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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2023, RV/1100284/2021

Kosten für doppelte Haushaltsführung - Werbungskosten?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache des Bf., N-Straße-xx, Gde X, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich, Postfach 260, 1000 Wien, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2019 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe


Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) ist polnischer Staatsbürger und war im Streitjahr Leiharbeiter bei der XY GmbH (F-Straße-xy, GDe Y); eingesetzt war der gelernte Schweißer in Österreich (Fa. AB in X) und hatte seinen Wohnsitz in N-Straße-xx, Gde X.

Mit seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 (elektronisch eingelangt am ) machte er neben einer Pendlerpauschale iHv 372,00 € samt einem Pendlereuro iHv 76,00 € auch Kosten für Familienheimfahrten im Betrage von 3.672,00 € sowie für doppelte Haushaltsführung iHv 2.100,00 € als Werbungskosten geltend.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der Bf. ersucht, in Zusammenhang mit den beantragten Familienheimfahrten sowie der geltend gemachten Pendlerpauschale diverse Fragen zu beantworten und entsprechende Nachweise vorzulegen (im Detail wird auf das diesbezügliche Vorhalteschreiben verwiesen), woraufhin der Bf. mit Antwortschreiben (FinanzOnline) vom eine Verlängerung der Abgabezeit bis Februar 2021 begehrte. In weiterer Folge blieb der Ergänzungsauftrag aber unbeantwortet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Bf. zur Einkommensteuer für das Jahr 2019 veranlagt; dabei ließ das Finanzamt die obgenannten als Werbungskosten geltend gemachten Positionen (Pendlerpauschale samt Pendlereuro, Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung) mit der Begründung unberücksichtigt, dass es trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen erhalten habe und daher nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden könnten.

In der dagegen erhobenen Beschwerde (elektronisch eingelangt am ) begehrte der Bf. wiederum die Berücksichtigung von Kosten für Familienheimfahrten iHv 3.672,00 € sowie für doppelte Haushaltsführung iHv 2.100,00 € als Werbungskosten (seinen Antrag auf Gewährung der Pendlerpauschale samt Pendlereuro hielt er im Übrigen nicht mehr aufrecht) und erstmals betreffend sein Kind Bf-Kind KB (geb. aa.bb.cccc) den ganzen Familienbonus Plus, legte polnische Meldebescheinigungen für sich, seine Frau und seine beiden Kinder vor und brachte Nachstehendes (wörtlich) vor:

"Mein im Herbst 2020 im Finanzamt N persönlich gestellter Antrag auf Familienbeihilfe/Differenzzahlung ist immer noch anhängig. Wie ich erfuhr wurden die im Februar 2020 nach Polen gesendeten Formulare E401 und E411 seitens der zuständigen polnischen Behörden noch nicht retourniert. Mittlerweile habe ich dem Finanzamt die Adresse der in meinem Fall zuständigen polnischen Behörde (polnische Adresse) mit der Bitte bekanntgegeben, die Unterlagen nochmals an sie zu senden.
Darf ich Sie bitten, die Bearbeitung der Arbeitnehmerveranlagung 2019 solange zu pausieren, bis der Antrag auf Familienbeihilfe Ihrerseits nicht erledigt wird. Anbei schicke Ihnen die Belege zu meiner polnischen Familienwohnadresse (Lebenspartner + 2 Kinder)."

Im Rahmen eines weiteren Vorhalteverfahrens erklärte die Abgabenbehörde daraufhin dem Bf. mit Ergänzungsersuchen vom , dass lt. vorliegender Informationen vom Arbeitgeber XY GmbH gemäß Kollektivvertrag steuerfreie Kostenersätze gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gewährt würden und deshalb zu überprüfen sei, ob die von ihm geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung teilweise oder ganz in diesen steuerfreien Kostenersätzen Deckung finden würden.
Dementsprechend ersuchte das Finanzamt den Bf., eine detaillierte Aufstellung seiner Arbeitgeberin für das Jahr 2019 beizubringen, aus welcher ersichtlich sei, woraus die im Jahr 2019 ausbezahlten Kostenersätze gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 iHv 9.484,20 € bestünden mit dem Hinweis, dass, sofern dieses Ersuchen nicht ausreichend beantwortet werde, davon auszugehen sei, dass die vom Bf. geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung zur Gänze in den steuerfreien Ersätzen Deckung fänden.

Auch dieses Schreiben bzw. dieser Ergänzungsauftrag blieb in der Folge unbeantwortet.

