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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2023, RV/7101823/2015

Wurden die Wiederaufnahmebescheide mit der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide angefochten?

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0156. Zurückweisung mit Beschluss v. .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7101823/2015-RS1
Eine Beschwerdeschrift, die ein Beweismittel ist, ist nicht durch ein Mängelbehebungsverfahren verbesserbar.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin***SenRi2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Abweisung des Antrags vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Als die im Spruch angeführten Bescheide angefochten wurden, war der Unabhängige Finanzsenat (UFS) für die Rechtsmittelerledigung zuständig. Diese UFS-Zuständigkeit endete am . An die Stelle des UFS trat am das Bundesfinanzgericht (BFG), das alle mit Ablauf des anhängigen Rechtsmittelverfahren - und damit auch dieses Rechtsmittelverfahren - weiter führt. Das Bundesfinanzgericht verwendet in seinen Verfahren die verwaltungsgerichtsübliche Terminologie: "Berufungen" werden als "Beschwerden" bezeichnet, "Berufungsvorentscheidungen" als "Beschwerdevorentscheidungen" und "Berufungswerber:innen" als "Beschwerdeführer:innen".

1. Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte mit Schreiben vom , über die Beschwerden vom gegen die Wiederaufnahmebescheide - Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom zu entscheiden.

Die Bf. verwies begründend auf die Erkenntnisse , und , worin der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass die Abgabenbehörde über die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 1997 bis 2001 vom zu entscheiden habe, wenn die Beschwerde vom auch eine Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide - Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom ist.

2. Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom abgewiesen und begründend ausgeführt:

"Der Beschwerdeschriftsatz gegen die Sachbescheide vom betreffend die Einkommensteuer 1997 - 2001 enthält It. Aktenlage nur Beschwerden gegen die Sachbescheide. Beschwerden gegen die jeweiligen Wiederaufnahmebescheide sind im Schriftsatz nicht enthalten. Eine Begründung mit dem Hinweis darauf, dass keine "neu hervorgekommenen Tatsachen" vorliegen, ist der Beschwerdeschrift nicht zu entnehmen.

Nach Ansicht des Finanzamtes kann der Beschwerdeschriftsatz nicht so interpretiert werden, dass damit auch Beschwerden gegen die Wiederaufnahme gemeint sind.

Auch wenn die Antragstellerin bereits gegenüber dem UFS erklärt hat, dass "auch aufgrund der Rechtsmittelbelehrung in den genannten Bescheiden so formuliert worden [sei], dass jedenfalls auch gegen die Wiederaufnahmebescheide berufen wurde", enthält der Schriftsatz keinen expliziten Hinweis auf Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide.

Im Betreff der genannten Beschwerde vom ist angeführt:

Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2001, den Einkommensteuerbescheid 2000, den Einkommensteuerbescheid 1999, den Einkommensteuerbescheid 1998, den Einkommensteuerbescheid 1997, den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2000, den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2001 und den Einkommen(steuer)-Vorauszahlungsbescheid 2004 und Folgejahre alle von , eingelangt am , sowie ein Aussetzungsantrag gem. § 212 a BAO.

Der Betreff enthält mit keinem Wort einen Hinweis dass auch gegen die Wiederaufnahme der genannten Bescheide berufen wird, sondern lautet: "Sehr geehrte Damen und Herren! Innerhalb offener Frist erheben wir Beschwerde gegen die oben genannten Bescheide und führen wie folgt aus:"

Auch in der Begründung ist auf die Unzulässigkeit der Wiederaufnahme mit keinem Wort eingegangen worden.

In der Beschwerdeschrift der Antragstellerin fehlt sowohl im Antrag als auch in der Begründung jeglicher Hinweis auf die Verfahrenswiederaufnahmen.

Das Schreiben vom ist somit keine Beschwerde gegen die Verfahrenswiederaufnahmebescheide Einkommensteuer 1997-2001.

Das Finanzamt ... kann daher dem Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide Einkommensteuer 1997, 1998, 1999, 2000 und 2001, alle vom , nicht entsprechen, da derartige Beschwerden nie eingebracht wurden.

Abschließend wird festgestellt, dass erst das Schreiben vom die gegen die Verfahrenswiederaufnahmebescheide/Einkommensteuer 1997-2001 gerichtete Beschwerde ist.

