Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2023, RV/1100390/2019

Befreiung von Trinkgeldern eines Croupiers gemäß § 3 Abs 1 Z 16a EStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Roman Galehr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr Finanzamt Österreich, Postfach 260, 1000 Wien) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die belangte Behörde hat die Beschwerde von ***Bf1*** (künftig Bf genannt) gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Aufgrund des in diesem Zuge von der belangten Behörde mitübermittelten elektronischen Aktes, stellt sich der Verfahrensgang für das Bundesfinanzgericht wie folgt dar:

Mit Datum brachte die (Bf) die Arbeitnehmerveranlagung 2018 in Papierform bei der belangten Behörde ein. Darin beantragte sie, Zulagen im Sinne des § 68 Abs 1 EStG in der Höhe von € 4.320,00 steuerfrei zu belassen.

Im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erließ die belangte Behörde datierend mit ein Ersuchen um Ergänzung. Darin forderte sie die (Bf) auf, das Trinkgeldreglement vorzulegen, als auch die Lohnzettel für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2018 der belangten Behörde vorzulegen.

Am übermittelte die (Bf) via FON lediglich die Lohnzettel für die Monate Jänner 2018, Februar 2018, April 2018, August 2018 und Dezember 2018 ihres ausländischen Arbeitgebers, der ***2***.

Die belangte Behörde führte in der Folge die Veranlagung durch und erließ am den Einkommensteuerbescheid 2018 der (Bf).

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 erhob die (Bf) in offener Frist das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gemäß § 243 BAO. Darin führte sie begründend aus, dass bei den Einkünften ohne inländischen Steuerabzug die Sonderzahlungen in der Höhe von € 5.241,00 und auch die Zulagen in der Höhe von € 4.320,00 nicht abgezogen worden seien.

Der Beschwerde beigelegt hat die (Bf) eine Bestätigung der Uniqa Versicherung betreffend die Bezahlung der Krankenversicherung für das Jahr 2018 in der Höhe von € 2.117,28. Weiters einen Lohnausweis für österreichische Grenzgänger nach Liechtenstein.

Laut Lohnausweis des Arbeitgebers der (Bf) schlüsseln sich die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wie folgt auf:


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Bruttolohn
53.021,00
Grundlohn brutto
29.370,00
13. Monatslohn
2.424,00
14. Monatslohn
2.470,00
Bonus
348,00
Trinkgelder
18.410,00
Total
34.612,00
Beitrag an Krankenversicherung
1.596,00
AHV/IV/ALV/NBU
3.380,00
Pensionsversicherung
2.453,00
FL Quellensteuer
2.121,00
Krankentaggeldversicherung
215,00

Am erließ die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuerbescheid 2018. In der Bescheidbegründung führte sie aus wie folgt:

"Die Krankenversicherungsbeiträge wurden bereits im Erstbescheid berücksichtigt. Diese sind im Betrag "sonstige Werbungskosten ohne Werbungskostenpauschale enthalten".

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 88 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis € 360,- monatlich steuerfrei.

Gemäß § 68 Abs. 6 EStG 1988 gelten als Nachtarbeit zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die auf Grund betrieblicher Erfordernisse zwischen 19 Uhr und 7 Uhr erbracht werden müssen. Für Arbeitnehmer, deren Normalarbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum auf Grund der Beschaffenheit ihrer Arbeit überwiegend in der Zeit von 19 Uhr bis 7 Uhr liegt, erhöht sich der Freibetrag gemäß Abs. 1 um 50%. Voraussetzung ist allerdings, dass effektiv Zulagen neben dem Grundlohn gewährt werden (funktionelle Voraussetzung).

Das Gesetz spricht von "Zulagen und Zuschlägen", woraus sich ergibt, dass es sich dabei um Gehaltsbestandteile handle, die neben bzw. zusätzlich zum Grundlohn ausbezahlt werden müssen. Da laut vorgelegten Monatslohnzetteln keine (Nacht)Zulagen geleistet worden sind, konnten die beantragten steuerfreien Zulagen gern. § 68 (1) in Höhe von € 360 pro Monat nicht berücksichtigt werden.

Das Pendlerpauschale wurde antragsgemäß berücksichtigt."

Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom brachte die (Bf) einen Vorlageantrag ein, welchen sie am via FON an die belangte Behörde übermittelte. Darin führte sie begründend aus, dass auf dem Jahreslohnzettel Trinkgelder in der Höhe von € 18.410,00 ausgewiesen seien.

