Pfändung von im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldeten Forderungen / Weitergabe FinanzOnline-Zugangsdaten an unbekannte Dritte
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7102309/2021-RS1 | An der Nichtberücksichtigung der Abgabenforderungen im Zahlungsplan trifft den Abgabengläubiger indessen kein Verschulden, weil das Finanzamt mangels Kenntnis der fingierten Aufwendungen nicht davon ausgehen konnte bzw. musste, dass im Namen des Beschwerdeführers (BF) falsche Abgabenerklärungen eingereicht wurden. Hingegen ist dem BF ein Tatbeitrag zur Abgabenverkürzung unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige- und Offenlegungspflichten vorzuwerfen, die zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen wurde, aber erst im Nachhinein aufgrund Ermittlungen der Steuerfahndung aufgedeckt werden konnte, als eine Anmeldung als Konkursforderung nicht mehr zulässig war (§ 107 Abs. 1 IO). Somit liegen die Anwendungsvoraussetzungen des § 156 Abs. 4 IO vor, woran der Umstand, dass offenbar aus Gründen der Geringfügigkeit kein Finanzstrafverfahren gegen den BF als Beitragstäter eingeleitet und geführt wurde, nichts ändert. Denn für den Nichteintritt einer Forderungskürzung auf die Quote reicht schon ein fahrlässiges Verhalten des Schuldners. Aus welchen Beweggründen der BF seine Zugangscodes zu Unrecht an Dritte weitergegeben hat, ist unmaßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass im Hinblick auf die unberechtigte Weitergabe der Zugangscodes und der in weiterer Folge zu Unrecht lukrierten Gutschriften im Zuge der Veranlagung von seinem alleinigen Verschulden an der Unkenntnis des Finanzamtes von den erst nach Aufhebung des Konkursverfahrens hervorgekommenen Abgabenansprüchen auszugehen ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Ralf Höfler, Untere Viaduktgasse 6/6, 1030 Wien, vom , gegen den Bescheid des vormaligen Finanzamtes 4/5/10, nunmehr Finanzamtes Österreich, vom , betreffend Pfändung einer Geldforderung 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, in Folge: BF, hatte seine persönlichen Zugangsdaten zum Verfahren FinanzOnline über Mittelsleute an ***1*** weitergegeben, welcher am bzw. am die Einkommensteuererklärungen 2009 und 2010 mit falschen Angaben und unter Vorlage gefälschter Unterlagen durchführte. Aus den erklärungsgemäßen Veranlagungen resultierten Gutschriften iHv EUR 3.168,14 (2009) und EUR 589,74 (2010). Nach einer am mittels Wiederaufnahme des Verfahrens vorgenommen Korrektur kam es zur Verbuchung von Nachforderungen iHv EUR 3.098,04 (2009) und EUR 474,50 (2010).
Am wurde über das Vermögen des BF ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, welches nach Annahme und Bestätigung des Zahlungsplanes mit Beschluss vom aufgehoben wurde.
Über den bestehenden Rückstand erlangte das Finanzamt erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens am Kenntnis, da dieser erst durch die Ermittlungen im "Betrugsverfahren ***2***" bekannt geworden sei.
Mittels daraufhin ergangener Vorhaltsbeantwortung gestand der BF ein, dass er seine Online-Zugangsdaten für seinen FinanzOnline-Account an dritte Personen weitergegeben habe, die für ihn die Veranlagung in den Jahren 2009-2012 durchgeführt haben. Dafür habe er 50% Provision von dem in der Arbeitnehmerveranlagung erstatteten Betrag weitergeben müssen. Belege für die diversen Abzugsposten habe er nie übergeben.
Am 17.12.20219 stellte die belangte Behörde ein Auskunftsersuchen an die Finanzprokuratur zur Qualifikation der Forderungsgeltendmachung.
Am teilte die Finanzprokuratur der belangten Behörde mit, dass bei Anwendung der Bestimmung gem. § 156 Abs 4 IO die Forderungen der belangten Behörde zur Gänze geltend gemacht werden können.