Somit ist nach Ansicht des Finanzamtes ... diese Beschwerde als verspätet zurückzuweisen, da sich die Beschwerde vom gegen die am erlassenen Verfahrenswiederaufnahmebescheide/Einkommensteuer 1997-2001 richtet".

Der Abweisungsbescheid vom wurde am zugestellt, war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurde mit der (am Vortag eingebrachten) Beschwerde vom angefochten.

3. Die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom wurde dem Bundesfinanzgericht nicht mit dem Vorlagebericht vorgelegt, sondern nachdem sie mit Vorhalt vom vom Bundesfinanzgericht angefordert wurde. In der Beschwerde beantragte die Bf. die mündliche Senatsverhandlung und brachte begründend vor:

"Im VwGH-Erkenntnis vom , 2007/15/0041, führt der VwGH auf Seite 5 wie folgt aus: "Nach Ausweis der Verwaltungsakte ergingen für jedes Streitjahr separate (auf einem eigenen Blatt) verfahrensrechtliche Bescheide, die allerdings nicht als solche bezeichnet waren, sondern nach der bescheidausstellenden Behörde und dem Bescheidadressaten das Wort "Umsatzsteuerbescheid (Jahr)" aufweisen und darunter die Beifügung "Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 (4) BAO zu Bescheid vom (bzw. )". In der Rechtsmittelbelehrung sowohl des Wiederaufnahmebescheides als auch des Sachbescheides wurde die Beschwerdeführerin dazu angeleitet, im Falle einer Beschwerdeerhebung den bekämpften Bescheid mit "Umsatzsteuer für 2... vom " zu bezeichnen".

Im vorliegenden Fall waren die Wiederaufnahmebescheide für die Jahre 1997, 1998, 1999, 2000 und 2001 nicht als Wiederaufnahmebescheide bezeichnet, sondern als Einkommensteuerbescheide mit den jeweiligen Jahren dazu und außerdem war in der Rechtsmittelbelehrung angeführt in der Beschwerde sind der Bescheid zu bezeichnen (Einkommensteuerbescheid für 1997, für 1998, für 1999, für 2000 und für 2001. Genau dieser Vorgabe wurde bei den Beschwerden gefolgt, sodass jedenfalls auch Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide vorliegen und führt der VwGH im Erkenntnis vom , 2007/15/0041, auf Seite 5 weiter aus: "Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin mit der vorgenommenen Bezeichnung der Bescheide nicht auch die jeweilige Wiederaufnahmeverfügung bekämpfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0042, und vom , 2007/15/0043)". Der VwGH führte in dem genannten Erkenntnis weiter aus: "Richtete sich somit die Beschwerde sowohl gegen die verfügte Wiederaufnahme der Verfahren als auch gegen die neuen Sachbescheide, durfte die belangte Behörde im Sinne der obigen Ausführungen die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmeverfügungen nicht unerledigt lassen und nur über die Beschwerde gegen die neuen Sachbescheide entscheiden. Da die belangte Behörde diese Vorgangsweise eingehalten hat, hat sie ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Hätte die belangte Behörde Zweifel am Inhalt des Antrages oder an der Erklärung, in welchen Punkten der ("Sammel"-) Bescheid vom oder welcher der mit "Umsatzsteuerbescheid 2000" und "Umsatzsteuerbescheid 2001" bezeichneten Bescheide vom angefochten wird, gehegt, dann hätte sie allerdings einen Mängelbehebungsauftrag nach § 275 BAO erlassen müssen und der Beschwerdeführerin die Behebung der inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen gehabt, dass die Beschwerde nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

Aufgrund der Ausführungen ist der Rechtsansicht im Abwesenheitsbescheid vom diametral entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und stellen wir deshalb den Antrag, den Abweisungsbescheid vom , eingelangt am , aufzuheben und im Sinne des Antrags vom endlich über die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide 1997, 1998, 1999, 2000 und 2001 abzusprechen und diese ersatzlos aufzuheben, da weder die Ermessensbegründung (wie schon in unseren Beschwerden ausgeführt) fehlt. Gleichzeitig legen wir die ursprünglichen Bescheide 1997, 1998, 1999, 2000 und 2001 nochmals vor. Aufgrund der Ausführungen bitten wir deshalb die Wiederaufnahmebescheide ersatzlos aufzuheben und auszusprechen, dass weder eine Ermessensbegründung noch eine sonstige Begründung der bekämpften Bescheide vorliegt".