Trinkgelder seien nach geltender Rechtsauffassung steuerfrei, wenn sie ortsüblich sind und einem Arbeitnehmer von einer dritten Person freiwillig und ohne Rechtsanspruch bezahlt werden. Da diese Voraussetzungen erfüllt sind, seien die Trinkgelder steuerfrei zu stallen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die (Bf) hat ihren Wohnsitz im Inland. Sie ist Grenzgängerin nach Liechtenstein.

Ihr Arbeitgeber ist die ***1*** Liechtenstein. Gemäß dem Arbeitsvertrag vom ist die (Bf) als Croupier tätig.

Im Jahr 2018 hat die (Bf) in Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Trinkgelder in der Höhe von € 18.410,00 erhalten.

In Liechtenstein ist das gewerbsmäßig oder öffentlich betriebene Glücks- und Geschicklichkeitsspiel um Geld oder andere geldwerte Vorteile im Geldspielgesetz (GSG) vom geregelt.

Art 32 GSG lautet wie folgt:

Trinkgelder

1) Trinkgelder, die für einen von der Spielbank festgelegten Kreis der Angestellten bestimmt sind, sind in die speziell dafür vorgesehenen Behälter (Tronc) einzulegen und mit gesonderter Abrechnung zu erfassen und zu belegen. Sie sind nicht Bestandteil des Bruttospielertrages. Die Spielbank legt die Verteilung des Tronc in einem Reglement fest.

2) Individuelle Trinkgelder und Zuwendungen anderer Art dürfen ausschliesslich die Mitarbeiter im persönlichen Dienstleistungsbereich annehmen, insbesondere das Restaurant- oder Garderobenpersonal.

Strittig ist, ob die Trinkgelder, welche die (Bf) erhalten hat, in Österreich der Steuerpflicht unterliegen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes fußen auf den im Zuge der Vorlage der Beschwerde übermittelten Unterlagen und der Einsichtnahme in den bei der belangten Behörde geführten elektronischen Akt der (Bf).

Die Feststellung in Bezug auf die Grenzgängertätigkeit leitet das Bundesfinanzgericht aus dem im elektronischen Akt bei der belangten Behörde einliegenden Formular ab. Darin meldet die (Bf) am , den Beginn einer Grenzgängertätigkeit nach Liechtenstein per .

Die berufliche Tätigkeit der (Bf) als Croupier erschließt sich dem Bundesfinanzgericht aufgrund dem im Abgabeninformationssystem bei der belangten Behörde einliegenden Arbeitsvertrag vom . In diesem ist die berufliche Funktion der (Bf) als Croupier angeführt.

Die Höhe des Trinkgeldes, welches die (Bf) im Jahr 2018 erhalten hat, leitet das Bundesfinanzgericht aus dem vorliegenden Lohnausweis 2018 ab, in welchem Trinkgelder in der Höhe von € 18.410,00 ausgewiesen sind.

Die gesetzliche Bestimmung des § 32 Geldspielgesetz ist dem Liechtensteinischen Landesgesetzblatt entnommen.

Das Bundesfinanzgericht hegt keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Echtheit der vorliegenden Beweismittel.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Steuerfreiheit von Trinkgeldern ist in § 3 Abs 1 Z 16a EStG geregelt. § 3 Abs 1 Z 16a EStG lautet wie folgt:

Steuerfrei sind "ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist".

Vor der Einführung der Steuerbefreiung (mit BGBl I 2005/35) waren Trinkgelder Gehaltsbestandteile und somit steuerpflichtig. Tatsächlich erfasst wurden allerdings nur Kreditkartentrinkgelder im Wege des Lohnsteuerabzugs; bar zugewendete Trinkgelder hätten vom Dienstnehmer im Rahmen der Veranlagung versteuert werden müssen. Da eine Überwachung durch den Arbeitgeber sowie Überprüfung im Rahmen von Lohnsteuerprüfungen bar zugewendeter Trinkgelder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand möglich gewesen wäre, wurde aus Gründen der Verfahrensökonomie die Steuerbefreiung eingeführt.

Nach dem VfGH sind Charakteristika des Trinkgeldes die Abhängigkeit vom freigebigen Kundenverhalten, der unmittelbare Zusammenhang mit dem persönlichen Einsatz des Dienstnehmers und ein fehlender Rechtsanspruch aus dem Dienstverhältnis ( ; ebenso E , 2009/15/0173; vgl auch § 3 Z 51 dEStG; BFH, BStBl 2009 II 820; BFH, BStBl 2007 II 712 zur Abgrenzung von Sonderzahlungen). Derartige Trinkgelder bar oder mittels Kreditkarte sind von der Lohnsteuer, dem Dienstgeberbeitrag und der Kommunalsteuer befreit.

