Einhelligkeit in Judikatur und Lehre besteht jedenfalls darin, dass die bloße Anfechtbarkeit nicht ausreicht, sondern die Anfechtung vielmehr auch tatsächlich durchgeführt werden muss (§ 23 Abs. 4 BAO; i.d.S. auch ). Dies hat gerichtlich durch Klage oder Einrede zu geschehen (). Außergerichtliche Geltendmachung führt nicht zur Vertragsauflösung ().

Auch wenn die Bf. ursprünglich in ihrer Beschwerde ausführte, dass der Mietvertrag aufgehoben worden sei und ein neuer Vertrag gemacht werde, hat die Beantwortung des Vorhaltes des durch die Bf. ergeben, dass weder eine gerichtliche Anfechtung des Vertrages noch eine Vertragsaufhebung durchgeführt wurde. Der Vertrag vom wurde entsprechend dem Inhalt des Mietvertrages auch ausgeführt. Es ist also zivilrechtlich wirksames (gültiges) Rechtsgeschäft gegeben.

Es erfolgte jedoch eine einvernehmliche nachträgliche Änderung des ursprünglichen Vertrages dahingehend, dass dieser in Pkt. III mit dem Zusatz "der Vermieterin" (datiert mit ) ergänzt wurde.

Diese - handschriftliche - Ergänzung auf dem ursprünglichen Vertrag erfolgte im Übrigen auch erst nachdem der Bf. die Gebührenfestsetzung durch die belangte Behörde mittels Bescheid vom bekannt wurde.

Die einmal entstandene Gebührenschuld ist auch durch (einschränkende) Nachträge oder Zusätze nicht zu beseitigen oder abzuändern. Daher ist die Änderung einer Urkunde (in Übereinstimmung mit der Vorschrift des § 21 GebG) nur solange gebührenrechtlich zu beachten, als die Gebührenschuld nach den Vorschriften des § 16 GebG noch nicht entstanden ist (vgl Slg 3559/F). (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren zu § 17 GebG, Rz 44)

Wie bereits ausgeführt wurde, ist die gegenständlich die Gebührenschuld im Sinne des § 16 GebG mit Unterfertigung des Vertrages durch die Vertragsparteien am entstanden.

Eine Vertragsänderung ist nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls unter § 17 Abs. 5 GebG zu subsumieren, sodass sie an der einmal eingetretenen Gebührenpflicht nichts zu ändern vermag (; ; ; ).

Undeutlicher Urkundeninhalt?

Das Rechtsgeschäft als solches bzw. das Zustandekommen des Vertrages stehen somit nicht (mehr) in Frage. Durch die Bf. wird jedoch aufgrund des Wortlautes des Vertrages das Rechtsgeschäft hinsichtlich der Bestimmung über die Kündigungsgründe in Frage gestellt wird. Der Bestandvertrag selbst als Konsensualvertrag kam grundsätzlich mit der Einigung über den Bestandgegenstand, den Bestandzins und die Bestanddauer zustande, also spätestens mit der beiderseitigen Unterfertigung der Vertragsurkunde am , sodass in diesem Zeitpunkt auch die Gebührenpflicht ausgelöst wurde (vgl. ).

Im Übrigen weist auch Pkt XV.5. des Vertrages eindeutig darauf hin, dass soweit eine Bestimmung des Mietvertrages nicht rechtwirksam sei oder ungültig werde, dies den Bestand und die Gültigkeit der übrigen vertraglichen Bestimmungen nicht berühre.

Der behauptete Irrtum der Beschwerdeführerin besteht nun darin, dass ein sinnstörender Fehler in der Diktion des Vertrages vorgelegen habe, woraus sich ein Kündigungsverzicht für die Dauer von 10 Jahren sowohl für die Vermieterin als auch für die Mieterin ergebe.

Die Bf. betont mehrmals, dass der Vertrag von zwei unvertretenen Parteien selbst erstellt worden sei, was sich bereits aus dem Fehler in der Überschrift (Mietvertag anstatt Mietvertrag) zeige. Aufgrund eines Irrtums habe sich der Fehler zur Dauer des Mietverhältnisses eingeschlichen, welcher erst bei der Gebührenvorschreibung vom aufgefallen sei.

Es war sohin durch das BFG auch zu prüfen, ob ein undeutlicher Urkundeninhalt im Sinn des § 17 Abs. 2 GebG gegeben sei.