In weiterer Folge wurden aus seinem Dienstverhältnis mit der ***AG*** stammende Geldforderungen des BF mit Bescheid vom gepfändet und die Überweisung der Geldforderungen an die Republik Österreich verfügt. Dem BF gegenüber wurde ein Verfügungsverbot erlassen.
[...]
Bei den Forderungen der belangten Behörde handle es sich grundsätzlich um Insolvenzforderungen, weil der diesen Abgabenforderungen zugrundeliegende Sachverhalt vor Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei und die Forderungen somit zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben. Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Zahlungsplan unberücksichtigt geblieben sind, können jedoch gemäß § 156 Abs 4 iVm § 197 Abs 1 IO auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen.
Der BF erhob durch seinen anwaltlichen Vertreter fristgerecht am Beschwerde gegen den Pfändungsbescheid und brachte vor, dass die geltend gemachten Forderungen nicht bestünden:
"Mit Schreiben der belangten Behörde an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zur Geschäftszahl 72 S 65/15s vom meldete das Finanzamt Wien 4/5/10 im rechtskräftig durch einen Zahlungsplan beendeten Schuldenregulierungsverfahrens mit Eigenverwaltung des Beschwerdeführers eine Forderung von € 7.443,26 an und begehrte die Behörde die Anerkennung der Richtigkeit dieser Forderung aufgrund eines Rückstandsausweises, der bereits vor der Insolvenzeröffnung ausgestellt wurde bzw. handelt es sich um Abgaben, für die der Abgabenanspruch vor Insolvenzeröffnung enstanden ist. Mit Schreiben der belangten Behörde vom erfolgte überraschenderweise die Zurücknahme der Forderungsanmeldung im rechtskräftig abgeschlossenen Insolvenzverfahren.
Der Beschwerdeführer erwägt:Die belangte Behörde gesteht selbst schriftlich zu, dass der nunmehr gepfändete Betrag auf Forderungen fußt, die bereits vor der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens des Beschwerdeführers entstanden sind. Es handelt sich demnach um eine "normale" Forderung der Gläubigerin, welche nur im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahrens nach einer entsprechenden Nachtragsanmeldung und Anberaumung einer nachträglichen Prüfungstagsatzung (über die diesbezügliche Leistungsfähigkeit des Schuldners) zu behandeln wäre. Sollte sich demnach herausstellen, dass der Schuldner sich die mit den ursprünglichen Gläubigern in der Prüfungstagsatzung und Abstimmung über den Zahlungsplan vereinbarten Raten leisten kann, so wäre die nachträglich angemeldete Aufforderung entsprechend zu bedienen.
Durch Zurücknahme der Forderungsanmeldung erfolgte eine nachträgliche Anmeldung eben nicht.
Dem angefochtenen Bescheid vom haftet demnach Rechtswidrigkeit an, da der Beschwerdeführer bis zur nachträglich bestimmten Forderung durch das Konkursgericht den Betrag auch anteilsmäßig nicht schuldet.
Ohne Hemmung der angefochtenen Entscheidung würde der Beschwerdeführer bis auf das Existenzminimum gepfändet werden, wodurch einerseits die Erfüllung des Zahlungsplanes durch die monatlichen Ratenzahlungen verunmöglicht wird, sodass die ursprünglichen Schulden Wiederaufleben würden. Zusätzlich könnte sich der Beschwerdeführer diemonatlichen Fixkosten insbesondere an Miete nicht mehr leisten und würde daher die Obdachlosigkeit drohen".
Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Pfändung sei aufgrund des Rückstandsausweises vom zu Recht erfolgt. Dieser sei ein Exekutionstitel gemäß § 4 AbgEO und berechtige die Abgabenbehörde zur Vollstreckung auf bewegliche körperliche Sachen und grundbücherlich nicht sichergestellte Geldforderungen.
Der BF beantragte am die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG). Ein weiteres Vorbringen erstattete er nicht.
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung des Rechtsmittels.
Mittels Urgenz vom , und erkundigte sich der anwaltliche Vertreter und der BF nach dem Verfahrensstand am BFG.