4. Die Sprüche und Begründungsteile in den Verfahrenswiederaufnahmebescheiden betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom lauteten:

1.) Sprüche: "Einkommensteuerbescheid [Jahr] - Wiederaufnahme des Verfahrens gem.§ 303 (4) BAO zu Bescheid vom [Bescheiddatum] - Das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr [Jahr] wird gem.§ 303 (4) BAO wiederaufgenommen".

2.) Begründungsteile: "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu entnehmen".

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom , nachweisbar zugestellt am , wurde die Beschwerde abgewiesen und im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass das Finanzamt die Beschwerdevorentscheidung nur deshalb erließ, weil die Bf. die Direktvorlage nicht beantragt hatte. Abschließend wurde auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Die Beschwerdevorentscheidung war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar und wurde mit dem Vorlageantrag vom , eingebracht am , angefochten.

6. Im Vorlageantrag vom , zugestellt mit Telefax vom , gab die Bf. an, dass die Beschwerdevorentscheidung vom am zugestellt wurde, wiederholte den Antrag auf mündliche Senatsverhandlung und führte ergänzend aus, dass die Vorgangsweise des bescheiderlassenden Finanzamtes der VwGH-Judikatur widerspreche.

7. Aus den Verwaltungsakten:

Der Schriftsatz vom , der die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide - Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom enthalten soll, lautete:

"Betrifft: Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2001, den Einkommensteuer-Bescheid 2000, den Einkommensteuerbescheid 1999, den Einkommensteuer-Bescheid 1998 und den Einkommensteuerbescheid 1997, den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2000, den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2001 und den Einkommensteuervorauszahlungs-Bescheid 2004 und Folgejahre alle vom , eingelangt am , und Aussetzungsantrag gemäß §212a BAO idgF.

Innerhalb offener Frist erheben wir das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die oben genannten Bescheide und führen wie folgt aus: Die Fremdleistungen an die ... wurden auf Grund der Dokumentation der erbrachten Leistungen und erstellter Rechnungen bezahlt. Die Leistungen betrafen Programmtestungen für einen Großauftrag der Firma ... Die erbrachten Leistungen wurden ausreichend dokumentiert, und wurde dies auch anlässlich der Vorbesprechungen bzw. Schlussbesprechungen von der Betriebsprüfung nicht angezweifelt. Zusätzlich ist auszuführen, dass bei der letzten Betriebsprüfung durch das Finanzamt ... beiden gleichen Vertragsmodalitäten bzw. Auszahlungsmodalitäten die Betriebsausgaben anerkannt wurden. Hinsichtlich der erhöhten Mitwirkungspflicht möchten wir wie folgt ausführen: Der Geschäftsführer der ... wird den Erhalt der angezweifelten Beträge notariell beglaubigt bestätigen und werden diese Unterlagen deswegen nachgereicht, da er sich für einige Zeit im Ausland befunden hat, sodass die Unterlagen nicht rechtzeitig beigebracht werden konnten. Zusätzlichen bieten wir auch noch eine persönliche Einvernahme am Finanzamt ... an. Außerdem ist auszuführen, dass der Gesamtbetrag der Fremdleistungen für die Jahre 1997 bis 2001 nicht ATS 4.600.000,00 betragen hat, sondern nur ATS 3.800.000,00 betrug. Dies deshalb, da offensichtlich Gutschriften, die über Erlöse gebucht wurden, nicht berücksichtigt sind. Hinsichtlich der Südostasienreise 1999 ist aufzuführen, dass es sich bei diesen Kosten deshalb um Werbungskosten handelt, da der Sinn der Reise darin gelegen war, neue Softwareprogramme für die Abrechnung von Großhotelanlagen zu erstellen. Der zu erwartende Auftrag wurde jedoch nicht realisiert. Wir bitten deshalb die oben genannten Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 aufzuheben und erklärungsgemäß zu veranlagen. Hinsichtlich der Anspruchszinsen 2000 und 2001 bitten wir diese Bescheide aufzuheben, und den erklärungsgemäßen Bescheiden anzupassen. Der Vorauszahlungsbescheid 2004 wolle ebenso aufgehoben werden, und durch den zuletzt gültigen Vorauszahlungsbescheid ersetzt werden. Hinsichtlich des Antrages auf Aussetzung der Einhebung bitten wir folgende Beträge auszusetzen: ... Sollte das Finanzamt ... nicht mittels Beschwerdevorentscheidung vorgehen, stellen wir schon jetzt den Antrag auf mündliche Verhandlung".

8. Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt, die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom , die Zustellnachweise für den Abweisungsbescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom innerhalb 1 Woche ab Zustellung dieses Schreibens vorzulegen. Die angeforderten Unterlagen wurden dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

9. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung:

"… Der Steuerberater wiederholt sein bisheriges Vorbringen aus den Schriftsätzen. Nach Diktat Steuerberater: "Zu den Ausführungen betreffend Abweisung des Wiederaufnahmeantrages 1997 bis 2001 ist auszuführen, dass nur die Beschwerden gegen die Sachbescheide begründet waren und waren die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide als leere Beschwerden zu werten, sodass das Finanzamt mittels Mängelbehebungsauftrag vorzugehen hätte.

Finanzamt bringt vor, dass sich die Beschwerde nur gegen die Sachbescheide richtet. Die VwGH-Erkenntnisse sind mangels übereinstimmender Sachverhalte nicht anwendbar".

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der Vorlageantrag ist frist- und formgerecht eingebracht. Deshalb gilt die Beschwerde als unerledigt. Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht ist, ist über die Beschwerde "in der Sache" zu entscheiden.

In der Sache ist nicht strittig, dass die Bf. die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom mit der Beschwerde vom angefochten hat. Strittig ist, ob sie mit dieser Beschwerde auch die Bescheide über die Verfahrenswiederaufnahmen betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom angefochten hat.

Werden Verfahrenswiederaufnahmebescheide erlassen, wird § 303 Bundesabgabenordnung (BAO) angewendet.

Gemäß § 303 Abs 1 lit b Bundesabgabenordnung (BAO idgF) in der de dato geltenden Fassung können Abgabenverfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 250 Abs 1 BAO idgF hat eine Beschwerde a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden und d) eine Begründung zu enthalten.

Von dieser Rechtslage ausgehend wird dieser Entscheidung die in Pkt. 7. wortwörtlich zitierte Beschwerdeschrift vom und damit folgende Sach- und Beweislage zugrunde gelegt:

1.) Die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom gehören nicht zu den in der Betreffzeile der Beschwerde aufgezählten Bescheiden.

2.) Die für Wiederaufnahmen des Verfahrens typischen Schlüsselwörter "Wiederaufnahme" mit oder ohne Zusatz "des Verfahrens", "§ 303 BAO", "neu hervor gekommene Tatsache" und "neu hervor gekommenes Beweismittel" fehlen in der Beschwerde.

Die Beschwerde vom enthält daher keine auf die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom sich beziehende Anfechtungserklärung, keine auf diese Bescheide sich beziehende Beschwerdepunkte, keine auf diese Bescheide sich beziehende Änderungsanträge und keine auf diese Bescheide sich beziehende Begründung. Deshalb werden die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom zweifelsfrei nicht mit der Beschwerde vom angefochten.

Werden Verfahrenswiederaufnahmebescheide zweifelsfrei nicht mit einer Beschwerde angefochten, muss ein Mängelbehebungsverfahren nicht durchgeführt werden. Die Beschwerde vom ist daher richtigerweise nicht Gegenstand eines Mängelbehebungsverfahrens gewesen.

Im Beschwerdeverfahren gegen den Abweisungsbescheid vom ist die Beschwerde vom ein Beweismittel. Ein Beweismittel darf nicht verändert werden. Ist daher eine Beschwerdeschrift ein Beweismittel, darf sie nicht durch ein Mängelbehebungsverfahren verändert werden. Das Beweismittel "Beschwerdeschrift vom " ist daher nicht durch ein Mängelbehebungsverfahren verbesserbar.

Haben mehrere Bescheide dasselbe Bescheiddatum, muss das Bescheiddatum nicht bei jedem Bescheid angeführt werden, sondern kann beispielsweise durch die Wortfolge "alle vom [Bescheiddatum]" ersetzt werden. Aus der Wortfolge "alle vom " ist daher nicht ableitbar, dass alle am erlassenen Bescheide (und damit auch die an diesem Tag erlassenen Wiederaufnahmebescheide) angefochten werden.

Gemäß § 93 Abs 3 lit b BAO idgF hat jeder Bescheid die Belehrung zu enthalten, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, dass das Rechtsmittel begründet werden muss und dass ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt.