Aus § 17 Abs 1 Satz 1 folgt, dass das Rechtsgeschäft der Gebühr unterliegt, so wie es beurkundet ist. Erfüllt ein Schriftstück die Voraussetzungen einer Urkunde über ein Rechtsgeschäft und enthält sie alle für die Gebührenbemessung bedeutsamen Umstände - also auch die Bemessungsgrundlage -, so richtet sich die Gebührenpflicht ausschließlich nach dem Urkundeninhalt. Unbeachtlich ist es somit, wenn die Partei behauptet, das Rechtsgeschäft sei nicht richtig beurkundet worden (vgl 2152/61, 2171/65, 2909/79, 80/15/3433) (Frotz/Hügel/Popp in Frotz/Hügel/Popp (Hrsg), Kommentar zum Gebührengesetz (6. Lfg 1988) zu §§ 15-18 GebG)

Die Regelung des § 17 Abs 2 ist insb als Ergänzung des in § 17 Abs 1 grundlegend festgelegten materiellen Urkundenprinzips zu verstehen. Folglich bleibt es auch für Zwecke der Anwendung des § 17 Abs 2 bei dem Grundsatz, dass für die Festsetzung der Gebühr der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist. Sind der Urkunde die für die Gebührenfestsetzung maßgeblichen Umstände deutlich zu entnehmen, so hat die Gebührenfestsetzung allein aufgrund des Urkundeninhalts zu erfolSeite 489 gen. (Allram in Bergmann/Pinetz, GebG. 2. Aufl., Rz 71ff zu § 17)

Gleiches gilt für den Inhalt des Rechtsgeschäfts, soweit dieser für die Gebührenfestsetzung oder für die Anwendbarkeit einer Gebührenbefreiung von Bedeutung ist. Anhand des Urkundeninhaltssind somit etwa die Parteien des Rechtsgeschäfts, die Vertragsdauer(zB das Vorliegen eines befristeten oder unbefristeten Bestandvertrags) oder auch der Gegenstand des Rechtsgeschäfts zu bestimmen.

Nach dem vom VwGH in stRsp aus § 17 Abs 1 abgeleiteten materiellen Urkundenprinzip sind andere als im Urkundeninhalt festgehaltene Umstände auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn diese den tatsächlichen Vereinbarungen entsprechen. (Vgl zB ; ; siehe auch Arnold/Arnold, Rechtsgebühren 9 § 17 Rz 2; Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren 21 § 17 Rz 2; GebR 2019 Rz 498.)

Der wahre, vom Urkundeninhalt abweichende Parteiwilleist somit grundsätzlich nicht zu erforschen. (Vgl zB ; ; siehe auch Twardosz, GebG 6 § 17 Rz 7)

Voraussetzung für die Anwendung des § 17 Abs 2 GebG ist, dass der Urkundeninhalt nicht deutlich ist (vgl 563/75, , , , 0041, , ).

Die Rechtsvermutung des § 17 Abs 2 GebG kommt also nur bei unklaren Textierungen des Urkundeninhaltes bzw dessen Undeutlichkeit oder Mehrdeutigkeit in Betracht (vgl 175/62, , ).

§ 17 Abs 2 GebG greift nur in jenen Fällen ein, in denen die Urkunde Aussagen enthält, die verschiedene Deutungen zulassen (, , ; Fellner, Stempel- und zu § 17 GebG, Rz 17)

Entgegen dem sich aus § 17 Abs 1 GebG ergebenden Urkundenprinzip ist allerdings nach ständiger Rechtsprechung des VwGH der Gegenbeweis der Partei zulässig, dass das Rechtsgeschäft überhaupt nicht oder mit einem anderen Inhalt zu Stande gekommen ist (vgl zB Slg 775/F, Slg 1358/F, Slg 3376/E, , , ff, , , Slg 5671/E, , ).

Die Beweislastfür den Gegenbeweis trifft den Abgabepflichtigen. § 17 Abs 2 führt somit (nur) zu einer Verschiebung der Beweislast zum Abgabepflichtigen, nicht jedoch zu einer endgültigen (höheren) Gebührenbelastung.