Mit teilweise stattgebendem Einkommensteuerbescheid 2019 (Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO) vom änderte die Abgabenbehörde den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 vom insofern zu Gunsten des Bf. ab, als sie die beantragten Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten und den geltend gemachten Familienbonus Plus als Absetzbetrag entsprechend berücksichtigte [indexierter ganzer Familienbonus Plus für neun Monate iHv 568,17 € (9 x 63,13 €)]; den als Werbungskosten geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung versagte sie abermals die Anerkennung mit der Begründung, dass davon auszugehen sei, dass die strittigen Kosten der doppelten Haushaltsführung vollständig in den steuerfreien Ersätzen der Arbeitgeberin Deckung finden würden, nachdem der Bf. dem diesbezüglichen Ersuchen um Ergänzung nicht nachgekommen sei.

Mit Anbringen (FinanzOnline) vom beantragte der Bf. eine Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Begründend wurde dabei Folgendes (wörtlich) ausgeführt:

"Nachdem ich das Ersuchen um Ergänzung vom erhalten habe, habe ich die zuständige Mitarbeiterin Frau Hosp telefoniert. Ich habe ihr erklärt, dass die Beschwerde wegen meines mittlerweile länger als zwei Jahre anhängigen Antrags auf Familienbeihilfe eingereiht wurde und solange dies nicht erledigt ist, sollte die Beschwerde nicht bearbeitet werden. Sie hat mir gesagt, dass bis zur Genehmigung der Familienbeihilfe das Verfahren sowieso ruht und es reiht, wenn ich die notwendige Bestätigung über die steuerfreie Kostenersätze erst dann schicke, wenn ich die FB bekommen habe. Mein Antrag auf FB wurde mittlerweile genehmigt, jedoch nicht fünf Jahre zurück (erst ab 3.2020 und 4.2019). Der Grund: die dazu notwendigen Unterlagen (ua. dass ich einen behinderten Sohn habe) konnte ich in Polen wegen Covid19 nur sehr schwierig und erst vor kurzem beschaffen. Als ich sie erhielt, habe sie gleich über FinanzOnline hochgeladen mit der Bitte die FB dementsprechend zu korrigieren. Da dem Finanzamt die FB somit erledigt war, wurde die ANV 2019 auch durchgeführt, wozu ich die verlangte Bestätigung über Auslöse nicht mehr schicken konnte. Darf ich Sie bitten, wegen des unglücklichen Zusammenspiels von mehreren von mir unabhängigen Umständen, meine Beschwerde als unerledigt zu betrachten."

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt - wie dem Bf. mitgeteilt wurde - die in Rede stehende Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Dabei gab die Abgabenbehörde noch an, dass die Vorhalte des Finanzamtes höchst unzureichend beantwortet worden seien. Ergänzende Ermittlungen seien nunmehr mit Hilfe der Finanzpolizei getätigt worden; auf die entsprechende Niederschrift (Befragung des Bf. am als Auskunftsperson) werde verwiesen. Es werde ein Überprüfen der gesamten Eingaben beantragt. Das BFG möge selbst in der Sache entscheiden.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:


Wie im Verfahrensgang dargestellt, hat das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom die beantragten Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten und den mit Beschwerdeschriftsatz geltend gemachten ganzen Familienbonus Plus als Absetzbetrag berücksichtigt. Den als Werbungskosten geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 2.100,00 € hat es - wie bereits im angefochtenen Einkommensteuer(erst)bescheid 2019 - die Anerkennung versagt. Den in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 gestellten Antrag auf Gewährung der Pendlerpauschale samt Pendlereuro hat der Bf. im Übrigen in der Beschwerde nicht mehr aufrechterhalten.

Streit besteht damit gegenständlich (allein) noch darüber, ob die in Rede stehenden Kosten für doppelte Haushaltsführung im Betrage von 2.100,00 € als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Nicht abgezogen werden dürfen bei den einzelnen Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Aufwendungen für den Haushalt und für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Auch Aufwendungen für die Beschaffung einer Wohnung fallen daher, selbst wenn sie der Wohnsitznahme am Beschäftigungsort dient, grundsätzlich unter das Abzugsverbot.
Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss, weil ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, können nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als beruflich veranlasst angesehen und damit als Werbungskosten qualifiziert werden (vgl. zB ; siehe auch Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tzen 201 ff).

Voraussetzung für eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung ist demnach, dass dem Steuerpflichtigen weder die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz noch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zugemutet werden kann.

