Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.04.2023, RV/7103697/2022

Familienbeihilfe- Unterbringung in tlw. spendenfinanzierter Einrichtung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 11 - Amt für Jugend und Familie, Rößlergasse 15, 1230 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab Juli 2022, SVNR. ***Nr.*** , zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am stellte der minderjährige Bf., vertreten durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung Bezirke 12, 23, den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs 5 FLAG (BGBl. l Nr. 77/2018) ab :
1. Angaben zum Antragsteller: Asylberechtigung
Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe hat die volle Obsorge ..
4. Angaben zu den Eltern des antragstellenden Kindes:
Mutter: Mutter unbekannt Vater: Vater unbekannt
Begründung:
Das antragstellende Kind befindet sich seit in einer Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco. Hierbei handelt es sich um eine spendenfinanzierte sozialpädagogische Einrichtung. Der Minderjährige befindet sich in dieser Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung. Der Stadt Wien entstehen dadurch Kosten von mindestens EUR 80,00 täglich.
Folgende Nachweise sind diesem Antrag angeschlossen:
Nachweis über die volle Obsorge
Asylbescheid

Das Finanzamt erließ den beschwerdegegenständlichen Bescheid wie folgt:
Abweisungsbescheid
Ihr Antrag auf Familienbeihilfe vom wird abgewiesen für:
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Zeitraum
[Nach- und Vorname des Bf.] …06 ab Juli 2022
Begründung
Zu [Nach- und Vorname des Bf.]:
Ein Kind kann für sich selbst unter folgenden Voraussetzungen Familienbeihilfe beziehen:
• Das Kind wohnt nicht mehr bei einem Elternteil
• Kein Elternteil leistet überwiegend Unterhalt
• Das Kind ist nicht in einem Heim untergebracht
Diese Voraussetzungen treffen nicht zu (§ 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
[Der Bf.] ist in einer spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht. Der Antrag auf Familienbeihilfe ist daher abzuweisen.

Der Kinder- und Jugendhilfeträger Wien, Regionalstelle Rechtsvertretung Bezirke 12,23, erhob als Vertretung des Bf. Beschwerde wie folgt:
Mit dem Abweisungsbescheid der oben genannten Behörde vom wurde der Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe vom abgewiesen.
Begründet wurde die Entscheidung wie folgt: "Das Kind wohnt nicht bei den Eltern, es wird kein Unterhalt geleistet, das Kind ist in einem Heim untergebracht, die Voraussetzungen gem § 6 Abs 5 FLAG1967 treffen nicht zu. (Der Bf.) ist in einer spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht."
Dazu ist wie folgt auszuführen:
Der Lebensbedarf des Kindes einschließlich einer altersüblichen Freizeitgestaltung ist primär von den Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu bestreiten; Der Unterhalt dient also der Deckung der aktuellen, angemessenen (Lebens-)Bedürfnisse des Kindes. Dies betreffe vor allem die regelmäßig benötigten Betreuungs- und Versorgungsleistungen, die benötigten Leistungen zur Wahrung des körperlichen Wohls und der Gesundheit, weiters die Aufwendungen für die Ausbildung und zur Freizeitgestaltung.
Anders als das Pflegegeld, das der Finanzierung des pflegebedingten Mehraufwands dient, soll die Familienbeihilfe nach § 1 FamLAG einen Lastenausgleich im Interesse der Familie herbeiführen. Sie dient dem Zweck, die Pflege und Erziehung des Kindes (als Zuschuss) zu erleichtern sowie die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil -auszugleichen (RS0058747; zuletzt 4 Ob 7/17h).Weiters kommt ihr (gemeinsam mit dem mit ihr zur Auszahlung gelangenden Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988) auch die Funktion zu, jene einkommensteuerliche Mehrbelastung abzugelten, der unterhaltspflichtige Eltern durch die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit des Unterhalts ausgesetzt sind (; , B 2366/00).
Im gegenständlichen Geschäftsfall fällt die Geltendmachung der Unterhaltspflicht der Eltern zur Gänze weg, da der Minderjährige als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Österreich eingereist ist. Seine Eltern sind unbekannt, die Obsorge wurde zur Gänze dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen.
Nach § 6 Abs 5 FamLAG haben Kinder, deren Eltern keinen Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).
Das antragstellende Kind befindet sich in einer Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco. Hierbei handelt es sich um eine spendenfinanzierte sozialpädagogische Einrichtung. Der Minderjährige befindet sich in dieser Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung.
Die Gemeinschaft Don Bosco lukriert ihre Aufwendungen aus Spenden. Es werden daher auch die durch die Betreuung der Minderjährigen entstehenden Kosten auch durch Spenden abgedeckt.
Der Unterhalt wird somit nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder-und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs getragen.
Es steht dem Minderjährigen demnach hier ein Anspruch auf Familienbeihilfe zu.
Der Beschwerdeführer, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien (Regionalstelle Rechtsvertretung Bezirke 12,23), stellt daher den
ANTRAG,
den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Familienbeihilfe gewährt wird!