Am erging durch die Richterin folgender Vorhalt an den anwaltlichen Vertreter:
"Ich bearbeite gerade die Beschwerde des Hrn. ***Bf***. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Vorlagebericht zwar zu Ihren Handen adressiert wurde, bei der Zustelladresse "***Adr***" dürfte es sich aber um die Adresse Ihres (ehemaligen) Kanzleipartners handeln.
Meine Frage nun: Haben Sie den Vorlagebericht vom überhaupt erhalten? (zumindest wussten Sie von der Vorlage der Beschwerde an das BFG, sonst hätten Sie nicht bei mir urgiert).Danke für Ihre Rückmeldung!"
Eine Stellungnahme/Antwort dazu wurde nicht eingebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der BF erzielte u.a. in den Jahren 2009, 2010 und 2014 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.
Seine Zugangsdaten für seinen FinanzOnline-Account gab er unbekannten dritten Personen weiter, die sie wiederrum an ***1*** aushändigten. Dieser führte in weiterer Folge am (für 2009), am (für 2010) und am (für 2014) Arbeitnehmerveranlagungen auf Basis von ungerechtfertigten/gefälschten Aufwendungen durch, was zu entsprechend unberechtigten Gutschriften führte.
***3*** hat für mehr als 800 Abgabepflichtige über FinanzOnline Arbeitnehmererklärungen eingereicht, die zu ungerechtfertigten Rückzahlungen auf Grund falscher Angaben zu außergewöhnlichen Belastungen, Sonderausgaben und dem Pendlerpauschale an die Abgabepflichtigen führten.
***3*** bekannte sich in dem gegen ihn geführten gerichtlichen Finanzstrafverfahren stets umfassend geständig. Dafür wurde er am am Landesgericht für Strafsachen Wien (***Hv***) des Abgabenbetruges schuldig gesprochen.
Gegenüber dem BF wurde kein Finanzstrafverfahren eröffnet/durchgeführt.
Am wurde über das Vermögen des BF ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, welches nach Annahme und Bestätigung des Zahlungsplanes mit Beschluss vom aufgehoben wurde. Dabei hat sich der BF verpflichtet, 34% der angemeldeten Forderungen, verteilt auf 10 halbjährliche Quotenzahlungen, an die Gläubiger zu verteilen.
Die belangte Behörde hatte ab dem Kenntnis von den ungerechtfertigten Gutschriften des BF und übermittelte ihm einen Vorhalt samt Rechtsbelehrung (FinstrG) zur Darstellung der Malversationen. In seiner Stellungnahme gab er bekannt, dass er für die Weitergabe seiner Zugangsdaten (FinanzOnline) in weiterer Folge 50% Provision für die zu Unrecht erlangte Gutschrift abführen musste. Belege hat er weder dem Finanzamt noch sonstigen Personen übermittelt.
Nach einer durch die belangte Behörde am mittels Wiederaufnahme des Verfahrens vorgenommen Korrektur kam es zur Verbuchung von Nachforderungen iHv EUR 3.098,04 (2009), EUR 474,50 (2010) und EUR 1.434,00 (2014).
Die Forderungen gegen den BF aus dem Einkommensteuerbescheid 2009, 2010 und 2014 wurden im Schuldenregulierungsverfahren mangels Kenntnis der Behörde nicht geltend gemacht.
Am erließ die belangte Behörde aufgrund fälliger und nicht entrichteter Abgaben einen Rückstandsausweis in Gesamthöhe von EUR 7.443,26 und meldete am selben Tag die Forderungen gem. § 197 IO beim BG Innere Stadt an. Am nahm die belangte Behörde die Forderungsanmeldung wieder zurück.
Am 17.12.20219 stellte die belangte Behörde ein Auskunftsersuchen an die Finanzprokuratur zur Qualifikation der Forderungsgeltendmachung.
Am teilte die Finanzprokuratur der belangten Behörde mit, dass bei Anwendung der Bestimmung gem. § 156 Abs 4 IO die Forderungen der belangten Behörde zur Gänze geltend gemacht werden können.