Zudem ist der Gegenbeweis in bestimmten Fällen auch gegen einen deutlichen Urkundeninhalt zulässig (u.a. Twardosz, GebG 6 § 17 Rz 39; Arnold/Arnold, Rechtsgebühren 9 § 17 Rz 13). Gegen den eindeutigen Urkundeninhalt ist jedenfalls der Beweis zulässig, dass das beurkundete Rechtsgeschäft im Zeitpunkt der UrkundeSeite 498 nerrichtung nicht (gültig) zustande gekommen ist.Folglich kann der Gegenbeweis auch dann geführt werden, wenn die Urkunde klar und zweifelsfrei ist, ihr aber das darin beurkundete Rechtsgeschäft nicht zugrunde gelegen hat. 191 Der Beweis, dass ein beurkundetes Rechtsgeschäft nicht zustande gekommen ist, kann bis zur Rechtskraft des betreffenden Gebührenbescheids geführt werden; die Beweislast trägt jene Partei, die den gültigen Abschluss des Rechtsgeschäfts bestreitet. (Allram in Bergmann/Pinetz, GebG. 2. Aufl., Rz 101 ff zu § 17)

Die Bf. führt in ihren Vorbringen lediglich aus, dass es nicht den üblichen Gepflogenheiten des Geschäftslebens entspreche, dass eine Mieterin einen Kündigungsverzicht für die Dauer von 10 Jahren abgebe, ein Kündigungsverzicht der Mieterin nie angedacht gewesen sei und generell kein Mieter einen Kündigungsverzicht für 10 Jahre abgeben würde. Daraus kann die Bf. nichts gewinnen, hinsichtlich der üblichen Gepflogenheiten ist darauf hinzuweisen, dass es Vertragsparteien grundsätzlich frei steht, wie sie ihren Vertrag gestalten.

In der Beschwerde betont die Bf zudem, dass sich aus dem sonstigen Vertragskonnex bzw. einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebe, dass sich der Kündigungsverzicht nur auf die Vermieterin beziehe.

Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass es unter Berücksichtigung der strengen formalrechtlichen Anknüpfung des GebG auf den Urkundeninhalt ankommt.

Weiters ist diesem Argument einerseits Pkt. XV.5. des Mietvertrages entgegenzuhalten, wonach zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine schriftlichen oder mündlichen Vereinbarungen und Nebenabreden über gegenständliches Mietverhältnis bestehen bzw. solche bei Mietvertragsabschluss ihre Gültigkeit verlieren.

Andererseits ist der Argumentation der Bf. zu entgegnen, dass Pkt III des Vertrages klar ausspricht, dass der Vertrag beidseits mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils zum Ende eines jeden Quartals gekündigt werden kann und dies schriftlich zu erfolgen hat. Im darauf folgenden Satz wird ein Kündigungsverzicht für die Dauer von 10 Jahren vereinbart und ergibt sich daraus - insbesondere im Hinblick auf die Textierung "beidseits" im Satz davor - eben nicht, dass sich dieser Satz nun nur mehr auf die Vermieterin beziehen würde. Dies auch deshalb, weil sich im Nachsatz der Hinweis darauf findet, dass "davon unberührt Pkt. XIII des Vertrages" bleibt. (nämlich die vorzeitige Vertragsauflösung der Vermieterin). Auch daraus ist keine Unlogik abzuleiten, entsprechen diese dort genannten vorzeitigen Vertragsauflösungsgründe der Vermieterin sinngemäß den Kündigungsgründen des § 30 Abs.2 MRG.

Wenn auch die Bf. in ihrer Beschwerde darauf hinweist, dass, wenn ein Kündigungsverzicht auch seitens der Mieterin vorgesehen gewesen wäre, dies dann in dem Pkt XIII ebenfalls aufgegriffen worden wäre bzw. dann auch dort vorzeitige Auflösungsgründe der Mieterin (und nicht nur der Vermieterin) geregelt worden wären, so ist dem zu entgegnen, dass dies nicht ausreicht um eine gewollte andere Textierung als die gegenständliche glaubwürdig darzulegen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch der Mieterin unabhängig von einer gesonderten Nennung im Vertrag beispielsweise der gesetzliche Kündigungsgrund des § 1117 ABGB zur Verfügung steht bzw. für beide Vertragsparteien jedenfalls die Möglichkeiten im Sinne des der §§ 1117 und 1118 ABGB gegeben sind.

Aus der vertraglichen Textierung ist folglich weder eine Undeutlichkeit noch eine Mehrdeutigkeit des Vertragsinhaltes zu ersehen, im Gegenteil ist der Vertrag vom bereits eindeutig bestimmbar nach Art, Inhalt und Dauer.

Dass es sich um einen undeutlichen Wortlaut im Sinne des § 17 Abs. 2 GebG handelt, wurde von der Bf. nicht einmal behauptet, ebensowenig, dass zwar ein eindeutiger Urkundeninhalt vorliege, aber das beurkundete Rechtsgeschäft im Zeitpunkt der UrkundeSeite 498 nerrichtung nicht (gültig) zustande gekommen sei. Die Bf. betont nur, dass ein sinnstörender Fehler vorliege und der letzte Satz in Pkt III unrichtig sei.