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, dies mit folgender Begründung:
Sachverhalt:
Die Minderjährige (Bf.), geboren am … .01.2006, befindet sich seit in voller Erziehung der Stadt Wien, untergebracht in der Wohngemeinschaft des Verein Don Bosco. Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe stellte mit Eingabe vom eingelangt am den Antrag auf Familienbeihilfe, welcher mit Bescheid vom abgewiesen wurde.
Am wurde in offener Frist Beschwerde erhoben.
Gesetzliche Grundlagen:
§ 6 Abs. 5 FLAG besagt, dass Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
Würdigung:
Wird der Unterhalt eines Kindes in voller Erziehung in einer sozialpädagogischen Einrichtung zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe getragen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes dienen, besteht kein Anspruch auf die Familienbeihilfe, da nach dem Willen des Gesetzgebers in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.
Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass weder Unterhaltsleistungen der Eltern vorliegen noch das Kind anderweitig selbst zum Unterhalt beiträgt. Strittig ist ob eine teilweise Finanzierung spezieller Kosten der Kinder aus einem spendenfinanzierten Topf ausreichen um einen Anspruch auf Familienbeihilfe geltend zu machen.
Aus dem in den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) angeführten Beispiel ist erkennbar, dass Mittel, die nicht aus öffentlicher Hand stammen, direkt dem Kind zukommen und daher diesem unmittelbar zurechenbar sein müssen. Dies ist bei Spenden an eine Einrichtung jedoch nicht der Fall, da diese allgemein der Einrichtung zukommen und nicht direkt dem Kind zurechenbar sind.
Es war somit spruchmäßig zu entscheiden.