Mit Bescheid vom wurden aus einem Dienstverhältnis mit der ***AG*** stammende Geldforderungen des BF gepfändet und die Überweisung der Geldforderungen an die Republik Österreich verfügt. Dem BF gegenüber wurde ein Verfügungsverbot erlassen.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Aktenteilen, der Einsicht in die Ediktsdatei des Bundesministeriums für Justiz und in das Abgabeninformationssystem des Bundes und sind unstrittig.
Die Daten zur Verurteilung des ***1*** entstammen dem Auszug aus der Finanzstrafdatei (***GF***) sowie dem Betriebsprüfungsbericht vom (ABNr.: ***4***). Anhand der Ermittlungshandlungen, sowie umgesetzter Zwangsmaßnahmen der Steuerfahndung im Rahmen gerichtlich bewilligter Anordnungen der Staatsanwaltschaft Wien geht hervor, dass ***3*** über Jahre (2008-2015) Umsätze und Einkünfte aus dem Erstellen und Einreichen inkriminierter Arbeitnehmerveranlagungen erzielte; seine geständige Verantwortung ist darin ebenso dokumentiert.
Auch im Jahr 2014 wurden Sonderausgaben zu Unrecht geltend gemacht, was zu einer entsprechenden bescheidmäßigen Rückforderung führte (s. wiederaufgenommener ESt-Bescheid vom bzw. BVE vom ).
Strittig ist lediglich die Rechtsfrage der Geltendmachung von Forderungen nach Abschluss eines Schuldenregulierungsverfahrens.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hierbei gemäß Abs. 2 mitzuteilen, dass die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Die Pfändung ist gemäß Abs. 3 mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen. Gemäß Abs. 4 kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot anfechten oder beim Finanzamt die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.
Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind gemäß § 226 BAO in dem von der Behörde festgesetzten bzw. vom Abgabepflichtigen bekannt gegebenen Ausmaß vollstreckbar.
Als Grundlage für die Einbringung ist gemäß § 229 BAO über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel).
Als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen kommen gemäß § 4 AbgEO die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise in Betracht.
Dem gegenständlichen Pfändungsbescheid vom liegt ein Rückstandsausweis vom iSd § 229 BAO iVm § 4 AbgEO zugrunde, der vollstreckbare Abgabenschuldigkeiten iSd § 226 BAO in derselben Höhe ausweist.
§ 156 IO (Insolvenzordnung) lautet:
(1) Durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan wird der Schuldner von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.
[…]
(4) Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan unberücksichtigt geblieben sind, können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen.
§ 197 IO lautet:
(1) Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben,haben nur unter der Voraussetzung, dass sie nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt wurden, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote, jedoch nur für die Restlaufzeit des Zahlungsplans, mindestens aber bis zum Ablauf von drei Jahren ab der Annahme des Zahlungsplans, selbst wenn die Laufzeit früher endet, und nur insoweit, als diese Quote der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. § 156 Abs. 4 bleibt unberührt.
Gemäß § 12 Abs. 1 AbgEO können gegen den Anspruch im Zuge des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind.
Wenn der Abgabenschuldner bestreitet, dass die Vollstreckbarkeit eingetreten ist oder wenn er behauptet, dass das Finanzamt auf die Einleitung der Vollstreckung überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat, so hat er seine bezüglichen Einwendungen gemäß § 13 Abs. 1 AbgEO beim Finanzamt (§ 12 Abs. 2) geltend zu machen.
Zum Vorbringen des Bf., dass die dem Pfändungsbescheid zugrundeliegenden Forderungen im Insolvenzverfahren nicht angemeldet worden seien, ist zunächst das Entstehen der Abgabenansprüche zu klären.
Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 4 Abs. 1 BAO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 und 2 BAO insbesondere bei der Einkommensteuer für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Abgabepflicht erst im Lauf des Kalendervierteljahres begründet wird, mit der Begründung der Abgabepflicht; für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.
In Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) bleiben gemäß § 4 Abs. 3 BAO unberührt.
Der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ist gemäß § 4 Abs. 4 BAO ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches.
