Parkometer: kein Parkschein im Zeitpunkt der Beanstandung gelegt bzw. aktiviert
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, als Abgabenstrafbehörde vom , Zahl MA67/Zahl1/2022, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, idF. ABl. der Stadt Wien Nr. 20/2020 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBI. für Wien Nr. 9/2006, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 71/2018, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 12,00 Euro, das sind 20% der verhängten Geldstrafe, zu leisten.
Der Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (12,00 Euro) ist gemeinsam mit der Geldstrafe (60,00 Euro) und dem Beitrag zu den Kosten der belangten Behörde (10,00 Euro), insgesamt 82,00 Euro, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Erkenntnisses an den Magistrat der Stadt Wien zu entrichten.
III. Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde bestimmt.
IV. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Dem vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, als belangter Behörde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht als zuständigem Verwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsstrafakt ist folgender Verfahrensgang zu entnehmen:
Ein Parkraumüberwachungsorgan der Landespolizeidirektion Wien mit der Dienstnummer DNr stellte am (Donnerstag) um 17:55 Uhr fest, dass das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Adr, abgestellt war und dass dieses Kraftfahrzeug nicht mit einem für diesen Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gekennzeichnet war. Das Parkraumüberwachungsorgan hielt in der Anzeige folgende Anmerkung fest: "Delikt-Text: Parkschein/gültiger Parkschein fehlte".
Nachdem die beim Kraftfahrzeug hinterlassene Organstrafverfügung nicht einbezahlt wurde richtete der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) am ein Schreiben an die Magistratsabteilung 67, in dem die Abstellung des in Rede stehenden Fahrzeuges zum angelasteten Zeitpunkt sowie die Lenkereigenschaft des Bf. unbestritten blieben. Der Bf. brachte vielmehr vor, er sei am (Anmerkung BFG, gemeint: ) mit seinem Auto bei der Heimkehr zur Garage plötzlich von starkem Unwohlsein betroffen gewesen. Daher habe er unmittelbar die Doppelhaltestelle der Straßenbahn vor seinem Haus als Abstellplatz benützt. Er habe die Gefährdung durch seine Situation vermeiden wollen. Am späteren Nachmittag hätten seine Söhne das Auto in die Garage geführt. In Anbetracht seiner Aktion aus allgemein gesundheitlichen Gründen habe er ersucht die angeführten Anschreiben (Anmerkung Bundesfinanzgericht [BFG]: Organverfügung; Anzeigenverständigung Zahl2; Zahl3) als nicht zutreffend zu streichen.
Mit Schreiben vom teilte die Magistratsabteilung 67 dem Bf. unter Anführung der vorher genannten Zahlen mit, unter Notstand könne nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom , ZI. 2218/79, vom , ZI. 81/02/0252, vom , ZI. 81/02/0116, vom , ZI. 84/02/0022) nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten könne, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begehe. Als Merkmal des Notstandes habe eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen zu gelten (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , ZI. 319/73). Zum Wesen des Notstandes gehöre auch, dass die Gefahr in zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben sei (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1708/68, vom , ZI. 528/75, vom , ZI. 2915/76, vom , ZI. 82/04/0169). Eine selbstverschuldete Zwangslage sei kein Schuldausschließungsgrund (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , ZI. 1708/68, vom , Z. 1705/75, vom , ZI. 82/04/0169, vom , Z. 86/04/0116).