Der Vorlageantrag wurde erstattet wie folgt:
Als Begründung für die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der Familienbeihilfe, bzw. für die Abweisung der Beschwerde wurde angeführt, dass das Kind nicht bei den Eltern wohnt, es wird kein Unterhalt geleistet, das Kind ist in einem Heim untergebracht, die Voraussetzungen gem § 6Abs 5 FLAG 1967 treffen nicht zu. (Der Bf.) ist in einer spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht.
Bei Spenden an eine Einrichtung ist nicht ersichtlich, dass die Geldmittel direkt dem Kind zukommen, da die Spenden allgemein der Einrichtung zukommen.''
Dazu ist wie folgt auszuführen:
Im gegenständlichen Geschäftsfall fällt die Geltendmachung der Unterhaltspflicht der Eltern zur Gänze weg, da der Minderjährige als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Österreich eingereist ist. Seine Eltern sind unbekannt, die Obsorge wurde zur Gänze dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen.
Nach § 6Abs 5 FamlAG haben Kinder, deren Eltern keinen Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe- oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).
Weiters ist anzuführen, dass sich das antragstellende Kind Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung in einer Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco befindet. Hierbei handelt es sich um eine spendenfinanzierte sozialpädagogische Einrichtung.
Die Gemeinschaft Don Bosco lukriert ihre Aufwendungen aus Spenden. Es werden daher auch die, durch die Betreuung der Minderjährigen entstehenden Kosten, auch durch Spenden abgedeckt.
Hierbei ist es nicht relevant, dass Spendenleistungen ausschließlich an die Einrichtung, ohne Widmung für einen bestimmten Zweck, getätigt werden. Eine Widmung des Spendenbetrages für eine einzelne Person ist nicht notwendig.
Der Unterhalt wird nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs getragen.
Es steht dem Minderjährigen demnach hier ein Anspruch auf Familienbeihilfe zu.
Der Beschwerdeführer, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien (Regionalstelle Rechtsvertretung Bezirke 12,23), stellt daher den
ANTRAG,
den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Familienbeihilfe gewährt
wird.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Antrag:
Sachverhalt:
Der Bf stellte, vertreten durch die MA11, einen Eigenantrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Juli 2022.
Der Bf hat eine Asylberechtigung und ist seit in der Wohngemeinschaft ***Bf.Anschri.*** - eine durch Spenden finanzierte Einrichtung - wohnhaft.
Der Bf ist nicht erwerbsfähig und hat kein Einkommen. Die Eltern sind unbekannt.
Beweismittel:
Siehe Inhaltsverzeichnis
Stellungnahme:
§ 6 Abs 5 FLAG besagt, dass Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).
Nach den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) sollte durch die Novellierung des Abs 5 sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (zB Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches gilt, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend, jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen (vgl Lenneis in Lenneis/ Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 6 Rz 20).
Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht hingegen dann, wenn der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen wird, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.
Die Wohngemeinschaft ***Bf.Anschri.***, eine Wohngemeinschaft des Vereins Don Bosco, ist durch Spenden finanziert.
Nach Ansicht der belangten Behörde müssen die Mittel, die nicht aus öffentlicher Hand stammen, direkt dem Kind zukommen und daher diesem unmittelbar zurechenbar sein, wie zum Beispiel das in den Erläuterungen zum Initiativantrag (386/A 26. GP) angeführte Beispiel, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (zB Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt.
Das ist bei Spenden an eine Einrichtung jedoch nicht der Fall, da diese allgemein der Einrichtung zukommen und nicht direkt dem Kind zurechenbar sind. Daran ändert auch der vorgebrachte Umstand, dass die Spenden in Folge direkt einem Kind zugutekommen, nichts.
Der Gesetzeszweck des § 6 Abs 5 FLAG stellt nach Ansicht der belangten Behörde darauf ab, die Lasten der Unterhaltstragung, die beispielsweise durch ein erhaltenes Pflegegeld teilweise abgegolten werden, auszugleichen, indem dem Kind ein Anspruch auf Familienbeihilfe eingeräumt wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall kommt jedoch die Kinder- und Jugendhilfe für den Unterhalt des Kindes auf, womit in weiterer Folge keine finanzielle Last des Kindes ausgeglichen werden muss, weswegen die Voraussetzungen des § 6 Abs 5 FLAG nicht erfüllt sind und somit die Beschwerde abzuweisen ist.
Informationshalber wird mitgeteilt, dass in einer ähnlichen Rechtsfrage eine ordentliche
(Amts-)Revision zu GZ. RR/7100125/2020 gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes GZ. RV/7103076/2020 erhoben wurde, die bis dato vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden wurde. Eine allfällige Aussetzung der Entscheidung wird daher angeregt und steht den Interessen der belangten Behörde nicht entgegen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der im August 2006 geborene Bf. ist syrischer Staatsbürger, somit Drittstaatsangehöriger (Asylbescheid).

Mit Beschluss vom wurde der Kinder- und Jugendhilfeträger der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, wird mit der Obsorge für den mj. (Bf.) betraut." (Beschluss eines Wiener Bezirksgerichtes).