Dem Beschwerdevorbringen ist insoweit zu folgen, als es sich bei der Einkommensteuer 2009, 2010 und 2014 grundsätzlich um Insolvenzforderungen handelt, da der diesen Abgabenforderungen zugrundeliegende Sachverhalt vor Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde und die Forderungen somit zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits. bestanden haben.
Entsteht die Abgabenschuld demnach vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, so gehört sie zu den Verbindlichkeiten, von denen der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Zahlungsplan gemäß § 156 Abs. 1 IO anteilig befreit wird, gleichgültig ob die Abgabenschuld vor oder während des Insolvenzverfahrens oder nach dessen Beendigung bescheidmäßig geltend gemacht wird. In diesem Fall gilt und wirkt die besondere Entrichtungs- und Tilgungsordnung des Insolvenzrechtes und verdrängt die abgabenrechtlichen Bestimmungen dieser Art (vgl. ).
Liegen hingegen die Voraussetzungen des § 156 Abs. 4 IO vor (mangelnde Berücksichtigung nur aus Verschulden des Schuldners), tritt eine Kürzung der Forderung auf die Quote von allem Anfang nicht ein. Der Schuldner muss die von den materiellrechtlichen Zwangsausgleichswirkungen nie erfasste Forderung voll zahlen.
§ 156 Abs. 4 IO setzt voraus, dass die Nichtberücksichtigung ausschließlich durch ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Schuldners verursacht wurde (; ). Bereits leichtes Mitverschulden des Gläubigers schließt die Anwendung aus (; vgl. Lovrek in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 156 Rz 140, und die weiteren Nachweise im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0011).
Vom Finanzamt selbst ist eine Organisation zu verlangen, die eine zuverlässige und rasche Information über die Konkurseröffnung von Abgabenschuldnern gewährleistet. Meldet aber ein Finanzamt als Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren deshalb nicht an, weil es (ohne sein Verschulden) über die Existenz der Forderung nicht Bescheid weiß, und ist diese Unkenntnis auf ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Schuldners zurückzuführen, so liegt ein Fall des § 156 Abs. 4 IO vor und kann das Finanzamt daher nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung der Abgabenschulden im vollen Betrag vom Schuldner verlangen (vgl. , mwN).
Im vorliegenden Streitfall erlangte das Finanzamt von den der Pfändung zugrundeliegenden Abgabenansprüchen erstmals anlässlich einer sog. "Betrugsmeldung" vom Kenntnis. Erst ab diesem Zeitpunkt stellte sich heraus, dass der bereits veranlagten Einkommensteuer in den Jahren 2009, 2010 und 2014 falsche Daten zugrunde liegen, die zu Unrecht zu Gutschriften führten.
Aufgrund des erst Jahre nach der durchgeführten Veranlagung zu Tage getretenen Umstandes, nämlich der Kenntnis der Geltendmachung von fiktiven Abzugsposten in der Arbeitnehmerveranlagung durch ***1***, wurden die betroffenen Einkommensteuererklärungen mit Bescheiden vom wiederaufgenommen und entsprechenden Korrekturen durchgeführt.