Bezieher betrieblicher Einkünfte können nicht in den Genuss der Steuerbefreiung kommen ( ).

Die Steuerfreiheit für Trinkgelder stieß auf verfassungsrechtliche Bedenken. Es schien nicht sachgerecht, dass Entgelte von dritter Seite unter den im Gesetz angeführten Voraussetzungen steuerfrei sind. Da sich das Trinkgeld zudem am Rechnungsbetrag orientiere, ist das Trinkgeld in höherpreisigen Lokalen insgesamt erheblich höher als in anderen Lokalen, weshalb auch eine Durchschnittsbetrachtung nicht möglich sei. Derartige Bedenken wurden vom VfGH nicht geteilt.

Danach ist die Steuerfreiheit von ortsüblichen Trinkgeldern einschließlich der Steuerpflicht von Trinkgeldern, dessen direkte Annahme dem Arbeitnehmer verboten ist, verfassungsrechtlich zulässig ( ), wonach die Erfassungsprobleme der Verwaltung einschließlich der zu erwartenden Einsprüche sowie die Involvierung eines unbeteiligten Dritten als Trinkgeldgeber rechtfertigend wirken.

Für die Steuerfreiheit müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

- Ortsüblichkeit der Zuwendung,
- Zuwendung an den Arbeitnehmer anlässlich einer Arbeitsleistung von dritter Seite,
- Freiwilligkeit der Zuwendung sowie
- Zulässigkeit der Annahme der Zuwendung (kein gesetzliches oder kollektivvertragliches Verbot der Annahme) (vgl hierzu Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz23, RZ 197 zu § 3).

Die Annahme des Trinkgeldes darf nicht aufgrund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen verboten sein. Damit sind ua jene Bestimmungen gemeint, die eine Annahme von Zuwendungen strafrechtlich sanktionieren. Geschenkannahmen durch Beamte, durch leitende Angestellte eines öffentlichen Unternehmens, durch Sachverständige, durch Mitarbeiter und sachverständige Berater (§§ 304 ff StGB). Verschiedene weitere Bundes- und Landesgesetze enthalten weitere Verbote (zB § 59 BDG; § 42 NÖ LBG; § 27 GSpG;) (vgl hierzu Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz23, RZ 202 zu § 3).

Laut dem vorliegenden Dienstvertrag, ist die (Bf) bei ihrem liechtensteinischen Arbeitgeber als Croupier tätig.

Art 32 Abs 2 des liechtensteinischen Geldspielgesetzes (GSG) erlaubt die Annahme individueller Trinkgelder und Zuwendungen anderer Art ausschließlich Mitarbeitern im persönlichen Dienstleistungsbereich. Dazu zählt das Restaurant- und Garderobepersonal.

Die (Bf) gehört als Croupier nicht zu dem in Art 32 Abs 2 GSG definierten Personenkreis von Mitarbeitern. Ihr ist die Annahme von Trinkgeldern somit aufgrund der Bestimmung des Art 32 des liechtensteinischen Geldspielgesetzes (GSG) untersagt.

Stellt man den Jahresbruttolohn und die Summe der Trinkgelder einander gegenüber, so ist für den beschwerdegegenständlichen Fall zu sagen, dass diese wohl nicht mehr als ortsübliches Trinkgeld bezeichnet werden können.

Die Trinkgelder belaufen sich auf mehr als 30 % des Bruttolohnes. Von dem in der gesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 16a EStG normierten Charakter eines ortsüblichen Trinkgeldes kann diesbezüglich nicht mehr gesprochen werden.

Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Trinkgeldern gemäß § 3 Abs 1 Z 16a EStG liegt somit im beschwerdegegenständlichen Fall mehrfach nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall liegen keine Rechtsfragen vor, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die im vorliegenden Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränken sich einerseits auf Rechtsfragen, welche in der bisherigen Judikatur des VfGH bzw VwGH bereits beantwortet wurden und um solche, welche im Gesetz klar und eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hängt der gegenständliche Beschwerdefall von der Lösung nicht über den Einzelfall hinausgehender Sachverhaltsfragen ab.

Die ordentliche Revision ist damit nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100390.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at