Der Bf. ist ein unbegleiteter mj. Flüchtling aus Syrien und Asylwerber. Beide Eltern leben noch in ***Ort.in.Syrien***, Syrien, eine genauere Adresse ist nicht bekannt. Der Minderjährige hat, soweit bekannt, keine volljährigen Angehörigen in Österreich.
Der Bf. wird im Rahmen der Grundversorgung gemäß Art 15a B-VG in der Einrichtung WG Don Bosco, ***Bf.Anschr.***,1230 Wien, betreut.
Da der Minderjährige unbegleiteter Flüchtling ist, sind die österreichischen Behörden für Maßnahmen zum Schutz seiner Person zuständig.
Ein alleinstehender mj. Asylwerber bedarf nach ständiger Rechtsprechung der vollen Unterstützung. Diese geht über die Deckung seiner Grundbedürfnisse und die Vertretung im Asylverfahren hinaus und kann nur im Rahmen der vollen Obsorge zuteil werden
(7 Ob 209/OSv). Dem unbegleiteten minderjährigen Fremden ist daher ein Obsorgeberechtigter gerichtlich beizustellen (RIS-Justiz RS0120320).
Da geeignete Angehörige des Minderjährigen in Österreich nicht vorhanden sind, war der Kinder- und Jugendhilfeträger nach §209 ABGB mit der Obsorge für den Minderjährigen zu betrauen. (Beschluss des Pflegschaftsgerichtes vom ).

Mit Bescheid vom wurde dem Antrag des Bf. auf internationalen Schutz vom gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt (Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl).

2. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des oben im Einzelnen wiedergegebenen Verfahrensganges bzw. den im Einzelnen angeführten Grundlagen, sind unstrittig und bedarf es somit diesbezüglich keiner weiteren Ausführungen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 6 FLAG bestimmt:
Abs. 1: Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Abs. 2: Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe …
Abs. 3: Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 15.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 15.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 15.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:
a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,
b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,
c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse,
d) Ausgleichszulagen und Ergänzungszulagen, die aufgrund sozialversicherungs- oder pensionsrechtlicher Vorschriften gewährt werden.
e) Pauschalentschädigungen gemäß § 36 Abs. 1 des Heeresgebührengesetzes 2001, die für den außerordentlichen Zivildienst gemäß § 34b in Verbindung mit § 21 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 oder den Einsatzpräsenzdienst gemäß § 19 Abs. 1 Z 5 des Wehrgesetzes 2001 gewährt werden.
Abs. 4: …
Abs. 5: Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat
(Abs. 1 und 3).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ro 2020/16/0048, das h.a. Erkenntnis vom , RV/7 103076/202, (teilweise spendenfinanzierte Wohngemeinschaft) - nach vom Finanzamt erhobener Amtsrevision - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

In diesem Erkenntnis hatte das Bundesfinanzgericht folgende Ansicht vertreten:
Wird - wie im gegenständlichen Fall - ein Teil der Unterhaltskosten des Kindes dadurch getragen, dass die sozialpädagogische Einrichtung, in der das Kind untergebracht ist, teilweise oder ganz durch Spenden von Privatpersonen und Unternehmen finanziert und mit diesen Spendenmitteln die Differenz zwischen dem von der Kinder- und Jugendhilfe gezahlten Tagsatz und den tatsächlichen Kosten der Einrichtung je tatsächlich betreutem Kind bezahlt wird,
wird der Unterhalt des Kindes nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe bestritten.
Darauf, ob die Spenden dem Kind persönlich gewidmet sind oder an die Einrichtung als Ganzes zur Erfüllung ihres Zwecks geleistet worden sind, kommt es nicht an.
Der Bf hat daher im Beschwerdezeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.