Im Zusammenschau mit den getätigten Ausführungen ist sohin auch eine Anwendung des § 17 Abs. 2 GebG nicht möglich und war der Inhalt der Urkunde als Grundlage zur Bemessung der Gebührenschuld heranzuziehen.

Bestimmte oder unbestimmte Vertragsdauer

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen auf bestimmte Zeit und auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen, nach dem letzten Satz des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG nicht im Wege steht. Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (; ; ).

Ob ein Bestandvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Dauer abgeschlossen wurde, orientiert sich nicht nur nach der Bezeichnung, sondern nach dem gesamten Vertragsinhalt, vor allem nach den Kündigungsvereinbarungen. (; , ; ; ; ; Twardosz, GebG6 § 33 TP 5 Rz 37 ). Wird ein Bestandvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen und nur ein Vertragsteil gibt einen Kündigungsverzicht ab, der andere Vertragsteil kann jederzeit kündigen, bleibt es bei der unbestimmten Dauer, weil der Vertrag trotz des Kündigungsverzichtes von dem anderen jederzeit aufgelöst werden kann. ( , ; , 15/0701/80; ; , 97/16/0038).

Wird ein Bestandvertragauf unbestimmte Dauer abgeschlossen, und geben Mieter und Vermieter einen Kündigungsverzichtauf bestimmte Dauer, z.B. 10 Jahre, ab, liegt gebührenrechtlich ein Vertragauf bestimmte+ unbestimmte Dauer vor (ständige Rechtsprechung, ). Eine bestimmte Dauerliegt auch vor, wenn die Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne ausdrücklich bezeichnete Fälle eingeschränkt werden. (; ; ; ; ; ; , ).

Da wie bereits oben ausgeführt ein Mietvertrag mit unbestimmter Dauer mit einem Kündigungsverzicht beider Vertragsparteien für 10 Jahre vorliegt, kann - angesichts des Urkundenprinzips des § 17 Abs. 5 GebG - in der Festsetzung der Bestandvertragsgebühr durch die belangte Behörde mit einer bestimmten Dauer von 10 Jahren und einer unbestimmten Dauer von 3 Jahren (sohin 156 Monate) keine Rechtswidrigkeit erkannt werden.

Zur Inanspruchnahme der Bf. als Gebührenschuldnerin

Gemäß § 28 Abs. 1 Z 1a GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde, zur Entrichtung der Stempelgebühren verpflichtet.

Trifft die Verpflichtung zur Gebührenentrichtung zwei oder mehrere Personen, so sind sie gemäß § 28 Abs. 6 GebG zur ungeteilten Hand verpflichtet.

§ 31 Abs. 2 GebG lautet:

Zur Gebührenanzeige sind die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen verpflichtet sowie der Urkundenverfasser und jeder, der eine Urkunde als Bevollmächtigter oder ein Gedenkprotokoll als Zeuge unterzeichnet oder eine im Ausland errichtete Urkunde (deren beglaubigte Abschrift) im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld in Händen hat. Sind zur Gebührenanzeige mehrere Personen verpflichtet und hat eine dieser Personen die Verpflichtung zur Selbstberechnung (§ 33 Tarifpost 5 Abs. 5) oder die Bewilligung zur Selbstberechnung (§ 3 Abs. 4) oder wird von der Befugnis zur Selbstberechnung (§ 3 Abs. 4a) Gebrauch gemacht, so entfällt für die übrigen die Anzeigepflicht.

§ 33 TP 5 Abs. 5 GebG lautet:

Die Hundertsatzgebühr ist vom Bestandgeber, der im Inland einen Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat oder eine inländische Betriebsstätte unterhält, selbst zu berechnen und bis zum 15. Tag (Fälligkeitstag) des dem Entstehen der Gebührenschuld zweitfolgenden Monats an das Finanzamt Österreich zu entrichten.

Die Ansicht der Bf, wonach die Gebühren - trotz grundsätzlicher Solidarhaftung der Vertragsparteien - zuerst an den tatsächlichen Gebührenschuldner, somit den Mieter vorgeschrieben werden hätte müssen, ist im Gesetz nicht begründet.

Nach § 28 Abs. 6 GebG wird für den Fall, dass die Gebührenschuld mehrere Personen trifft, ein abgabenrechtliches Gesamtschuldverhältnis normiert (vgl. Fellner, Gebührenund Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 8 zu § 13).