Ob eine Verlegung des Wohnsitzes zumutbar ist oder nicht, ist aus Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. , mwN). Die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung muss dabei aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind (vgl. ); Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. zB , mwN). Insbesondere kann die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehegatten begründet sein (vgl. zB , mwN). Auch aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen kann sich ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ergeben; weiters kann sich auch eine Unzumutbarkeit ergeben, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist (vgl. Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 202/1, mwN).

Als Werbungskosten aus einer doppelten Haushaltsführung kommen nur die unvermeidbaren Mehraufwendungen in Betracht, die dem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss; das sind insbesondere (angemessene) Kosten für Unterbringung und für Familienheimfahrten. Erhält der Steuerpflichtige nicht steuerpflichtige Ersätze, sind diese von den Aufwendungen abzuziehen.
Voraussetzung für den Abzug von Kosten eines zweiten Haushaltes am Berufsort ist das Vorliegen eines Mehraufwandes. Ist etwa die Wohnmöglichkeit am Arbeitsort mit keinen Kosten verbunden, kann von Mehrkosten nicht gesprochen werden. Gleiches gilt eben, wenn der Arbeitgeber die Kosten für die Unterkunft am Beschäftigungsort ersetzt, weil sich der Steuerpflichtige zB auf einer Dienstreise gemäß § 26 Z 4 zweiter Tatbestand EStG 1988 befindet, oder wenn der Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen eine kostenlose Schlafstelle zur Verfügung stellt (vgl. Jakom/Ebner EStG, 2023, § 16 Rz 56 Stichwort "Doppelte Haushaltsführung", mwN; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tzen 202/15 ff).

Der Abgabepflichtige, der Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt wissen will, hat das Vorliegen dieser Aufwendungen grundsätzlich entsprechend nachzuweisen. Es ist Sache desjenigen, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nehmen will, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.

Der Abgabepflichtige hat dem Finanzamt gemäß § 138 Abs. 1 BAO über Verlangen die geltend gemachten Werbungskosten in Erfüllung seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) nach Art und Umfang nachzuweisen oder, wenn dies nicht zumutbar ist, wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. Zorn/Stanek bzw. Renner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20/18, § 16 Tz 55 sowie § 18 Tz 7, jeweils mwN).

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass dann, wenn Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben, die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht des Abgabepflichtigen in dem Maße höher ist, als die Pflicht der Abgabenbehörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird; es liegt sohin vornehmlich am Abgabepflichtigen, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhaltselemente beizuschaffen. Die Partei hat diesfalls durch konkrete und vollständige Aufklärung der Tatsachen den Anschein zu widerlegen, der sich für die Abgabenbehörde aufgrund der ihr zur Kenntnis gelangten Umstände bot. Verletzt die Partei diese ihre erhöhte Mitwirkungspflicht, so kann das dadurch bedingte Aufklärungsdefizit nicht der Abgabenbehörde als Verfahrensmangel angelastet werden (vgl. ). Die erhöhte Mitwirkungspflicht umfasst in solchen Fällen auch eine Beweismittelvorsorge- und eine Beweismittelbeschaffungspflicht (vgl. ; ).

Nach dem in § 167 Abs. 2 BAO verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat sich die Abgabenbehörde und in der Folge das Bundesfinanzgericht - ohne an formale Regeln gebunden zu sein, aber unter Wahrung aller Verfahrensgrundsätze (ordnungsgemäß und vollständig durchgeführtes Ermittlungsverfahren) - Klarheit über den maßgebenden Sachverhalt zu verschaffen. Dabei ist unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die dazu vorzunehmende Beweiswürdigung muss den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Von mehreren Möglichkeiten ist jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. dazu Ritz/Koran, BAO7, § 167 Rz 8, und die dort zitierte VwGH-Judikatur).

Im konkreten Fall wurde der Bf. von Seiten des Finanzamtes - wie oben im Verfahrensgang dargestellt - ersucht, eine detaillierte Aufstellung seiner Arbeitgeberin für das Jahr 2019 beizubringen, aus welcher ersichtlich ist, woraus die im Jahr 2019 ausbezahlten Kostenersätze gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 iHv 9.484,20 € bestanden; dabei wurde der Bf. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei nicht ausreichender Beantwortung des Ergänzungsauftrages davon ausgegangen werde, dass die vom Bf. geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung zur Gänze in den steuerfreien Ersätzen Deckung finden. Dieses Ergänzungsersuchen vom blieb in weiterer Folge unbeantwortet. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der Bf. bereits den Ergänzungsauftrag vom , womit er ersucht wurde, diverse Fragen in Zusammenhang mit den geltend gemachten Familienheimfahrten zu beantworten und entsprechende Nachweise vorzulegen, unbeantwortet ließ.