Über den Gesetzestext von § 93 Abs 3 lit b BAO wird festgestellt, dass darin die gesetzlichen Mindestanforderungen an eine Rechtsmittelbelehrung taxativ aufgezählt werden, weshalb Angaben darüber, wie der angefochtene Bescheid zu bezeichnen ist, nicht zu den gesetzlichen Mindestanforderungen an eine Rechtsmittelbelehrung gehören.

Enthält eine Rechtsmittelbelehrung Angaben, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen, müssen auch diese richtig und vollständig sein. Sie dürfen vor allem nicht geeignet sein, bei Bescheidadressat:innen einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsmittels hervorzurufen und sie dadurch davon abhalten, das Rechtsmittel rechtzeitig oder überhaupt einzulegen.

Die Bescheidbezeichnungen in den Rechtsmittelbelehrungen der Wiederaufnahmebescheide mögen nicht vollständig sein, jedoch hätten sie die Bf. bloß davon abgehalten, die Wiederaufnahmebescheide in der Betreffzeile der Beschwerde vom aufzuzählen. Sie hätten die Bf. jedenfalls nicht davon abgehalten, auf Wiederaufnahmebescheide sich beziehende Anfechtungserklärungen in der Beschwerde vom schriftlich festzuhalten, auf Wiederaufnahmebescheide sich beziehende Änderungen in der Beschwerde vom zu beantragen und auf Wiederaufnahmebescheide sich beziehende Begründungen in der Beschwerde vom schriftlich festzuhalten. Aus den Rechtsmittelbelehrungen der Wiederaufnahmebescheide ist daher nicht ableitbar, dass mit den nach Verfahrenswiederaufnahmen erlassenen Sachbescheiden auch die Wiederaufnahmebescheide angefochten werden.

Die in den Eingaben der Bf. angeführten VwGH-Erkenntnisse sind mangels übereinstimmender Sach- und Beweislage auf den gegenständlichen Beschwerdefall nicht anwendbar:

Im (zur Beschwerde vom ergangenen) Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Bundesfinanzgericht über eine Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide nur dann entscheiden muss, wenn diese Bescheide mit dem Schriftsatz vom angefochten wurden: Dass die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom mit dem Schriftsatz vom angefochten wurden, ist jedoch nach der aus diesem Schriftsatz sich ergebenden Sach- und Beweislage auszuschließen.

Im (nicht in einem Beschwerdeverfahren der Bf. ergangenen) Erkenntnis , war die Beschwerdeschrift nicht formgerecht, weshalb ein Mängelbehebungsverfahren mit dem Ergebnis durchgeführt wurde, dass die Beschwerde in der verbesserten Fassung auch eine Beschwerde gegen einen Wiederaufnahmebescheid war. Da die Beschwerde vom formgerecht war, durfte ein Mängelbehebungsverfahren nicht durchgeführt werden. Eine Entscheidung über die Beschwerde vom wird daher nicht inhaltlich rechtswidrig, wenn die Bf. diese Beschwerde mangels Mängelbehebungsverfahren nicht dahingehend verbessern kann, dass mit ihr auch die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom angefochten werden.

Dem Erkenntnis , lag die Sachlage zugrunde, dass in der Begründung der Beschwerde unter Pkt. 2) die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO erwähnt wurde. Nach der aus der Beschwerde vom sich ergebenden Sach- und Beweislage werden nicht nur die "Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO" in der Beschwerde nicht erwähnt, sondern auch alle für Verfahrenswiederaufnahmen typischen Schlüsselwörter sind ihr nicht zu entnehmen.

Diese Ausführungen zusammenfassend wird festgestellt, dass die Beschwerde vom keine Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001 vom ist. Ohne gegen diese Bescheide gerichtete Beschwerde besteht keine Entscheidungspflicht. Ohne verletzte Entscheidungspflicht ist der angefochtene Abweisungsbescheid rechtsrichtig erlassen worden, weshalb die Beschwerde gegen diesen Bescheid spruchgemäß abzuweisen war und mit dieser Entscheidung abgewiesen wird.

Revision

Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen Erkenntnisse oder Beschlüsse des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da aus einem Schriftsatz die Sach- und Beweisfrage zu beantworten war, ob Wiederaufnahmebescheide mit diesem Schriftsatz angefochten oder nicht angefochten wurden. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101823.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at