Zur Organstrafverfügung mit der Zahl Zahl2 führte die belangte Behörde an:
Eine Nachschau bei "m-parking" habe ergeben, dass für das behördliche Kennzeichen 123 zum Tatzeitpunkt kein elektronischer Parkschein aktiviert gewesen sei und somit die Beanstandung zu Recht erfolgt sei. Bemerkt werde, dass gemäß § 50 Abs. 6 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) kein Rechtsmittel (Einspruch) gegen eine Organstrafverfügung zulässig sei. Der Bf. habe zurzeit lediglich die Möglichkeit, den in der Organstrafverfügung vorgeschriebenen Betrag bis zum letzten Einzahlungstag (2 Wochen ab dem Ausstellungsdatum der Organstrafverfügung) zu bezahlen oder, wenn die Ansicht vertreten werde, dass die Beanstandung zu Unrecht erfolgt sei, diese und die nachfolgende Anonymverfügung (ergehe an den*die Zulassungsbesitzer*in) nicht zu begleichen. Erst auf die darauffolgende Strafverfügung könne ein Rechtsmittel (= Einspruch) erhoben und ein entsprechendes Ermittlungsverfahren begonnen werden. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass sowohl mit der Anonymverfügung als auch der Strafverfügung jeweils höhere Strafsätze zur Anwendung kämen.
Zur Anzeigeverständigung mit der Zahl Zahl3: Anmerkung BFG: Betrifft StVO 1960 und ist nicht gegenständlich.
Am erließ die Magistratsabteilung 67 eine Anonymverfügung an den Bf. mit der der zu zahlende Gesamtbetrag mit 48 Euro festgesetzt wurde.
Mit Schreiben (E-Mail) vom monierte der Bf. an die Magistratsabteilung 67, offenbar sei seine e-Post, die beweise, dass er in arger gesundheitlicher Situation den Wagen abgestellt habe, nicht bemerkt worden und beendete das Schreiben wörtlich mit: "Also bitte lesen !!!"
Mit Schreiben vom teilte die Magistratsabteilung 67 dem Bf. unter Hinweis auf sein Vorbringen vom mit, der Sachverhalt sowie die rechtlichen Möglichkeiten seien dem Bf. schon mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden. Es werde seitens der Behörde auf das neuerliche Schreiben vom keine weitere Stellungnahme ergehen.
Mit Schreiben der Magistratsabteilung 67 vom (Lenkererhebung), Zahl MA67/Zahl1/2022, wurde der Bf. als Zulassungsbesitzer des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens Auskunft darüber zu erteilen, wem das genannte Kraftfahrzeug zum Beanstandungszeitpunkt überlassen worden sei.
Mit Schreiben vom teilte der Bf. der Magistratsabteilung 67 mit, er sei seit Ende 2021 rekonvaleszent und in mehreren Krankenhäusern und Arztpraxen in Behandlung. Außerdem sei ein Nebeneffekt Gehunfähigkeit, die ihm nicht erlaube über Stiegen in den Eingangsbereich zu gelangen, wo sein Postkasten liege. Daher habe er keine diesbezüglichen Schriftstücke erhalten, da der Postkasten bei Füllung in das Altpapier entsorgt worden sei und werde. Er sei aus gesundheitlichen Gründen zum Parken des Autos auf die Straßenbahn-Haltestelle gefahren. Deshalb ersuche er die Sache einzustellen.
Mit Strafverfügung vom , Zahl MA67/Zahl1/2022, lastete die Magistratsabteilung 67 dem Bf. an, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) am um 17:55 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Adr, abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.
Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit (iVm) § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.
Mit Schreiben vom erhob der Bf. Einspruch gegen die Strafverfügung vom und brachte vor, er habe jetzt viermal darauf verwiesen, dass er zur Vermeidung von Unfallgefahr das Auto dort geparkt habe.
Die belangte Behörde lastete dem Bf. mit dem hier angefochtenen Straferkenntnis vom , Zahl MA67/Zahl1/2022, die bereits näher bezeichnete Verwaltungsübertretung an und verhängte auf Grund der Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 (Wiener) Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe von 60 € und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ein (Mindest)Betrag von 10 € als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt, wodurch sich der zu zahlende Gesamtbetrag auf 70 € erhöhte.
Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und unter Hinweis auf den Einspruch des Bf. vom gegen die Strafverfügung vom Folgendes ausgeführt: Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstelle, müsse bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten (§ 5 Abs. 2 der Parkometerabgabeverordnung). Aufgrund der Aktenlage sei festzustellen, dass der Bf. dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, zumal die Übertretung selbst unbestritten geblieben sei. Der Bf. habe die Parkometerabgabe daher nicht entrichtet und somit fahrlässig verkürzt. Zu seinem Vorbringen bezüglich der Abstellung aus gesundheitlichen Gründen werde mitgeteilt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Notstand im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden könne, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer, unmittelbar drohender Gefahr einzig und allein dadurch retten könne, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begehe, wobei die Situation nicht schuldhaft herbeigeführt werden dürfe. Als Merkmal des Notstandes habe eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen zu gelten. Ein Verschulden liege dann vor, wenn die Zwangslage voraussehbar gewesen sei und Maßnahmen zur Verhinderung des Eintrittes der Notsituation möglich und zumutbar gewesen seien. Der Einwand des Bf. sei nicht geeignet ihn vom Tatvorwurf zu entlasten. Schließlich sei er in der Lage gewesen, das Fahrzeug zu lenken und abzustellen. Es sei daher nicht einzusehen, dass es dem Bf. nicht möglich gewesen wäre, Parkscheine zu entwerten. Mögen auch die Beweggründe, welche zur Abstellung des Fahrzeuges geführt hätten, menschlich verständlich sein, so könne die Behörde darin keine Notstandssituation erkennen. Die Einwendungen des Bf. seien somit nicht geeignet gewesen, ihn vom gegenständlichen Tatvorhalt zu entlasten. Es seien somit im Zuge des Verfahrens keine Tatsachen oder Umstände hervorgekommen, die zu dessen Einstellung führen hätten können. Es werde somit der Sachverhalt als erwiesen angenommen, wie er aus den schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben in der Organstrafverfügung sowie aus der Tatumschreibung in der Strafverfügung ersichtlich sei, zumal er diesen insgesamt unwidersprochen gelassen habe. Der Bf. habe sohin den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach der im Spruch zitierten Bestimmung verwirklicht und sei die angelastete Übertretung daher als erwiesen anzusehen gewesen. Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaube bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liege im gegenständlichen Fall nicht vor.
Nach § 4 Abs. 1 des Parkometergesetzes 2006 genüge zur Strafbarkeit des dort umschriebenen Verhaltens Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet, nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Auf Grund der Aktenlage sei Fahrlässigkeit anzunehmen gewesen.
Somit seien sowohl die objektiven, als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben. Der Bf. habe daher die Parkometerabgabe nicht entrichtet und somit fahrlässig verkürzt.
Weiters enthält das Straferkenntnis die maßgeblichen Bestimmungen für die Strafbemessung (§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991), erläutert diese näher und führt die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Strafzumessungsgründe an (hier: auf eventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen nach dem Wiener Parkometergesetz sei Bedacht genommen worden, soweit die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Bf. der Behörde bekannt gewesen seien, sei darauf Bedacht genommen worden).
Der Bf. erhob gegen das Straferkenntnis vom mit Schreiben (E-Mail) vom Beschwerde und brachte das Folgende vor (wörtlich): "In dieser Sache habe ich wenigstens 5 mal geantwortet und die Situation erklärt. Bitte lesen !!! Weise die Straferkenntnis vollinhaltlich zurück, weil längst erklärt."
Der Magistrat der Stadt Wien legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Der Bf. hat das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) am um 17:55 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Adr, abgestellt, ohne dieses zu Beginn des Abstellens mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben.
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsdarstellungen gründen sich auf die von der belangten Behörde vorgelegten Aktenteile.
Abstellort und -zeit des gegenständlichen Fahrzeuges werden auch vom Bf. nicht bestritten.
Dass sich zur Tatzeit im beanstandeten Kraftfahrzeug ein Parkschein befunden hätte, wird auch vom Bf. nicht behauptet und widerspräche zudem den Feststellungen der aktenkundigen Anzeige.
Das Gericht sieht daher die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 45 Abs. 2 AVG als erwiesen an.