Da das über das Vermögen des BF eröffnete Schuldenregulierungsverfahren mit rechtkräftigem Gerichtsbeschluss vom aufgehoben wurde, war dem Finanzamt eine Anmeldung der Abgabennachforderungen als Konkursforderungen nicht mehr möglich. An der Nichtberücksichtigung dieser Abgabenforderungen im Zahlungsplan trifft den Abgabengläubiger indessen kein Verschulden, weil das Finanzamt mangels Kenntnis der fingierten Aufwendungen in den betroffenen Jahren nicht davon ausgehen konnte bzw. musste, dass im Namen des BF falsche Abgabenerklärungen eingereicht wurden. Hingegen ist dem BF ein Tatbeitrag zur Abgabenverkürzung unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige- und Offenlegungspflichten vorzuwerfen, die zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen wurde, aber erst im Nachhinein aufgrund Ermittlungen der Steuerfahndung aufgedeckt werden konnte, als eine Anmeldung als Konkursforderung nicht mehr zulässig war (§ 107 Abs. 1 IO). Somit liegen die Anwendungsvoraussetzungen des § 156 Abs. 4 IO vor, woran der Umstand, dass offenbar aus Gründen der Geringfügigkeit kein Finanzstrafverfahren gegen den BF als Beitragstäter eingeleitet und geführt wurde, nichts ändert. Denn nach der oben dargestellten Rechtslage genügt für den Nichteintritt einer Forderungskürzung auf die Quote schon ein fahrlässiges Verhalten des Schuldners. Aus welchen Beweggründen der BF seine Zugangscodes zu Unrecht an Dritte weitergegeben hat, ist unmaßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass im Hinblick auf die unberechtigte Weitergabe der Zugangscodes und in weiterer Folge hohen Gutschriften im Zuge der Veranlagung von seinem alleinigen Verschulden an der Unkenntnis des Finanzamtes von den erst nach Aufhebung des Konkursverfahrens hervorgekommenen Abgabenansprüchen auszugehen ist.
Durch die Teilnahme an FinanzOnline musste der BF auch Kenntnis über folgende Bestimmung haben, wonach eine Weitergabe der Zugangsdaten ausdrücklich untersagt ist:
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006), StF: BGBl. II Nr. 97/2006
Allgemeine Vorschriften, Sorgfaltspflichten, Zurechnung von Anbringen
§ 1 Abs 3: Parteien und deren Vertreter, die an FinanzOnline teilnehmen und dafür von den Abgabenbehörden Zugangsdaten erhalten, haben diese, auch wenn sie selbst bestimmt wurden, sorgfältig zu verwahren, soweit zumutbar Zugriffe darauf zu verhindern und die Weitergabe der Zugangsdaten zu unterlassen. Die Ausstellung von weiteren Zugangsdaten und deren Weitergabe zum Zweck der Einräumung von Zugriffsrechten an andere Personen ist im eigenen Verantwortungsbereich des Teilnehmers nach Maßgabe der für den jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung stehenden Funktionen (Abs. 2) zulässig, doch haben die so berechtigten Personen dieselben Sorgfaltspflichten, insbesondere dürfen die Zugangsdaten nicht weitergegeben werden. Der Teilnehmer darf Zugriffsrechte nur natürlichen Personen einräumen.
Im Übrigen traf den BF im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahren gemäß den insolvenzrechtlichen Vorschriften weiters die Verpflichtung ein vollständiges Vermögensverzeichnis vorzulegen, aus dem sämtliche offenen Forderungen und Verbindlichkeiten ersichtlich sind. Auch dieser Verpflichtung ist der BF schuldhaft durch Verwirklichung des oben angeführten Sachverhaltes nicht nachgekommen.
Die belangte Behörde war daher unverschuldet durch das schuldhafte Verhalten des BF gehindert, eine Geltendmachung der Forderungen vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahren bzw. vor Rechtskraft des Zahlungsplans abzugeben. Der belangten Behörde ist daraus kein Vorwurf zu machen. Die nachträgliche Konkursanmeldung sowie die Zurücknahme der Forderungsanmeldung ändern daran nichts.
Aus obigen Ausführungen ergibt sich die Berechtigung der belangten Behörde, die aus dem Rückstandsausweis vollstreckbaren Forderungen im Rahmen eines Pfändungsbescheides gegenüber dem Arbeitgeber des BF geltend zu machen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Finanzamt Österreich
§ 323b Abs. 1 bis 3 BAO lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2020 (2. FORG)
§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.
(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.
(3) Eine vor dem von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.
Die gegenständliche Entscheidung ergeht daher an das Finanzamt Österreich.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil sich das BFG bei den erheblichen Rechtsfragen auf die in den rechtlichen Erwägungen wiedergegebene Rechtsprechung des VwGH stützen konnte.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 156 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 107 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 197 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 12 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 197 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 156 Abs. 4 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 156 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 13 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 4 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Winkler in BFGjournal 2023, 261 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102309.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at