Liegen Gesamtschuldverhältnisse vor, so liegt es im Auswahlermessen der Behörde, welchen der Gesamtschuldner sie für die Gebührenschuld heranzieht. Dies liegt im Wesen eines Gesamtschuldverhältnisses (§ 891 ABGB), nach dem es vom Gläubiger abhängt, ob er von allen oder von einigen Mitschuldnern das Ganze oder nach von ihm gewählten Anteilen, oder ob er das Ganze von einem einzigen fordern will (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2534). Über eine Vorrangigkeit eines der in Betracht kommenden Abgabenschuldner kann dem Gesetz nichts entnommen werden (vgl. , unter Hinweis auf die Erkenntnisse , und ).

Das Gesetz räumt der Abgabenbehörde somit einen Ermessensspielraum ein, in dessen Rahmen sie ihre Entscheidung nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen hat ( vgl ; 16/1018/80; 16/3303/79, 16/3304/79; ; 16/3023/80; ; ; ; ; ; , ; ; ; ).

Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses bedeutet das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen (vgl. ).

Die in Verträgen oftmals getroffene Vereinbarung, wer von den Parteien die Gebühr zu entrichten hat, berührt nur das Innenverhältnis der Vertragsteile, kann aber nicht gegenüber dem Abgabengläubiger geltend gemacht werden. Eine solche Vereinbarung über die Bezahlung der Rechtsgebühr unter den Vertragspartnern sichert demjenigen, der vom Finanzamt zur Zahlung herangezogen wird, nur einen zivilrechtlich verfolgbaren Regressanspruch, wenn die Gebühr nach dem Vertrag vom anderen zu tragen ist. Der Gebührenanspruch des Staates erfließt aus dem öffentlichen Recht, das zwingender Natur ist und daher keiner Abänderung durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung unterliegt (). Durch privatrechtliche Vereinbarungen kann das abgabenrechtliche Gesamtschuldverhältnis nicht ausgeschlossen werden ( 16/1018/80, 16/3303/79, 16/3304/79, , 16/3023/80, , , ; ). Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren zu § 28 GebG, Rz 25,27)

Die Bestandvertragsgebühr nach § 33 TP 5 Abs. 1 GebG entstand im Beschwerdefall gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. a GebG mit der Unterzeichnung des in Rede stehenden Mietvertrages durch die beiden Vertragsparteien und zwar gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 GebG sohin für die Bf. als Bestandgeberin und für die Bestandnehmerin, gemäß § 28 Abs. 6 leg. cit. als Gesamtschuldner.

Laut Pkt. XV.1. des Mietvertrages vom trägt die Kosten der Rechtsgeschäftsgebühren der Mieter und trifft ihn auch die Verpflichtung den Vertrag fristgerecht beim Finanzamt zur Anzeige zu bringen.

Jedoch hat gemäß § 31 Abs.2 iVm § 33 TP 5 Abs. 5 GebG die Gebührenanzeige des Mietvertrages bei Verpflichtung zur Selbstberechnung durch den Bestandgeber - hier also die Bf. - zu erfolgen.

Tatsächlich wurde durch die Bf. der belangten Behörde eine Gebühr in der Höhe von € 9.360,00 mittels des Formulares Geb1 (Anmeldung über die Selbstberechnung der Gebühren für Bestandverträge) datiert mit , bekannt gegeben. In der Folge wurde diese Summe am (Buchungstag) auch durch diese entrichtet.

Der Gebührenbescheid gemäß § 201 BAO vom erging dann als logische Konsequenz an die Bf. und erfolgte dieser, da sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erwies.

Da bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses in Abgabensachen der Abgabenbehörde als Gläubiger die Wahl zusteht, ob sie alle Gesamtschuldner oder nur einzelne, im letzteren Fall, welche der Gesamtschuldner, die dieselbe Abgabe schulden, zur Leistung heranziehen will, geht das Argument der Bf., wonach die Gebühren zuerst an den "tatsächlichen Gebührenschuldner" vorgeschrieben hätten werden müssen, ins Leere. Es kann der belangten Behörde sohin nicht als rechtswidrig entgegengehalten werden, dass sie die Bf. als Gebührenschuldnerin/Bescheidadressatin heranzog.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht von der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen ist, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 Abs. 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 28 Abs. 6 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 31 Abs. 2 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 28 Abs. 1 Z 1a GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 15 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 16 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 17 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 33 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise

















VwGH, 96/16/0150












































ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7106308.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at