Der Verwaltungsgerichtshof teilte diese Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht und führt u.a. aus:
Zur Frage, inwieweit ein Beitrag zu den Unterhaltskosten Auswirkungen auf den Eigenanspruch der Kinder haben kann, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass eine gänzliche Unterhaltstragung durch die öffentliche Hand nicht mehr gegeben ist, wenn das Kind selbst zum eigenen Unterhalt beiträgt (vgl. etwa , mwN, zu einem Kind, das Pflegegeld und eine Waisenpension bezogen hatte).
Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass mit der Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG (mit BGBl. I Nr. 77/2018) eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beabsichtigt worden wäre. Nicht nur, dass nach den Gesetzesmaterialien lediglich eine "gesetzliche Präzisierung" - und nicht etwa eine Neuregelung - vorgenommen werden sollte, bewegen sich die darin getätigten weiteren Ausführungen auf dem Boden der dargelegten bisherigen Rechtsprechung (vgl. nochmals zur Voraussetzung der gänzlichen Kostentragung durch die Öffentliche Hand ).
Nach dem Gesagten ist daher auch nicht erkennbar, dass aufgrund der Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG in einer Konstellation wie im vorliegenden Revisionsfall - vor dem Hintergrund einer (zumindest vorläufigen) gänzlichen Kostentragungsverpflichtung der öffentlichen Hand aufgrund der übertragenen Obsorge (vgl. vorliegend §§ 30, 32, 35 und 36 Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013, LGB1. Nr. 51/2013) - der Unterhalt des Kindes nicht mehr als "zur Gänze" durch die öffentliche Hand getragen anzusehen sein soll, wenn Dritte - somit weder das Kind selbst, noch dessen Eltern - Kostenbeiträge zum Unterhalt des Kindes leisten.

Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist das Schicksal der Beschwerde gemäß diesen Rechtsausführungen des Verwaltungsgerichtshofes entschieden.

Der Vollständigkeit wird bemerkt:
Das Bundesfinanzgericht erwog im Erkenntnis vom , RV/7102392/2020:
Im gegenständlichen Fall leisten weder die Eltern einen Unterhalt noch trägt der mj. Bf. selbst zur Deckung seines Unterhaltes bei.
Der mj. Bf. wohnt in einer WG, die durch Spenden unterstützt wird.
Entgegen der Auffassung des Bf. kommt es jedoch nicht darauf an, ob der Bf. in einer zur Gänze oder teilweise spendenfinanzierten Einrichtung untergebracht ist, da das Gesetz nicht darauf abstellt.
Der Unterhalt des Bf. wird aus Mitteln der öffentlichen Hand, im gegenständlichen Fall der Stadt Wien bezahlt.
Die Gemeinde zahlt laut den Ausführungen des Bf. mindestens Euro 80,00 täglich, jedoch flossen und fließen dem Bf. keine an ihn persönlich gewidmete Spenden zu.
Wird jedoch der Unterhalt eines Kindes zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand getragen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes dienen, besteht kein Anspruch auf die Familienbeihilfe, da nach dem Willen des Gesetzgebers in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.
In der Beschwerde bringt der Vertreter des mj. Bf. vor, dass die Einrichtung (WG NoMa), wo der mj. Bf. untergebracht ist, durch Spenden finanziert werde.
Spenden an diese Wohngemeinschaft stellen aber - den vorstehenden Ausführungen folgend - keinen regelmäßigen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten dar.
Die Kosten werden von der Stadt Wien in Höhe von mind. 80 Euro täglich bezahlt.
Der mj. Bf. hat kein Einkommen.
Weder vom mj. Bf. noch von dessen Eltern wird ein Beitrag zur Tragung des Unterhaltes geleistet.
Der Unterhalt von dem mj. Bf. wird somit ausschließlich durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt.
Da nach den Feststellungen im Sachverhalt der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder und Jugendhilfe - der öffentlichen Hand - getragen wird, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Auf Grund des oben auszugsweise zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes ist die beschwerdegegenständlich zu lösende Rechtsfrage beantwortet.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103697.2022

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