Im Beschwerdefall ist damit offensichtlich, dass der Bf. trotz seiner Offenlegungs- bzw. (erhöhten) Mitwirkungspflicht an der Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes nicht hinreichend nachgekommen ist. Dies obwohl es in seiner Verantwortung gelegen gewesen wäre, zur Beseitigung von Zweifeln die Richtigkeit seiner Anbringen zu beweisen.

Nachdem es der Bf. - trotz entsprechendem Verlangen der Abgabenbehörde - unterlassen hat, eine detaillierte Aufstellung seiner Arbeitgeberin für das Jahr 2019 vorzulegen, aus welcher klar entnommen hätte werden können, woraus die im Jahr 2019 lt. Lohnzettel ausbezahlten Kostenersätze gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 iHv 9.484,20 € bestanden haben, sohin einen einwandfreien Nachweis dafür, ob ihm im Hinblick auf seinen zweiten Haushalt am Berufsort überhaupt ein Mehraufwand entstanden ist, zu erbringen (nach Ansicht des erkennenden Richters wäre dem Bf. ein solcher Nachweis durchaus zumutbar gewesen), kann sich der Bf. mit der Vorgehensweise der Abgabenbehörde nicht als beschwert erachten.
Im Übrigen war auch zu berücksichtigen, dass den entsprechenden Feststellungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung - wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach betont hat - Vorhaltswirkung zukommt, sodass diese unbedenklich der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können; es wäre Aufgabe des Bf. gewesen, diese bis dato unwidersprochenen Feststellungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung zu entkräften.

Vor diesem Hintergrund konnte dem noch strittigen Beschwerdebegehren kein Erfolg beschieden sein.

Auf Grund der vorgelegten polnischen Meldebescheinigungen und angesichts der glaubhaften und von der Abgabenbehörde unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Bf. im Rahmen der Einvernahme durch die Finanzpolizei [ein Zimmer in einer 4-Zimmer-Wohnung am Berufsort X; 1.300 km entfernter polnischer Familienwohnsitz (Elternhaus in Z) gemeinsam mit seiner bei der polnischen Polizei arbeitenden Gattin, seiner volljährigen Tochter und seinem minderjährigen an Autismus leidenden Sohn; monatliche Fahrt mit dem Privat-Pkw zum Familienwohnsitz; vgl. diesbezügliche Niederschrift] schließt sich das Finanzgericht der (unstrittigen, stattgebenden) Einschätzung der Abgabenbehörde betreffend die als Werbungskosten geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten an.

Auch hinsichtlich der (unstrittigen) Berücksichtigung des ganzen Familienbonus Plus als Absetzbetrag war der Vorgehensweise des Finanzamtes dem Grunde nach beizupflichten.
Der Höhe nach war zu berücksichtigen, dass der EuGH in seinem Urteil vom ,
C-328/20 Kommission/Österreich, festgestellt hat, dass die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus ua. in Bezug auf den Familienbonus Plus für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen hat. Nach Art. 7 Abs. 2 der angeführten Verordnung genießt ein Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. Infolge dieses Urteils ist § 33 Abs. 3a Z 2 und Z 5 EStG 1988 entfallen und wurde damit die Indexierung des Familienbonus Plus aufgehoben (BGBl. I Nr. 135/2022). Nach § 124b Z 410 lit. a EStG 1988 sind für das Veranlagungsjahr 2019 (rückwirkend) die nicht indexierten Werte maßgeblich. Im Beschwerdefall kommt daher der Familienbonus Plus in nicht indexierter (in nicht an das Preisniveau des Wohnsitzstaates angepasster) Höhe zur Anwendung [der Bf. hat für seinen vierjährigen in Polen lebenden Sohn Bf-Kind im Beschwerdejahr ganzjährig (österr.) Familienbeihilfe/Differenzzahlung bezogen und war ihm daher antragsgemäß der ganze Familienbonus Plus für zwölf Monate iHv 1.500,00 € (12 x 125,00 €) zu gewähren].

Zulässigkeit der Revision:


Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lagen keine Rechtsfragen vor, denen grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen VwGH-Rechtsprechung beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.

Gesamthaft war sohin - gerade auch im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen - spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 119 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 138 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100284.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at