Aufhebung gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheide, weil die Grundlagenbescheide rechtlich unwirksam (Nichtbescheide) waren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***X***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2005, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (Bf.) war in den Streitjahren 2001 bis 2005 ua. an der ***1***, St.Nr. ***Y*** (im Folgenden kurz: ***1***), sowie an der ***2***, St.Nr. ***Z*** (im Folgenden kurz: ***2***), beteiligt.
Am erließ das ***FA*** an den Bf. adressierte, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005. Die Grundlage dieser Abänderungsbescheide bildeten am für ***1*** und ***2*** vom ***FA2*** erlassene, als Feststellungs"bescheide" nach § 188 BAO bzw. "Feststellungsbescheide nach § 92 iVm § 190 Abs. 1 BAO" intendierte Erledigungen, die allesamt nicht rechtswirksam ergingen (die am versuchte Zustellung dieser "Bescheide" vom scheiterte, weshalb sie rechtlich nichtwirksam wurden (siehe (insbesondere die do. Punkte B/a, B/b, K/b und K/c), zu ***1*** und ***2***; (insbesondere Punkt Bc) im Erwägungsteil dieses Erkenntnisses), zu ***2*** (bestätigt mit bis 0030, mit dem die dagegen erhobene ordentliche Revision zurückgewiesen wurde))).
Zwar ergingen am (für ***1***) und am (für ***2***) seitens des ***FA2*** Feststellungsbescheide nach § 188 BAO bzw. Feststellungsbescheide nach § 92 iVm § 190 Abs. 1 BAO; das ***FA*** hat jedoch, soweit aus den vorgelegten Verwaltungsakten und der AIX-(Abgabeninformationssystem-)Datenbank ersichtlich, im gegenständlichen Beschwerdefall keine neuerlich gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 mehr erlassen.
Gegen die oa., am erlassenen (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 erhob der Bf. mit Schriftsatz vom Berufung (nunmehr: Beschwerde) mit der Begründung, gegen die Grundlagenbescheide (i.e. die oa., als Feststellungs"bescheide" nach § 188 BAO bzw. "Feststellungsbescheide nach § 92 iVm § 190 Abs. 1 BAO" intendierten Erledigungen des ***FA2*** vom ) seien erfolgversprechende Berufungen eingebracht worden (verwiesen wurde auf eine Berufung des ***3*** vom betreffend ***1***).
Beantragt werde, die bekämpften (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Einkommensteuerbescheide vom zu stornieren. Diese Berufung gelte insbesondere für den Fall, dass die mit den Berufungen gegen die Grundlagenbescheide befassten Rechtsmittelbehörden erkennen sollten, dass es sich dabei um nichtige Bescheide handle.
Mit Berufungsvorentscheidungen (nunmehr: Beschwerdevorentscheidungen) vom wies das ***FA*** die Berufung vom als unbegründet ab mit der Begründung, das ***FA2*** habe am für ***1*** und ***2*** Feststellungsbescheide für 2001 bis 2005 mit einer ausführlichen Begründung erlassen und jedem einzelnen Beteiligten auch nachweislich zugestellt. Für 2001 bis 2004 seien die Beteiligungen bereits mit den richtigen Beträgen iSd Grundlagenbescheides erfasst; für 2005 sei der Beteiligungsertrag an der ***1*** iSd Grundlagenbescheides um den Veräußerungs- und Aufgabegewinn von 37.300,04 € zu erhöhen.
In seinen dagegen erhobenen Vorlageanträgen vom führte der Bf. aus, die in den Berufungsvorentscheidungen angeführten Grundlagenbescheide zu ***1*** und ***2*** seien beeinsprucht worden. Beantragt werde die Festsetzung der Einkommensteuer für 2001 bis 2005 aufgrund der Erstbescheide. In einer Äußerung zum Vorlageantrag vom ergänzte der Bf., die von ihm bekämpften Einkommensteuerbescheide (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Bescheide) seien von einem Nichtbescheid abgeleitet worden und somit eindeutig rechtswidrig.
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Bezug habenden Vorlagebericht führte das ***FA*** aus, nach § 209 Abs. 3 BAO idF BGBl. I Nr. 180/2004 verjähre das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches. Die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide seien aber alle innerhalb von zehn Jahren nach Entstehung des Abgabenanspruches erlassen worden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
§ 295 Abs. 1 BAO weist folgenden Wortlaut auf:
"§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."
§ 295 Abs. 4 BAO lautet:
"(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben oder insoweit abzuändern, als sie sich auf das Dokument stützen. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. Der Antrag hat folgendes zu enthalten:
1. die Bezeichnung des Bescheides, der abgeändert oder aufgehoben werden soll;
2. die Bezeichnung des Bescheides oder Beschlusses, mit dem die Bescheidbeschwerde im Feststellungsverfahren zurückgewiesen wurde;
3. die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrages erforderlich sind."
Fest steht im gegenständlichen Fall, dass das ***FA*** am an den Bf. adressierte, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 erlassen hat. Die Grundlage dieser Abänderungsbescheide bildeten am für ***1*** und ***2*** vom ***FA2*** erlassene, als Feststellungs"bescheide" nach § 188 BAO bzw. "Feststellungsbescheide nach § 92 iVm § 190 Abs. 1 BAO" intendierte Erledigungen, die jedoch allesamt rechtlich unwirksam waren, sohin Nichtbescheide darstellen. Im gegenständlichen Beschwerdefall sind keine neuerlich gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 mehr ergangen.
Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichtes Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 252 Abs. 1 BAO sollen Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist die Bescheidbeschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen. Eine solche Abweisung setzt jedoch voraus, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden ist (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 252 Tz 3, mit Verweis auf ). Die Bindungswirkung an Entscheidungen in Grundlagenbescheiden setzt die Wirksamkeit dieser Bescheide voraus (Ritz/Koran, § 252 Tz 14, mit Verweis auf zB ).
Wird ein Änderungsbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO erlassen (wie im vorliegenden Fall die gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom ), obwohl der hierfür herangezogene Grundlagenbescheid ins Leere gegangen ist (hier: die als Feststellungs"bescheide" nach § 188 BAO bzw. "Feststellungsbescheide nach § 92 iVm § 190 Abs. 1 BAO" intendierten Erledigungen des ***FA2*** für ***1*** und ***2*** vom , die allesamt Nichtbescheide darstellen), so ist diese Rechtswidrigkeit nicht dadurch sanierbar, dass nachträglich der Grundlagenbescheid (hier: die nachträglich erlassenen Grundlagenbescheide des ***FA2*** vom (für ***1***) und (für ***2***)) erlassen wird (Ritz/Koran, § 295 Tz 13, mit Judikaturnachweisen).
An diesem Ergebnis - der Nichtsanierbarkeit der rechtswidrigen, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom aufgrund der ins Leere gegangenen Grundlagen"bescheide" (= Nichtbescheide) vom - vermag auch die Vorgehensweise des ***FA*** in seinen Beschwerdevorentscheidungen vom , begründend nun erstmals auf die nachträglich erlassenen Grundlagenbescheide des ***FA2*** vom zu verweisen, nichts zu ändern.
Daher hat eine aufhebende Erledigung der gegen diestreitgegenständlichen Änderungsbescheidevom gerichteten Bescheidbeschwerde zu erfolgen (vgl. Ritz/Koran, § 295 Tz 13).
Somit war der Bescheidbeschwerde Folge zu geben und die angefochtenen, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom waren aufzuheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104159.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at