3. Gesetzesgrundlagen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, ist die Gemeinde ermächtigt, durch Verordnung für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen gemäß § 25 StVO 1960 die Entrichtung einer Abgabe für mehrspurige Kraftfahrzeuge vorzuschreiben.
Gemäß § 1 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung ist für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) eine Abgabe zu entrichten.
§ 5 Wiener Parkometerabgabeverordnung lautet:
"(1) Die Abgabe gilt mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.
(2) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken."
4. Rechtliche Beurteilung:
Diesen rechtlichen Bestimmungen ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass jeden Verkehrsteilnehmer, der sein Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abstellt, die unverzügliche Verpflichtung trifft, die rechtlich vorgesehenen Parkscheine (in Papier oder auf elektronischem Weg) zu verwenden und diese rechtskonform bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entwerten und anzubringen bzw zu aktivieren.
Aus der Gegenüberstellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen resultiert die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der fahrlässigen Abgabenverkürzung.
Der Bf. setzt den Anzeigedaten des Meldungslegers in seiner Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde (und im gesamten Verfahrenslauf) im Wesentlichen entgegen, er sei bei der Heimkehr zur Garage (mit gegenständlichem Kraftfahrzeug) plötzlich von starkem Unwohlsein betroffen gewesen; daher habe er unmittelbar die Doppelhaltestelle der Straßenbahn vor seinem Haus als Abstellplatz benützt; er habe die Gefährdung durch seine Situation vermeiden wollen.
Somit beruft sich der Bf. auf entschuldigenden und strafbefreienden Notstand gemäß § 6 VStG.
§ 6 VStG normiert
"Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist."
§ 6 VStG regelt den entschuldigenden Notstand nicht, sondern setzt diesen voraus. Eine Notstandssituation erfordert - so wie beim rechtfertigenden Notstand - das Vorliegen eines unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteils für ein Rechtsgut. Gemäß § 10 StGB ist der Täter diesfalls entschuldigt, "wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie [die Tat] abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war". Die genannten Kriterien gelten grundsätzlich auch im VStG (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 6, Rz 11).
Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist unter Notstand gemäß § 6 VStG ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. Zum Wesen des Notstandes gehört es somit, dass der Beschuldigte einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Vermögen ausgesetzt ist und diese Gefahr in zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung behoben werden kann (vgl. , mwN).
Die Rechtsprechung des VwGH ist streng und lässt eine Entschuldigung kraft Notstands nur in Ausnahmefällen zu (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 6, Rz 12). So erkannte der VwGH, dass die von einem anderen Beschwerdeführer ins Treffen geführten "starken Unterleibskrämpfe" seiner Lebensgefährtin keineswegs unter den Begriff der "schweren unmittelbaren Gefahr" im Sinne des § 6 VStG zu subsumieren seien (vgl. ). Dasselbe hat daher auch für "plötzlich von starkem Unwohlsein betroffen gewesen und seit Ende 2021 rekonvaleszent zu sein (mit Gehunfähigkeit)", wie gegenständlich eingewendet, zu gelten.
Somit geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung nach § 45 Abs. 2 AVG davon aus, dass der Bf. sich nicht auf einen entschuldigenden Notstand im Sinne des § 6 VStG berufen konnte.
Auch das Vorbringen, seine Söhne hätten am späteren Nachmittag das Auto in die Garage geführt, konnte der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem Lenker, der sein Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abstellt, ohne vorher Parkscheine besorgt zu haben, Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist (vgl. ).
Somit sind auch die subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit als erwiesen anzusehen.
5. Zur Strafbemessung:
§ 4 Wiener Parkometergesetz 2006 lautet auszugsweise:
"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen".
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.
Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Bei der Strafbemessung war zu berücksichtigen, dass ein öffentliches Interesse an der ordnungsgemäßen und fristgerechten Abgabenentrichtung besteht. Wird die Parkometerabgabe nicht auf die vorgeschriebene Art und Weise entrichtet, entgehen einem öffentlichen Haushalt die entsprechenden Abgaben. Auch wenn diese Abgaben im Einzelfall in der Regel € 1,10 bis € 6,60 nicht übersteigen, ist angesichts der hohen Hinterziehungs- oder Verkürzungsanfälligkeit der Parkometerabgabe eine Bestrafung in einer Höhe geboten, die sowohl eine spezial- als auch eine generalpräventive Wirkung entfaltet. Zur Kontrolle einer rechtmäßigen Befolgung der Vorschriften des Parkometerabgabenrechts ist es dabei unabdingbar, dass die entsprechenden Mitwirkungspflichten der Verkehrsteilnehmer eingehalten werden (vgl § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung).
Die gegenständliche Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Bewirtschaftung eines ohnehin knappen städtischen Parkraumes und an der ordnungsgemäßen Entrichtung der Parkometerabgabe. Der Unrechtsgehalt der Tat (fahrlässige Abgabenverkürzung) erweist sich daher im vorliegenden Fall keineswegs als unbedeutend.
Das Ausmaß des Verschuldens kann im vorliegenden Fall in Anbetracht der offensichtlichen Außerachtlassung der objektiv gebotenen und zumutbaren Sorgfalt auch nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Gemäß § 19 VStG iVm § 33 Abs. 1 Z 2 Strafgesetzbuch (StGB) stellt es einen Erschwerungsgrund dar, wenn der Täter schon wegen einer gleichen Tat verurteilt worden ist, wobei aber bereits getilgte Verwaltungsstrafen bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt werden dürfen (vgl § 55 VStG, der diesbezüglich eine Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft vorsieht).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde auf zwölf aktenkundige einschlägige Vorstrafen nach dem Wiener Parkometergesetz (eine weitere Vorstrafe nach der StVO 1960 und zwei weitere Vorstrafen nach dem KFG) Bedacht genommen.
Eine Schuldeinsicht war beim Bf. im Rahmen des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens nicht zu erkennen. Der Milderungsgrund eines reumütigen Geständnisses kommt im vorliegenden Fall daher nicht in Betracht.
Einkommens- und Vermögensverhältnisse bzw allfällige Sorgepflichten hat der Bf. im Verwaltungsverfahren nicht bekannt gegeben, weshalb von der belangten Behörde zu Recht im Schätzungswege von durchschnittlichen Verhältnissen ausgegangen wurde (vgl ).
In Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände und unter Beachtung der in § 4 Abs. 1 Parkometergesetz normierten Strafdrohung iHv 365 € erscheint daher die seitens der belangten Behörde im untersten Fünftel vorgenommene Strafbemessung iHv 60 € keinesfalls als überhöht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Kostenentscheidung
Da die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG in Höhe von 10% der Strafen festzusetzen sind (mindestens jedoch mit zehn Euro), wurden sie somit in Höhe von € 10,00 korrekt festgesetzt.
Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.
Die beschwerdeführende Partei hat daher gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG weitere € 12,00 als Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu leisten.
Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 54b Abs. 1 VStG idF BGBl l 2013/33 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.
Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.
Hier erweist sich das Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich sowie Wanke/Unger, BFGG § 25 BFGG Anm. 6).
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 25 Abs. 2 BFGG, Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 14/2013 Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 45 Abs. 2 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 § 25a Abs. 4 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 § 52 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 1 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 25 StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 § 1 Abs. 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 5 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 10 StGB, Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 § 4 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 19 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 19 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 §§ 32 bis 35 StGB, Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 § 33 Abs. 1 Z 2 StGB, Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 § 64 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 52 Abs. 2 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 52 Abs. 6 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 54b Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 52 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 1 Abs. 1 Z 3 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991 § 25 BFGG, Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 14/2013 § 54b VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 50 Abs. 3 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 29 Abs. 4 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 82 Abs. 3b VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953 § 30 Z 4 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953 Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 50 Abs. 6 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 6 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 19 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 50 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500386.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at